Pyrenäensommer - über die Berge vom Atlantik zum Mittelmeer

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assiliisoq

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Hallo, bonjour, hola zusammen!

Ein paar einzelne Bilder aus den Pyrenäen habe ich euch ja schon gezeigt.

Hier versuche ich nun, in der nächsten Zeit ein wenig über meine Wanderung vom Atlantik zum Mittelmeer zu erzählen.
Es wird ein wenig dauern, da ich zwischendurch immer Zeit finden muss, die nächsten Bilder auszusuchen - und weil ich noch gar nicht am Mittelmeer angekommen bin ;-) Wenn das Wetter auf meiner Seite ist, werde ich jedoch im Oktober den Rest von Andorra aus laufen.


Die Route: HRP:

Die HRP (Haute Route Pyrenees oder Haute Randonnee Pyreneenne) folgt dem Hauptkamm der Pyrenäen vom Atlantik zum Mittelmeer (oder umgekehrt). Im Gegensatz zum GR10 (französische Seite) oder GR11 (spanische Seite) passiert die HRP immer wieder die Grenze und verläuft auch durch Andorra.
DIE HRP gibt es eigentlich nicht, es ist mehr eine Idee - eben von Meer zu Meer dem Grat zu folgen. Jeder Trekking-Führer beschreibt daher eine etwas andere Strecke, selbst hat man ebenfalls die Möglichkeit, sich seine Route auszusuchen.
Die HRP ist daher auch kein markierter Weg. Sie folgt verschiedenen Pfaden, ab und zu trifft sie einen der GRs, manchmal geht es auch ohne Weg immer gen Osten.
Die Strecke ist über 800 km lang, dabei steigt man ca. 45.000 Hm rauf und wieder runter.
Das ist weniger in Strecke und Höhe als bei den GRs, da die HRP versucht weit oben zu bleiben. Dennoch sind durchschnittlich über 1200 Höhenmeter am Tag über teilweise anstrengendes, wegloses Gelände zu bewältigen.

Ich hatte schon ewig vor, diese Route zu laufen, aber es kam immer etwas anderes davor.
Durch den Bericht von [MENTION=35628]melmele[/MENTION] /Heike und [MENTION=23725]birchior[/MENTION] /Axel über ihre GR10-Wanderung bin ich aber dann so "heiß" geworden, dass ich das Projekt in Angriff genommen habe.
Ihr seid also schuld!
Ich danke euch!!! :)

Für mich war immer klar, wenn ich über die Pyrenäen laufe, soll es die HRP sein!
Und es muss mit Zelt und Küche sein!
Es gibt sowieso manchmal über mehrere Tage keine bewirtschaftete Unterkunft, Essen muss also auf jeden Fall für mehrere Tage mit.

Wettermäßig muss man sich von Eis bis heiß auf alles einstellen. .


Planung:

Einige von euch haben wohl einen Teil meiner Planung mitbekommen - die Suche nach einer leichteren, dennoch guten Kamera, nachdem ich einen Teil meiner Trekkingausrüstung im Gewicht reduziert habe.

Ich konnte mich noch für keine Alternative entscheiden, bleibe aber interessiert!
So komme ich auf ein Rucksackgewicht von ca. 8 kg incl. 1,5 kg Kamera.




Das perfekte Kartenmaterial war vergriffen und eine Neuauflage ungewiss (es gibt sie jetzt, zumindest im Laden vor Ort). Ich speicherte mir die Route also im Handy ein (LocusPro, OSM) und besorgte mir als Notbehelf, falls Gerät oder App ausfallen sollten, noch drei 1:100 000 Karten, die das Gebiet bis Andorra abdeckten. Weiter würde ich in den max. 5 Wochen im Sommer nicht kommen. Als Guide hatte ich den Cicerone "The Pyrenean Haute Route" von Ton Joosten dabei. Auch hier wird es evtl. schon im kommenden Jahr eine völlig überarbeitete Neuauflage geben.

Es gibt nur wenig Ortschaften, die überhaupt einen Laden haben. Dieser ist üblicherweise sehr klein, das Angebot ebenfalls.
Ich entschied mich daher, es einmal mit Care-Paketen zu versuchen. In den 3 Talorten, durch die ich kommen würde, kontaktierte ich Unterkünfte und bekam das OK, dorthin ein Paket mit dem Essen für die nächsten 8-10 Tage zu schicken. Das Paket-Tracing meldete: Paket 1 angekommen. Pakete 2 + 3: Empfänger nicht angetroffen aber benachrichtigt. Die Unterkünfte 2 und 3 kontaktiert: Beide wissen von keiner Benachrichtigung. Na, das kann ja lustig werden ...
Gaskartuschen: Für Lescun und Gavarnie bekam ich von den kontaktierten Unterkünften die Bestätigung, dass ich dort welche kaufen könne. Für Salardu bekam ich die Bestätigung, dass es dort keine gäbe. Ich bestellte über amazon Spanien eine an die Adresse der Unterkunft (Gas darf nicht international verschickt werden).


Anreise:

Ich musste schon eine Woche vor Abreise gepackt haben, da ich die Woche vor der Abreise dienstlich an der Nordsee war.
Das hat den Vorteil, dass mir in der Woche evtl. noch einfällt, was ich vergessen habe. Ich bin sonst immer sehr auf den letzten Drücker ...
Es hatte allerdings den Nachteil, dass ich mir bei einer Wattwanderung an einer scharfen Muschel im Schlick den halben Zeh abgeschnitten und den Nachbarzeh gut eingeschnitten habe. Ein bisschen ungünstig vor einer Trekkingtour. Ich packe also ein paar Pflaster zusätzlich ein und ein Tübchen Zinksalbe.

Die Anreise per Bahn ist recht entspannt und unspektakulär, auch weil ich die Umsteigezeiten eher großzügig bemessen habe.
So geht es Samstag Abend mit Bus und Regionalbahn zum Hamburger Hbf, über Nacht nach Karlsruhe, mit 40 Min. Verspätung weiter nach Paris, mit der Metro tunnel ich nach Montparnasse und der TGV fährt pünktlich direkt nach Hendaye, dem Startort am Mittelmeer. Hier komme ich Sonntag am späteren Nachmittag an und beziehe mein gebuchtes Hotelzimmer gegenüber vom Bahnhof. Diesen Luxus für die erste Nacht gönne ich mir. Ich wusste, dass ich von der Nordseewoche und der Bahnfahrt noch ziemlich platt sein würde. Am nächsten Tag wollte ich ausgeruht starten können.

Ich habe Glück und erwischte gerade einen der alle 2 Stunden fahrenden Busse zum Strand und damit zum eigentlichen Startpunkt der Tour. Ich lerne von den Mitfahrern, dass ich das Ticket im Bus in einem Stempelmaschinchen entwerten muss.




Das obligatorische Startfoto - im Atlantik :)
Das Bunte sind die Pflaster um meine Zehen.
Endlich hier! Der Moment ist ein bisschen aufregend - es geht los!
Über 800 km und 45 000 Höhenmeter, bis ich auf der anderen Seite im Mittelmeer stehe!
Knapp 5 Wochen habe ich jetzt Zeit, ich hoffe bis Andorra zu kommen. Den Rest möchte ich im Herbst laufen, wenn es da noch nicht schneit.
Werde ich das schaffen? So weit und so lange bin ich noch nie am Stück gelaufen.
Passt das Material? Reicht meine Kondition? Ich bin untrainiert und hoffe, dass ich beim Laufen die nötige Kraft und Ausdauer entwickle. Einfacher wäre es natürlich, wenn ich sie schon hätte ...

Ich entsteige den Fluten und steuere das alte Casino an der Promenade von Hendaye an.




Die Temperaturen sind durchaus sommerlich. Der Wetterbericht sagt weiterhin Hochsommer voraus.
Ich bin aber froh darüber, obwohl ich wirklich kein Freund von Temperaturen über 25°C bin. Ich wollte aber mal eine Wanderung machen, bei der ich nicht dauerhaft in Gore gepackt durch Matsch quatsche. Gerade hier am Start im Baskenland kann es jedoch wohl auch sehr lange sehr neblig und nass sein.




