Verdrängungskünstler? Nein wieso?
Am Besten ich fasse das letzte Jahr nochmals etwas zusammen, dann wirds vielleicht etwas klarer.
Ausgangsbasis war die Ende 2014 gereifte Erkenntnis, das ich etwas an meinem Lebenswandel würde ändern müssen. Die 50 kam immer näher und beim Hosenkauf war ich haarscharf an der Grenze die untersetzten Größen nehmen zu müssen. Die letzte Belastungsprobe für die Waage erfolgte schon weit vor Weihnachten und da war ich dann schon nur noch 3kg vom -für mich- absoluten No-Go Gewicht entfernt. Reines Verdrängen hilft da aber auch nicht, ich schätze mal zwischen den Jahren war ich 3-stellig.
Also begann ich letzten Januar damit meine Ernährung umzustellen. Mehr Obst denn Süßwaren, Rohkost statt Brötchen und bei den Hauptmahlzeiten weniger. Klar war aber auch, das dies allein nicht ausreichen würde, also begann ich die 2,5km ins Büro so oft ich mich aufraffen konnte zu laufen. Obschon ich laufen nicht viel abgewinnen kann gelang mir das sogar erfreulich oft.
Eigentlich fahre ich aber viel lieber Rad und so kramte ich das 99,- Baumarkt-Dingen mal wieder aus dem Keller. Naja mit dem piece of junk kam nicht wirklich Freude auf, aber zu Hause in der Garage stand ja noch mein altgedientes Studenten-MTB, welches ich dann kurzerhand mit an den Arbeitswohnsitz nahm. Wirklich viel fuhr ich damit im Januar 15 denn auch nicht. Es war dunkel, es war kalt und mir tat schnell der Hintern weh, aber trotzdem merkte ich, das mir die Radelei wieder anfing Spaß zu machen.
Ende Januar standen dann "nur noch" gut 95kg auf der Waage und ich nahm mir als Ziel auf jeden Fall unter 90 kommen zu wollen, gern auch auf 85, wenn ich das in 15 schaffen würde wollte ich in 2016 versuchen eine 7 vorne auf die Waage zu bekommen. Mit unter 80 wäre ich dann bei meinem persönlichen Traumgewicht angekommen. Ich nahm mir dafür bewußt 2 Jahre Zeit, um nicht in so einen Schnellabnahme-JoJo Effekt zu kommen.
In der Zwischenzeit hatte ich mir auch eine neue Waage gekauft, die nicht nur diverse Körpersensoren hatte, um z. B. die Verteilung des Körperfetts zu analysieren, sondern auch eine Speicherfunktion, sodaß man sehr schnell Fort- oder Rückschritte sehen konnte. Zusätzlich begann ich auch mein Radequipment weiter auszubauen, ich war als Student zwar viel Rad gefahren, aber immer nur von Frühjahr bis Herbst, als Ganzjahres-Büro-Pendler musste ich da noch etwas "aufrüsten".
Auch im Februar und März bin ich gar nicht so viel gefahren, aber dank des schon leicht erhöhten Kalorienverbrauchs in Verbindung mit der Nahrungsumstellung zeigte schon erste Erfolge auf der Waage. Natürlich kam mir da das vorher vorhandene heftige Übergewicht zu Gute, die ersten Kilos sind ratzfatz weg, da der Körper diese Wohlstandsreserven eh nie brauchen würde.
Nun kam der Frühling zu Hilfe, es blieb länger hell, die Temperaturen stiegen, die Beinmuskeln gaben wieder etwas Druck auf die Pedale und der Boppes machte auch nicht schon nach 2km schlapp. Die abendlichen Runden wurden immer länger und ich nahm auch Hin- und Wieder die Kamera mit. Zudem konnte ich auch höhere Geschwindigkeiten fahren, ohne gleich auf Maximalpuls gehen zu müssen, das Ganze schien also nicht ungesund zu sein.
Dank Navi-App auf dem Smartphone begann ich dann auch einfach mal neue Strecken zu erkunden, bzw. plante die tlw. vorher per Google-Maps vor. Das ging zwar manchmal in die Hose (Bilder der Sand- und Matschwege gibts hier ein paar im Thread) und auf manchen "Radwegen" würde ich mir ein Fully wünschen, aber trotzdem wurde der Spaß am Radfahren mit jeder Runde noch etwas größer.
So ein paar "Standardrunden" hatten sich dann schnell herauskristallisiert und ich fuhr auch gern mal "gegen" mich selber. Ich ließ mich auch immer seltener vom Wetter abhalten, zur Not gab es ja immer noch Regenklamotten, wirklich nervig waren eigentlich nur Sturmlagen.
