Lappland: Im Sarek NP

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assiliisoq

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Hallo Nordland-Fans, Wildnis-Liebhaber, Wanderverrückte und alle, die froh sind, solche Gegenden vom Sofa aus betrachten zu können :)

Wieder zog es mich in den Norden. Diesmal blieb ich jedoch in Europa. Allerdings fuhr ich in Schweden so weit hinauf, bis ich nördlicher war, als ich in Grönland gewesen bin, und nördlicher, als ich in Alaska unterwegs war.
Ich fuhr von Hamburg aus 2 Tage lang mit dem Auto durch Wälder und zwischen wunderschönen Seen hindurch, bis ich den Polarkreis passiert hatte und in Kvikkjokk schließlich am Ende der Straße ankam. Auf den letzten 100 km nahm die Elchdichte auf der Straße deutlich zu. Von hier geht es nur noch zu Fuß weiter. In Kvikkjokk gibt es eine Fjällstation, die wie ein Verkehrsknotenpunkt für Fernwanderer ist. Hier treffen Padjelantaleden und Kungsleden aufeinander. Dies sind zwei "ausgebaute" Fernwanderwege. Das heißt, die Wege sind markiert und beschildert, durch die sumpfigsten Sümpfe gibt es Bohlenwege, über die rauschendsten Bäche gibt es Brücken und in Tagesmarsch-Abständen gibt es Hütten, in denen man übernachten kann. Manche sind bewirtschaftet, andere sind einfach nur da. Einen Teil des Kungsleden bin ich vor 20 Jahren mal gelaufen.

Und von hier aus kann man auch in den Sarek wandern. Der Sarek ist Wildnis. Hier gibt es keine Wege, keine Hütten und nur 3 Brücken. Das gebirgige Gebiet ist etwa 2000km² groß. Die Berge steigen bis auf über 2000m auf und beherbergen über 100 Gletscher.
Es ist die mit Abstand niederschlagsreichste Region Schwedens.

Ich habe mir eine Route ausgearbeitet, die durch Täler, über Hochebenen und Pässe verläuft und mich nach etwa 14 Tagen nach Kvikkjokk zurückbringen soll. Dabei habe ich Essen für 19 Tage eingepackt, meine maximal verfügbare Zeit. Man weiß hier nie, was einen erwartet, und Pläne müssen daher flexibel bleiben.

Edit: Eine Karte mit Route habe ich auf Wunsch nun am Ende des Berichtes (#23) angehängt.

Es ging mit zwei eher einfachen Etappen auf dem Kungsleden bis Aktse los, wo ich vom Weg in die Wildnis abbog. Gut zum Einlaufen. Das Wetter war so lala. Es regnete nicht, war aber stark bedeckt, was Fotos rein dokumentarischen Wert verleiht.

Von hier stieg ich auf den Skierffe, der mein erstes Highlight werden sollte. Der Blick von dieser 700 m hohen, senkrecht abfallenden Felswand auf das Delta mit Seen und Flussarmen, die in allen Blau-Grün-Gletschermilch-Tönen in der Sonne schimmern, muss genial sein! Leider war das Wetter nicht kooperativ. Keine Sonne, keine Farben, kein Schimmern.

Wer das sehen möchte, gibt in einer Bildersuche "Skierffe" ein. Meine Bilder sind trist grau und trüb.

Ziemlich enttäuscht, mit Druckstellen an den Hüften vom noch ziemlich schweren Rucksack, mit plattgelaufenen Füßen, zog ich weiter, durchquerte noch ein, zwei Flüsse, schreckte mehrere Lemminge auf und belästigte einige Rentiere, bis dann die Regenfront so nahe kam, dass ich am nächstbesten Bach mein Zelt aufbaute und Trübsal blies.

Auch am nächsten Tag blieb es sehr trüb und grau. Ich stapfte durch Sümpfe und Geröllhalden, über Heide und Schneefelder und durch Bäche. Die waren durch den vielen Regen der letzten Tage mächtig voll Wasser. Dazu kam, dass der letzte Winter extrem schneereich gewesen sein muss, der Sommer bisher jedoch kalt und nass, weshalb immer noch viel mehr Schnee als üblich lag, der durch die nun immerhin ziemlich warmen Temperaturen heftig ins Schmelzen geriet.
So wurde jeder Bach, der durchquert werden musste, zu einer kleinen Herausforderung. Meist war das eisige Wasser nicht mehr als knietief, doch so ein Bergbach hat mächtig Strömung.

