Information Petition: Kein erneuter Meisterzwang für Fotografen

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(...) zumal es mir von Anfang an weniger um den Meisterzwang und seine befürchtete
Wiedereinführung ging als die Petition und ihr Zustandekommen an sich.

Den Petenten geht es aber genau um die befürchtete Wiedereinführung,
das steht in der Petition auch klar drin.

Die Petitionsbegründung kann man direkt bei der Petition nachlesen,
auch hier im Thread wurde dazu einiges gesagt.

Ich kenne keinen einzigen professionellen Fotografen der sein Geld wert ist
und für die Wiedereinführung wäre. Dafür habe ich die destruktiven
Auswirkungen des Zunftrechts gerade in der Fotografie aus nächster Nähe
seit den frühen 80ern erlebt. Glücklicherweise niemals selbst als Betroffener,
aber zu oft als Zeuge.

Bis heute muss man sich als gewerblicher Fotograf in die Handwerksrolle
eintragen und an die Handwerkskammer Beiträge bezahlen, egal ob Meisterbrief
oder nicht. Die Handwerkskammern liefern dafür einen Gegenwert von genau Null.

Wer in den Meisterbrief investiert, investiert damit zu 99% in die Genehmigung
junge Menschen für 255 Euro im Monat die Portraitbude bevölkern zu lassen,
ausgebildete Gesellen werden nur übernommen wenn der einzige Geselle der
den Filialleiter geben muss mal wieder entnervt gekündigt hat.

Wenn niemand anders diese Petition gestartet hätte, hätte ich das getan.
Die Gründe sind Legion.

Reicht das für die Frage nach dem Zustandekommen der Petition?


Die Petition macht aus meiner Sicht nur Sinn, wenn man etwas
Konstruktives dazu vortragen kann.

Nun, die Petition ist ja begründet worden. Unter anderem mit der beeindruckenden
Zahl von 13.000 neuen Betrieben als Einzelunternehmer. Das macht deutlich welches
Wirtschaftshemmnis die Meisterpflicht zuvor war.

Ich behaupte daß der Wegfall der Meisterpflicht einen guten Teil dieser
13.000 Betriebe aus der Schwarzarbeit oder wackligen Firmenkonstrukten
zur Verschleierung der eigentlichen Tätigkeit geholt hat.
Zusätzlich wurde Leuten die mangels Meisterbrief zuvor nur als schlecht
bezahlte Angestellte tätig sein konnten die Möglichkeit eröffnet endlich
ihren Fähigkeiten entsprechend zu arbeiten und selbst die Früchte ihrer
Arbeit einzufahren.

Vorbei auch die Zeit daß man als Meister pro forma als Betriebsleiter
angestellt werden konnte und dafür nix tun musste, es reichte offiziell
einen Meister im Betrieb zu haben. Der war oft nicht mal anwesend,
obwohl das eigentlich gegeben sein musste. Die Kammern haben weggesehen.

Früher konnte man als unfähiger Dorffotograf jeden besseren Konkurrenten
für Hochzeitsfotos mit Hilfe der Kammern wegballern lassen, wenn man
selbst einen Meisterbrief hatte, der weit bessere Konkurrent aber nicht.
Solche Reservate fielen mit dem Wegfall des Meisterzwangs natürlich
auch weg.

Damals wurden diverse Berufsbilder von der Meisterpflicht befreit und konnten
gewerblich ausgeübt werden, ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein.

Man muss sich als gewerblicher Fotograf immer noch in die Handwerksrolle
eintragen lassen und Kammerbeiträge zahlen. Lediglich der Meisterbrief
ist nicht mehr Voraussetzung für die Eintragung.

Nun gibt es Bestrebungen, die in den Anlagen B1 und B2 zur Handwerksordnung
erfassten Berufsbilder oder Teile davon wieder mit einer Meisterpflicht zu "belasten".

"Belasten" ist eine sehr treffende Bezeichnung.

Es ist klar, dass dies durch Lobbyisten voran getrieben wird und Wettbewerb dahinter steckt.

Eher der Versuch Wettbewerb zu behindern.

Vornehmlich dürfte Bau und Innenausbau interessiert sein.
Gleich als erstes in B1 findet man Fliesen-, Platten- und Mosaikleger oder
Betonstein- und Terrazzohersteller oder Estrichleger und Parkettleger.

Der Estrich unserer Studiorampe musste wieder rausgekratzt werden,
weil der Meisterbetrieb an der Mischung gespart hatte.
Denen ein Reservat einrichten? Niemals!

Die Politik sucht jetzt natürlich nach eher unverdächtigen Argumenten, also Gefahrgeneigtheit,
Ausbildungsniveau, Nachwuchsprobleme, die nur mit geordneten Ausbildungsordnungen
eingehalten werden usw.

