Schwarzweiß und analog - der Carnevale di Venezia mal anders...

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ebarwick

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Jedes Jahr im Februar findet in Venedig das farbenfroheste Fest des Jahres statt – der „Carnevale di Venezia“.
In bunten, kunstvoll gestalteten Gewändern präsentieren sich alljährlich die für die Lagunenstadt charakteristischen Masken.
Majestätisch und still, fast schon mystisch ist ihr Auftritt, so ganz anders als das laute und hektische Karnevalstreiben bei uns.
Die Maskierung hat in der Serenissima eine Jahrhunderte alte Tradition.
Ob Kurtisane oder Patrizier - für ein paar Stunden schlüpfte man in eine andere Identität, was nicht zuletzt für erotische Abenteuer äußerst hilfreich war.

Bereits millionenfach fotografiert, hat das venezianische Maskentreiben allerdings in den letzten Jahren schwer an Popularität verloren.
Der Überfluss an Bildern, oft im Vorbeihasten mit Smartphone oder Tablet geschossen, garniert mit mehreren Tausend Touristen -
und am besten sofort „geteilt“ und in die Welt geschickt, verdirbt auch hier den Spaß
und das echte Interesse an einer sorgsam gestalteten Photographie.

Aber es geht auch anders!

Manchmal ist ein Schritt zurück ein großer Sprung nach vorne. Wie wär's mal mit alter, analoger Kameratechnik und Schwarzweißfilmen statt mit dem neuesten Digitalbody und 15 Bildern/sek.?

Aber verlieren die Masken in ihren üppigen Gewändern in den unterschiedlichsten Farben dann nicht ihre Faszination?
Oder gewinnen sie, wie z. B. in der schwarzweißen Streetfotografie, durch die Reduktion auf Graustufen sogar an Aufmerksamkeit?
Das Ungewohnte verleitet zum genaueren Hinsehen, Weglassen wird zum gesteigerten Bilderlebnis!

Schau'n mer mal!

Das Projekt habe ich über drei Jahre mit unterschiedlichen Kameras und unterschiedlichen Filmen durchgezogen.
Sowohl Diafilme wie auch Negativfilme waren im Einsatz, die Negative wurden selbst entwickelt und zu Positiven vergrößert.
Deshalb gebe ich unter den Bildern Hinweise zu der Kamera und zum Film.

Los geht's:



Meine Leidenschaft ist seit jeher die Streetfotografie.
Eine Szene entdecken und versuchen mit dem richtigen Schnitt blitzschnell festzuhalten.



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Nikon FM3A mit Zeiss Planar 1,4/50 auf Agfa Scala SW-Diafilm



Nicht alle, aber schon die meisten Straßenkünstler (oftmals Studenten, die sich beim Carnevale was dazu verdienen)
haben auch nichts dagegen, abgelichtet zu werden.



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Leica R9 mit Summilux-R 1,4/80 auf Agfa Scala



Die Fotomodelle schlechthin sind natürlich die Masken.
Hier muss man besonders visualisieren, wie das Motiv anschließend in Schwarzweiß aussieht.



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Nikon FM3A mit Zeiss Planar 1,4/50 auf Agfa Scala



Und jetzt kommt die Hauptakteurin: La Serenissima, die Erlauchteste persönlich ist wie geschaffen für Schwarzweiß-Bilder, ein Eldorado für jeden SW-Fetischisten.

Venedig bietet auch zur Zeit des Carnevale mehr als Masken und Gedränge, viel mehr!

Schaut man sich den Stadtplan an, kann man sich unschwer vorstellen, wo die Haupt-Touristenströme in den Stunden von 10 – 16 Uhr unterwegs sind.
Außer Markusplatz, den Verkaufs- und Andenkenläden in der Mercerie, dem Rialto und San Polo bis zur Frari-Kirche
gibt es wunderschöne kleine Plätze, enge Gassen, Hinterhöfe und Cafébars, auf und in denen sich das wahre venezianische Leben abspielt.

Empfehlenswert sind die Sestieri (Stadtbezirke) Cannaregio mit dem Gebiet rings um das „Ghetto“, dem ursprünglichen jüdischen Viertel,
Castello mit dem Arsenale und unverfälschter, venezianischer Lebensart,
das modernere Dorsoduro mit Santa Maria della Salute
und die fast schon menschenleere Giudecca. Hier sind die Motive – gerade in Schwarzweiß – allgegenwärtig.