Dann, endlich!, kam ein Hoffnungsschimmer in Form eines Sonnenstrahles, der irgendwo in den Wolken eine Lücke fand. Endlich konnte ich sehen, wie die Landschaft um mich herum aussieht.




 
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Der nächste Tag fing wechselhaft an. Da ein Bergbach in einem tiefen Canyon nicht zu queren war, stieg ich neben diesem Bach ins Tal hinunter. Hier gibt es oft ein Delta in Kiesbänken, was das Furten erleichtert. So war es dann auch. Doch nicht alle Bäche teilen sich in mehrere Arme auf, einige münden auch einfach so in den Hauptfluss, den Rapaädno. An so eine Stelle kam ich nach mehreren weiteren Furten. Der Stock-Test ergab: tiefer als Beinlänge. Aber immerhin kaum Strömung.
Gleichzeitig kam von vorne eine weitere massive Regenfront auf mich zu.
Bei Regen furten, wenn man alle Klamotten ablegen muss, ist richtig unangenehm.

Also wieder schnell das Zelt aufgebaut.




Es war erst Nachmittag. Es schüttete ohne Unterlass. Ich holte meine Karte heraus und machte mir Gedanken, ob ich nicht einfach wieder den Weg zurück gehe und bei diesem Wetter schaue, dass ich so einfach und so schnell wie möglich hier heraus komme.
Es regnete weiter, und ich konnte das Wasser in den Flussarmen steigen sehen. Laut Beschreibungen sollten noch schwierig zu querende Bäche auf diesem Abschnitt vor mir liegen, dieser hier wurde nicht einmal erwähnt.
Ich war richtig deprimiert und dachte ernsthaft ans Aufgeben. Das hatten in den letzten 3 Wochen vor mir ziemlich viele Wanderer hier im Sarek auch gemacht, da in diesem Jahr einfach zu spät zu viel Wasser floss.

Es regnete die ganze Nacht durch.

Am Morgen versteckte ich mich so lange in meinen Daunen, bis sich ein kleiner Lichtschimmer zeigte. Es hörte auf zu regnen. Und sofort erwachte mein Optimismus wieder zu frischem Tatendrang.




Bevor ich das Zelt abbaute und den Rucksack packte, machte ich mich nur mit Oberbekleidung, Neoprenschuhen und Trekkingstöcken auf die Suche nach einer Stelle im nun auch noch vom aufgewühlten Schlamm trüben Wasser, wo ich vielleicht doch hinübergelangen könnte. Und ich fand eine! Mit ein paar Umwegen, die ich mir genau einprägte. Ich furtete alle Stellen wieder zurück, packte meinen Haushalt ein und machte mich wieder auf den Weg.

Irgendwann kam ich wegen einer Furt am Fluss nicht weiter und versuchte mich etwas höher oben im Wald. Das ist ein verfilztes Birkendickicht mit wunderschönen, mannshohen Blumen. Und ich fand sogar einen Pfad! Das Ergebnis einer Kooperation von Mensch, Ren, Elch und anderen großen Tieren. Elche oder Rentiere beginnen einen Pfad, die anderen nutzen ihn mit, und so wird er langsam ein richtig erkennbarer "Wanderweg", den Mensch und Tier nutzen.

Noch immer war es sehr dunkel, aber es regnete nicht mehr.




Um die Berge vor mir, dort, wo die Gletscher begannen, dort, wo ich hin wollte, da jagten sich Wolken und Regenschauer.

Noch am selben Abend stieg ich ziemlich hoch auf in das Snavvavagge, ein Hochtal, von dem aus ich mir wiederum einen super Blick auf ein weiteres Delta-Gebiet im Flusslauf erhoffte, das Rapaselet.

