Ein Ausblick: Stacked-Sensoren

Ein Ausblick auf die zukünftige Entwicklung der „Computer mit Objektivanschluss“, auch DSLM genannt.

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Die Zukunft der DSLM​

Titelgrafik Schichtsensoren


Leider hat die Recherche zu den neuen Sensoren und den damit zu erwartenden „systemischen“ Neuerungen in der Fotografie mangels aussagekräftigen Infos der Hersteller länger gedauert als gedacht. Aber hier nun, passend zum Jahresanfang, wie versprochen mein kleiner Ausblick auf die zukünftige Entwicklung der „Computer mit Objektivanschluss“, genannt auch DSLM. Natürlich habe ich auch keine Glaskugel, die mir die Zukunft anzeigt. Daher ist das, was ich hier ausführe, lediglich meine persönliche Einschätzung und Meinung.

Auf dem Markt erhältlich sind bisher lediglich drei Kameras mit den neuen Stacked-Bildsensoren: die Canon R3, die Nikon Z 9 und die Sony Alpha 1, alle drei im FX-Format. Weitere sind zu erwarten bzw. angekündigt, auch mit kleineren Bildsensoren.

Produktbild von links nach rechts: Canon R3, Nikon Z 9, Sony A1


Die drei gegenwärtig erhältlichen Modelle gehören zu den hochpreisigen Profikameras, die bei ca. 6.000 Euro anfangen (R3 und Z 9) und bis 7.300 Euro (Sony A1) reichen.

Wie schon erwähnt ist die Informationsbasis zu den neuen Sensoren und allem, was dazugehört, nach wie vor dürftig, und die wenigen Infos die zu finden sind glänzen auch nicht gerade durch Offenheit, was die verwendete Technologie angeht. Aber ich denke, dass das, was ich zusammentragen konnte, zumindest die wichtigen Aspekte der neuen Techniken und Trends etwas erhellt, und der interessierte Leser seine eigenen Schlüsse ziehen kann.

Anfangs möchte ich noch einmal festhalten, dass die aktuelle Generation der Top-DSLMs in allen Aufnahmeformaten insgesamt ein fototechnisch sehr hochwertiges Portfolio darstellt und mit den Kameras auch jede alltägliche Fotoaufgabe auf sehr hohem Niveau erledigt werden kann! Umso interessanter dürfte die Frage sein, was die anstehenden Neuerungen für Vorteile bringen, vor allem auch hinsichtlich der zu erwartenden (höheren) Investitionskosten.

Die entscheidenden Bereiche für mögliche Verbesserungen dürften die folgenden sein:
  • Bildqualität
  • Performance
  • Handling
Dazu kommen noch die Fragen des Preis-/ Leistungsverhältnisses sowie der Nachhaltigkeit und Wertebeständigkeit.

Bevor ich mich mit den möglichen Verbesserungen und Entwicklungen der neuen Kamerageneration beschäftige, beschreibe ich vorab, wie diese neuen Stacked-Sensoren grundsätzlich funktionieren und wie sie sich von den vorherigen Sensorgenerationen unterscheiden.

CMOS-Bildsensoren​

Fotosensoren bestehen aus verschiedenen Ebenen, die bisher gemeinsam auf sogenannten Wafern hergestellt wurden.

Grafik: Schematischer Aufbau Bildsensor


Grafik: front-illuminated (FSI) Bildsensoren, back-illuminated (BSI) Bildsensoren, Flächenverhältnis


Anfänglich waren die CMOS-Sensoren als „front-illuminated“ (FSI) Bildsensoren ausgeführt. Bei dieser Bauweise wurde das einfallende Licht erst durch die Lage der elektrischen Verschaltung geführt, ehe es auf die eigentliche analoge Fotodiode gelangte.

Im nächsten Schritt entwickelte man den „back-illuminated“ Sensor (BSI). Bei dieser Bauweise verlegte man die Ebene mit den Schaltkreisen und Transistoren weitgehend nach unten. Dies führte zu einer Verbesserung sowohl des Rauschens als auch der Empfindlichkeit. Allerdings war die eigentliche Größe der Fotodiode immer noch kleiner als das Pixel an sich, da immer noch Schaltungselemente auf gleicher Ebene um die Fotodiode herumliefen. Darüber hinaus konnte die Sammellinse immer noch nicht zentrisch arbeiten, sondern der fokussierte Lichtstrahl musste seitlich abgelenkt werden. Auch wurden die Sammellinsen flacher, und sie mussten das Licht dadurch stärker beugen.

Stacked-Sensoren​

Den nächsten Entwicklungsschritt machte man mit den neuen Stacked-Sensoren. Diese Bildsensoren sind aus mehreren Schichten aufgebaut. So trennt man die eigentliche, lichtempfindliche Schicht von der des Bildprozessors. Man fasst aus Stabilitätsgründen den optischen Filter, die Sammellinsen, die Fotodioden, die A/D-Wandler und DRAMMs zu einer Schicht zusammen und ordnet den eigentlichen Bildprozessor in einer zweiten Schicht darunter an. Die beiden Schichten werden getrennt produziert und müssen in einem hochkomplexen Prozess verklebt und verlötet werden.

