Klar aufgebaut und hilfreich, aber kein Praxisleitfaden
Seit längerem suche ich bereits ein richtig gutes Buch, das mich mit einer beherrschbaren Lernkurve in das äußerst mächtige Premiere Pro bzw. den professionellen Videoschnitt einführt. Auf das Buch von Martin Querenbaum war ich also recht gespannt. Es richtet sich laut Verlag an Einsteiger:innen und steht unter dem Motto: "Premiere Pro praxisnah erlernen und professionell nutzen", genau mein Ziel.
Alle 42 Kapitel des Buches einzeln durchzugehen sprengt den Rahmen dieser Rezension. Deshalb werde ich die wichtigsten Stationen des Inhalts zusammenfassen. In den ersten Kapiteln werden die (optimalen) Systemvoraussetzungen angesprochen, die Programmoberfläche vorgestellt, erste Projekteinstellungen vorgenommen und Rohdaten importiert. Dann werden die Clips gesichtet und sortiert und erste Sequenzen erstellt. Es folgt der Roh- und Feinschnitt. Daran schließt sich der umfassende Teil der Titelgenerierung, Videoüberblendung und -effekte an. Den Abschluss dieses Teiles bilden Audiobearbeitung, deren Effekte und die umfangreichen Exportfunktionen. Es folgen noch einige Workshops, in denen einzelne Probleme/Aufgaben in der Videobearbeitung angegangen werden. Es sind aber nur zehn dieser Workshops vorhanden, die kurze Sequenzen beleuchten, wie z.B. Videos entwackeln oder Personen unkenntlich machen.
Ich möchte nicht weiter in die detaillierte Vorstellung des Buches einsteigen. Die Auswahl der Themen und deren Reihenfolge entspricht durchaus meinen Erwartungen und ist völlig in Ordnung. Das Buch hinterlässt bei mir trotz seiner unbestreitbaren Stärken aber ein etwas ambivalentes Gefühl. Der schieren Fülle an Informationen und dem Können des Autors steht eine teilweise durchwachsene Umsetzung in der Präsentation gegenüber, die meinen Spaß an der Lektüre mindert. Das wird bereits bei einem schnellen Durchblättern der Kapitel gut sichtbar.
Die Screenshots vom Programm sind für meinen Geschmack grenzwertig klein. Die Schrift in den abgebildeten Programm- oder Dialogfenstern ist so winzig, dass ich sie auch mit Brille kaum noch und stellenweise gar nicht mehr lesen kann. Das mag ein grundsätzliches Problem sein, aber an dieser Stelle erwarte ich eine intelligente Lösung. Entweder sollte z.B. mit kleineren Ausschnitten gearbeitet oder die Abbildungen größer gesetzt werden. Zweitens sind die im Text besprochenen Punkte im Bild (Kugelzahlen) sehr schlecht zu erkennen. Ein dunkles Lila auf dunkelgrauem Hintergrund. In manchen Fällen wird die Verfolgung der einzelnen Punkte im Bild dann zum Suchspiel. Gottlob eher selten, aber im konkreten Fall doch ungünstig ist es, wenn die Reihenfolge der Zahlen im Bild nach einer etwas wilden Logik springt.
Der Autor setzt im Buch sehr stark auf Information in Tabellenform. Sehr viele Fenster und Dialoge von Premiere Pro CC werden in umfangreichen Tabellen beschrieben. Um eine systematische Übersicht der einzelnen Bestandteile des Programms zu erhalten, ist das ganz in Ordnung, eine praxisgerechte Einführung ins Programm sieht für mich aber anders aus. Wer also eher etwas Nachschlagen will oder eine Referenz der Informationen sucht, für den ist eine solche Organisation nicht schlecht. Wenn man sich jedoch erst einmal im Programm und mit den Arbeitsabläufen zurechtfinden will (Stichwort: Praxisleitfaden), hemmt es aus meiner Sicht den Lesefluss eher und unterbricht die kompakte Einführung im Text.
Leider taugt der Index in meinen Augen nicht zur Orientierung im Text, dazu empfehle ich eher das sehr ausführliche Inhaltsverzeichnis. Der Index gibt wenig her, damit steht dieses Buch aber bei Weitem nicht alleine da. Allerdings wiegt dieser Sachverhalt schwerer, wenn das Buch in erster Linie zum Nachschlagen dienen soll.
Sind dies eher lästige Unzulänglichkeiten, so stört mich die an vielen Stellen sehr knappe Darstellung der Inhalte mehr. Ein Beispiel gibt Kapitel 15 Farbkorrektur - ein Abschnitt, der für Einsteiger in die Videobearbeitung sicherlich von einiger Bedeutung ist. Es geht dabei nicht nur um einen eventuell vorhandenen Farbstich, sondern z.B. auch um Helligkeitsanpassungen und eine gezielte farbliche Verfremdung. Wird die Anpassung der generellen Helligkeit noch halbwegs ausführlich in einer "Trockenübung" gezeigt, fallen etwas ausgefeiltere Farbkorrekturen schon weitgehend unter den Tisch. Die Nutzung der unterschiedlichen Scopes zur Analyse und Bearbeitung der Farbinhalte wird nur kurz erwähnt, ebenso der Einsatz von Lookup-Tables (LUTs). Warum die Sekundäre Farbkorrektur dann erst etwa 174 Seiten später in einem Workshop behandelt wird, ist mir auch nicht ganz klar.
Fazit
Insgesamt sicherlich ein klar aufgebautes und hilfreiches Buch mit vielen tabellarischen Informationen. Für mich ist es aber als grundlegende Einführung bzw. als Praxisleitfaden eher ungeeignet, zumal für Einsteiger, denen teilweise selbst noch die Begrifflichkeiten fehlen. Von mir gibt es daher 3 von 5 möglichen Sternen.Die Daten
Martin Quedenbaum. Das Premiere Pro CC Buch. Praxisleitfaden und Referenz für professionelle Videobearbeitung erschien am 01.05.2022 im dpunkt.verlag. 488 Seiten, komplett in Farbe, Festeinband, 19.1 x 3 x 24.9 cm. Auch als E-Book (PDF) erhältlich.Gedruckte Version:
ISBN: 978-3-86490-827-9 / Preis: 44,90 €
Im Bundle (Buch + PDF):
ISBN: 978-3-96910-629-7 / Preis: 49,90 €
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Bewertung
Rezension: Lothar Schloemer
© Lothar Schloemer. Jedwede Art der Veröffentlichung, auch auszugsweise, bedarf der Genehmigung. Text: Lothar Schloemer, Bildnachweis: © dpunkt.verlag