Auf dem Weg dorthin erlebte ich dann eine ziemliche Lehrstunde in Sachen Flussquerung. Das Gletscherwasser war nicht soooo tief, etwas mehr als bis zu den Knien (was bei einer ordentlichen Strömung immerhin als anspruchsvoll gilt). Vorher zieht man sich also die Hosen aus und die Trekkingstiefel, packt alles in wasserdichte Beutel (besonders natürlich den Schlafsack und den Fotoapparat), und geht Schritt für Schritt vorsichtig los. War auch alles gut, bis unter meinem Fuß ein ziemlich großer Stein wegrollte und ich einen Bauchplatscher machte. Sch#*%$&§!!!
Ich hatte Glück und konnte mich an einem anderen großen Stein abfangen und wieder aufstellen und wurde nicht weggespült. Aber mir war der Bach in die Jacke gelaufen und, noch lästiger, in die Trekkingstiefel, die ich um den Hals hängen hatte und in denen die Socken steckten. Bis obenhin vollgelaufen! Das war es wohl mit trockenen Füßen für den Rest der Tour :heul:

Gut, dass es noch eine Weile steil bergauf ging, so wurde mir warm.

Endlich erreichte ich mein Hochtal und wurde mit einer schönen Aussicht belohnt!

 
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Ich wollte gar nicht so viel schreiben - aber was solls. Ihr könnt euch ja auch einfach die Bilder angucken.

Noch am Abend stieg ich auf eine Klippe über dem Tal, um das tolle Farbenspiel auf den Wassern des Rapaselet zu bewundern. Naja, das Wetter ... wie gehabt. Aber ein toller Blick ist das von dort oben, einige hundert Meter senkrecht, schon.

Am nächsten Morgen sah das dann aber gar nicht so schlecht aus. In der Nacht hatte es Neuschnee gegeben bis auf 1500 m hinunter. Mein Zelt stand auf ca. 1000 m. Talauswärts schien sich evtl. ein wenig Licht durchsetzen zu wollen?
Frisch motiviert bin ich wieder auf meine Aussichtsklippe gestiegen.





Bergwärts, meine Richtung, Regenschauer bis tief in die Täler.
Aber immerhin ein Regenbogen!





Unten im Tal, unter dem Regenbogen, wo die große Insel mit den Bäumen drauf mitten im Delta liegt, das ist die Tielma-Furt. Die einzige Stelle, wo man diesen Fluss furten kann. Aber nicht bei solchem Hochwasser. Einen Tagesmarsch flussaufwärts gibt es im Sommer jedoch eine der drei Brücken, auf die ich deshalb nun zu steuerte.

Die Stelle dort unten heißt auch "Raubtierplatz". Hier kann man an einem Morgen die Spuren aller 4 großen Raubtiere des Sarek finden: Bär, Vielfraß, Luchs und Polarfuchs. (Ich habe keines dieser Tiere getroffen, leider. Und Elche nur aus der Ferne - oder auf der Straße. Da laufen echt viele herum.)






Regenbogen heißt Hoffnung. Also auf in den Tag!

Während ich nun durch das Snavvavagge wanderte, wurde das Wetter um mich herum immer besser!









Endlich ein herrlicher Blick in die Gletscherwelt des Alkatj-Massives.


 
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Wow, wieder einmal ein unsagbar schönes Erlebnis.
Ja und Hut ab,
Hut ab vor Deinen Fotos
Hut ab vor Deinen Wanderungen
Ich wünsche Dir (und natürlich auch uns hier im NFF, die Du teilnehmen lässt), dass Du noch ganz viele solcher schönen Orte besuchst und uns mit dahin nimmst.
 
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Ich hatte Glück: Bis ich zum sehr steilen Abstieg aus dem Snavvavagge kam, waren vom Wind Gras und Steine schon wieder trocken. Das kann sonst gefährlich rutschig werden!
Dann lief ich Richtung Regenwolken.
Ein Rentier hatte auch keine Lust mehr auf so viel Wasser von oben und lief in die andere Richtung davon.




Auf den letzten paar Kilometern wurde ich also hübsch von so einem Powerniesel befallen, latschte über einfache Wiesen (natürlich mit ein paar Sümpfen, Bächen und Weidengestrüpp garniert) bis zur Skarja-Sommerbrücke, überquerte die noch und baute dahinter mein Zelt auf.