Die momentan verbauten Stacked-Sensoren sind, auf das einzelne Pixel bezogen, flächenmäßig noch genauso aufgebaut wie die letzten CMOS-BSI-Sensoren, bei denen sich immer noch Schaltkreise auf der gleichen Ebene neben der eigentlichen Fotodiode befinden.

Grafik: Flächenverteilung sowie Funktion der Sammellinsen


Dabei bleiben die Nachteile, wie z.B. kleinere lichtempfindliche Pixelfläche oder nicht zentrisch arbeitende Sammellinse, leider noch bestehen. Der „ideale“ Stacked-Sensor, der diese Nachteile beseitigt, ist aber längst in der Entwicklungs-Pipeline. So hat Sony unlängst eine „neue Technologie“ für Stacked-Sensoren vorgestellt:

Grafik: neue Technologie für stacked Sensoren


Hier werden alle Schaltkreise unter die eigentliche Pixelebene auf separate Layer verlegt. So kann die wirksame Pixelfläche vergrößert werden und die Sammellinse ohne Beugung der Lichtstrahlen arbeiten. Die Fotodiode erstreckt sich oben über die gesamte Pixelfläche und wird dadurch empfindlicher: sie kann mehr Licht einfangen und eine entsprechend höhere Spannung erzeugen. Die Schaltkreise bekommen darunter in einem eigenen Layer ebenfalls mehr Platz. Da größere Transistoren bzw. eine geringere Packungsdichte bei der Signalverstärkung weniger Rauschen erzeugt, führen beide Faktoren zusammen zu einem höheren Rauschabstand und einem vergrößerten Dynamikumfang. Sony betont, dass diese Art „Stacked-Bild-Sensoren“ vorerst nur für Smartphones entwickelt werden sollen.

Aus diesen und weiteren Forschungsarbeiten, auch anderer Sensorhersteller, lässt sich der zukünftige ideale Stacked-CMOS-Bildsensor zumindest tendenziell ableiten und könnte so aussehen:

Grafik: Schmatischer Aufbau eines stacked Sensors (Idealfall)


Die Trennung der beiden Hauptschichten hat viele Vorteile. In der Schicht A können die Fotodioden jetzt zentral unter den Sammellinsen und Bayerfiltern angeordnet werden. Dadurch können sie auf der gleichen Gesamtfläche des Sensors bei gleicher Pixelmenge größer werden, was zu einer höheren Empfindlichkeit und gleichzeitigem verminderten Rauschen führt. Die AD-Wandlung und ein DRAM als Zwischenspeicher könnten in einem oder sogar zwei Layern direkt darunter angeordnet werden.

In der Schicht B kann der eigentliche Bildprozessor mehrlagig und mit einer höheren Packungsdichte ausgeführt werden. Das bringt einen deutlichen Performancezuwachs für den Bildprozessor als solchen. Bei wieder größerer wirksamer Pixelfläche mit noch besserem Rauschabstand wären zukünftig auch 16-Bit-AD-Wandler denkbar. Ein Problem muss aber noch gelöst werden, und zwar das der Auslesung des Sensors. Bislang werden die Sensoren entweder zeilenweise oder aber in Zeilenblöcken ausgelesen. Eine parallele Auslesung aller einzelnen Pixel liegt noch in (weiter) Ferne!

Ein anderer Ansatz wäre, die Pixelanzahl im FX-Format drastisch zu erhöhen, denn wenn man die Zahl der Pixel z.B. auf 200 MP vergrößert, würde die Anzahl der Bits pro Pixel auch eine geringere Rolle für die Bildqualität spielen. So könnte eine RAW-Speicherung mit 10-Bit durchaus ausreichen, Bilder mit fein abgestuften Tonwert- und Farbabstufungen zu erzeugen. Auf diese Weise könnten extrem hochauflösende Sensoren die Auslesezeit bei verringerter Quantisierung deutlich verkürzen! Selbstverständlich wären bei mehr Pixeln auch sehr schnelle Pufferspeicher und Speicherkarten notwendig.

Wenn man bedenkt, dass momentan bei DSLM-Kameras noch mit 40 Nm Packungsdichte gearbeitet wird, im Bereich der Smartphones aber schon 5 Nm Standard sind, kann man sich gut vorstellen, wie sich zukünftig die Gesamtperformance bei Systemkameras entwickeln wird.

Im Folgenden werde ich die oben genannten möglichen Verbesserungsbereiche einmal dezidiert betrachten und versuchen, die wirklich wichtigen und / oder interessanten Aspekte aufzuzeigen.