Am Casino finde ich die offizielle Startlinie. HRP und GR10 haben sowohl denselben Start- wie auch denselben Endpunkt.
Ich denke an Heike und Axel, die hier vor einer Weile standen, mit demselben Ziel.




Zeit also nun, die blitzneuen Schuhe anzuziehen und loszulaufen!




Diese Schuhe waren tatsächlich nicht eingelaufen. Ich hatte jedoch ein gleiches Paar schon für 4 Wochen und 2 Touren getragen, ich wusste also, dass sie prinzipiell passen. In England hatte ich jedoch bei dem vielen steilen Auf und Ab einige Schmerzen an der Achillessehne und ihrem Fersenansatz bekommen. Dagegen hatte ich mir nun im Supermarkt Gel-Einlegesohlen gekauft. In der Hoffnung, dass die helfen. Vorschau: Sie haben geholfen! Sehr gut sogar! Ich hatte nicht einmal irgendwelche Fußschmerzen. Noch nicht einmal müde Plattfüße, wenn es mal länger über Asphalt ging. Ich bin begeistert!

Erstmal komme ich mit den Schuhen aber nicht weit. Eine Eisdiele bremst mich aus. Ich soll ja viele Kalorien aufnehmen, ich werde sie brauchen.
Gäbe es mehrere Eisverkäufer am Weg, könnte ich mir die Tour gar nicht leisten. 3,40€ für die beiden Kugeln im Hörnchen!




Das Eis muss ich schnell essen, denn bei der Hitze von abends noch 27°C schmilzt es fix.
Der Start ist gemacht! Die HRP folgt den ersten halben Tag dem GR10, ich brauche also nur den rot-weißen Markierungen nachlaufen. Diese führen mich zur Promenade an der Bucht von Hendaye entlang.




Im Hintergrund sehe ich schon Berge. Mir wird direkt noch etwas heißer, wenn ich daran denke, morgen bei 30 °C die ersten 1200 Hm auf 25 km Strecke erklimmen zu müssen - äh, zu wollen!

Für mein Abendessen verlasse ich den GR10 wieder und möchte mir in der Altstadt ein Restaurant suchen. Unter schönen Bäumen an einem Platz finde ich das Ttiki. Hier bekomme ich einen leckeren Salat (Vitamine) mit Gambas (Eiweiß) und Melonen (noch mehr Vitamine). Dazu ein alkoholfreies Bier (isotonischer Durstlöscher). Nein, ehrlich gesagt ist mir der Inhaltsstoff des Essens total schnuppe, auf diesen Salat und ein Bier habe ich gerade Appetit und es schmeckt richtig lecker!
In den nächsten 8 Tagen bis Lescun wird es nur Tütensuppe mit Couscous oder mit Pü geben ...







Es wird schon dunkel, als ich mich auf den Rückweg an der Bucht entlang zu meinem Hotel mache.




Auf der anderen Seite des Grenzflusses Bidassoa liegt die spanische Stadt Irun.






Die Rezeption für das Palombe Bleue ist gegenüber im Hotel de la Gare. Meine Zimmertüre, hier oben an der kleinen Treppe, wird zweimal für die Rezeption oder den Eingang ins Hotel gehalten. Zweimal habe ich Leute an der Türe, die nach einem Zimmer fragen :)

Nachdem ich mich geduscht und später das Licht gelöscht habe, wird es bald auch auf der Straße ruhiger und ich schlafe wie ein Stein.
 
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AW: Pyrenäensommer - Wanderung vom Atlantik zum Mittelmeer

Moin liebe Sylvia,

das ist ja ein schöner Start und ich bin gespannt auf Deine weiteren Berichte. Ich wünsche Dir viel Spaß, die nötige Ausdauer und vor allem das passende Wetter, wie auch immer geartet Du es gebrauchen kannst.

Komme heile zurück und viele, liebe Grüße vom Flughafen Schipol.
Wir kommen gerade von Trondheim und ab morgen bin ich wieder als Lotse im Dienst ;)

Marc
 
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AW: Pyrenäensommer - Wanderung vom Atlantik zum Mittelmeer

Mo., 9.7.2018
Hendaye bis Lizuniaga
ca. 25 km, 1200 Hm
10 Std. unterwegs


Ich schlafe wie ein Stein.
Morgens weckt mich zu früh ein Müllauto, das vor meinem Fenster herumfuhrwerkt.
Um 7:30 sitze ich im Hotel de la Gare beim Frühstück, zusammen mit einigen Straßenarbeitern, die im Fernsehen scheinbar eine Art Volkssport verfolgen: Im Dorf stehen in einer engen Straße hunderte Leute dicht zusammen und warten darauf, von Stieren gejagt zu werden. Und wenn er kommt - dann laufen wir! Irgendwann werden die Tiere aus dem Pferch gelassen und rennen die Sträßchen runter. Die Leute (alles Männer, glaube ich) versuchen ihnen zu entkommen, indem sie so lange wie möglich vor ihnen her rennen und sich dann versuchen an die Seite zu drängen. Das klappt nicht immer, einige werden mit den Hörnern erwischt oder stolpern oder werden einfach so von den Stieren überrannt. Dabei gibt es wohl auch einige mehr oder weniger schwer Verletzte.
Schon interessant, was sich die Leute ausdenken, wenn es ihnen zu gut geht. :rolleyes:

Um 8:30 bin ich mit einem Croissant mit Butter und Marmelade und einem Cafe im Bauch unterwegs.
Die kurze Tour von gestern spart mir für heute keine Strecke, da mein Hotel abseits der Route liegt und ich erst einmal durch ruhige Sträßchen bis zum GR10 laufen muss. Dem folge ich nun bis zum Col d´Ibardin über Sträßchen, Wiesenpfade und Feldwege, über Farnhügel, durch Wäldchen, ... immer auf und ab. Mal sanft, mal steil.




Im Hintergrund La Rhune, Zwischenziel und Gipfel für heute.







Mein Zeh kneift, ich laufe rechts immer mit angezogenen Zehen, damit es weniger weh tut. Das verkrampft den ganzen Fuß etwas.
Es ist ziemlich diesig, irgendwie trotzdem sehr hell und grell. Dabei wird es gut 30°C.
Ich treffe gleich hinter Hendaye auf die ersten Potoks, kleine baskische Pferdchen. Die haben hier Glocken um wie Kühe. Esel und Schafe auch. Ich muss an Heike denken :hallo:




Als ich schwitzend den ersten steileren Hügel hinauf steige, kreisen die ersten Geier dicht über mir. Sehe ich schon so fertig aus?
(Axel :hallo: , hier hätte ich auch gerne ein Geier-Objektiv gehabt!)




Erster Gipfel - ein Monument für Geier?





Ich treffe auf Hühner, viele Eidechsen, Schafe und eine dicke Kröte, die auch Hügel besteigt.




Menschen treffe ich trotz Stadtnähe und GR10 nur wenige.

Wasser ist sehr knapp unterwegs. Diese Quelle vor dem Col d´Ibardin ist auf meiner Karte verzeichnet.



Unterwegs bevorzuge ich, wann immer möglich, das Wasser aus der Natur dem aus dem Wasserhahn oder der Flasche. Ich könnte mir auch am Col etwas kaufen, freue mich aber, dass ich hier frisches Wasser aus der Wiese finde.


Der Col d´Ibardin liegt knapp auf spanischer Seite. Hier sind Lebensmittel, Alkohol, ... deutlich billiger als auf französischer Seite. Daher sind diese "Orte" an den Pässen tatsächlich nur eine Aneinanderreihung von Läden und Restaurants. Schnell durch!
Hier trennen sich GR10 und HRP, die Wegzeichen enden.




Da vorne kommt La Rhune in Sicht. Der lange Weg zieht sich in der Mittagshitze wie Kaugummi.




Mit den Masten und Antennen und riesigen, unschönen Gebäuden erinnert er mich an den Brocken im Harz.
Der Massenandrang ist ähnlich.