Der nächste Tag begann noch trübe, nasse Wolken auf meinem Weg, aber ich war langsam genug, dass die Wolken vor mir her abziehen konnten und mir die Sonne von hinten den Weg freischob.

Bevor ich ins Alggavagge einbiegen konnte, musste ich durch eine weitere größere Furt, die aufgeteilt in mehrere Arme immerhin sicher 50m breit ist. Hier begegnete ich Wanderern, die von der anderen Seite kamen. Das war prima. Gemeinsam gingen wir auf und ab und jeder suchte auf seiner Seite nach den besten Stellen, die wir dann zu einem Puzzle zusammensetzten.
Ich bin dankbar für meine Neoprenschuhe, die guten Gripp haben und die Füße lange halbwegs warm halten in dem Eiswasser.

Bald ging es in herrlichem Sonnenschein das Alggavagge entlang.




Eigentlich sahen meine Pläne vor, von hier eine Tagestour in die Bergwelt des Alkatj zu unternehmen, die Schneelage jedoch ließ mich ohne entsprechende Ausrüstung davon Abstand nehmen.

Es wurde sogar so warm, dass ich beschloss, wenn ich die Mütze ausziehe, muss ich mir auch die Haare waschen. :silly: Gut, man trifft hier nicht viele Leute, aber nach über einer Woche hatte ich das Bedürfnis nach Frische.

Also suchte ich mir einen hübsch plätschernden Bergbach und machte eine ausgedehnte Wellness-Pause.




So herrlich erfrischt wandert es sich doch gleich viel besser.
Der Rucksack wurde auch immer leichter, je länger ich unterwegs war und täglich meine Essensration umsetzte.
Die Schuhe waren ebenfalls bald wieder trocken, zumindest von innen, da ich jeden Abend das Fußbett und die Socken "trockenschlief".

 
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Am nächsten Tag ging es erst über Wiesen und Heide, dann über Schneefelder und Geröll ein enges Tal hinauf, das Niejdariehpvagge.




Wieso wollte ich noch gleich vor ein paar Tagen aufgeben und umkehren? ;)

Jenseits des Passes machte ein langes Schneefeld das Vorwärtskommen leicht. Ich konnte ins Sarvesvagge hinunter sehen und dahinter auf die große Hochebene Luohttolahka, umstanden von den Gipfeln des Parte-Massivs. Dorthin wollte ich, und von der Ebene aus zu den Gletschern und Gipfeln wenigstens eine Tagestour machen. Das sieht aber gar nicht gut aus, viel zu viel Schnee, und durch das Schmelzwasser bei dem Wetter gerade wird alles äußerst sumpfig sein dort. Die Gipfel sind bei der Schneelage sowieso nicht drin.

Von links rollten Wolken wie ein Wasserfall über die Bergflanke! Ein herrliches Schauspiel, das ich versuchte zu filmen. Aber es war gerade so stürmisch hier, dass es unmöglich war, die Kamera halbwegs ruhig zu halten.




Den Rentieren wurde es heiß, selbst sie hatten ihr Winterfell in diesem Jahr noch nicht ganz abgeworfen. Sie suchten Zuflucht auf Schneefeldern, auch vor Mücken. Mit denen hatte ich erstaunlich wenig Ärger.




So lief ich nun, Plan B, das Sarvesvagge noch ein Stückchen weiter hinaus, bevor ich nach einer letzten harmlosen Bachquerung für heute meine Hilleburg aufbaute.

 
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Ich stieg eine Bergflanke hinauf, über einen sehr breiten Grassattel hinüber und kam ins Njoatsosvagge hinunter.





An der Ostseite ragt die fast überhängende Wand des Bulkas 800 m über den See, gegenüber die dunkle Wand des Vassjabakte 900 m. Schon beeindruckend!

Ein eisiger, schneidender Gegenwind pfiff heute das Tal hinauf. Zeitweise wanderte ich trotz des Sonnenscheins mit Mütze und Handschuhen.