Bildqualität​

Die Bildqualität der momentan erhältlichen digitalen System-Kameras ist für die meisten Anwendungen, für die sie zum Einsatz kommen, mehr als ausreichend (das gilt natürlich auch für die anderen Sensorformate wie APS-C, Canon APS-C, MFT und erst recht für das Mittelformat). Mit einer vorhandenen Top-DSLM im FX-Format kann man ohne Probleme Bilder mit einer Kantenlänge von 100x150cm (oder noch größer) hochwertig ausprinten lassen, was für Ausstellungen durchaus mal notwendig sein kann. Darüber hinaus bleibt der Großteil (sicher 80%) der gemachten Fotos den elektronischen Bildgebungsverfahren vorbehalten, so dass für die Bildqualität eigentlich keine großen Steigerungen notwendig wären. Allerdings stimme ich im Sinne des technischen Fortschritts natürlich auch der These zu, dass eine höhere Auflösung immer besser ist, vor allem, wenn dadurch andere Parameter des jeweiligen Kamerasystems die Gesamtperformance verbessern können.

Sicherlich wird es eine weitere Verbesserung beim Banding und Bildflickern geben. Darüber hinaus werden die zukünftigen Stacked-Sensoren das Problem der auftretenden Beugungsunschärfen beim starken Abblenden durch besser angeordnete Sammellinsen vermindern. Entsprechende Layer im Bildprozessor werden z.B. den bisherigen Bayerfilter durch steuerbare digitale Filter ersetzen.

Performance​

Die Gesamtperformance einer Systemkamera ist immer von der Kamera-/Objektivkombination abhängig, so dass in der Konsequenz auch die Objektive schneller werden müssen. Bezogen auf das Kameragehäuse werden zukünftig die Bildsensoren erheblich an Leistung zulegen. Insbesondere der Ausleseprozess der Bilddaten wird immer schneller werden. Das führt zwangsläufig auch zu schnelleren Pufferspeichern und noch schnelleren Speicherkarten.

Wenn die Steuerprozesse im Sensor schneller werden, bedingt dies auch eine schnellere Schnittstelle zu den Objektiven. In den Objektiven werden der Autofokus und die Blendensteuerung leistungsfähiger durch verbesserte Stellmotoren. Vermutlich wird auch der Stromverbrauch wieder zunehmen, was zu größeren Akkus führen wird! Da diese Leistungszuwächse insgesamt vermutlich mehr Wärme erzeugen, könnten passive oder sogar aktive Kühler notwendig werden.

Handling​

In Sachen Handling müssen sich zwei Faktoren unbedingt verbessern. Zum einen müssen bzw. werden die Kameragehäuse insgesamt wieder größer, wie bei den aktuellen Profi-Modellen (Canon R3 und Nikon Z 9) schon praktiziert. Das schafft Platz für größere Akkus und verbessert die Möglichkeiten der Kühlung. Größere Gehäuse ermögliche auch optimal platzierte Steuerräder und -tasten. Darüber hinaus ist das Arbeiten mit lichtstarken und damit zwangsläufig schweren und größeren Objektiven mit größeren Kameragehäusen deutlich angenehmer.

Insgesamt hat sich die Entwicklung einer Foto-Kamera, die Video konnte, zu einer Video-Kamera entwickelt, mit der man auch Fotos machen kann. Weil das Ganze auf dem Level von 8K stattfindet, ist auch die Qualität der (Stand-) Fotos entsprechen hoch.

Da es zukünftig noch mehr Einstellmöglichkeiten geben wird, bedarf es auch deutlich besserer Menüstrukturen und eines stark vereinfachten (und schnelleren) Zugriffs auf die Einstellparameter. Ich erwarte über kurz oder lang ein über Symbole (Piktogramme) touch-gesteuertes Menü wie beim Smartphone.

Preis/Leistung​

Mehr Leistung bedeutet auch höhere Preise. Da die Entwicklung eines neuen Bild-Sensors auch gerne mal über eine Milliarde Dollar kostet, kann man davon ausgehen, dass die technischen Verbesserungen dem Verbraucher häppchenweise angeboten werden. Wahrscheinlich werden sich die Erscheinungstermine neuer Kameras den bereits funktionierenden Zyklen im Smartphone-Geschäft anpassen. Das bedeutet aber auch, dass trotz höherer Preise die Wertbeständigkeit einer DSLM abnehmen wird. Besonders nachhaltig erscheint diese Aussicht nicht gerade!

Letztendlich könnte bzw. wird es meiner Meinung nach darauf hinauslaufen, dass die Modellvielfalt auf dem Kameramarkt stark ausgedünnt und zudem auch die Vielzahl der Sensorformate auf zwei, maximal drei eingeschränkt werden wird. Auch die Riege der Kamera-Hersteller wird sich zwangsläufig verkleinern. Insgesamt eher trübe Aussichten für den Verbraucher…

Fazit​

Natürlich stellen die hier angeführten Argumente und Einschätzungen erst einmal nur meine ganz persönliche Sicht auf die Dinge dar, die zukünftig auf uns zukommen. Ich bin aber überzeugt, dass diese technischen Neuerungen die Fotografie grundsätzlich verändern werden! Das Ausmaß der Veränderungen wird mindestens so groß ausfallen wie die Einführung der digitalen Fotografie nach der Jahrtausendwende. Aber wir sollten die Herausforderung annehmen!

© Dieter Doeblin. Jedwede Art der Veröffentlichung, auch auszugsweise, bedarf der Genehmigung. Text: Dieter Doeblin, Fotos/Skizzen: D. Doeblin, Sony, Nikon, Canon, Samsung

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