Das Auto nahm ich nur noch, wenn es sich überhaupt nicht vermeiden ließ, z. B. zum Einkaufen. Als es noch kälter war nutzte ich den Wagen tlw. als "Kühlschrank" ich kaufte also am Mo. Morgen auf dem Weg ins Büro für die Woche ein und bediente mich über die Woche aus dem Kofferaum. Das war für den Sommer natürlich keine Lösung, wenn ich aber Abends Einkaufen führe und die Sachen in die Wohnung brächte könnte ich ja nicht mehr Radeln (das Rad stand ja im Büro).
Also sprang ich im Sommer dann über meinen eigenen Schatten und tat das -für mich- Undenkbare und Unaussprechliche: Ich verschandelte das MTB mit einem Gepäckträger und so peinlichen Riesentaschen. Das arme Rad sieht nun k.cke aus und das Fahrverhalten leidet auch heftigst, aber nun war ich problemlos in der Lage auch die Einkäufe mit einer Radrunde zu verbinden. Das ist zwar erheblich umständlicher als mit dem Auto, aber da ich nur einmal die Woche einkaufe locker zu ertragen.
Das "Gewichtsthema" war schon lange keins mehr, die 90 hatte ich ganz easy erreicht und auch die 85 waren kein Thema, ich paßte nun wieder locker in alle aktuellen Hosen. Warum also nicht den 80kg-Plan einfach vorziehen, ich hatte in nichtmal 1/2 Jahr ca. 15kg abgenommen, da sollten die letzten 5 auch noch leicht schaffbar sein.
Waren sie auch, die Traum-7 war schneller als gedacht auf der Waage sichtbar und ich nahm noch weiter ab. Dies wurde aber immer öfter mit negativem Feedback von außen begleitet. Anfänglich fanden Bekannte und Kunden, die ich zwar regelmäßig aber in größeren Abständen sehe, meine Entwicklung faszinierend bis neiderweckend. So ab Oktober begann sich das Bild aber immer mehr zu drehen und ich mußte immer öfter die Frage verneinen, ob ich krank wäre, da ich so abgemagert und eingefallen aussähe. Ich war zu der Zeit auf einem Minmalgewicht von 76,5kg, über 20kg unter dem Maximum und somit ungefähr auf einem Level, das ich 1/4 Jhrd. zuvor zuletzt hatte. Zugleich paßte ich auch wieder in Hosen just aus dieser Zeit, die seit Ewigkeiten ganz unten im Schrank rumlagen.
Nun kam aber auch wieder die dunkle, kalte Zeit in der ich mein Radprogramm dann stark herunterfuhr. Dazu kam dann die Weihnachtszeit, mit all ihren süßen und herzhaften Versuchungen und ich ließ mich zwischen den Jahren bewußt etwas gehen. Ich wollte einfach wissen, wie schnell es mit dem Gewicht wieder hoch gehen würde. Außer einer 50km/700hm Runde mit dem Pedelec betätigte ich mich gar nicht sportlich und aß auch viel zu viel.
Überraschenderweise rächte sich das gar nicht so schlimm auf der Waage, wie ich befürchtet hatte, derzeit pendele ich so bei +-80kg, obschon ich -sporttechnisch- noch recht faul war. Einzig die Ernährung ist nun wieder auf gesünder umgestellt.
Diättechnisch gibt es daher für mich auch kein Ziel in 2016. Das auf Flatbar umgebaute Rennrad wartet noch auf seinen Ersteinsatz und ich will dieses Jahr auf min. 2000km und min auf eine 50km-Feierabend-Runde kommen. Ich schätze mal beim Gewicht werde ich dann in genau der anderen Richtung aufpassen müssen, da ich nicht unter 75kg kommen möchte. Ich war als jugendlicher zwar mal so ein Spargeltarzan halte das aber in meinem Alter nicht für wirklich erstrebenswert.
Langes Geschreibsel wenig Sinn: Ich verdränge nichts, sondern befinde mich auf dem für mich optimalen Weg, den ich konsequent weiterverfolge. Allerdings werde ich mir vorläufig erlauben das Rad zu nehmen, um Spaß damit zu haben. Ich brauche mich nicht mehr quälen und an Tagen, wo man nichtmal einen Hund vor die Tür jagen würde 20km abzureissen.
Natürlich gibt es eine Triggerschwelle. Sollte die Waage wieder über 85kg anzeigen wird wieder heftiger trainiert, allerdings gehe ich eher davon aus, das ich sobald das Wetter besser wird und der Radel-Spaß wieder steigt eher das "Problem" haben werde über 75 zu bleiben.