Am Ende des letzten Sees im Tal schlug ich mein Lager auf.
Eigentlich ist es im Sarek ja doch ganz schön :)
Mein Blick aus dem Fenster:


 
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Der kommende Tag machte mir schon im Vorhinein Kopfzerbrechen.
Ich wollte das Njoatsosvagge weiter hinunter wandern, las aber in Beschreibungen dieses Tales, dass es da drei Flüsse gibt, die sehr schwierig zu furten sein sollen, bei Hochwasser evtl. gar unmöglich.

Mein Plan B sah vor, dann eben so weit an den Bächen hinaufzusteigen, bis ich eine Furt fände. Das kann ohne Weg durch Blockfelder, Weiden- und Birkendickicht, um Steilabbrüche herum etc. äußerst steil und mühselig werden. Und wenn ich zwei gefurtet hätte und über den dritten nicht rüberkäme? Dann müsste ich zwei volle Tage wieder zurück laufen und eine andere Route probieren. Außerdem hatte ich unterwegs erfahren, dass die Furt der Gletscherbäche weiter oben ebenso schwierig sein sollte, weil sie da in einer Rinne ordentlich rauschten ... Ist einfach noch zu viel Schnee hier, aber das lässt sich nicht ändern.
Ich dachte hin und her. Dann packte ich morgens meine Sachen und machte mich einfach mal auf den Weg. Erstmal sehen. Der erste dieser Flüsse ist nicht so besonders weit weg, vielleicht 2 Stunden.

Blick zurück




Ich fand an einer steilen Bergflanke entlang einen Pfad, den ein paar freundliche Rentiere angelegt hatten und der mich genau in meine Richtung brachte. Zu einer Schlucht, über die vor Jahren mal eine Brücke über den Fluss führte, die aber bekannterweise nicht mehr dort ist. Durch die Klamm rauscht ein gewaltiger Wasserschwall. :eek:
Aber der Bach sollte ein Mündungsdelta haben, wo er evtl. zu furten sein soll.
Ich lief den Fluss hinunter auf einem Pfad, den nun wohl Wanderer vor mir mit demselben Ziel getreten haben.
Mit dem Pfad kreuzte ich einige kleinere Arme auf dicken Steinen oder mit einem Sprung. So kam ich immer weiter hinunter. Der Pfad ging mal hierhin, mal dorthin. Sicher haben andere auch schon viele Möglichkeiten der Querung gesucht.
Plötzlich stellte ich fest, dass ich am Ende einer Insel im Delta angekommen bin. Von links ein rauschender Flussarm. Von rechts ein etwas flacherer.
Nach einem Antesten ohne Rucksack war mir klar: Über den rauschenden komme ich kaum unfallfrei hinüber. Also nehme ich den flacheren, um danach weiter Richtung Mündung zu gelangen.
Doch da ging das Drama erst richtig los. Wieder stand ich auf einer Insel, auf der anderen Seite plötzlich ein noch heftigerer Arm. Wo kamen die denn auf einmal alle her?
Nach einer Weile des Suchens und Probierens hatte ich die Faxen dicke. Das wird so gar nichts. Ich muss hier raus und auf anderem Wege nach Kvikkjokk zurück!
Leichter gedacht als getan. Ich stand mittlerweile mitten in einem Labyrinth aus Wasserläufen und Inseln, die mit übermannshohem Birken- und Weidengebüsch überwuchert sind, was jegliche Sicht auf einen möglichen Ausweg verhinderte. Immer wieder gab es kurze Abschnitte von Pfaden, die irgendwo am Wasser endeten. Ich rechnete bald mit bleichenden Gebeinen von Wanderern, die nie wieder herausgefunden haben ... Es hat mich viel Zeit und Nerven gekostet, mich hier herauszuarbeiten.

Und jetzt?
An meinem Zeltplatz der letzten Nacht, an dem See, war an dem Bach eine Möglichkeit ans andere Ufer zu gelangen. Wenn ich dann auf der anderen Seite die Bergflanke hochstiege ... Was sagt die Karte? Ja, das müsste gehen, da müsste ich eine Route finden. Plan C.
Also lief ich etwas frustriert wieder zurück.