Nix dabei wo die Handwerkskammer der Fotografie nützlich sein kann.

Und genau da müsste man seinerseits ansetzen und Argumente finden,
dass Fotografie weiter ausgenommen bleiben sollte, weil...

Eine gute Idee. Danke dafür.

Unklar bleibt, wer denn wie auch immer organisiert ist und ob Verbände und
Interessenvertretungen von Fotografen eine gleichgelagerte Intention mittragen
wurden.

Frag 5 Fotografen und Du bekommst 10 Meinungen.

Es gibt eine Reihe verschiedener Verbände, aber keinen Branchenverband, der
alle bedienen könnte - oder wollte.

Freelens mit 2400 Mitgliedern bedient vorwiegend Bildjournalisten, dürfte sich einer Meisterpflicht
erbittert entgegenstellen.
Der siechende Centralverband mit rund 300 Mitgliedern ist die Lobby-Organisation des Handwerks.
Der PIC-Verband mit knapp 100 Mitgliedern ist vorwiegend auf den Austausch und die Weiterbildung
seiner Mitglieder fokussiert. Im Gegensatz zum BFF sind hier Handwerker und Designer/Freischaffende
gemischt vertreten.
Der BPP mit rund 500 Mitgliedern versammelte früher vorwiegend Handwerker mit
klassischen niedergelassenen Studios (inclusive Rahmenverkauf etc) mit Zielgruppe
Endkunden. Das hat sich seit dem Wegfall der Meisterpflicht meinem Eindruck nach
ein wenig gewandelt.
Der BFF war früher die elitärste Verbindung, seine Bedeutung hat stark abgenommen.
Mit aktuell über 500 Mitgliedern ist er jedoch fast doppelt so stark wie der Centralverband
der Handwerker und garantiert gegen die Meisterpflicht.

Die Bundesregierung plant jedenfalls eine Neuorganisation mit dem Ziel, eine ganze Reihe
Berufe wieder der Meisterpflicht zu unterwerfen. Ein gewisser Handlungsbedarf ist also da.

Wir erleben ja beinahe täglich wie Gesetze und Verordnungen im Bündel abgestimmt
werden, gern kurz vor Sitzungsschluss an Freitagen oder spät nachts, wenn man etwas
besonders Hinterhältiges durchbringen will.

Ich erinnere mich noch gut an das Stopschildgesetz, bei dem einigen der MDLs nicht
klar war wofür sie damals eigentlich gestimmt hatten. Die Augen wurden groß als ich
das erklärte, und warum sie dafür so viel Schelte kassieren mussten.

Es besteht die Gefahr daß das hier auch wieder passiert.
 
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Ich hoffe das die "Benachteiligung" innerhalb der EU das Fotograf sein auszuleben, dem Vorstoß ein Ende machen wird...

Wegen der "Zweifler", die die Richtigkeit in Frage stellen, hier noch ein nachgeschobener journalistischer Bericht:


Mit Bezugshinweis zu den Quellen des "Stein des Anstosses" ;-))
 
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Meisterpflicht hin oder her, die meisten Argumente, die ihr gegen die Meisterpflicht anführt, sind ein Zeichen mangelndes Engagement in eurem eigenen Gewerk.
Denkt bitte mal darüber nach.
Setzt ihr euch gemeinsam und vermehrt für Qualität und Fortschritt im Handwerk UND in den Kammern ein, dann gibt es weniger schwarze Schafe, die Mist bauen können.
Das betrifft natürlich genauso die Estrichleger oder jedes andere Gewerk und soll keine Anklage sein.
Gibt es keinerlei Maßstäbe, keinerlei Vorgaben, dann sind einstürzenden Neubauten oder tränende Augen der Braut vorprogrammiert.
In eurer Branche hängen vielleicht nicht direkt Leben von eurem Können und Geschick ab, wie in meiner (Installations- und Heizungsbau), aber unwichtig ist sie in meinen Augen ganz und gar nicht.
Und wenn ich bedenke, wieviel an technischen Neuerungen in Sachen Hardware und Arbeitstechniken, bzw. bei der Entwicklung eurer Arbeiten aufgekommen sind, sind qualitative Maßstäbe mehr gefragt, denn je.
Ich bin in einem Prüfungsausschuß tätig und weiß daher, was man im Verbund mit anderen Kollegen ändern oder bewerkstelligen kann.
Wie gesagt, es kommt vielleicht nicht so sehr auf den Meistertitel an, aber darauf, das man sich selber einsetzt und nicht nur meckert.
LG
Dirk
 
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Meisterpflicht hin oder her, die meisten Argumente, die ihr gegen die Meisterpflicht anführt,
sind ein Zeichen mangelndes Engagement in eurem eigenen Gewerk.

