Ich hab mir das Objektiv seit einer Woche geliehen von
Sigma, um mir klar zu werden ob ich es haben will.
Das Gewicht und das Packmaß sind schon ziemlich heftig. Man nimmt das nicht so einfach mal mit. Es wiegt zwar dann auch nicht viel mehr als 50mm, 85mm und 105mm Festbrennweiten ähnlicher Lichtstärke zusammen, aber man muss ja oft auch nicht alle Brennweiten dabei haben. Andererseits enthält es die meisten an DX wichtigen Porträtbrennweiten in einem Objektiv bei f/1.8 durchgehend, und die Flexibilität, die das mit sich bringt, ist schon enorm. Ich hab dann mal zwischendurch aufs 85/1.4 gewechselt zum Vergleich und war dann prompt zwei Minuten später in der Situation, dass die Brennweite zu lang war, ich aber auch nicht mehr zurückweichen konnte.
Ich empfinde das Teil angesichts des geringen Zoomfaktors von 2x und der hohen Lichtstärke tatsächlich auch mehr als mehrere Festbrennweiten in einer, statt als normales Zoom. Neben dem Ersatz der genannten 50/1.8, 85/1.8 und 105/2 bietet es außerdem Brennweiten dazwischen, die man sonst gar nicht mit 1.8 bekommt. Oder hab ich am Markt sowas wie 60/1.8 oder 70/1.8 übersehen? Zwischen 50 und 85 gibt es ja doch eine relevante Lücke am Markt. Ich sehe da mit Autofokus und mindestens f/2 nur das Nikon 58/1.4 (teuer, optisch auch nicht perfekt) und das Tamron 60/2 Makro (kein AF-S, furchtbares Bokeh).
Außer dem Gewicht stören aber noch einige andere Dinge. Ich bin z.B. gar nicht mehr gewohnt, dass sich bei einem Tele-Zoom das Sucherbild nicht stabilisiert, wenn ich den Auslöser antippe. Bei Porträts ist das zwar nicht so ein Problem, weil man sowieso selten mit längeren Verschlusszeiten als 1/125 pixelscharfe Ergebnisse bekommt, aber ungewohnt. Hier nehme ich aber im Zweifelsfall lieber das Objektiv so wie es ist, als noch teuer und dicker und schwerer mit Stabilisator.
Zweitens ist da diese Stativschelle. Die zu bedienen ist zwar ein Traum, aber sie ist nicht abnehmbar und im Freihandbetrieb oft im Weg. Wenn man sie weg dreht, ist wiederum der Drehknopf zur Arretierung irgendwo im Weg. Zur Funktion der Stativmontierung ist diese sehr nah am Objektiv dran, so dass die Finger nicht zwischen Zoomring und Montierung durch passen. Man kann sich dran gewöhnen, aber trotzdem wäre es besser, sie wäre abnehmbar.
Was noch lästiger sein kann, ist die fehlende Abdichtung. Soweit ich weiß, sind alle Objektive aus Sigmas Art-Reihe nicht abgedichtet gegen Wettereinflüsse. Soll ich jetzt bei einsetzendem Regen einpacken, obwohl es gerade was zu fotografieren gibt? Oder eine Plastiktüte drumwickeln? Bei dem Mietobjektiv wollte ich natürlich erst recht kein Risiko eingehen, und ich musste dann manchmal auf Bilder verzichten wenn das Wetter wechselte.
Wenn man sich mit all diesen Dingen in der Praxis rumgeärgert hat (wobei allerdings die Bedienung der Mechanik ein Genuss ist), entschädigen jedoch die Bilder nachher bei der Sichtung der Ergebnisse. Hammer. Das Objektiv ist klar auf maximale Offenblendleistung optimiert. Ich muss das nochmal direkt vergleichen, aber vom Gefühl her muss ich mein altes AF 85/1.4 auch auf 1.8 abblenden, um annähernd die gleiche Schärfe zu bekommen. Man kann den ganzen Blendenbereich von Offenblende bis zur Grenze der Beugungsunschärfe zu kreativen Zwecken nutzen, ohne an die optische Leistung denken zu müssen beim Aufblenden.
Beispielbilder liefern ist jetzt gar nicht so einfach, weil ich mit offener Blende bislang fast nur Porträts gemacht habe und die Personen gar nicht erst um Erlaubnis fragen will oder kann. Alles andere ist eher so bei f/5.6 bis f/8 entstanden. Ich muss mal noch ein paar repräsentative Testbilder machen, bevor ich das Objektiv wieder abgebe. Irgendwelche Wünsche? Zum Vergleich hätte ich 50/1.8 AIS, AF 85/1.4, AF-S DX 16-85, Sigma EX 105/2.8 und 70-200 VR I da.
Zusammenfassung Positiv:
* großartige Optik, Mechanik und Haptik
* konkurrenzlos in der Flexibilität für Porträts, nützlicher Brennweitenbereich
Negativ:
* hohes Gewicht, langes Packmaß
* keine Abdichtung gegen Feuchtigkeit
* nicht abnehmbare Stativschelle stört
* Stabilisator wäre schön