Von meinem Trampelpfad sah ich hinunter auf den Fluss, den ich am See furten wollte. Und entdeckte eine Stelle weit vor dem See, wo er sich so verbreiterte, dass wohl auch dort ein Durchkommen möglich sein müsste.
Meine Abenteuerlust weckte neue Lebensgeister. Ich fand zum Fluss hinunter und der sah hier tatsächlich ungefährlich aus.
Geschafft!

Nun stand ich unter einer einigermaßen steilen Bergseite, die aber machbar aussah. Es war noch nicht so spät, und so machte ich mich nach einer kleinen Mittagspause daran, die Flanke zu besteigen. Wie fast immer durch Gebüsch unten und Geröllfelder oben und Sumpf-Strecken überall. Zwischendurch Wasserrinnen und Heideflächen.

Oben traf ich viele viele Schneehuhn-Familien. Ich habe sie auf der ganzen Tour immer wieder aufgeschreckt, weil man sie einfach nicht sieht, bis man fast drauftritt und sie mit großem Geschrei plötzlich auffliegen. Hier waren aber besonders viele und besonders wenig scheue.




So erreichte ich schließlich nach einem doch noch gelungenen Tag erfolgreich einen kleinen Bergsee, an dem meine Hilleburg auf einem prächtigen Rasen thronen konnte.




Nachts um halb 5 weckte mich ein Rentier, das über eine meiner Zeltleinen stolperte. Eine ganze Herde zog vorbei.










 
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Vom nächsten Tag gibt es nur ein paar Blümchen.

Der hat mich echt noch einmal Kraft und Nerven gekostet.
Und das lag wieder einmal an einer Flussquerung.
Dass da noch eine auf mich wartet, das wusste ich. Aber es gab viele verschiedene Berichte darüber.
Mir kam unterwegs ein anderer Wanderer entgegen. Solche Begegnungen sind hier immer wertvoll, denn man tauscht sich über die Verhältnisse aus.
Er erzählte mir, dass im schwedischen Forum gerade heftig diskutiert würde, ob die Strecke, die ich gerade gekommen bin, überhaupt machbar sei. Ich konnte ihm bestätigen, dass es geht.

Und er erzählte mir, dass die Furtstelle, die für "meinen" Fluss üblicherweise angegeben wird, nicht machbar sei, da der Wasserstand zu hoch sei. Er habe aber ca. 300m flussaufwärts eine heikle, aber machbare Stelle gefunden.

Locker flockig ging es über Wiesen los, wurde dann steil, 400 m Abstieg in eine Ebene, die aus einem Flickenteppich aus Seen, Sümpfen und Birken-/Weidendickicht besteht.




In Alaska heißt das bush whacking. Nicht einfach, sich hier einige Kilometer durchzuarbeiten und dabei noch eine bestimmte Richtung einzuhalten, die man sich von oberhalb der Botanik ausgeguckt hat, wenn man auch noch immer wieder vor Bachläufen und Teichen steht und um sie herumnavigieren muss.
Aber so ist das eben in der Wildnis des Sarek. Da ist kein angelegter Weg.