Eine steile These, die ich mangelnder Branchenkenntnis zuschreibe.

Der Bereich Fotografie ist um ein mehrfaches größer als das Handwerk
abbilden kann, und wer im Job was drauf hat, der stellt sich nicht für
Aufwandsentschädigung in eine Prüfungskommission.

Wer die Meisterpflicht für das Fotografengewerbe fordert, der kann
auch den Dampfmaschinenmechanikermeister für den Flugzeugingenieur
zur Voraussetzung fordern.

Die Handwerker betreiben weit überwiegend Portraitbuden am Rande des Bankrotts.
Da gibt es keine Basis für Qualität und Fortschritt, weil nicht der Mangel
an eigener Kenntnis als das Problem verstanden wird sondern alles auf
die bösen Amateure geschoben wird.

Es gibt für einen Azubi im Portraitstudio keine Möglichkeit zu lernen wie
man Autos, Mode, Schmuck, Food, und, und, und fotografiert.
Umgang mit Nuke, Fusion, Maya etc - Fehlanzeige.
Videodreh und Schnitt, bei vielen guten Leuten mittlerweile fester
Bestandteil des Leistungskatalogs - Fehlanzeige.

Setzt ihr euch gemeinsam und vermehrt für Qualität und Fortschritt im
Handwerk UND in den Kammern ein, dann gibt es weniger schwarze
Schafe, die Mist bauen können.

Wie soll denn das Engagement Deiner Ansicht nach aussehen um
Fotografenmeistern die Hochzeiten im grünen Modus mit nur einer Kamera,
einem preisgünstigen Standardzoom und einem nackten Aufsteckblitz
fotografieren das Handwerk zu legen?

Und wenn ich bedenke, wieviel an technischen Neuerungen in Sachen Hardware
und Arbeitstechniken, bzw. bei der Entwicklung eurer Arbeiten aufgekommen
sind, sind qualitative Maßstäbe mehr gefragt, denn je.

Den Maßstab gibt es bereits. Er nennt sich "Portfolio".

Wie gesagt, es kommt vielleicht nicht so sehr auf den Meistertitel an, aber darauf,
das man sich selber einsetzt und nicht nur meckert.

Der Zwang zum Meisterbrief soll jedoch genau diejenigen benachteiligen
die sich mit erheblicher Energie selbst weiterbilden und damit erfolgreicher
sind als die stehengebliebenen "Meister".
 
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Wie bwegen ich mich im "Handwerk" oder unter Dienstleistern?

Für mich zählt kein bedrucktes Papier. Meine "Handwerker" wähle ich aus, weil sie einen guten Ruf haben, weil sie als zuverlässig gelten, weil sie kompetent sind. Weil sie die Kreativität im Portfolio haben, die ich für mein Anliegen haben/buchen möchte.

Um bei den Fotografen zu bleiben, bei vielen Schaukästen die angebliche Meister mit Bildern füllen, kommen mir die Tränen und da nutzt auch kein Brief um diese zu buchen.
In wieweit die Inhalte, die eine solche Ausbildung beinhalten notwendig sind und ausgebildet werden müssen sei noch dahingestellt. Bei dem automatisierten Prozessen heute ist vieles nicht mehr notwendig und vieles was wichtig wäre wird von den wenigsten "Ausbildungsmöglichkeiten" umfangreich vermittelt.
Ich bin in der Werbebranche zu Hause und hier entscheidet NUR die kreative künstlerische Leistung. Die hat man oder eben nicht.

Und der Markt regelt sich hier selber. Und ich habe etwas gegen die ganzen "Schamrotzerorganisationen" die automatisch Beiträge abkassieren aber nicht wirklich was leisten dafür außer die Zwangsmitglieder" zu transalieren.
Auch hier ist eine Reform dringend notwendig. Nämlich sich frei mit Organisationen zu verbinden bei denen Nutzen und Leistung in Einklang stehen.
Das geht ja schon los, wenn man ein Gewerbe anmeldet. Noch keinen Euro hat man verdient und schon erhebliche Dauerbelastungen für Strukturen, die sich hier als Selbstbediener entsprechende Gesetzesgrundlagen geschaffen haben von der Arbeitskraft anderer abzukassieren.
 
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Ich hab mir mal Gedanken gemacht, ganz unabhängig von der Fotografie, wie wichtig mir als Kundin ein Meistertitel ist. Oder besser: was sind für mich wichtige Kriterien bei der Auftragserteilung, ob nun bei Arbeiten am Haus oder für ein Familienfoto für Omma zu Weihnachten?

