NF-Rezension Rezension: Axel Hansmann, Lost Places

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Virgil Kane

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Der Autor:
Axel Hansmann fotografiert seit seiner Jugend und kennt sowohl den analogen als auch digitalen Workflow. In seinem Vorwort legt der diplomierte Soziologe Wert darauf, fotografischer Autodidakt zu sein. Fotografie bedeutet für ihn „…das Einfangen eines Augenblickes, die Abbildung eines aktu-ellen Zustandes, der sich nicht wiederholen wird.“ Sein Spezialgebiet sind verlassene Orte, die er hauptsächlich in Deutschland und Russland ausfindig macht. In Russland konnte er mit seinen Bil-dern schon mehrere Ausstellungen ausrichten.


Das Buch:
„Lost Places“ ist Teil der Edition PROFIFOTO des mitp-Verlags. Diese Reihe hat den Anspruch, professionelles Wissen im Umgang mit digitaler Fototechnik und Bildbearbeitung zu vermitteln. Das Softcover besitzt Umschlagklappen vorne und hinten, was ihm zusätzliche Stabilität verleiht. Die Bindung ist von guter Qualität, das quadratische Format der Seiten liegt gut in der Hand und lässt sich angenehm blättern. Auf dem mattweißen, glatten Papier kommen die Abbildungen gut zur Gel-tung. Manche - leider nicht alle - Fotos sind mit Belichtungsdaten versehen. Blau abgesetzte Info-Kästen halten zusätzliche Informationen bereit. Ein kompakter Index am Ende des Buches führt die wichtigsten Stichworte auf.


Der Inhalt:
Das Buch gliedert sich in 8 Kapitel:

Vorwort
1. Wo haben Sie diese Bilder gemacht?
2. Fotografieren von verlassenen Orten
3. Fotografieren in verlassenen Orten
4. Graffiti
5. Verlorene Orte Outdoor
6. Exkurs Mystik
7. Die Bildbearbeitung
8. Was machen mit den Bildern
Schlusswort
Danksagung
Index


Axel Hansmann hat sich sicher kein leichtes Genre ausgesucht. Ein Buch über Lost Places zu schreiben ist immer ein Spagat zwischen Zeigen und Verbergen. Einerseits möchte man dem Leser Einblicke in diese Orte geben, andererseits jedoch auch nicht zu viel verraten, um nicht die Massen dorthin zu locken. Wenn dann am Schluss auch noch ein Profi-Ratgeber daraus werden soll, wer-den die Schwierigkeiten fast unlösbar. Was soll man schon für Tipps geben, die ein ganzes Buch füllen? So ist dieses Buch am Ende ein bisschen etwas von allem: Ausstellungskatalog, Einführung in die Szene der „Urbexer“ (= Urban Explorer), Technik-Anleitung für völlig Unbedarfte und ein we-nig onkelhafte Ratgeber-Kiste mit erhobenem Zeigefinger. Nur eines ist es leider nicht: ein gelunge-nes Buch. Schon gar kein Ratgeber. Die Inhalte lassen sich locker in drei Sätzen zusammenfassen und jeder einzelne davon ist diskutabel:

1. Passt auf wo ihr hintretet
2. Nehmt immer ein Handy mit
3. Fotografiert ausschließlich im HDR-Modus

Hinzu kommt ein schwaches Lektorat, dass den Autor die Sätze zu oft mit „Ich“ beginnen lässt, absatzweise Doppelungen übersieht und sich nicht scheut, Fotos ganzseitig abzudrucken, deren Qualität dies nicht gerechtfertigt.

Zu HDR kann man geteilter Meinung sein. Vorausgesetzt man stellt den Effekt nicht über das Motiv und geht behutsam dabei vor, gibt es durchaus akzeptable Resultate. Die meisten Bildbeispiele im Buch sind jedoch in der Bearbeitung hoffnungslos überzogen. Niemals werden sie dem Anspruch des Autors gerecht, die Vergänglichkeit zu dokumentieren oder „…noch das kleinste Detail eines Bildes deutlich sichtbar zu machen“. Im Gegenteil. Die im Buch eingesetzte HDR-Technik macht aus jedem Motiv ein unwirkliches Bühnenbild. Hier verschwindet jeder Hauch von Realität hinter den Filtern der EBV, die wirklich literweise drübergekippt wird. In Kapitel 7 stellt der Autor ein paar Bilder vorher/nachher gegenüber, um die Technik zu erläutern. Jedes einzelne Mal ist vorher besser als nachher.

Aber Geschmäcker sind verschieden und Axel Hansmann will es wohl genau so haben. HDR sollte daher noch in den Untertitel einfließen, damit Kaufinteressenten erkennen können, was auf sie zu-kommt. Die gut besuchten Ausstellungen geben ihm Recht und zeigen, dass er seine Fan-Gemeinde hat. Schade nur, dass der Autor diese Technik als die einzig wahre beim Ablichten ver-lassener Orte gelten lässt und dass der Verlag darauf eingestiegen ist. Die Tendenz des Autors, seine Meinung als allein gültige darzustellen, gibt dem Buch einen unangenehmen Beigeschmack. Sie scheint beispielsweise auch bei der Beurteilung von Graffitis durch, die er nach seinem Gusto in Kunst und Schmiererei unterteilt.

Der am Schluss angehängte „Exkurs Mystik“ ist nichts anderes als Lost Places mit hineindrapierten Models. Diese Aufnahmen haben zwar überhaupt nichts mit Mystik am Hut, sind jedoch wohltuend fürs Auge, weil hier die HDR-Technik nicht eingesetzt wird. Es sind sogar ein paar schöne Fotos dabei, bei denen der Autor mit Licht- und Schärfeverläufen arbeitet.


Für wen ist dieses Buch geeignet?
In dieser Reihenfolge:
1. Für HDR-Fans
2. Für hardcore HDR-Fans
3. Für Bilder-Schauer, denen Texte nicht so wichtig sind
4. Für Interessierte an Lost Places, die die spärlichen Informationen zu Locations nutzen können.

Nicht geeignet ist es für alle, die einen fundierten, gut geschriebenen und recherchierten Ratgeber zum Thema suchen.


Fazit
Axel Hansmann mag ein erfolgreicher Fotograf von verlassenen Orten sein, dessen Bildsprache im Trend liegt. Damit kann er vielleicht Ausstellungen bestücken und in der Urbexer-Szene punkten. Zu einem guten Buch über das Fotografieren verlassener Orte gehört allerdings mehr.

3 Sterne

Die Daten
Axel Hansmann. Lost Places. Verlassene Orte fotografieren erschien am 31. Mai 2017 im mitp-Verlag. 1. Auflage 2017, Softcover, 240 Seiten, komplett in Farbe, 22 x 1,7 x 22,1 cm. Auch als E-Book erhältlich.
ISBN 978-3958455405
Preis Buch 29,99 Euro | E-Book 25,99 Euro
Hier geht es zur Leseprobe.

Bewertung:
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ISBN: 3958455409

 
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