Kein Wunder, denn auch hier fährt eine Bahn rauf.




Ich erreiche den Gipfel gegen 16:00. Ein Thermometer zeigt 27°C an, auf 900 m Höhe.
Hier gönne ich mir einen Milchcafe (Heike :hallo: ) und ein Ananas-Eis.




Nun kreisen die Geier unter mir! :)




Der Abstieg erfolgt durch eine Menschenmenge, dann Felsen, anschließend Wiese, Farn und Stechginster, entlang der Grenzsteine, die Frankreich und Spanien markieren.




Am Ende wird es noch richtig steil und ich spüre heftig meine müden Beine. Oh je, und das ist gerade mal ein Hügelchen. Und bis hoch zum La Rhune gute, breite, angenehme Wege ... Hoffentlich habe ich mich hier nicht übernommen!
Auf einer Wiese mache ich zwischen vielen Potoks noch einmal Pause, bevor es dann die letzten km angenehm durch Wald, Farn und Wiese bis zum Restaurant Lizuniaga geht.

Hier soll man laut Führer auf der Wiese zelten dürfen. Und tatsächlich hat dort gerade schon ein anderer HRPist sein Zelt aufgeschlagen.
Ich frage höflich im Restaurant an und darf mein Zelt dazustellen.




Später esse ich als Gegenleistung im Biergarten. Ich bin der einzige Gast. Scheint (schon) zu zu sein.
Die Wirtin bringt mir, was sie gerade zubereiten kann. Einen großen, bunten Salat mit Ei und manchem, was satt macht, dazu Baguette und einen isotonischen Durstlöscher.
Als ich mich gerade gut gefüllt zurücklehne, kommt sie mit einem riesigen Omelett raus! :eek:
Ich soll wenigstens noch ein bisschen davon essen, verstehe ich. Ich kann kaum Französisch und kein Spanisch. Aber ich glaube, beides würde mir hier auch nicht helfen. Die Frau spricht wohl nur Baskisch.
Ich gebe mir sehr viel Mühe und stopfte mir noch einige Eier in den Magen. Proteine! Dann muss ich kapitulieren. (Das wäre mir zwei Wochen später nicht mehr passiert!) Für das ganze Menü wollte die Frau nur 12€ haben! Wenn ich das mit dem Eis vergleiche ...

Ich unterhalte mich noch eine Weile mit meinem Wanderkollegen.
Ihm ist ein Hund zugelaufen, der uns jetzt beide zu hüten versucht.

Das war nun also mein erster richtiger Wandertag auf der HRP.
Ich bin ziemlich platt, strecke meine Beine aus und versuche zu schlafen.
 
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AW: Pyrenäensommer - Wanderung vom Atlantik zum Mittelmeer

Cool! Endlich geht es los und ich bin wieder gerne mit dabei :up:
 
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AW: Pyrenäensommer - Wanderung vom Atlantik zum Mittelmeer

Spannend.
Schön.
Da gehe ich in Gedanken gerne mit und bin gespannt, wie es deinen Zehen ergangen ist.

Grüße, Christian
.
 
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Di., 10.7.2018
Lizuniaga -> hinter Arizkun
9 Std. unterwegs
ca. 26 km, 900 Hm
29°C laut Wetterbericht, schwül

Ich habe wenig geschlafen. Das ist bei meiner ersten Nacht im Zelt oft der Fall. Diesmal kam aber noch ständiges Gebell unseres Hütehundes dazu.

Als ich um 7:00 beginne mein Frühstück zu kochen, bricht mein Wanderkollege Nicolas gerade auf. Zu meiner Freude läuft der Hund mit ihm.
Vor 8:00 bin ich dann auch abmarschbereit.
Zuerst halte ich kurz auf der anderen Straßenseite am Brunnen an und fülle meine Wasserflaschen auf.




Unten hängen Wolken im Tal, bei mir ist es wieder ziemlich diesig. Komisches Licht.




Der Weg ist heute wenig spektakulär. Trotzdem schön. Meist geht es über Feldwege, ab und zu etwas Schotter, mal Wiese, mal Farnhügel, mal felsig, mal eben, mal auf und ab. Gut zum Einlaufen und Strecke machen.
Lange laufe ich genau entlang der Grenze von einem Grenzstein zum nächsten. Sie sind nummeriert, vom Atlantik beginnend.







An einer Farm treffe ich auf eine Ansammlung von sicher 20 Geiern! Sie sitzen auf einer Wiese direkt vor der Farm, nicht weit von mir weg. Riesige Vögel!
Solange ich laufe, lassen sie sich gar nicht stören. Erst als ich anhalte, fliegen sie einer nach dem anderen träge auf.


(Sorry für den blöden Zaunpfahl mitten im Bild. Ich wollte mich dahinter verstecken ... :) )

Ich hatte gedacht, dass ich schon ein wenig Glück brauche, um mal Geier aus der Nähe zu sehen. Hier tummeln sie sich wie die Krähen. Immer wieder sehe ich einige irgendwo sitzen oder kreisen.

Und dann treffe ich wieder auf den Hund. Oder besser - er findet mich wieder.
Ich weiß, viele von euch wären begeistert gewesen - ich mag Hund nicht besonders.
Aus irgendeinem Grund muss er Nicolas wohl verlassen haben und hier an der Farm geblieben sein.
Und jetzt freut er sich, mit mir weiterlaufen zu können. Die Freude ist nicht auf meiner Seite. Erstmal springt er durch eine Pfütze und dann an mir hoch und meine Hose und mein Hemd sind von seinen matschigen Pfoten sofort total dreckig. Er lässt sich durch nichts davon abbringen, mich zu begleiten und mir ständig vor die Füße zu laufen oder sich an besonders engen Stellen an mir vorbei zu quetschen - und mich weiter einzuferkeln. Ein paarmal stolpere ich fast über ihn.
Irgendwie ein ganz freundliches, fröhliches Vieh, aber ich will ihn so schnell wie möglich loswerden. Mir fällt aber nichts ein.
Dann hockt er sich noch vor mir an den Weg und erleichtert sich - brrrrrrr! Armes Viech, das ist ein Klumpen aus bestimmt hundert langen Würmern! Jetzt versuche ich noch mehr ihn auf Abstand zu halten. Kann man als Mensch Hundewürmer bekommen? So wie Fuchsbandwurm ... Bäh! Hab ich irgendwas gegessen, was ich angefasst habe? Natürlich habe ich dem Hund einige Male ins Fell gefasst bei dem Versuch ihn von mir abzuhalten. Ich bin sonst echt nicht pingelig, aber das hier finde ich richtig eklig!

Fast den ganzen Tag ist der Hund um mich herum. Erst als ich in ein Dörfchen komme, wo ein Vater mit seinen zwei Kindern im Garten hantiert, flitzt der Hund durch das offene Gartentor auf die drei zu. Die gucken zu mir rüber, ich bemerke nur schnell, dass das nicht mein Hund ist, und mache mich schleunigst davon.







In Arizkun finde ich eine Bar/Restaurant. Es ist noch recht früh, ich will nicht mehr weit laufen und hätte gerne einen isotonischen ... :)




Erstmal werde ich ignoriert, obwohl man mich von drinnen gesehen hat. Ich gehe also irgendwann in die Küche und frage, ob ich ein Bier haben könne. Etwas missmutig bringt man mir das nach einer Weile und ignoriert mich weiterhin. Auch als ich bezahlen möchte, habe ich das Gefühl, das stört. Das werde ich noch häufiger erleben, immer auf spanischer Seite; auf der französischen Seite werde ich immer freundlich empfangen und bewirtet. Habe ich in den Augen der Spanier etwas falsch gemacht?
In diesem Lokal befindet sich auch eine Art Mini-Supermarkt: Neben der Theke stehen ein Regal und ein paar Körbe mit Obst, Gemüse und Keksen (vielleicht auch mehr, so genau habe ich das nicht inspiziert).