Fazit: ich kann mich an keine einzige Situation erinnern, in der ich nach einem Meistertitel gefragt oder das besondere Pluspunkte erzeugt hätte.

Ich will, dass der Auftrag tadellos, termingerecht und zu einem angemessenen Preis ausgeführt wird. Weiter wichtig ist mir die Beratung und der Service vor, während und nach dem Auftrag. Das fängt schon beim Angebot an: ist das Standard0815 oder werde ich gefragt, was ich will? Wird geschaut, wie die Situation vor Ort ist und werde ich beraten, ob das, was ich will, auch machbar ist? Werden mir Alternativen vorgeschlagen? Habe ich dabei den Eindruck, mir soll möglichst das Teuerste verkauft werden oder das, was wirklich für mich sinnvoll ist? Kurz: werde ich ernst genommen oder soll ich nur Geldesel sein?

Und ich will wissen, wie die Empfehlungen sind. Waren Nachbarn, Freunde, Familie, Leute, denen ich eine Beurteilung zutraue, zufrieden oder nicht? Gab es später Gründe zur Reklamation und wie wurden die bearbeitet?

Ja, ich bin unbequem. Und weil ich so viele Fragen habe, darf die dafür verwendete Zeit auch gerne in den Preis mit eingerechnet werden. Wenn am Ende ein großer Betrieb und ein kleines, mittelständisches Unternehmen ungefähr gleichauf liegen, dann bekommt letzteres den Zuschlag.

Übrigens habe ich auch schon mal einen Unternehmer wieder rausgeschmissen, weil ich herausgefunden habe, dass er seine Arbeiter unter Tarif bezahlte und deren Arbeitsbedingungen menschenunwürdig (und in der Form gesetzeswidrig) waren. Das war übrigens ein Meisterbetrieb, aber da das für mich ja keine Rolle spielt, sei es hier nur am Rande erwähnt. ;)

Warum schreibe ich dazu so einen Roman? Weil mir das Thema wichtig ist. Weil ich auch selbstständig bin und die Probleme kenne, die ein kleines Unternehmen so hat. Weil ich finde, dass ein Meistertitel, so wie er jetzt angelegt ist, unsinnig ist. Sowohl für diejenigen, die viel Engagement, Geld (trotz Meister-BaföG) und Zeit in diese Weiterbildung investieren und nachher kaum was davon haben als auch für die Kunden. Mir ist wichtig, ein innovatives, kundenfreundliches und fachlich sowie sozial kompetentes Unternehmen, bevorzugt aus der Region, zu engagieren.

Die gibt es. Und zwar sowohl mit als auch ohne Meistertitel und - nebenbei gesagt - mit oder ohne ISO- oder sonstiger Zertifizierung (die eigentlich nur dazu qualifiziert, endlose Checklisten richtig anzukreuzen).
 
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Zu dem Themenkomplex "Meister- und Kammerzwang" kann ich einiges aus eigener Erfahrung beitragen, aus der die m.A. nach völlig kranke Realität der hiesigen Kammerarbeit deutlich wird.

Zum eigentlichen Kernthema möchte ich nur sagen, daß ich absolut gegen den Meisterzwang in der Fotografie bin. Es handelt sich um einen künstlerischen Beruf, von dem keinerlei Risiko ausgeht. Man kann sich über die Fähigkeiten des potentiellen Auftragnehmers durch Arbeitsproben vorher überzeugen. Wenn dann z.b. eine Hochzeit als einmaliges Ereignis versiebt wird, hat das i.d.R. Gründe wie Technikausfall oder andere Pannen, vor denen auch kein Meisterbrief schützt. Zwar sehe ich die im seltenen Idealfall vermittelte Ausbildung hinsichtlich Lichtsetzen, Großformatsysteme u.s.w. als durchaus nützlich an, aber die Erfahrungen geschundener und strunzdoofer Lehrlinge sowie die stinklangweiligen Kitsch-Auslagen vieler klassischer Fotografenmeister zeit in der Realität ein anderes Bild. Hier im Forum fallen mir ad hoc zig Mitglieder ein, die in ihren Genres Fotografenmeister locker an die Wand fotografieren. Das wissen die Herren Handwerker auch und kaschierten ihren Futterneid mit einer unglaublichen Arroganz.