Ich erreichte schließlich den Fluss tatsächlich unweit der Stelle, die ich mir ausgeguckt hatte. Hier kam aus einem anderen Tal ein weiterer Fluss hinzu.
Beide sind wiederum aufgespalten in mehrere Arme. Der erste sah zum Furten tatsächlich ganz geeignet aus. Aber der hinter der ersten Insel, der rauschte und spritzte mächtig respekteinflößend.
Oder weiter unten, wo sich das Flussbett etwas verbreitert, auch wenn sich die Arme alle dort schon vereinigt haben?
Nee, da ist eine Tiefwasserrinne mitten drin. Und dann kommt die Schlucht mit dem Wasserfall, wo die Renwächterhütte steht. Und darunter die sonst beschriebene Furt soll laut meiner Begegnung vom Morgen nicht machbar sein.
Ich machs kurz: Ich glaube, ich bin mindestens 6 mal einige hundert Meter durch dichtestes Unterholz an diesem Fluss auf und ab gelaufen. Doch hier? Oder doch alle einzeln weiter oben? ...
Dafür entschied ich mich dann: Für jeden Arm eine einzelne Furt zu suchen.
Und dafür, dass das hier eine verflixt haarige Angelegenheit wird. So sehr, dass ich mich für die höchste Sicherheitsstufe entschied, die Querung in Trekkingschuhen zu machen. Ohne Einlegesohle und Socken, damit die nachher noch trocken sind.
Alles fix und fertig verpackt, Stöcke auf Länge gebracht, Rucksack auf - :eek: Wo ist meine Isomatte!?!
Die ist eigentlich an einer Seite des Rucksackes mit Gurten festgeschnallt. Sie steckt allerdings in einer wasserfesten Packtasche, die ziemlich rutschig ist. Ich muss die bei der ganzen Krabbelei im Unterholz verloren haben :motz:
Sachen verlieren darf überhaupt nicht passieren. Alles, was man mitschleppt, ist kein Luxus, sondern wichtig. Gut, ich rechne für die kommenden Nächte nicht mit Frost, also würde ich den Rest der Tour auch ohne die Matte überstehen. Trotzdem!
Also diesmal ohne Rucksack (den, war ich mir sicher, finde ich an dieser Stelle wieder) wieder ins Gebüsch. Den Fluss runter. Ich habe wie ein Luchs gesucht, aber die Matte nicht gefunden. Jetzt stand ich nun schon so weit unten, dass ich mir dachte, ich könne mir die "unpassierbare" Furtstelle einfach auch noch ansehen. Also noch eine Strecke den Bach runter. Hier wird er sehr breit, am anderen Ufer auch sehr flach, nur hier, wo ich einsteigen müsste, sagte mein Stockmaß: Bauchtief mit heftiger Strömung = unmöglich.
Und dann fand ich aber doch eine Stelle, die nicht ganz so tief zu sein schien. Nach genauerer Betrachtung müsste es hier tatsächlich möglich sein, die erste tiefe Rinne am Ufer zu überwinden.
Beschlossene Sache, hier muss es sein. Wieder rauf, Rucksack holen, wieder runter und durch.
Wenn ich jetzt noch die Isomatte ... Und da fand ich sie tatsächlich im Unterholz liegen! Es gab eine sehr herzliche Begrüßung! :yahoo:
Sicher hab ich sie nur verloren, damit ich am Ende doch noch diese Furtstelle finde...

Die Furt war dann auch heftig, aber ich bin ohne Kenterung ans andere Ufer gelangt!

Der Rest des Weges zog sich ewig lang hin, war aber nicht weiter dramatisch.

Nach so viel Text gibt es zum Trost noch ein Plümchenbild: Trollblumen.

 
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Am kommenden Tag hieß es noch einmal zu einer Wasserscheide aufsteigen, um ins Vallevagge zu gelangen. Oben am Pass fand ich eine Schneefeld-Abbruchkante, die sicher 4 Meter hoch war!




Der Abstieg durch das Vallevagge wurde durch ein sehr langes Schneefeld sehr vereinfacht, führte dann noch über viel Geröll, anschließend auf eine prärieartige Stufe am Berghang - Wiese mit Steinen bis zum Horizont.
Die Flüsse, die hier gequert werden mussten, lagen noch unter Schneedecken. Das ist natürlich auch nicht ganz ohne, so eine Schneebrücke an einem heißen Augusttag ... Davon gab es schon einige auf der Tour. Man bekommt keine nassen Füße, darf aber auch auf gar keinen Fall einbrechen!

Dann kam ein leichter Abstieg zu zwei schönen Seen auf einer großen Ebene vor dem Prinskullen.

Wer findet mein Zelt?




Hier war noch einmal Wellness angesagt, bevor es am nächsten Tag hinunter zum Vorposten der Zivilisation gehen sollte.
Am Abend durfte ich schließlich diesen herrlichen Ausblick genießen.

 
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Hallo Sylvia,

wieder ein fesselnder Bericht mit tollen Fotos einer interessanten Reise von Dir.

Ich verfolge deine Tour wieder mit Google-Maps, aber schade, dass in den Satellitenfotos die Orte und Täler nur dürftig benannt sind.

Vielleicht könntest du am Ende eine Übersichtkarte deiner Wanderung hier reinstellen.