Laut Karte ist das vor mir liegende Gelände schwierig für eine Zeltplatz-Suche. In einem Bericht habe ich gelesen, dass jemand gleich 10 Min. hinter dem Ort einen tollen Platz gefunden hat. In einem anderen Bericht stand, dass jemand mindestens noch 1,5 Std. gelaufen ist, um einen Platz zu finden. Ich bin also gespannt, was mich erwartet. Ich lasse meinen 4-L-Trinkwasserschlauch in der Bar auffüllen (wieder ziemlich genervte Gesichter, aber das Mini-Waschbecken im Bad ist nicht geeignet), da keine Bäche zu erwarten sind. Auch morgen sieht die Gegend recht trocken aus.

Ich laufe aus dem Dorf hinaus und beginne den Anstieg auf den nächsten Rücken. Nach vielleicht 200 Hm, am Ende eines Wäldchens, finde ich rechts eine Weide ohne Tiere. Das Tor ist mit einem Stück Draht befestigt und lässt sich leicht aushängen. Um diese Zeit interessiert sich hoffentlich niemand mehr für dieses Stückchen Wiese. Ich schlüpfe hinein und schließe den Zaun wieder. Gleich dahinter finde ich ein Stückchen fast ebene Wiese, das noch nicht zu sehr zertrampelt ist. Nehm ich! Und um den Platz perfekt zu machen hängt am Zaun sogar ein Schlauch mit einem Hahn über einer Plastikschüssel als Viehtränke. Ich biege ein paar Brombeerranken zur Seite - der Wasseranschluss funktioniert! Jetzt brauche ich mir für heute und morgen keine Sorgen mehr um meine Wasserversorgung machen!

Ich gönne mir den Luxus und wasche mir an diesem Wasserhahn die ersten 3 Tage Schweiß ab.




Der eine Zeh wächst langsam wieder zusammen und kommt morgen wohl schon ohne Pflaster aus.
Der andere eitert noch ziemlich und tut beim Laufen weh, wenn ich die Zehen nicht anziehe. Das wiederum ist natürlich insgesamt nicht günstig. Aber das wird schon besser werden.
Ich bin froh, bei dieser Hitze und Sonne das Hemd mit den langen Ärmeln zu haben. Ein T-Shirt mit kurzen Ärmeln habe ich gar nicht dabei. So spare ich mir die Sonnencreme, die sich mit Schweiß zu einer glitschigen Mischung vereint. Blöd, wenn man dann abends nicht mal duschen kann.
Insgesamt laufe ich mich aber nun wohl gut ein.
Nach meiner Tomatensuppe mit Couscous mache ich es mir im Schlafsack gemütlich.
 
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Moin Sylvia,
klasse! Ich freue mich aufs virtuelle Mitwandern. :)
Der Anfang ist schon mal super! :up:
 
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Hallo Sylvia,
wir sind seit Samstag zurück von unserem 3. Abenteuer auf dem GR10, beide gesund und unverletzt, und Dein Bericht weckt schöne Erinnerungen an unsere GR10-Wanderung Teil 1, auch wenn hier die Wege des GR10 und des HRP nur sehr kurz zusammen verlaufen.

Au weia, Du machst aber ganz schön viele Kilometer pro Tag, da sind wir ja richtige Schnecken im Vergleich zu Dir...

Wir sind schon sehr gespannt, wie es weitergeht!

Wir werden wohl auch bald unseren Reisebericht Teil 2 hier im Forum einstellen, fertig ist er ja schon...
à bientôt
Axel
 
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wir sind seit Samstag zurück von unserem 3. Abenteuer auf dem GR10, beide gesund und unverletzt,

Was - schon zurück!? Hatten wir nicht gerade erst telefoniert!?
Kinders, wie die Zeit vergeht ...

Prima, dass ihr wohlauf seid!
Wie weit seid ihr diesmal gekommen? Habt ihr noch einmal am Lac Gentau gezeltet? Oder unterm Vignemale? Ich bin sehr gespannt, muss mich aber wohl bis zu eurem Bericht gedulden :)

Bei mir geht es am kommenden Montag für die letzten Etappen wieder nach Andorra. Der Wetterbericht scheint auf meiner Seite zu sein, wenn er sich nicht mehr grundlegend ändert. Ich bin sehr gespannt auf eine Herbstwanderung dort. Und packe meine warmen Daunen ein ...


Liebe Grüße auch an Heike!
Sylvia
 
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Was - schon zurück!? Hatten wir nicht gerade erst telefoniert!?
Kinders, wie die Zeit vergeht ...
Du sagst es!

...Wie weit seid ihr diesmal gekommen? Habt ihr noch einmal am Lac Gentau gezeltet? Oder unterm Vignemale?...

Wir sind bis Luz-Saint-Sauveur gekommen.
Haben am Anfang 2 Tage einen Abstecher zurück an den Lac Gentau und erstmals an den Lac d´Ossau gemacht, haben dort superschöne Bilder gemacht, das hat sich wahrlich gelohnt...
Unter dem Vignemale haben wir auch gezeltet, ja, ja und haben dort oft an Dich gedacht.
Alles in allem haben wir es aber rel. langsam angehen lassen, weil ich anfangs noch grippegeschwächt war und weil es dermaßen steil wurde, dass wir zweimal an unsere körperlichen Grenzen gehen mussten...

...Bei mir geht es am kommenden Montag für die letzten Etappen wieder nach Andorra. Der Wetterbericht scheint auf meiner Seite zu sein, wenn er sich nicht mehr grundlegend ändert. Ich bin sehr gespannt auf eine Herbstwanderung dort. Und packe meine warmen Daunen ein ...
Liebe Grüße auch an Heike!
Sylvia
Was das ist auch schon wieder so weit??!!!:eek:
Viel Glück und Erfolg und riskier bloß nichts, das Wetter in den Bergen kann manchmal sehr wechselhaft sein.... na ja, Du weißt das ja selbst...
Liebe Grüße, auch von Heike, die sitzt gerade neben mir und freut sich tierisch über Deinen Bericht
 
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Bonjour Sylvia,

Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie ich mich gerade über einen Reisebericht freue.
Wir sind ja seit Samstag wieder zurück von unserer 3. Etappe, leider, ich wäre soooo gerne immer noch unterwegs!!!
Schön, dass Du öfter an uns gedacht hast. Das ging uns übrigens diesmal genauso, wir haben auch so manchesmal an Dich denken müssen. Am Lac Gentau z.B. wußte ich genau, wo Dein Zelt gestanden hat :)

Der eine Zeh wächst langsam wieder zusammen und kommt morgen wohl schon ohne Pflaster aus.
Der andere eitert noch ziemlich und tut beim Laufen weh, wenn ich die Zehen nicht anziehe. Das wiederum ist natürlich insgesamt nicht günstig. Aber das wird schon besser werden.

Mir hat mal eine Alpinistin den Tipp gegeben, immer Heilwolle mitzunehmen. Seit 3 Jahren haben wir immer welche dabei. Anfangs habe ich sie immer nur dann benutzt, wenn ich eine Blase hatte, mittlerweile nehme ich sie schon, wenn ich das Gefühl von Druck bekomme. Echt unglaublich wie die hilft! Axel hatte dieses Jahr eine Blase am Zeh und hat sich auch ein Stück davon in den Stumpf auf die Blase gelegt und hatte keine Probleme mehr. Man spürt sie auch gar nicht, anfangs hab ich immer nur ganz wenig genommen, weil ich befürchtet habe, dass es an der Stelle drückt, tut es aber nicht. Einzigster "Nachteil": Die Wollfasern fusseln den Strumpf ein wenig ein, auch nach der Wäsche sieht man noch helle Wollhaare. Aber bei Wanderstrümpfen finde ich das nicht so schlimm.

Ich bin gespannt wie es hier weitergeht und bin schon ein wenig ungeduldig.

Liebe Grüße Heike
 
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Mi., 11.7.2018 (Tag 3)
hinter Arizkun -> Col Ametz-Lepo
8 Std. unterwegs
ca. 14 km, /950Hm \600Hm


Ich schlafe besser. Und länger ;-)
Heute habe ich nicht so viel vor, daher lasse ich es ruhig angehen und frühstücke gemütlich.
Morgennebel ziehen aus den Tälern herauf.