Nun bin ich selbst Handwerksmeister, allerdings Fernsehtechnik bzw. neudeutsch Informationstechnik, und bin einerseits durchaus Verfechter der Zünfte. Aber nicht in jedem Bereich, und bestimmt nicht kritiklos gegenüber der Kammern. Ich habe nämlich mit der Bande meine eigenen Erfahrungen gemacht. Als ich einen ordentlich bezahlten Angestelltenjob hatte und meine eigene Firma geringfügig nebenher betrieb, war ich weiterhin in der Rentenversicherung als Handwerker pflichtversichert. Das ist auch ok, nur basierte der Beitrag auf Vollzeittätigkeit und war höher als der monatliche Ertrag. Da ich im Prinzip garnicht mehr handwerklich gearbeitet habe, sondern als IT-Admin für ein paar Stammkunden den gleichen Job wie IHK-geprüfte IT´ler machte, wollte ich aus der Handwerksrolle raus. Um die Rentenversicherung zu umgehen.

Die Kammer schrie Zeter und Mordio und drohte wüst. Wollten Tätigkeiten verbieten, die ich nie angeboten haben (z.b. Handy / Tablett-Reparatur) oder Lötarbeiten an PC-Netzteilen. Nur so ein Quatsch. Kehrseite: Genau diese Arbeiten werden in meiner Heimat von etlichen dubiosen Handyshops angeboten und offen beworben: Schwarzarbeit, die bei der Kammer niemanden interessiert. Die f***** einen Meister, weil der natürlich sofort nach Kammeraustritt sein Fachwissen schlagartig verliert und eine Gefahr für Leib und Leben darstellt. Dazu die lustigen Drohungen, ich dürfte keine Telefonanlagen mehr bearbeiten. Was heutzutage dank VoIP praktisch nichts mehr mit HWK zu tun hat. Ab in den Serverschrank und programmieren. Witzig: Die größten Fachfirmen in der Region sind NICHT Kammermitglied, was mir bis heute keiner plausibel erklären kann. Es gibt zwar Abgrenzung zwischen "vorwiegend Handel" und "vorwiegend Service", aber gerade Telefonanlagen werden von Fachbetrieben praktisch immer mit gleichzeitiger Arbeit und anschließendem Kundendienst verkauft. Das skaliert sich mit der Betriebsgröße, an den Tätigkeiten ändert das aber garnix.

Letztendlich bin ich in der Kammer geblieben, weil die Rentenversicherung ein Einsehen und eine goldene Idee zur Problemlösung hatte. Die IHK hatte ich vorher um Intervention gebeten und die hätten mich sonst auch rausgeboxt.

Zur Ehrenrettung muss man allerdings sagen: Die Kammer tut schon viel, auch gibt es gute Beratungsangebote. Die allerdings werden nicht aus den Mitgliedsbeiträgen finanziert, sondern durch Fördermittel. Wer also bei der HWK ein Seminar besucht, bekommt nichts für seinen Kammerbeitrag. Er ist Kunde, für den Land, Staat oder EU zahlen. Vermutlich werden aber auch viele Gelder in die zahlreichen Ausbildungsmaßnahmen fließen. Und die waren in meinem Fall wirklich gut, das muss man fair sagen. In der Lehre hatten wir bei den Überbetrieblichen Unterweisungen einen hervorragenden Lehrer, der alles wieder rausgeholt hat, was die Berufsschulen vorher verbockt hatten. Ist also nicht alles schlecht.

Dennoch finde ich es lachhaft, daß in den Zünften (deren Nachfolger streng genommen aber nicht die Kammern, sondern die Innungen und Kreishandwerkerschaften sind) nicht für die eigenen Leute gesorgt wird.

Ach ja, bittere Pointe: Die wirklich handwerklich erbrachten IT-Leistungen sind nicht mehr Meisterpflichtig. Ausgerechnet die Montage von Netzwerkverkabelung (was heute aus gutem Grund spezialisierte Elektro- und IT-Betriebe machen!) gehört nicht mehr zum IT- bzw. Elektrogewerk. Obwohl diese Arbeit wirklich handwerkliches Können und elektrotechnisches Fachwissen erfordert. Das ist doch lachhaft. Ein Ungelernter darf Netzwerkschrank samt Verkabelung und Vorbereiten der Erdung. Aber ein Meister ohne Kammermitgliedschaft darf nix in den Schrank reinstellen. Es ist schon erstaunlich, wie aktive Lobbyarbeit jeden Verdacht auf pathologische Verhaltensweisen der Kammern übertüncht. Was war noch gleich das Thema? Ach ja... Fotografenmeister.... geh mir wech.
 
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Warum schreibe ich dazu so einen Roman? Weil mir das Thema wichtig ist. Weil ich auch selbstständig bin und die Probleme kenne, die ein kleines Unternehmen so hat. Weil ich finde, dass ein Meistertitel, so wie er jetzt angelegt ist, unsinnig ist. Sowohl für diejenigen, die viel Engagement, Geld (trotz Meister-BaföG) und Zeit in diese Weiterbildung investieren und nachher kaum was davon haben als auch für die Kunden. Mir ist wichtig, ein innovatives, kundenfreundliches und fachlich sowie sozial kompetentes Unternehmen, bevorzugt aus der Region, zu engagieren.

