Hallo Sebastian,
diesbezüglich irrst Du leider gewaltig. Hier muss man doch einmal zwischen der Werbung und der Realität unterscheiden. Ich hatte weiter oben in diesem Thread ja bereits einige seriöse Quellen mit belastbaren Tests genannt, die diese Aussage widerlegen.
Konkretes Beispiel aus der Praxis: Die Auflösung wird in Linienpaaren pro Millimeter gemessen, also eine schwarze Linie neben einer weißen, sprich eine schwarze Linie auf weißem Grund, wo man also die schwarze Linie genau von der weißen Umgebung unterscheiden kann.
Ein digitaler Sensor benötigt mindestens zwei Pixel, um ein Linienpaar darstellen zu können: Ein Pixel für die schwarze Linie, eins für die weiße.
Eine Canon EOS 1 Ds MkII mit 17 MP kann also max. 70 Lp/mm auflösen, mit sehr guter Optik (hier ist mathematisch und physikalisch die Grenze, weil nicht mehr Pixel vorhanden sind).
Tausende von Fotografen haben mit ihren Kleinbildausrüstungen bei ihren Filmtests Systemauflösungen von deutlich über 70 Lp/mm erreicht. Dokumentiert wurde dies über Jahrzehnte in der Literatur, Fotozeitschriften, und in den letzten Jahren im Internet (Wichtig: Hier wird nicht die Filmauflösung allein gemessen, sondern die Auflösung des Gesamtsystems: 1/Gesamtauflösung = 1/Filmauflösung + 1/Objektivauflösung).
Ich habe kürzlich aus Neugierde einmal die Auflösung eines stinknormalen Fuji Superia X-Tra 400 Amateur-Farbnegativfilms bestimmt. Verwendet wurde eine handelsübliche Testtafel für Auflösungstests zur Bestimmung der Auflösung in Lp/mm. Verwendet habe ich mein AF-D Nikkor 1,8/85 bei opt. Blende 5,6. Kamera war auf dem Stativ, 1/125s Verschlusszeit, Ausleuchtung der Testtafel mit diffusem Blitzlicht.
Ich hatte an diesen Film keine großen Erwartungen. Wurde dann jedoch ziemlich überrascht. Als ich die Negative unter der 12x Lupe auf dem Leuchttisch hatte, waren die 50 Lp/mm Muster extrem scharf und sauber voneinander getrennt. Für die höheren Frequenzen reichte zur Betrachtung die 12x Vergrößerung nicht mehr aus. Also habe ich zum Mikroskop gegriffen. Und siehe da: 80 Lp/mm waren sauber getrennt! Bei konservativer Definition, denn selbst bei 85-90 Lp/mm waren die Linien immer noch gut zu erkennen.
Nächster Schritt: Mikroskop ist schön und gut, aber bleibt diese hohe Auflösung bei einer analogen Vergrößerung bestehen? Also Negativ in die Bühne meines Vergrößeres eingelegt, Kopf nach oben geschraubt um das Negativ aufzublasen, und unten meinen 20fach vergrößernden Kornscharfsteller positioniert: Und auch hier waren die 80 Lp/mm genauso deutlich zu sehen wie unter dem Mikroskop. Mein Rodenstock Apo-Rodagon N überträgt also in diesem Bereich verlustfrei (wenn ich mir die MTF-Kurven dieses Objektivs anschaue, ist das aber auch nicht überraschend, besser gehts nicht).
Das Korn ist bei diesen starken Vergrößerungen natürlich sichtbar, es verhindert jedoch nicht die hohe Auflösung.
Anmerkung: 80 Lp/mm entsprechen der max. Auflösung eines 22 MP Sensors im 24x36 KB-Format.
Und ich habe hier einen 400 ASA Amateur-Farbnegativfilm genommen, keinen
Rollei ATP, Spur Orthopan oder ähnliche Höchstauflösungsfilme.
Wie gesagt, ich habe hier die Systemauflösung des Systems Superia X-Tra 400 und AF Nikkor 1,8/85 bei Bl. 5,6 bestimmt (die reine Objektiv- oder Filmauflösung liegt deutlich höher). Wenn ich eine Zeiss oder Leica Linse genommen hätte, wär vielleicht auch noch etwas mehr drin gewesen.
Also, um die extrem hohe Auflösung moderner Filme überhaupt sehen zu können, müssen zunächst sehr exakte Scharfeinstellung und absolute Verwacklungsfreiheit gewährleistet sein. Und dann muss man extrem stark vergrößern. Analog, mit besten Optiken. Ein Nikon Coolscan V kann die 80 Lp/mm nicht mehr übertragen.
Wer Zweifel daran hat, was ein KB-Film leisten kann, sollte vielleicht einfach mal wieder ins Kino gehen: Dort werden nämlich 35mm Filme, also KB-Format, auf 6x9 Meter vergrößert (oder wie groß auch immer die Leinwände in den modernen Multiplexkinos sind).
Dieses Schlechtreden des KB-Films, wie es in letzter Zeit üblich ist, kann ich nicht nachvollziehen.
Ich möchte jedem Interessierten empfehlen, sich zu diesem Thema einmal die Camera Lens News Nr. 17, 19, 20 und 24 auf der Zeiss Homepage anzuschauen. Zeiss baut den allergrößten Teil seiner Objektive für digitale Kameras (Sony), nur einen sehr kleinen Teil für den analogen Markt. Aus Eigenintresse müssten die also absolut pro digital sein. Zeiss sagt jedoch eindeutig, dass das Aufzeichnungsmedium mit der höchsten Auflösung ganz eindeutig Film ist. Und wenn sie die Leistungsfähigkeit ihrer Objektive testen wollen, verwenden sie dafür Film.
Sebastian, eine Anmerkung noch zu der von Dir immer wieder zitierten Website Luminous Landscape. Ich habe deren "Tests" immer aufmerksam verfolgt und sehe sie sehr kritisch, wissenschaftlichen Ansprüchen genügen sie nicht, weil einfach zu viele systematische Fehler gemacht werden. Die haben z.B. ernsthaft behauptet, als die erste Canon DSLR mit 3 MP auf den Markt kam, dass diese Kamera eine höhere Auflösung als ein Provia 100F hätte. Das würde eine völlig neue Physik voraussetzen, Einstein und Newton würden sich im Grabe umdrehen...
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Als Zusatzinfo: Viele dieser Webseiten und Internetgurus behaupten, sie seien unabhängig und würden im Interesse der Leser agieren. Das stimmt leider häufig nicht! Nicht wenige lassen sich von Herstellern sehr gut für eine wohlgeneigte Berichterstattung bezahlen. Das Geschäftsmodell nennt sich "Hidden Marketing" und boomt seit Jahren, von der Öffentlichkeit unbemerkt. Was meinst Du, warum so viele dieser Seiten in den letzten Jahren entstanden sind?
Woher ich diese Informationen habe? Nun, aus meiner beruflichen Erfahrung kenne ich entsprechende Angebote, die Herstellern von diesen Portalbetreibern und Gurus gemacht worden sind. Traurig, aber das ist die Realität.
Das Internet hat schon sehr lange seine Unschuld verloren. Also, eine gewisse Skepsis gegenüber diesen Seiten ist angebracht. Man weiß nie, wer wirklich unabhängig ist und wer sich für seine Schreibe bezahlen lässt.
Ich probiere meinen Kram lieber selbst aus.
Viele Grüße,
Balou