Der Titel täuscht. Oder auch nicht.
Denn "Starke Porträts" ist kein Photokurs zum Thema "Wie richte ich Rembrandtlicht ein?" oder "Farbe gegen Schwarzweiss". Martin Frick beschäftigt sich damit, wie wir die Photographie einsetzen können, um Menschen zu portraitieren. Ein großer Teil des Buches ist daher Reportagen gewidmet und in mehreren, jeweils rund zehnseitigen Interviews kommen ein Reuters Agenturphotograph, ein Kunstsammler und eine Photographin mit sozialem Anspruch zu Wort. Das "Starke Porträt" ist also nicht als einzelnes Bild zu verstehen, sondern als Beobachtung und Beschreibung einer Person oder Gruppe in ihrer Lebenssituation.
Der Autor geht auf Bildstrecken, Storytelling und immer wieder auf die Frage "was will ich zeigen und was muss ich zeigen?" ein, gefolgt von: "was kann ich tun, um diesen oder jenen Punkt meiner Arbeit zu verbessern?". Dazu bedient er sich eines Systems namens "Scope +1" und diese Herangehensweise zieht sich durch das ganze Buch. Kurz gefasst geht es darum, die eigene Arbeit distanziert zu betrachten und zu erkennen, welcher Punkt, welcher Vektor, so man diesen verändern würde, die größte Auswirkung auf das Ergebnis hätte.
Immer wieder regt Martin Frick an, abstrakt Begriffe zu versinnbildlichen. Tipps und Aufgaben wie "definiere deine derzeitige Arbeit anhand von einer Liste von (50) Adjektiven" oder "formuliere für drei deiner Lieblingsbilder eine Bildunterschrift nach den (vorher besprochenen) Richtlinien von Reuters" helfen, sich mit der eigenen Photographie auseinander zu setzen. Gleichzeitig fragt der Autor, inwiefern unsere persönliche Lebenssituation und -Erfahrung unseren Blick auf andere Menschen bestimmt und trübt; kann ich mich also diesem oder jenem Thema mit der notwendigen Unvoreingenommenheit widmen?
Starke Porträts ist ein interessantes Buch. Kein Photokurs im bekannten Sinn, sondern eine Anregung die eigene Photographie kritisch zu betrachten, Schwächen zu identifizieren und mit Hilfe des Scope +1 Systems Schritte hin zu besserem Ausdruck zu gehen. Das Buch richtet sich klar an Berufsphotographen, denn viele Fragen und Beispiele betreffen und kommen aus der Praxis des Photographen, der Kunden zufrieden stellen muss. Dennoch findet auch der engagierte Amateur viel Interessantes und kann - gerade im Bereich der "Urlaubsreportage" oder Street-Photographie - die gleichen Werkzeuge einsetzen, die gleichen Gedankengänge mitgehen.
Keine leichte Kost, kein Schmöker zum gelegentlichen durchblättern. Um so besser! Ich vergebe 4 von 5 Sternen.
Die Daten
Martin Frick. Starke Porträts erschien am 10. November 2021 im dpunkt.verlag. 256 Seiten, komplett in Farbe, Festeinband 18.9 x 2.1 x 24.7 cm. Auch als E-Book im PDF-Format, EPUB und MOBI erhältlich.ISBN 978-3-86490-857-6
Preis: 34,90 € | als Bundle (print + digital) 39,90 €
Leseproben
- Inhaltsverzeichnis — Download
- Fotografie – oder Die Erforschung der Wirklichkeit_Auszug — Download
- Das Handwerk der Fotografie_Auszug_1 — Download
- Das Handwerk der Fotografie_Auszug_2 — Download
- Die Bildaussage_Auszug — Download
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Rezension: Stefan Schmitz
Bewertung
© Stefan Schmitz und Netzwerk Fotografie. Jedwede Art der Veröffentlichung, auch auszugsweise, bedarf der Genehmigung. Text: Stefan Schmitz, Bildnachweis: © dpunkt.verlag