Erst um 9:00 breche ich auf.
Es geht gleich halbwegs steil über Feld-, Wald- und Schotterwege auf einen Bergrücken hoch. Läuft sich bequem, es ist noch nicht so heiß.
Dann endet der Weg abrupt vor einem wackeligen Zaun aus Spaltholz und Stacheldraht.
Dahinter Wiese, es ist aber kein Pfad zu erkennen.
Im Hintergrund sehe ich jedoch den Waldhügel, welcher der Burga sein muss.




Ich überlege noch, wie ich ohne Zerstörung des Zaunes und meiner Hose auf die Wiese komme, als ich hinter mir einen Zauntritt bemerke, den ich vorher einfach übersehen habe.
Vorsichtig gelange ich nun auf die grüne Seite.
Die pfadlose Wiese mag mein lädierter Zeh gar nicht.
Ich stolpere durch die Wiese, die von Kühen ziemlich zertrampelt ist und eher aus Löchern und Graswänden besteht.
Schließlich gelange ich an den Waldrand und finde einen weiteren Zauntritt, über den ich die Wiese verlasse.
Auch durch den Wald führt kein Weg in meine Richtung, also steige ich weiter geradeaus nach oben.
Ein schöner Wald!




Leicht erreiche ich den Gipfel.
Hier gefällt es mir so gut, dass ich mich eine Stunde ins Gras lege, mir die Sonne auf die Nase scheinen lasse, die Aussicht und die Blumen genieße.




Nun geht es zwischen Wald und Farn auf einem kleinen Pfad hinunter.
Schließlich treffe ich auf ein Sträßchen, das so steil ist, dass ich mich alle paar hundert Meter einmal umdrehen muss, um meine Füße in die andere Richtung zu biegen und meine Waden strecken.
So gelange ich hinunter nach Les Aldudes.




Um 14:30 ist der Ort völlig ausgestorben. Ein Tourist schaut sich die Kirche an. Sonst treffe ich niemanden.
Die Bar ist geschlossen, ebenso die Tankstelle mit der Alimentation.
Nicht einmal aus dem Brunnen kommt Wasser. Auf den hatte ich mich eigentlich verlassen ...
Ich habe längst meine Flaschen ausgetrunken.
Jetzt kann ich warten, bis irgendwann am Nachmittag die Siesta beendet wird und ich in der Bar Wasser bekomme.
Oder hoffen, dass nach so langer Trockenzeit das kleine, in meiner Karte verzeichnete Bächlein Wasser führt.
Zu warten habe ich keine Lust. Ich mache mich also an den Gegenanstieg. Irgendwo werde ich schon Wasser finden.

Ich verlasse die vorgeschlagene HRP-Route, die eine Weile über die Straße verläuft.
Statt dessen will ich über andere Pfade in meiner Karte über ein paar Bergrücken und Pässe laufen, um morgen wieder auf die Route zu treffen.

Es geht erst einmal ziemlich steil einen Trampelpfad im Zickzack hinauf.
Am Col Lepeder treffe ich 3 Menschen! Ein richtiger Massenauflauf!
Schön am Hang entlang, dann wieder steil bergauf durch zugewucherte Farn- und Stechginsterpfade.




Es wird windig, schwarze Wolken ziehen von mehreren Seiten gleichzeitig herauf.
Das Bächlein, auf das ich gehofft habe, tröpfelt vor sich hin. Es reicht gerade, um in einer längeren Pause langsam 3-4 Liter in meinen Wasserschlauch abzufüllen.
Ein Stück gehe ich noch weiter, bis ich eine ebene Grasstelle finde, auf der eine Viehtränke steht. Die ist allerdings leer und es gibt keine Zuleitung.
Gut, dass ich mein Wasserfass schon gefüllt habe.
Es ist erst 17:00, aber der Wind frischt so auf und die Wolken sehen bedrohlich aus.
Die weitere Strecke würde über offene Bergrücken verlaufen.
Ich entscheide mich, hier und jetzt mein Zelt aufzustellen und für heute Feierabend zu machen.

Das Wetter zieht jedoch einfach weiter und als mein Tee fertig ist, scheint die Sonne wieder.
Jetzt folgt ein unterhaltsames Programm vor meiner Türe:
Schafe kommen grüppchenweise von links aus dem Farn. Sie bleiben an der offenen Wiese erst stehen, dann galoppieren sie an meinem Zelt vorbei, bleiben dann jedoch in kurzer Entfernung stehen, manche kommen auch zurück und gucken, was da auf ihrer Weide steht. Das geht sicher eine Stunde lang so, und nach und nach kommen sicher 300 Schafe vorbei.








Nach so viel Schäfchenzählen schlafe ich heute Nacht sicher besonders gut :)
 
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...einmal mehr ist es wunderschön mit Dir und deinen Worten und Bildern zu reisen, Sylvia ...

Ich stelle mir vor, dass die Zeit, welche Du mit Dir alleine verbringst, am Tag, in der Nacht, auch speziell sein können ...

Zumindest mir ergeht es so, wenn ich vom täglichen "Trouble" mich alleine in der "Wildnis" befinde ...:)

Ich freue mich auf die Fortsetzung ...:)
 
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Ich stelle mir vor, dass die Zeit, welche Du mit Dir alleine verbringst, am Tag, in der Nacht, auch speziell sein können ...

Vielen Dank, lieber Sam!

Natürlich ist das speziell. Schließlich bin ich ja mit MIR zusammen :D

Im Ernst, ich genieße das wirklich sehr, alleine unterwegs zu sein!
Ich liebe es alleine zu wandern. Und abends alleine vor meinem Zelt zu sitzen.
Und morgens ganz wie es mir passt wieder aufzustehen und in den Tag zu leben.
Mein eigener Rhythmus. Keine Kompromisse. Keine Absprachen oder Diskussionen.
Wenn ich mit mir unterwegs bin, ist das ziemlich harmonisch. Wir verstehen uns echt gut :D



Heute und morgen muss ich hier Pause machen. Vielleicht schaffe ich es dann noch bis in die "richtigen" Berge mit meinem Bericht, bevor ich den Rest der Strecke unter die Sohlen nehme.

Viele Grüße,
Sylvia
 
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Do., 12.7. (4. Wandertag)
Col Ametz-Lepo -> Grenzstein 200 hinter Roncesvalles
7 3/4 Std. unterwegs
21 km


Irgendwann hatte ich gestern aufgehört Schäfchen zu zählen. Es wurden immer mehr. Oder liefen sie immer im Kreis?
Dagegen habe ich genau 2 Zecken gezählt. Eine saß auf meinem Bein, die andere krabbelte über meine Nase!
Das Mückennetz habe ich also lieber geschlossen heute Nacht.

Der Tag ist heute überwiegend bedeckt, nachmittags mal sonniger, abends wieder zugezogen.
Zuerst laufe ich auf den Col Mizpira rauf, ein schöner Wiesen-Farn-Pfad über sonst offene Bergrücken.
Am Errola (Hügel) verläuft sich der Pfad in wucherndem Farn, der sich später noch mit Steckginster und Brombeerranken mischt - not my favourite, und trotzdem mag ich gerade diese Wildnisstrecken besonders.
Der 2. Teil des Tages ist über weite Strecken asphaltiert. Kleine, hübsche Sträßchen, aber dennoch ...
Ich bin froh, die Trailrunner an den Füßen zu haben und keine schweren Bergstiefel.
Werde ich diese Entscheidung noch bereuen, sobald ich in ein paar Tagen in felsiges Gelände komme?
Zwischendurch geht es pfadlos über den Lindux-Gipfel. Immer an der Grenze Frankreich-Spanien entlang.

Die Grenze ist hier mit einem Stacheldraht-Zaun "gesichert".
Immer wieder gibt es Grenzübergänge wie diesen.
Lohnt sich der Übertritt? Pilze darf ich nicht pflücken.