Die gibt es. Und zwar sowohl mit als auch ohne Meistertitel und - nebenbei gesagt - mit oder ohne ISO- oder sonstiger Zertifizierung (die eigentlich nur dazu qualifiziert, endlose Checklisten richtig anzukreuzen).

Das kann man so auch nicht pauschal unterschreiben. Ich halte die Meisterausbildung in vielen Gewerken für gut und wichtig. Gerade der betriebswirtschaftliche Teil ist für Start-up-Unternehmer extrem hilfreich. Schon mit Beginn der Meisterschule haben viele einen unheimlich hohen Anspruch an ihre eigene Arbeit, was im guten Ergebnis dem Kunden zugutekommt. Es wird im Kurs viel Fachwissen vertieft und aufgefrischt. Natürlich gibt es auch viele Idioten, die sich irgendwie durchschleichen. Und genauso gibt es sehr gute und erfahrene Altgesellen. Nun gibt es aber auch da einen Zusammenhang: Es gibt top Altgesellen, die keinen Bock auf Schule haben oder sich bei ihrem Arbeitgeber sauwohl fühlen und deshalb dort bleiben. Ein großer Teil wirklich guter Leute hat aber Antrieb und Ehrgeiz, sich weiterzubilden. Aus denen werden dann gute Meister, die ihr Geld wert sind. Es gibt Gewerke, wo Gesellen im Prinzip alles bewältigen können, was anfällt. Weil die ja eh 90% eigenständig arbeiten. Aber da wird auch genug Mist gebaut, den der Kunde überhaupt nicht sieht. Ich kann in meinem Fachbereich sofort sehen, wie qualifiziert eine Arbeit ausgeführt wurde.
 
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Übrigens habe ich auch schon mal einen Unternehmer wieder rausgeschmissen, weil ich herausgefunden habe, dass er seine Arbeiter unter Tarif bezahlte und deren Arbeitsbedingungen menschenunwürdig (und in der Form gesetzeswidrig) waren.
(y):)(y)
... - mit oder ohne ISO- oder sonstiger Zertifizierung (die eigentlich nur dazu qualifiziert, endlose Checklisten richtig anzukreuzen).
Nicht ganz richtig: Das dient dazu, den Zertifizierungsorganisationen (-firmen) eine Menge Geld zuzuschustern.
Und das wird dann wieder beim Kunden hereingeholt (wo auch sollte es auch sonst herkommen?).

Grüße, Christian
 
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Irgendwie scheint dieser Zertifizierungswahn auch schon wieder seinen Zenith überschritten zu haben. Wie das funktioniert, habe ich in der Kundschaft bei kleinen Industriedienstleistern leibhaftig miterlebt. Der Ablauf mit den ganzen Audits wird sicherlich Unternehmer an manchen Stellen auf Verbesserungsideen gebracht haben, aber in den meisten Fällen sind innerbetriebliche Prozesse einfach den spezifischen Bedingungen geschuldet bzw. haben sich schlicht und ergreifend bewährt. Motivation, für ISO 9001 Geld auszugeben, war i.d.R. die Anforderung durch den Kunden. Ich kenne keinen Unternehmer, der sich zertifizieren lassen wollte, weil er sich davon aktive Verbesserungen versprochen hat.
 
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Es gibt für einen Azubi im Portraitstudio keine Möglichkeit zu lernen wie
man Autos, Mode, Schmuck, Food, und, und, und fotografiert.
Genau darüber habe ich in den letzten Jahrzehnten mehrfach Klagelieder aus unterschiedlichen Quellen
gehört: fotografische Ausbiildung angeboten, aber ab Tag eins Paßbilder von morgens bis abends machen
müssen, den regelmäßigen Besuch der Berufsschule bemäkelt oder unmöglich gemacht.
Die Fotos mußten alle streng nach Vorgabe angefertigt werden, ohne Spielraum für Kreativität oder
Individualität (des Fotografen oder des Kunden).

Ausrüstung alt, ebenso die geistige Ausrüstung von vorgestern.

Mehrfach habe ich dann davon gehört, daß die Leute aufgrund dieser Erfahrungen eine neue Lehre in einem
anderen Bereich begonnen haben, in welchem eine echte Ausbildung stattgefunden hat.

Und aus dem Umstand, daß ich schon mehrfach von derlei Dingen gehört habe und zum ersten Mal vor circa
30 Jahren, schließe ich, daß solche Zustände der Branche traditionell und strukturell anhaften.