Viele Grüße
Thomas
 
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Über eine schier endlose Wiese ging es zum Prinskullen, von wo es nach Kvikkjokk hinunter einen ausgeschilderten Wanderweg gibt. Mittlerweile kam ich fast ohne Sumpf voran, die sind in den letzten sonnigen Tage ziemlich trocken gefallen. Ich lief auch seit Tagen nur noch in Shorts und Top. Schon morgens beim Losgehen.

Ich kam an ein großes Flussdelta, auf/an/in dem Kvikkjokk liegt. Es gibt einen Motorboot-Shuttle-Service, der Wanderer dort abholt, wo ihr Wanderweg an das Wasser stößt, und dahin bringt, wo sie weiterlaufen wollen. Die Fernwanderwege verlaufen sozusagen über den See.

Ich wollte nur die kurze Strecke einmal rüber in den Ort, wo mein Auto steht.
Laut "Fahrplan" hätte ich hier jetzt 1,5 Stunden Pause gehabt. Aber der Schiffer, der drüben gerade unplanmäßig eine Gruppe einsteigen ließ, sah mich und kam rüber, um mich auch einzuladen. Und ob ich Lust hätte auf eine kleine Sightseeing-Tour, denn einige der Leute müsste hier oder dort hin oder wollten nur mal das große Flussdelta ansehen.
Na klar hab ich Lust!

Und so schipperte Björn uns durch Klein-Amazonas und erläuterte uns viele Besonderheiten in vielen verschiedenen Sprachen. Die Farben des Wassers, die unterschiedlichen Sedimente, Begebenheiten mit Touristen und Elchen und Bären, über die Geschichte des Nationalparkes und vulkanische Ursprünge, über frühe Siedlungen einer Silberschmelze, über Axel Hamberg, der als Forscher vor 100 Jahren seine Sommer im Sarek verbrachte und dort Observationshütten aufstellte, und über Carl von Linné, der hier im Sarek herumwanderte und Pflanzen sammelte, bestimmte und sein Nomenklatur-System erstellte, über Wassertemperaturen, über Fische, wir kosteten vom Schachtelhalm-Reet, das sehr mineralhaltig und lecker ist, ... Und dass vor 3 Wochen (also eine Woche vor meinem Tourbeginn) hier das Wasser gut 2 m höher gestanden hätte! Eines der höchsten Hochwasser hier aus Regen und Schneeschmelze.
Es war eine wundervolle Bootstour, mit der ich gar nicht gerechnet hatte!

Und ein toller Abschluss meiner Wanderung durch den Sarek!

Ich danke euch allen, die hier hereingeschaut haben!

Wer Fragen (zum Nachmachen) hat - gerne!



Hej da!
Sylvia














 
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Herzlichen Dank euch allen für eure Thanks´n´Thumbs und vor allem auch eure Kommentare!


Da bin ich neugierig und erwartungsvoll Sylvia, bin dort 1980 entlanggestolpert :D .

Echt, Norbert!? Klasse! Hast du von deiner Tour noch Bilder?
Ist schon eine tolle Gegend, was!?
Woran erinnerst du dich noch besonders?



wieder ein fesselnder Bericht mit tollen Fotos einer interessanten Reise von Dir.

Ich verfolge deine Tour wieder mit Google-Maps, aber schade, dass in den Satellitenfotos die Orte und Täler nur dürftig benannt sind.

Vielleicht könntest du am Ende eine Übersichtkarte deiner Wanderung hier reinstellen.

Danke, Thomas!
Ja, das mit der Karte kann ich machen.
Ich werde meine Sarek-Wanderkarte abfotografieren und dann die Route einzeichnen. Mache ich morgen. Ich habe hier keine Lampe, die hell genug ist, um von der Karte ein vernünftiges Bild zu machen.

Ich habe übrigens der Einfachkeit halber bei der Schreibung der Samischen Ortsbezeichnungen auf die Kringel und Striche auf den Buchstaben verzichtet.
Wenn das jemandem bei der Suche nach den Tälern und Bergen hilft, hole ich das gerne noch nach - innerhalb der nächsten 24 Stunden ;)


Viele Grüße,
Sylvia
 
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