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Leica R9 mit Elmarit-R 2,8/24 auf Agfa Scala



Der Stadt wird seit Jahrzehnten der endgültige Untergang prophezeit, dennoch ist sie mit ihrem morbiden Charme so populär wie nie.
Gerade die Filmemacher sind regelrecht in sie vernarrt.



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Leica R9 mit Summilux-R 1,4/80 auf Agfa Scala



Nachtaufnahmen mit analogem Filmmaterial sind was für den sportlich ambitionierten Fotografen...:)
Hier hilft kein prüfender Blick zum Display, einzig die Erfahrung bewahrt etwas vor durchgängig schwarzen Filmstreifen...



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Leica R9 mit Elmarit-R 2,8/24 auf Agfa Copex Rapid SW-Diafilm



Der Monitor ist natürlich nicht das geeignete Mittel zum Anschauen analoger Bilder. Hier muss man einfach Abstriche durch das Scannen machen (alle Bilder: Nikon Coolscan IV).

Gerade ein moderner Film wie der Agfa Copex Rapid, der als Luftbildfilm eine Auflösung besitzt, die jedes Objektiv an seine Grenzen bringt,
entfaltet erst seine ganze Pracht mit einem guten Diaprojektor mit bester Optik und ab 2m Leinwandbreite.
Wer das noch nicht in natura gesehen hat, hat eindeutig was verpasst.

Der große Vorteil der Digitalisierung liegt am unkomplizierten Zeigen z. B. einer Fotoreportage und deshalb...

Fortsetzung folgt!

Grüße
Erhard​
 
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In den vergangenen Jahren habe ich gerade in Venedig festgestellt, dass man eigentlich mit wenig Technik auskommt.
Mit drei Festbrennweiten, 24 bzw. 25mm, 50mm und 80 bzw.100mm konnte ich alle Anforderungen sehr gut erfüllen.
Wichtig ist eher, dass die Objektive offenblendtauglich sind, um in der Bildgestaltung das Spiel mit Schärfe/Unschärfe ohne Abstriche zuzulassen.
Für die reichhaltige Architektur und für Available-Light-Motive ist ein Stativ durchaus sinnvoll, beim Fototreff inmitten vieler Fotografen und Masken eher hinderlich.

Beginnen wir in der heutigen Fotostrecke mit einem privaten Maskenrundgang, zu dem ich eingeladen war.
Das hatte natürlich den Vorteil, dass wir uns unsere Hintergründe frei von Touristenströmen aussuchen konnten.



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Leica R8 mit Apo-Macro Elmarit 2,8/100 auf Agfa Copex Rapid



Für mich ein Highlight war der "Doppelpack" -
die beiden sind auch im richtigen Leben Zwillinge und mir sehr ans Herz gewachsen :)



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Leica R8 mit Apo-Macro Elmarit 2,8/100 auf Agfa Copex Rapid



In den engen Häuserschluchten und mit dem harten Vormittagslicht gibt es extrem kontrastreiche Fotos.
Um das noch zu steigern, habe ich den Diafilm von Klaus Wehner entwickeln lassen.



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Leica R8 mit Elmarit 2,8/24 auf Agfa Scala



Und hier kommt das Gruppenbild...



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Leica R8 mit Elmarit 2,8/24 auf Agfa Copex Rapid



Nach gemütlicher gemeinsamer Pause geht es nachmittags zur Bilderjagd zu den angesagten Plätzen San Zaccaria und zur Piazza de San Marco.



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Leica R8 mit Apo-Macro Elmarit 2,8/100 auf Agfa Copex Rapid



Da ich zur Leica kein passendes Blitzgerät hatte, musste der SB800 ran, der wie immer seine Aufgabe bravourös gemeistert hat.



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Leica R8 mit Summicron 2,0/50 auf Agfa Copex Rapid



Die Bilderjagd kann sich hinziehen - dieses Foto wurde um Mitternacht gemacht :)



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Nikon F6 mit Zeiss Distagon 2/25 auf Agfa Copex Rapid



Fortsetzung folgt...

