(...) zumal es mir von Anfang an weniger um den Meisterzwang und seine befürchtete
Wiedereinführung ging als die Petition und ihr Zustandekommen an sich.
Den Petenten geht es aber genau um die befürchtete Wiedereinführung,
das steht in der Petition auch klar drin.
Die Petitionsbegründung kann man direkt bei der Petition nachlesen,
auch hier im Thread wurde dazu einiges gesagt.
Ich kenne keinen einzigen professionellen Fotografen der sein Geld wert ist
und für die Wiedereinführung wäre. Dafür habe ich die destruktiven
Auswirkungen des Zunftrechts gerade in der Fotografie aus nächster Nähe
seit den frühen 80ern erlebt. Glücklicherweise niemals selbst als Betroffener,
aber zu oft als Zeuge.
Bis heute muss man sich als gewerblicher Fotograf in die Handwerksrolle
eintragen und an die Handwerkskammer Beiträge bezahlen, egal ob Meisterbrief
oder nicht. Die Handwerkskammern liefern dafür einen Gegenwert von genau Null.
Wer in den Meisterbrief investiert, investiert damit zu 99% in die Genehmigung
junge Menschen für 255 Euro im Monat die Portraitbude bevölkern zu lassen,
ausgebildete Gesellen werden nur übernommen wenn der einzige Geselle der
den Filialleiter geben muss mal wieder entnervt gekündigt hat.
Wenn niemand anders diese Petition gestartet hätte, hätte ich das getan.
Die Gründe sind Legion.
Reicht das für die Frage nach dem Zustandekommen der Petition?
Die Petition macht aus meiner Sicht nur Sinn, wenn man etwas
Konstruktives dazu vortragen kann.
Nun, die Petition ist ja begründet worden. Unter anderem mit der beeindruckenden
Zahl von 13.000 neuen Betrieben als Einzelunternehmer. Das macht deutlich welches
Wirtschaftshemmnis die Meisterpflicht zuvor war.
Ich behaupte daß der Wegfall der Meisterpflicht einen guten Teil dieser
13.000 Betriebe aus der Schwarzarbeit oder wackligen Firmenkonstrukten
zur Verschleierung der eigentlichen Tätigkeit geholt hat.
Zusätzlich wurde Leuten die mangels Meisterbrief zuvor nur als schlecht
bezahlte Angestellte tätig sein konnten die Möglichkeit eröffnet endlich
ihren Fähigkeiten entsprechend zu arbeiten und selbst die Früchte ihrer
Arbeit einzufahren.
Vorbei auch die Zeit daß man als Meister pro forma als Betriebsleiter
angestellt werden konnte und dafür nix tun musste, es reichte offiziell
einen Meister im Betrieb zu haben. Der war oft nicht mal anwesend,
obwohl das eigentlich gegeben sein musste. Die Kammern haben weggesehen.
Früher konnte man als unfähiger Dorffotograf jeden besseren Konkurrenten
für Hochzeitsfotos mit Hilfe der Kammern wegballern lassen, wenn man
selbst einen Meisterbrief hatte, der weit bessere Konkurrent aber nicht.
Solche Reservate fielen mit dem Wegfall des Meisterzwangs natürlich
auch weg.
Damals wurden diverse Berufsbilder von der Meisterpflicht befreit und konnten
gewerblich ausgeübt werden, ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein.
Man muss sich als gewerblicher Fotograf immer noch in die Handwerksrolle
eintragen lassen und Kammerbeiträge zahlen. Lediglich der Meisterbrief
ist nicht mehr Voraussetzung für die Eintragung.
Nun gibt es Bestrebungen, die in den Anlagen B1 und B2 zur Handwerksordnung
erfassten Berufsbilder oder Teile davon wieder mit einer Meisterpflicht zu "belasten".
"Belasten" ist eine sehr treffende Bezeichnung.
Es ist klar, dass dies durch Lobbyisten voran getrieben wird und Wettbewerb dahinter steckt.
Eher der Versuch Wettbewerb zu behindern.
Vornehmlich dürfte Bau und Innenausbau interessiert sein.
Gleich als erstes in B1 findet man Fliesen-, Platten- und Mosaikleger oder
Betonstein- und Terrazzohersteller oder Estrichleger und Parkettleger.
Der Estrich unserer Studiorampe musste wieder rausgekratzt werden,
weil der Meisterbetrieb an der Mischung gespart hatte.
Denen ein Reservat einrichten? Niemals!
Die Politik sucht jetzt natürlich nach eher unverdächtigen Argumenten, also Gefahrgeneigtheit,
Ausbildungsniveau, Nachwuchsprobleme, die nur mit geordneten Ausbildungsordnungen
eingehalten werden usw.
Nix dabei wo die Handwerkskammer der Fotografie nützlich sein kann.
Und genau da müsste man seinerseits ansetzen und Argumente finden,
dass Fotografie weiter ausgenommen bleiben sollte, weil...
Eine gute Idee. Danke dafür.
Unklar bleibt, wer denn wie auch immer organisiert ist und ob Verbände und
Interessenvertretungen von Fotografen eine gleichgelagerte Intention mittragen
wurden.
Frag 5 Fotografen und Du bekommst 10 Meinungen.
Es gibt eine Reihe verschiedener Verbände, aber keinen Branchenverband, der
alle bedienen könnte - oder wollte.
Freelens mit 2400 Mitgliedern bedient vorwiegend Bildjournalisten, dürfte sich einer Meisterpflicht
erbittert entgegenstellen.
Der siechende Centralverband mit rund 300 Mitgliedern ist die Lobby-Organisation des Handwerks.
Der PIC-Verband mit knapp 100 Mitgliedern ist vorwiegend auf den Austausch und die Weiterbildung
seiner Mitglieder fokussiert. Im Gegensatz zum BFF sind hier Handwerker und Designer/Freischaffende
gemischt vertreten.
Der BPP mit rund 500 Mitgliedern versammelte früher vorwiegend Handwerker mit
klassischen niedergelassenen Studios (inclusive Rahmenverkauf etc) mit Zielgruppe
Endkunden. Das hat sich seit dem Wegfall der Meisterpflicht meinem Eindruck nach
ein wenig gewandelt.
Der BFF war früher die elitärste Verbindung, seine Bedeutung hat stark abgenommen.
Mit aktuell über 500 Mitgliedern ist er jedoch fast doppelt so stark wie der Centralverband
der Handwerker und garantiert gegen die Meisterpflicht.
Die Bundesregierung plant jedenfalls eine Neuorganisation mit dem Ziel, eine ganze Reihe
Berufe wieder der Meisterpflicht zu unterwerfen. Ein gewisser Handlungsbedarf ist also da.
Wir erleben ja beinahe täglich wie Gesetze und Verordnungen im Bündel abgestimmt
werden, gern kurz vor Sitzungsschluss an Freitagen oder spät nachts, wenn man etwas
besonders Hinterhältiges durchbringen will.
Ich erinnere mich noch gut an das Stopschildgesetz, bei dem einigen der MDLs nicht
klar war wofür sie damals eigentlich gestimmt hatten. Die Augen wurden groß als ich
das erklärte, und warum sie dafür so viel Schelte kassieren mussten.
Es besteht die Gefahr daß das hier auch wieder passiert.