Bis zum Col de Ronceveaux treffe ich auf den Sträßchen verteilt über den Nachmittag 1 Traktor, 2 Autos, 2 Radfahrer.
Hier muss ich mich entscheiden, ob ich hinunter in die Klosteranlage laufen will, oder ob ich ohne Umwege weiter meinem Weg nach Osten folge.
Da ich nicht so viel Lust auf den Jakobsweg-Trubel habe (am Kloster endet die klassische 1. Etappe, die Pyrenäenüberquerung von St.-Pied-de-Port aus, wohl eine der anstrengendsten des Jakobsweges), entscheide ich mich für den direkten Weiterweg.
Ich biege links ab und steige über 4 km Serpentinen hinauf zum Col de Leopeder (keine Ahnung, was das bedeutet, aber so mancher Pass hier heißt so oder ganz ähnlich). Mir begegnen viele Pilger/Jakobswanderer, die meisten schon ziemlich fertig. Ist aber auch eine sehr hässliche Variante von Schotterweg, die hier über den Pass führt.

Roncesvalles/Ronceveaux vom Weg aus



Am Pass ist es kalt und windig, ich halte mich kaum auf und laufe auf der anderen Seite bergab, den Pilgern entgegen, die sich verstaubt heraufkämpfen. Über mehr oder weniger angenehme Schotterpisten geht es hinunter zur Rolandsquelle. Roland ist in den Pyrenäen allgegenwärtig. Hier und da hat er mit seinem Schwert Kerben in die Felsgrate geschlagen oder Brunnen fließen lassen, ...

Jakobsweg an der Rolandsquelle



Ich fülle meine Wasservorräte auf (hier fließen wenige Bäche) und halte so langsam Ausschau nach einem Zeltplatz.
Nicht weit entfernt treffe ich auf den Grenzstein 200, dessen Zahl golden ausgemalt ist. Er steht auf einer Kuppe mit schöner Aussicht auf einen Felsgrat, geschützt durch etwas Nadelwald.
Hier gefällt es mir und ich mache Feierabend.
Der Zaun markiert die Grenze. Ich glaube, heute schlafe ich auf französischer Seite.








Fr., 13.7. (5. Tag)
Grenzstein 200 -> Egurgui
15 km
knapp 6 Std. unterwegs


Morgens ist es bedeckt, windig und ziemlich frisch. Hinter mir grummelt es, vor mir sind aber auch Lichtblicke.




Mit kurzer Hose, aber Jacke und dünner Mütze ziehe ich los. Aber schon am nächsten Col kommt die Sonne raus und es wird ziemlich heiß. Ich lege Sommer an.
Es gibt eine Viehtränke. Pferde jagen aus Spaß im Galopp die Hänge rauf und runter.
Die HRP verschwindet irgendwann im Gestrüpp, ich umgehe das Dickicht.
Ein Sträßchen geht in langen Serpentinen den Hang hinunter, ein Wiesenpfad soll abkürzen.
Da kein Pfad zu finden ist, tauche ich einfach so unter dem Stromzaun durch auf den Grashang und laufe der Nase nach. Es gibt hier viele schöne Blumen. Eine davon ist eine blaue Distel, der ich noch oft begegnen werde.




Schließlich treffe ich wieder auf das Sträßchen, krabbel wieder unter dem Zaun durch und komme bald zum Col Ogambidé.
Hier gibt es einige prähistorische Steinkreise. Und jede Menge Pferde, Kühe, Esel und Schafe. Ein Eselchen mochte es besonders IM Ohr gekrault zu werden :) Es ist mittlerweile recht heiß geworden. Die Schafe spenden sich gegenseitig Schatten. Bloß keinen Sonnenbrand auf der Nase!




Wieder geht es lange über ein Sträßchen, bis ich endlich hinter einer Farm auf eine Wiese abbiegen kann. Von hier geht es pfadlos steil runter an einen Bach mit Fußbrücke. Hier mache ich im Schatten eines Baumes Pause. Viele Rote Milane kreisen über den Grashängen.
Der Aufstieg auf den nächsten Pass ist zum Teil wieder ziemlich von hohem Gras überwachsen aber richtig schön! Und sehr grün :)










Eine Stunde später bin ich am Col Errozaté.
Von hier aus geht es bergab, erstmal wieder ohne Pfad, später verdichten sich die Tierspuren zu einem Pfad am Bach entlang.

Es ist ziemlich heiß geworden. Daher habe ich ein paar Wünsche an meinen Traum-Zeltplatz für heute: Sonne und Schatten, Bach zum Baden und Wäsche waschen, eben, grasig. Und vielleicht 100 m vor dem Egurgui-Pass sehe ich ihn! Genau diesen Platz! In einer Bachkurve, sonnige Wiese, Schatten eines Baumes, perfekt! Es ist erst 15:00, ich könnte noch über den nächsten Berg, aber ich möchte mich und meine Wäsche einmal im Bach durchspülen. Und - soll ja auch ein bisschen Urlaub sein :)




Während ich aber genüsslich bade und meine Wäsche wasche, ziehen über den Kamm Wolken auf.
Als die Wäsche hängt, ist die Sonne weg. Und dummerweise auch der Wind.
Dann wird es frischer. Es beginnt sogar bald zu nieseln.
Schnell nehme ich die nassen Sachen wieder von der Leine ins Vorzelt und fülle meinen Wasservorrat im Bach auf. Wer weiß, was sich hier entwickelt. Da will ich später vielleicht nicht mehr raus müssen.
Ich befürchte, morgen früh in feuchten Sachen loswandern zu müssen.




Zwischendurch ist es draußen trocken und sogar windig, ich hänge die Wäsche wieder auf.
Während ich zum Abendessen Thai-Kokos-Suppe mit Couscous koche, beginnt es wieder zu regnen. Also alles wieder rein. Es ist nicht sehr kalt, ich ziehe also die feuchten Sachen einfach an, Hemd über Shirt, Shorts über Leggins, und trockne sie mit Körperwärme. Es gibt Gemütlicheres, aber es geht.

In dieser Nacht erlebe ich mein erstes Pyrenäen-Gewitter.
Es rumpelt und kracht, blitzt und donnert um mich her. Ich mache mir keine allzu großen Sorgen, besonders stürmisch ist es hier bei mir nicht, aber einige Böen drücken doch auf´s Zelt. Ich stehe hoch genug über dem Wasser des Baches. Aber das Gewitter wogt hin und her und dauert gefühlt 2 Stunden. Der Wind dreht ständig hin und her. Ich bin froh, das Zelt routinemäßig auch bei schönstem Wetter sicher abgespannt zu haben.
 
Kommentar
Liebe Sylvia,
du weckst das Fernweh und die Abenteuerlust in mir. Weil ganz tief in mir, im Geheimen, schlummert auch so ein kleiner Entdecker und Abenteurer :)
Den spüre ich umso mehr, wenn ich deinen tollen Reisebericht verfolge und dann ärgere ich mich über mich selber, dass ich sowas nicht auch einfach mal gemacht habe ...
Dass du als Frau alleine zu so einer Tour aufbrichst - Respekt.
Tolle Frau - tolle Bilder - ich freue mich auf die Fortsetzung :up:
 
Kommentar
Sa., 14.7.2018 (6. Tag)
Egurgui -> Col Lapatignegagne (diese Namen hier ... :grins: ) hinter Iraty/Bagargui
ca. 7 Std. unterwegs
17 km /1150 Hm \600 Hm


Die ganze Nacht hat es einen Wechsel von Gewitter und sternenklarem Himmel gegeben.
Noch um 7:30 wabert um mein Zelt pottendichter Nebel.
Gegen 8:00 hebt er sich und es ist strahlend blauer Himmel. Einige Nebelfetzen ziehen noch durch die Täler und um die Gipfel.




Ich genieße die Morgensonne und frühstücke gemütlich.
Sehr spät, erst gegen 10:00, breche ich auf. Das rächt sich natürlich, denn es wird heute 30°C heiß.
Ich wandere mit noch leicht feuchten Socken und Unterhose los. Vom Zeltplatz weg geht es sofort steil eine Wiese ohne Weg hinauf. Das Gras wächst kniehoch und ist reif. Mit jedem Schritt helfe ich die Pollen großflächig zu verteilen. Ich sehe bald von Kopf bis Fuß hellgrün gepudert aus.