Grüße
Erhard​
 
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Für SW-Fans von Venedig empfehle ich dieses Buch

Gasser, Peter:
Venezia. Mit einem Vorwort von Dieter Bachmann. Schaffhausen, Edition Stemmle, 1990; 30,5 x 31,3 cm. Zahlreiche Schwarzweiss-Aufnahmen in Duplex auf Tafeln, 140 Seiten. Original Leinen

bekommt man heute gebraucht um die 30 EUR. Neupreis war 149 CHF
 
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Jetzt wird's geheimnisvoll...:)
Im letzten Jahr haben meine Fotofreundin Gitta und ich ein gemeinsames Projekt in Angriff genommen.
Angeregt durch die Doppelbelichtungen "Bildräume" von Harald Mante und seiner Lebenspartnerin haben wir Venedig als urbane Umgebung
und den einzelnen Menschen als Mittelpunkt mit einer Doppelbelichtung in Szene gesetzt.
Die Beziehung nennen wir "Fusione" - ein Projekt, das wir sicher dieses Jahr fortsetzen werden.



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Alle Bilder wurden mit einer Leica R4 und dem Summicron-R 2,0/50
auf Kodak Tmax 100 Negativfilm gemacht und in Tmax Developer entwickelt.



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Analoge Doppelbelichtungen machen ja enorm Spaß. Man muss sich nicht durch Menüs hangeln,
sondern einfach ein Knöpfchen drücken, spannen ohne Filmvorschub, die Belichtung korrigieren
und kann sich deshalb um so besser auf sein Motiv konzentrieren...



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Ähnlich wie Harald Mante haben auch wir in zwei Schichten gearbeitet. Ich habe die Hintergründe abgelichtet, Gitta die Portraits.
Dadurch bleibt viel dem Zufall überlassen, was der Sache zusätzlichen Reiz verleiht.



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Schließlich und endlich liegt die Deutung beim Betrachter, Platz genug für Interpretationen haben wir wohl gelassen...:)



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Fortsetzung folgt...

Grüße
Erhard​
 
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Für mich schon jetzt ein Highlight, Erhard ... wunderbar fotografiert mit einem speziellen Etwas ... Vivaldi hätte wohl auch seine Freude gehabt ... :):up::up::up:
 
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Danke für das Kompliment, Sam! Ich liebe Vivaldi! Eine seiner Wirkungsstätten, die Pietakirche, ist in unmittelbarer Nähe unseres "Gruppenbildes" an der Riva (degli Schiavoni).

LG
Erhard
 
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Danke für das Kompliment, Sam! Ich liebe Vivaldi! Eine seiner Wirkungsstätten, die Pietakirche, ist in unmittelbarer Nähe unseres "Gruppenbildes" an der Riva (degli Schiavoni).

LG
Erhard

....Lob gebührt Jenem, der es auch verdient, Erhard ... :)

Venedig muss ich die nächsten Jahre einmal besuchen. Und es kommt nebst einer digitalen Cam sicher auch eine analoge mit ...

Und die Headline der Reise ist auch schon gesetzt: auf den Spuren Vivaldis ... ich freue schon, wenn nur daran denke ... :)

Ich freue mich aber nun zuerst darüber, dass Du hoffentlich noch einige Bilder an Nachschub hier einstellst ... :)
 
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Danke euch und es freut mich, dass euch die Bilder gefallen.
Herzlichen Dank natürlich auch an Bettina und das Team für die Aufnahme in die Highlights!
Dann sollte ich mich ja noch ein bisschen anstrengen...:) !

Liebe Grüße
Erhard
 
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Zum Thema Venedig gibts von mir auch eine Dia-Audiovisionsschau, mit der ich ab und zu ein bisschen durch die Gegend getingelt bin.
Um einen Spannungsbogen über die komplette Länge zu bekommen, habe ich ein paar Variationen eingebaut.

Eine davon ist der Wechsel von Farb- zu Schwarzweißdias (spätestens jetzt werden die Leute wieder wach...:D).
Was sich dazu anbietet, ist die Friedhofsinsel San Michele.



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Die ausgewählte Musik im (geistigen) Ohr habe ich einen halben Tag dort fotografiert. Auch wenn ich hier nur ein paar Fotos zeige, ein Besuch auf San Michele lohnt sich auf jeden Fall.