Grüße, Christian
 
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Nicht ganz richtig: Das dient dazu, den Zertifizierungsorganisationen (-firmen) eine Menge Geld zuzuschustern.

Nicht ganz richtig.
Die ganze Zertifizierung soll jeden Schritt des abgelaufenen Prozesses - gerade bei Firmen, die in der Herstellung arbeiten - im nachhinein nachvollziehbar machen.
" Dokumentation " ist das Stichwort.

Wenn in den USA ein Reifen platzt, kann bei zertifizierten Zulieferern derjenige gefunden werden, der das Ventil, weil der deutsche Zulieferer bestreikt wurde, mal eben in China nachbesorgt hat.
Diese ganze ISO-Geschichte dient der Verfolgung der Haftung und wird daher in der Wirtschaft bei allen Unternehmen, die international mitspielen wollen, vorausgesetzt.
 
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Das ist sicherlich ein Teilaspekt und plausibel. Allerdings ist das eine innerbetriebliche Organisation, die nicht erst mit ISO 9001 erfunden wurde. Sowas unterliegt auch dem allgemeinen Qualitätsmanagement und liegt im Interesse jeder Firma. Im Grunde geht es ja um eine Transparenz, die ja auch ein Eckpfeiler des SAP-Konzeptes darstellt. Bei dem eine Bestellung sofort entsprechende Impulse quer durch den ganzen Konzern auslöst und natürlich der Ablauf nachvollziehbarer wird.

Was ein früherer Kunde von mir damals nicht lustig fand: Im Rahmen seiner Audits wurde auch Kundezufriedenheit abgefragt. Bei sowas zeigt sich ja wie so oft, daß mindestens einer der Beteiligten massive Wahrnehmungsstörungen hat. Er bekam ausgefüllte Fragebögen zurück, wo sich ausgerechnet die Kunden auskotzten, die immer besonders schnell und zuvorkommend behandelt wurden (ging um Laserschweissen, wo ständig Werkzeugbauer mal eben mit 15min Aufwand Kleinkram repariert haben müssen, aber auch größere und planbare Aufträge).

Jedenfalls ist da auch viel Willkür und Unfug drin.

Nicht ganz richtig.
Die ganze Zertifizierung soll jeden Schritt des abgelaufenen Prozesses - gerade bei Firmen, die in der Herstellung arbeiten - im nachhinein nachvollziehbar machen.
" Dokumentation " ist das Stichwort.

Wenn in den USA ein Reifen platzt, kann bei zertifizierten Zulieferern derjenige gefunden werden, der das Ventil, weil der deutsche Zulieferer bestreikt wurde, mal eben in China nachbesorgt hat.
Diese ganze ISO-Geschichte dient der Verfolgung der Haftung und wird daher in der Wirtschaft bei allen Unternehmen, die international mitspielen wollen, vorausgesetzt.
 
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Diese ganze ISO-Geschichte dient der Verfolgung der Haftung...
Und bringt dem Kunden unterm Strich nur unnötige Kosten. Denn haften tut gegenüber dem Kunden
ohnehin der Hersteller / Lieferant. - Was geht es mich dann an, wer wann gegenüber wem seine
Haftung (im Binnenverhältnis) hin- und herschiebt?
Und die Kosten dafür lasten auf den Preisen. - Wo auch sonst, wie gesagt.

Grüße, Christian
 
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Sorry, Leute, dass ich das Wort ISO-Zertifizierung erwähnte! Ich könnte selber ein Klagelied singen, aber das ist ein anderes Thema, lasst es mal beiseite, bitte.

Das kann man so auch nicht pauschal unterschreiben.

Das ist mir schon klar. Ich habe ja auch nur meine ganz subjektiven Überlegungen geschildert. Ich will den Meister nicht generell abschaffen, wo er bereits besteht. Nur, wie hier im Thread auch schon gelegentlich erwähnt, anregen, die bisherigen Regelungen dazu möglichst den Realitäten anzupassen. Keine Pflicht zur Weiterbildung ist - finde ich - ein no go. Insbesondere dann, wenn es um Sicherheit geht.

Ich habe höchsten Respekt vor allen, die eine Meisterprüfung erfolgreich abgelegt haben. Das hinzugewonnene Wissen und dessen Nützlichkeit kann ich zwar nicht beurteilen, aber ich weiß aus eigener Erfahrung, was es kostet, nebenberuflich eine anspruchsvolle Ausbildung zu absolvieren. Und gerade deshalb verdienen diese Menschen, dass ihr Meistertitel am Ende auch etwas wert ist und für den Kunden ein Argument. Für mich ist er das (s.o.) derzeit nicht.
 