An einigen markanten Geländeformen steige ich immer weiter hinauf. Manchmal treffe ich für einen kurzen Abschnitt einen Pfad, wohl eher eine Tierspur, die sich dann wieder in der Wiese verliert.

Rückblick in mein letztes Zelt-Tal



Als ich den Col erreiche, behauptet meine Uhr, ich sei erst eine Stunde unterwegs. Kam mir viel länger vor. Ich freue mich, setze mich, trinke etwas und schaue auf die Karte, wie es weitergeht. Und stelle fest, ich sitze am falschen Col (Urculu). :platsch:
Egal, ist sehr schön hier. Und keine Bremsen, die im hohen Gras überall sehr lästig sind. Ich muss so einige Bisse einstecken.

Ich muss ein bisschen wieder zurück laufen, aber fast eben, dann über einen bequemen Pfad unterhalb des Kammes entlang.
Irgendwann kommt mir das seltsam vor, ich konsultiere wieder die Karte und stelle fest, dass die Richtung grob stimmt, mich dieser bequeme (Kuh-)Pfad aber mittlerweile 100 Hm zu tief hinunter geführt hat. Gefühlt ging es immer parallel zum Hang, war aber wohl doch leicht abschüssig. Also "senkrecht" wieder Höhe gewinnen. Kurz vor dem Kamm treffe ich wieder auf einen Pfad, der mich diesmal tatsächlich zum richtigen Col Curutche bringt.
Von hier sollte ein Pfad durch den oberen Teil des Waldes bis zum Col d´Oratée verlaufen.
Ich gehe durch die Wiese zum Waldrand und finde einen Pfad hinter den ersten Bäumen. Prima!
Der endet jedoch nach kurzer Zeit in einem Dickicht. Ich bin schon wieder etliche Hm zu tief geraten. :stampf: Wieder muss ich über steile Wiesen hinaufsteigen, um dann irgendwann auf den richtigen Pfad zu treffen, der in einen guten Waldweg übergeht.
So habe ich einiges an Zeit und Kraft vergeudet. Aber was solls. Ich habe es ja nicht eilig.

Vom Col d´Oratée kann man direkt auf den Ocabe-Gipfel steigen oder auf einem längeren Umweg über ein großes Plateau dorthin gelangen. Ich entscheide mich für den längeren Weg. Das Plateau ist schon schön. Ein riesiger Grasrücken, hier und dort uralte Steinkreise. Hier treffe ich auf den GR10, dem ich bis zu den Chalets d´Iraty folge. Zumindest so ungefähr.




Der Wald von Iraty, der einer der größten Buchenwälder sein soll, ist ganz schön. Die Forstwege darin sind von einer sehr unschönen Sorte. Tief ausgewaschene Erosionsrinnen aus dicken Steinen und Schotter aller Art. Steil rauf, runter, rauf, runter. Ich überlege, ob wohl Axel und Heike diese Strecke auch so wenig mochten?
Irgendwann war aber auch diese Strecke bewältigt und ich gelange an die Chalets d´Iraty.
Hier habe ich Empfang und checke den Wetterbericht. Weiterhin sonnig, etwas kühler, bis 25°C.
Außerdem bekomme ich die Nachricht, dass man in Salardu mein Care-Paket nun bekommen habe, nicht jedoch die von amazon.es versendete Gaskartusche. Naja, da muss ich dann wohl einen Abstecher mit dem Bus in den nächstgrößeren Ort unternehmen.

Eine kleine Sensation: Öffentliche, gekachelte Toilettenräume und Waschbecken! Ich hatte schon fast vergessen, wie sowas funktioniert. Vermisst hatte ich´s nicht. Da ich bis zu einem möglichen Zeltplatz wohl keinen Bach mehr finden werde, fülle ich meine 4,5 L Wasserreservoirs auf und steige gleich von hier Richtung Col Mehatze hinauf. Den Umweg über die Haupthüttensiedlung am Col Bagargui spare ich mir, da ich dort weder übernachten noch einkaufen will.

Hier kann ich das Sträßchen verlassen und über einen Trampelpfad weiter bis zum Col Lapatignegagne steigen.
Ich beschließe, hier mein Zelt aufzustellen. Ein Col ist im Wind zwar nicht optimal, aber die vor mir liegende Strecke besteht laut Karte ebenfalls entweder aus offenen Bergrücken oder steilen Hängen. Hier ist es schön, ich bleibe.

Dem Wetterbericht fällt nun etwas Gewitterneigung ein. Ein Col ist auch da ungünstig, aber eine bessere Stelle ist weit und breit nicht zu finden. Wird schon.

Mein Zeh wird so langsam wieder. Er eitert immer noch etwas, was die Fliegen richtig klasse finden, wenn ich die Socken ausziehe. Aber ich kann ihn so langsam wieder ausstrecken und etwas normaler laufen.

Feuchte Wiesen und staubende Gräser haben heute meinen vorher noch neu glänzenden Schuhen eine Patina-Schicht verpasst.







So., 15.7.2018 (7. Tag)
Col Lapatignegagne -> Cabane d´Ardané
ca. 18 km /1150 Hm \1200 Hm
7,5 Std. unterwegs



Die Nacht war aufregend!
Die Gewitterneigung war für ca. 18:00 prophezeit. Es passiert aber den ganzen Abend nichts. Na gut, wird wohl doch nichts.
Gerade bin ich eingeschlafen, da höre ich einige Regentropfen auf der Zelthaut. Während ich meine Türe schließe, beginnt es zu gewittern. Ich lege mich wieder in den Schlafsack. Dann wird der Wind plötzlich richtig stürmisch, dreht so, dass er genau auf meinen Eingang knallt und reißt den Klettverschluss auf, der die Türhälften zusammenhält (statt Reißverschluss). Regen prasselt sofort waagerecht bis in meinen Schlafsack, ich rappel mich so schnell es geht auf, knie noch im Schlafsack und schnappe nach den beiden Türhälften, mit beiden Händen halte ich sie so gut es geht zusammen. Unter diesen Umständen bekomme ich den Kletterverschluss nicht wieder zugedrückt, wäre womöglich auch nicht lange von Erfolg gewesen, da der Wind weiterhin genau in meine Türe bläst. So vorgebeugt halte ich also die Türe selbst zu so gut es geht. Durch das Oberlicht, die Lüftungsöffnung, sprüht auch der Regen herein.
Um mich herum tobt das Gewitter. Blitz auf Blitz und Donner auf Donner knallt herunter, ich kann sie gar nicht einander zuordnen. Ich denke an meine Alu-Zeltstangen (=Trekkingstöcke) und an meine Elektronik.
Der Starkregen geht in Hagel über! Glücklicherweise kein besonders dicker, aber schon so bis zu 1 cm Durchmesser. Dazu immer wieder Sturmböen aus allen Richtungen. Gefühlt hocke ich so eine Stunde da und umklammere meine Türhälften. Wahrscheinlich sind es bloß 15 Minuten? Mir tut der Rücken weh vom Vorbeugen. Dann geht es noch einmal richtig los. Der Sturm orgelt, das Zelt zerrt heftig an seinen Leinen, der Regen prasselt, die Blitze zucken rechts und links, sie sind überall um mich herum, der Donner lärmt von allen Seiten. Ich mag Gewitter, finde sie eher spannend und war schon in einigen mittendrin. Aber dieses ist eines der heftigsten, die ich so hautnah erlebe. Ich hoffe inständig, dass das Zelt hält und denke mir, wenn wir hier heile durchkommen, kann uns wettermäßig nichts mehr schocken.
Müsste ich die Türe nicht festhalten, würde ich schnell all meine Sachen wasserdicht in den Rucksack packen und mir die Regensachen anziehen, um im Ernstfall (Zelt zerreißt) nicht sofort völlig durchnässt mitten in der Nacht auf diesem Pass zu enden.