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Eine Diaschau lebt ja auch von den Überblendungen. Gerade hier auf dem Friedhof kann man mit Schärfe/Unschärfe schöne Ausgangsbilder dazu fotografieren.



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Freiräume im Bild helfen ebenfalls...



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Und so sieht das "dritte Bild", die Überblendung aus:



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Die Bilder wurden mit einer Nikon FM3A und dem Zeiss Planar 1,4/50 auf Agfa Scala Diafilm gemacht.



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Fortsetzung folgt...

Grüße
Erhard​
 
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Wie kann man das Mystische eines Ortes fotografisch einfangen?
Im Italienischen gibt es den Begriff "Chiaroscuro" was hell/dunkel bedeutet und die Methode recht gut trifft.
In den folgenden Bildern gibt es daher hohe Kontraste und eher dunkle Tonwerte...



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Leica R9 mit Apo-Macro Elmarit 2,8/100 auf Agfa Scala Diafilm



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Leica R8 mit Elmarit 2,8/24 auf Rollei RPX 100 als Diafilm



Im Stadtviertel Castello finden sich weitab der Touristenströme wunderschöne Hinterhöfe, schmale Gassen
und bei Sonnenschein eine Fülle an kontrastreichen Motiven.



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Leica R8 mit Elmarit 2,8/24 auf Rollei RPX 100 als Diafilm



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Leica R8 mit Elmarit 2,8/24 auf Rollei RPX 100 als Diafilm



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Leica R8 mit Elmarit 2,8/24 auf Rollei RPX 100 als Diafilm



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Leica R8 mit Elmarit 2,8/24 auf Rollei RPX 100 als Diafilm



Dunkle Tonwerte und hohe Kontraste verstärken auch bei den Masken das Mystische, Geheimnisvolle...



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Leica R9 mit Apo-Macro Elmarit 2,8/100 auf Agfa Copex Rapid



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Leica R9 mit Apo-Macro Elmarit 2,8/100 auf Agfa Copex Rapid



Fortsetzung folgt...

Grüße
Erhard

 
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Nach Doppelbelichtungen, Friedhofsinsel und Low-Key-Bildern kommen jetzt ein paar bekanntere Ansichten von einer Stadt, zu der Henry James sagte:

Es gibt zwei Arten von Städten, Venedig - und alle anderen.



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Leica R8 mit Summicron-R 2,0/50 auf Agfa Scala



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Leica R9 mit Elmarit-R 2,8/24 auf Rollei RPX 25



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Leica R9 mit Elmarit-R 2,8/24 auf Rollei RPX 25



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Leica R9 mit Elmarit-R 2,8/24 auf Kodak Tmax 400



Die Piazetta präsentiert sich menschenleer gegen kurz nach sechs am Morgen.
Das ist aber auch die richtige Uhrzeit, um die ersten Masken ohne Zuschauer und im Licht von Laternen und Blitzgerät fotografisch festzuhalten.



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Leica R9 mit Apo-Macro Elmarit-R 2,8/100 auf Kodak Tmax 400



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Leica R9 mit Apo-Macro Elmarit-R 2,8/100 auf Kodak Tmax 400



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Leica R9 mit Elmarit-R 2,8/24 auf Kodak Tmax 400



Fotografiert wird bis kurz nach Sonnenaufgang, dann füllt sich der Platz in Windeseile
und es wird schwierig, die zahllosen Arme und Beine aus dem Bild herauszuhalten.
Und deshalb gehen wir dann frühstücken...:)



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Leica R9 mit Apo-Macro Elmarit-R 2,8/100 auf Kodak Tmax 400



Und mit einem venezianischen Handkuss beende ich nun die kleine Fotoreportage.
Ich denke, die Begeisterung für die analoge Schwarzweiß-Fotografie merkt man
meinen Bildern und auch Texten an und es würde mich sehr freuen, die/den eine(n)
oder andere(n) Fotografin/Fotografen ins Grübeln zu bringen, ob die analoge Fotografie
nicht doch ab und zu richtig Spaß machen könnte...:)



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Leica R9 mit Apo-Macro Elmarit-R 2,8/100 auf Kodak Tmax 100



Grüße
Erhard​
 
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Danke ;) !!! Und ein herzliches Dankeschön für die vielen Daumen!!!

Grüße und einen schönen Sonntag!
Erhard
 
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