Neue Software kurz angetestet
Am 15. September 2022 soll die neue Bildbearbeitungssoftware Radiant Photo in Deutschland erscheinen. Entwickelt von Radiant Imaging Labs (USA) basiert sie auf einer Software für Print-Dienstleister. Die neue Bildbearbeitung soll die Postproduktion für Nutzer:innen bequem und einfach gestalten (hier grüßt das Smartphone!). Möglich machen sollen das KI-gestützte Automatiken wie z.B. die Perfectly Clear-Technologie, die schon länger bei sehr vielen Print-Dienstleistern weltweit eigesetzt wird.
Hochwertige Bilder mit perfekter Farbwiedergabe in Rekordzeit – das ist die Werbebotschaft, die die Macher von Radiant Photo propagieren. Ihr Foto-Optimierungs-Programm soll alle (notwendigen) Verbesserungen an Fotos vollautomatisch erledigen. Im Idealfall sollen Nutzer:innen die optimierten Fotos nur noch speichern müssen. Die Frage ist allerdings, ob Besitzer:innen einer hochwertigen Systemkamera das eigentlich wollen – viele Fotograf:innen misstrauen derartigen Vollautomatiken nach wie vor. Nach der eher bescheidenen Gesamtperfomance von Luminar Neo im Frühjahr war ich gespannt, was Radiant Photo als Neuling im Endverbrauchergeschäft zu leisten vermag.
Grundsätzlich bietet Radiant Photo zwei Bearbeitungswege an: die schnelle Vollautomatik und ausgehend von einem (Preset-)Vorschlag die Möglichkeit, vollumfänglich in den Bearbeitungsprozess eingreifen zu können. Das Programm verarbeitet sowohl RAW-Daten als auch JPGs.
Das Bild oben zeigt den Eröffnungs-Screen. Links werden die Presets angezeigt, das Ausgewählte ist jeweils farblich unterlegt. In der Mitte oben kann man zwischen Schnellbearbeitung und ausführlicher Bearbeitung wählen. Entscheidet man sich für letztere Variante, können auf der rechten Seite die einzelnen Bearbeitungswerkzeuge aus einer Palette angesteuert werden. Dabei werden die automatisch gewählten Parameter auch optisch angezeigt. Die Reaktionsgeschwindigkeit auf die Veränderung fällt je nach Werkzeug und Dateigröße leicht unterschiedlich aus. Natürlich gibt es auch einen Vorher-Nachher-Schieber, den man über das Bild ziehen kann.
Macht eine Vollautomatik Sinn?
Ja und nein! Ja dann, wenn man feststellt, dass (warum auch immer) eine Fotostrecke misslungen ist. Das kann eine Fehlbelichtung, ein falscher Weißabgleich oder ähnliches sein, also alle die Parameter, die eine Bildbearbeitungssoftware nachträglich verändern kann. Sehr gut funktioniert das bei RAWs, eingeschränkt auch bei JPGs. Ein anderer Anwendungsfall könnte eine schnelle Stapelverarbeitung bei großen Bildstrecken (Hochzeit, Sport usw.) für eine Vorauswahl sein. Nein, wenn man die Kontrolle der Bildentwicklung nach der Aufnahme behalten will und Zeit kein Faktor ist.Hier verbessert das Programm eine Unterbelichtung bei einer Bilderstrecke. Die Software analysiert zunächst die Bildinhalte und optimiert dann, hier mit dem Preset für „Landschaft“, das Foto. Wenn einem der Vorschlag gefällt, kann man das Ergebnis auf die restlichen Aufnahmen synchronisieren. Neben eigenen Presets können auch alle Voreinstellungen, die unabhängig vom Motiv funktionieren, geändert und gespeichert werden.
Der Zeitfaktor ist natürlich nicht alles.
Wenn man gerne die volle Kontrolle über seine Bildbearbeitung behält, aber z.B. als Anfänger:in in der Bildbearbeitung die Unterstützung einer KI-gestützten Automatik nutzen will, dann ist das mit Radiant Photo auch möglich. Mit der Auswahl „Erweiterter Modus“ erhält man Zugriff auf alle Bildbearbeitungsfunktionen des Programms. So wie bei Lightroom und anderen Programmen bietet Radiant Photo die Möglichkeit zur Belichtungs- und Farbkorrektur, zum Schärfen und anderen Standardparametern und lässt dabei nur wenige Wünsche offen. Sogar verschiedene Verlaufsfilter gibt es. Allerdings reicht die Rauschunterdrückung oder das Schärfen-Werkzeug trotz AI nicht an die Spezialisten unter den Bildbearbeitungsprogrammen heran. Was ebenfalls fehlt ist ein Reparatur-Werkzeug, mit dem sich Flecken und Staub retuschieren lassen, schade!Anscheinend kann Radiant Photo dagegen auf spezielle Gimmicks wie Werkzeuge zur Porträtkorrektur, mit denen man die Haut glätten oder Schminke auftragen kann, oder auch LUTs, also Bild-Looks für spezielle Effekte (z.B. verschiedene 60er-Jahre-Filme), ebenso wenig verzichten wie andere Newcomer in dem Bereich. Aus allen eigenen Änderungen/Bearbeitungen können sogenannte „Smart Presets“ erzeugt und abgespeichert werden.
Ein erstes Fazit
Obwohl alle Funktionen, die Radiant Photo bietet, auch in den schon bekannten Bildbearbeitungsprogrammen wie Lightroom, Photoshop, DxO PhotoLab5 usw. enthalten sind, kann sich die Anschaffung lohnen: die Software ist gut strukturiert und dazu wirklich intuitiv bedienbar. Sie kann also durchaus Zeit sparen. Die automatischen Korrekturen, die das Programm anbietet, machen insgesamt einen guten Eindruck. Allerdings kann Radiant Photo seinen amerikanischen Ursprung nicht verbergen: je nach Kameraeinstellung weisen die automatischen Ergebnisse einen deutlich erkennbaren, amerikanischen Bildlook mit bunten Farben und sehr knackigen Kontrasten auf.Die Perfomance des Programms ist besonders bei der Verarbeitung von RAWs auf meinem Computer sehr gut. Da leider essentielle Funktionen wie z.B. ein Reparaturpinsel/-Stempel bisher fehlen, macht die Software für ambitionierte Anwender:innen nur als Ergänzung zu bereits vorhandenen Bildbearbeitungsprogrammen Sinn.
Radiant Photo wird für Windows und MacOS angeboten und kann auch als Plug-In in LR, PS und Corel PaintShop installiert werden. Der Preis für die Stand-Alone-Version beträgt 169 €.
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© Netzwerk Fotografie und Dieter Doeblin. Jedwede Art der Veröffentlichung, auch auszugsweise, bedarf der Genehmigung. Text: Dieter Doeblin, Fotos: D. Doeblin, Radiant