Wir kommen heile aus der Sache raus. Ich danke dem Zelt für seine Standhaftigkeit und dem Wetter für seine Lehrstunde. Und dass es uns (das Zelt, mich und meinen Kram) dann doch am Ende verschont hat. Und lege mich ziemlich erschöpft wieder in den Schlafsack. Dass die Daune am Kopfende etwas durchfeuchtet ist, stört mich nur wenig, ich bin froh, dass der Spuk ohne ernsthaftere Schäden vorübergegangen ist.

Ich mag das Zelt wirklich sehr. Aber mit dem Kletterverschluss, der an der Außentüre den Reißverschluss ersetzt (und zwar in 2 Teilen, mit einer 15 cm langen Lücke ohne Klett) werde ich nicht recht warm. Ich finde ihn wesentlich umständlicher zu schließen, und offensichtlich hält er auch dem heftigen Winddruck nicht so gut Stand wie ein Reißverschluss. So viel leichter als ein Reißverschluss kann der Klettverschluss doch auch nicht sein. Das Mückennetz innen wird durch einen halbkreisförmigen, also viel längeren Reißverschluss verschlossen ...

Insgesamt habe ich heute Nacht aber sehr viel Vertrauen in mein Zelt gewonnen!


Heute steht die erste als schwierig bewertete Etappe an, die Überschreitung des Pic d´Orhy, der erste 2000er auf meinem Weg nach Osten.
Um 7:00 weckt mich die aufgehende Sonne. Sie gießt ein wunderschönes Licht über Berge, Täler und Kühe.







Eigentlich will ich früh loslaufen, aber jetzt muss ich erstmal fotografieren.
Dann beginne ich Frühstück zu kochen, laufe aber gleichzeitig immer wieder mit der Kamera los. Ein wundervoller Morgen nach dieser turbulenten Nacht.

Zuerst begrüßen mich die Kühe, dann kommen die Potoks dazu. Wo haben die wohl die Gewitternacht verbracht?













Wir betrachten gemeinsam den Pic d´Orhy, auf den ich heute steigen will.




Ein junges Pferdchen steckt neugierig immer wieder den Kopf zu mir ins Zelt. Ich denke, dass das Heike sicher sehr gefallen hätte! :love: Es scheint ein bisschen kurzsichtig und bleibt an meinen kurzen Abspannleinen hängen, dass ich fürchte, nachdem das Zelt die Gewitternacht gut überstanden hat, wird es jetzt von einem Pferd niedergerissen. Der Pferdchen schnüffelt am Zeltstoff, als es aber - ganz vorsichtig - ihn mit den Hufen testen will, schreite ich ein.







Auch Zecken gibt es wieder.

Schließlich verabschiede ich mich von diesem Platz, den ich so schnell nicht vergessen werde.
Es geht erst einmal wunderbar gemütlich kurz auf einen Pass hoch, dann lange fast eben an einem steilen Hang entlang, der mit hohem Gras, Farn und Fingerhut bewachsen ist. Perfekt zum Einlaufen.







Nun geht es ziemlich steil einen Grashang hinauf zum "Einstieg".
Hier ist es anfangs zwar weder besonders steil noch besonders ausgesetzt, aber hier scheinen sich in der letzten Nacht alle Kühe und Schafe versammelt zu haben. Der ganze Hang war dick bedeckt mit Kuhfladen und Schafsmist, vom Regen durchweicht und von den Tieren zu einer glitschigen Masse auf dem lehmigen Boden zertrampelt. Es kostet ziemlich Mühe und Taktik, hier aufwärts zu kommen, ohne schnell auf dem Schmierfilm auf dem Bauch wieder runter zu rutschen.
Es glückt mir, ohne weiteren Bodenkontakt außer mit den Schuhen auf den ersten Buckel hinauf zu steigen.
Bei schlechtem Wetter (Regen/Nebel) wird vor diesem Berg gewarnt. Ich habe Kaiserwetter!
Der Grat wird schmaler und beide Seiten steiler. Bei kräftigem Wind auch nicht ganz so lustig.




Als ich denke, jetzt wird das hier aber interessant, sehe ich 2 m unter mir einen Trampelpfad. Vorsichtig klettere ich hinunter und komme so über die nächsten Meter. Bald packe ich Stöcke und Kamera ein, um meine Hände besser einsetzen zu können.
Komisch, so exponiert und kraxelig las sich die Beschreibung dieser Passage nicht.
Kurz darauf stehe ich vor einem Felsgrat, den ich lieber angeseilt gehen würde ... :eek:
Ein Blick auf mein GPS verrät mir, ich bin zu weit gelaufen und hätte schon vorher links in eine Scharte runtersteigen müssen. Also dieses Stück wieder zurück klettern. Dann sehe ich die steile Schotterrinne, die etwas tiefer in einen Pfad parallel zum Hang übergeht. Aha. Gut, das geht besser.

The Gap mit Pfad, oben der messerschmale Grat mit Abgrund auf beiden Seiten


Ich sehe zwei Leute, die tatsächlich über den Felsgrat klettern, an dem ich umgedreht bin. Die haben aber auch keinen großen Rucksack ...
Der Rest des Aufstieges auf den Gipfel des Orhy ist einfach. Immer an der Kante entlang über einen Pfad die Wiese hinauf.




Am Gipfel treffe ich erstaunlich viele Leute. Die kommen fast alle von der einfacheren Seite hoch, die mein Abstieg wird, da trifft man auf eine Passstraße mit Wanderparkplatz.

Ich nehme all mein Französisch zusammen, um jemanden, der auch eine richtige Kamera (kein Handy) bei sich trägt, zu fragen, ob er wohl ein Foto von mir am Gipfel machen könne. Er war Spanier und verstand kein Wort. :hahaa: Aber mein Anliegen verstand er trotzdem und erfüllte meinen Wunsch. Danke!

Rotkäppchen am Gipfel des Pic d´Orhy



Der Abstieg zum Port Larrau ist einfach, hier sind einige Trailrunner unterwegs.
Etwas jenseits der Straße mache ich noch eine Pause, bevor ich mich an den 2. Teil meiner Tagesetappe mache.

Rückblick zum Pic d´Orhy und der Abstiegsroute über den Grat



Über grasige rolling Prärie wandere ich recht angenehm mehr oder weniger auf einer Höhe um ein paar Grasberge herum, mal auf cattle tracks, mal weglos. Irgendwo oben am Hang döst ein Hirte mit seinem Hund zwischen seinen Schafen und wir grüßen uns.




Ein paar km später beginnt dann der Abstieg ins Tal zur Cabane d´Ardané. Nach der Überwindung meines ersten 2000ers heute treffe ich nun auch auf den ersten Schneerest in einer schattigen Senke. Schnee soll später meine Routenwahl noch entscheidend beeinflussen.
Erst geht es recht steil bergab, ich finde Kuhpfade, denen ich folge. Kurz vor der Cabane treffe ich auf die Dirt Road, der ich nach rechts ein Stück folge, bis ich links steil über eine Wiese zum Bach an der Hütte absteige.




Mittlerweile hat sich der Himmel ziemlich zugezogen und die Wolken senken sich ins Tal.
Soll ich in der Cabane übernachten? Eigentlich zelte ich lieber davor, die Luft ist besser. Drinnen ist es meist muffig und düster. Bei Weltuntergangswetter sicher angenehm, aber jetzt sieht es so dramatisch noch nicht aus. Ich finde nach einigem Suchen einem halbwegs ebenen, trockenen, steinfreien Platz nicht zu nah am Bach, falls es kräftig regnet.
Um mich herum bimmeln Viehcher, ich richte mich gemütlich ein und bin zufrieden mit dem Tag.

Multi-sock-shot
 
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Puuh, Sylvia, von Deiner Gewitternacht muss ich mich erst mal erholen.:D Zum Glück hast Du und Dein Zelt alles gut überstanden..........freiwillig würde ich so eine Tour nicht machen.

Bin gespannt wie es weiter geht und freue mich auf die nächsten schönen Bilder und Deinen spannenden Berichten.:)
 
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