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Zur allgemeinen Erheiterung berichte ich hier mal von meinen Erfahrungen der letzten 40 Jahre:

Ich war ein "spätberufener" Auszubildender zum Radio- und Fernsehtechniker, da ich nach dem mit einer Ehrenrunde absolviertem Abitur an einem altsprachlichen Gymnasium und einem gescheiterten Versuch, Elektrotechnik zu studieren, nach weiteren Umwegen als Verkäufer bei Conrad-Elektronik und Radio RIM in München nur durch Empfehlung eines Abteilungsleiters von Conrad-Elektronik eine Lehrstelle bekam:
Die anderen Fernsehdienste, bei denen ich mich beworben hatte, hatten mich als zu alt und überqualifiziert ab gelehnt und befürchteten, dass ich schwer zu lehren sei, weil ich als Abiturient und Studienabbrecher alles besser wissen wolle. Das traf alles zu, trotzdem habe ich den Gesellenbrief ein Jahr früher als üblich erhalten.

Ich habe mich selbst weiter gebildet und in den Achtzigern eine PC-Fertigung mit eingetragenem Warenzeichen PIANO-PCs (Schallgedämmte Gehäuse, temperaturgeregelte Lüfter) gegründet.
Da bekam ich eine Anfrage der Handwerkskammer: Was genau meine Tätigkeit bei dieser Fertigung sei?

Nachdem ich wahrheitsgemäß berichtet hatte, dass ich aus eingekauften Einzelteilen PCs zusammen baue und dabei auch einen Lötkolben zur Hand nehmen muss, um die selbst erfundene Temperaturregelung der 12 Volt Lüfter zu konstruieren und diese in die damals noch nicht mit FTZ-Prüfung erhältlichen PC-Netzteile ein zu bauen, wozu ich diese Netzteile auch durch Einbau zusätzlicher Bauteile FTZ-gerecht entstören musste (die FTZ-Prüfung kostete mich damals Tausende), drohte man mir eine Gewerbeuntersagung an, weil ich nur RF&FS-Techniker-Geselle, aber nicht Meister bin.
Nur deshalb habe ich dann eine GmbH gegründet mit mir als Gesellschafter-Geschäftsführer, und einen arbeitslosen Ingenieur h.c. aus einer EDV-Fortbildungsmaßnahme des Arbeitsamtes als Werkstattleiter eingestellt.
Dem musste ich natürlich erst alles beibringen, aber dem HKW-Gesetz war damit Genüge getan. :)
 
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Michael, solche Geschichten sind soooo typisch. Und das ist es auch, was krank macht. Das, was Du gebaut hast, hat mit Handwerk nichts zu tun. Rein garnichts. Das ist Industrieelektronik und - wenn auch im Kleinen - Serienfertigung. Aber das Handwerk hält sich ja für zuständig. An dieser Stelle ist der Gesellenbrief als Fernsehtechniker auch eher hinderlich gewesen. Solche Diskussionen hatte ich auch schon. Macht die Arbeit ein Unqualifierter = IHK zuständig. Macht die exakt gleiche Arbeit ein Qualifizierter, muss sie lebensgefährlich sein, weil Handwerk. Kenne ich alles.

Richtig krass wird das generell bei Industrieelektronik, wo viele Selbständige keine Weiterqualifizierung haben. Das ist doch ein Witz. Die Diskussion hatte ich in Punkto Industrielaser. Nach Ansicht der HwK sind Arbeiten an industriellen Anlagen in industriellem Umfeld Handwerk. Das ist geisteskrank.

Was ich vor allem nicht verstehe: Warum kann man sich nicht in den Gewerken, die sowohl im Handwerk als auch in der Industrie vergleichbar vorkommen, auf einen gemeinsamen Ausbildungsstandard einigen und die Zugehörigigkeiten klar definieren? Das Problem ist einfach: Die blicken selber nicht mehr durch und lamentieren nur noch ohne Sinn und Verstand. Wenn jemand nämlich zu Zugangsvoraussetzungen für die Handwerksrolle erfüllt, hat er auch kein Problem damit, daß die HwK etwas höhere Beiträge hat. Aber darum geht es in den seltensten Fällen. Fast immer dreht sich der Ärger um fehlenden Meisterbrief und die Zwangsmitgliedschaft in der Rentenkasse für Handwerker. Letzteres wäre das auch vom Tisch, wir die gesetzliche Rente für alle Einkommensarten einführen würden, wie es die Schweiz erfolgreich praktiziert. Ist der sozial einzig sinnvolle Weg, aber das ist ein anderes Thema.
 
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