Pyrenäenherbst - 2. Teil meiner Pyrenäenwanderung auf der HRP

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assiliisoq

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Fortsetzung des Reiseberichtes
Pyrenäensommer - über die Berge vom Atlantik zum Mittelmeer
(vom Atlantik bis nach Andorra)



Fehlstart

Sechs lange Wochen muss ich nun zu Hause ausharren
und Geld verdienen für den 2. Teil der Tour.
Ich beneide all jene, die es irgendwie schaffen, all diese Fernwanderwege an einem Stück zu laufen.
Und die HRP ist von denen ja nur ein kleiner mit unter 1000 km.

Meinen Rucksack packe ich eigentlich gar nicht aus.
Natürlich wasche ich meine paar Klamotten und putze die Ausrüstung.
Dann steht der Rucksack wieder bereit und wartet.
Es gibt nichts an der Ausrüstung, was ersetzt oder repariert werden müsste, alles noch prima in Ordnung.
Nur das Profil der Schuhe ist deutlich flacher. Sie sollen mich aber doch bis ans Mittelmeer tragen.
Da bin ich etwas - abergläubisch? :)
Für den Herbst packe ich allerdings eine wärmere Fleecejacke ein, eine wärmere Leggins und eine wärmere Daunenjacke.
Sonst bleibt alles gleich. Handschuhe und Mütze waren im Sommer auch dabei.

Ich schaue mir die Fotos der bisherigen Strecke an und sortiere.
Die Karten liegen aufgefaltet quer durch mein Zimmer. So habe ich ständig den Blick in die Pyrenäen.

Ich verfolge die ganzen 6 Wochen lang den Wetterbericht der Pyrenäen.
Wird es schneien, bevor ich Anfang Oktober starten kann?
Wie werden die Temperaturen sein?
Wird es eher südfranzösisch oder eher hochalpin?

Ich warte mit der Buchung von Flügen, Bus und Unterkunft bis gut eine Woche vor Ferienbeginn.

Die Zeichen stehen gut, ich buche einen Direktflug für den 1.10.2018 mit ryanair nach Barcelona, einen Bustransfer nach Andorra la Vella und dort eine Unterkunft für eine Nacht.
Hier muss ich Gas kaufen.
Ich will dann am nächsten Tag früh über Ordino nach El Serrat zurück und dort gleich meine Tour fortsetzen.
In Andorra la V. ist es viel günstiger zu übernachten als oben in El Serrat.

Am Tag vor meiner Abreise sieht der Wetterbericht von Wetteronline für Andorra la V. (1011m) so aus:




Yeah!
Tagsüber werden es also 1000 m höher vermutlich super Wandertemperaturen sein, nachts aber ganz schön frisch.


Am Montag, 1. Oktober um 6:30 steige ich hier in den Bus. Der fährt eine eigenartige Route. Es stellt sich heraus, eine Straße ist gesperrt.
Dennoch bekomme ich Regional- und U-Bahn und bin etwas über 2 Stunden vor Abflug am Flughafen.
Diesmal gebe ich meinen Rucksack wieder als Gepäck auf; mit der Verpflegung für einige Tage übersteigt er die Handgepäcklimits.
Im Flughafen ist es rappelvoll!
Schon bevor die Schalter bei Ryanair öffnen und vor meinem Eintreffen hat sich eine Schlange durch das halbe Gebäude mit mehreren Serpentinen gebildet.
Ich muss erstmal herausfinden, wo das Ende ist.
Den Rucksack packe ich in 2 Gelbe Säcke und verschnüre sie mit meiner roten Kordel gegen Beschädigung unterwegs.
Ich warte ewig, komme endlich am Schalter an, muss dann aber noch zum Sperrgepäck.
Wonach das entschieden wird bleibt mir schleierhaft, mal nehmen sie ihn so, mal ist er Sperrgepäck.
Dort wieder eine Schlange.
Endlich bin ich hier meinen Rucksack los und gehe zur Security.
Krass!
Auch hier wurden schon jede Menge zusätzliche Absperrbänder im Zickzack aufgestellt, um die Warteschlange kompakt zu falten.
Mittlerweile drängt die Zeit.
Eine Durchsage verkündet, dass es zu "längeren Wartezeiten" kommt. 30 Min. 40 Min.
Es geht Schrittchen für Schrittchen voran.
Langsam werden die Leute nervös. Ich auch.
Mein Flieger wird aufgerufen.
Ich versuche mit einem Einweiser zu verhandeln, ob ich nicht irgendwie schneller hier durch käme.
Nein, das geht nicht, die anderen wollen ja auch alle schneller hier durch.
Es dauert und dauert und dauert.
Schließlich bin ich 15 Min. vor Start durch den Check und sprinte los Richtung Gate.
Als ich angekeucht komme, ist es gerade schon geschlossen. :eek: Das Flugzeug steht da noch.
Ob ich nicht ...
Nein, geht nicht. Pech gehabt. :motz::motz::motz:
Und jetzt?!
Ja, da müsste ich zum Service in der Halle gehen.
Da war ich natürlich auch nicht alleine.
Ja, wenn ich meinen Flug verpasse, bin ich halt selbst schuld. Da ist auch nix mit Umbuchen.
Da muss ich mir eben einen neuen Flug buchen. :angry:
Aber in den nächsten 2-4 Tagen sei da nichts zu machen.
Beginn der Herbstferien in 4 Bundesländern rund um den einzigen Flughafen Hamburg.
Ich bin natürlich stinksauer, schließlich war ich rechtzeitig am Flughafen.
Wenn die das nicht gebacken kriegen, den für sie ja wohl zu erwartenden Ansturm abzufertigen :motz: :angry: :boese:

Nützt jetzt aber alles nichts. Ich stehe in HH und habe keinen Flug.
Erstmal muss ich jetzt meinen Rucksack wiederbekommen.
Der wurde tatsächlich wieder ausgeladen.
Erstaunlich, wie die das so schnell schaffen, aus den Bergen von Gepäck ein bestimmtes Stück so schnell herauszusuchen.
In der Zeit hätte ich doch sicher besser selbst einsteigen können!

Der Rucksack ist jedenfalls da.
Ich setze mich irgendwo hin und versuche per Handy direkt hier am Flughafen einen neuen Flug zu bekommen.
Das wird aber nichts. Alles ziemlich unübersichtlich, und heute ist tatsächich kein Platz mehr zu bekommen.
Wütend, sauer und enttäuscht mache ich mich also wieder auf den Weg nach Hause.

Hier hänge ich mich gleich an den PC und recherchiere neue Flüge.
Ich finde glücklicherweise doch welche für die nächsten Tage, nicht erst Ende der Woche.

Eigentlich wäre ich jetzt schon in Barcelona! :motz::heul:
Ich suche mir zähneknirschend die am wenigsten schlechte Verbindung und buche neu.
Diesmal einen Lufthansa-Flug. Ziemlich teures Vergnügen.
Außerdem geht der schon morgen früh um 6, so früh komme ich mit ÖPNV nicht zum Flughafen.
Ich muss also mal wieder abends hinfahren und im Flughafen übernachten. Nicht meine Lieblingsübung.

Dann versuche ich Busticket und Unterkunft umzubuchen.
Auf mein Anschreiben an die Busgesellschaft bekomme ich keine Reaktion.
Das Hotel hat ein Einsehen und ich kann ohne zusätzliche Kosten meine Übernachtung um einen Tag verschieben.
Wenigstens das klappt.

Ich verdödel den Rest des Tages und mache mich abends erneut auf den Weg zum Flughafen.
 
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Moin Sylvia,

irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass mir Pyrenäenwanderungen eigentlich ziemlich egal sind. Aber Deine Reiseberichte sind so lebhaft geschrieben und so spannend, dass auch ich schon wieder auf der Lauer bin nach Deinem nächsten Beitrag.
Du könntest wahrscheinlich auch nur quer über den Rathausmarkt laufen und es würde eine aufregende Reportage werden. - Danke - bin wieder dabei !
 
Kommentar
Hallo Sylvia,

das hat Kay richtig nett beschrieben, da schließe ich mich doch glatt an und freue mich auf die Fortsetzung.:)

In Vorfreude auf den Urlaub und dann den Flug verpassen und das nur weil die am Flughafen nicht auf den Andrang richtig vorbereitet sind -ich hätte einen Wutanfall bekommen, der nichts gebracht hätte.:D
 
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Neustart​

Gegen 22 Uhr steige ich also heute zum 2. Mal in den Bus nach HH.
Am Bahnhof lese ich auf der Anzeige, dass der Regionalzug ausfällt. :eek:
Na großartig, das beginnt ja wieder gut.
30 Min. später fährt der nächste und kommt auch tatsächlich.
Um halb 12 komme ich am Flughafen an.
Hier erfahre ich, dass von der S-Bahn aus zwischen 00:00 und 04:00 kein Zugang zu den Terminals ist.
Da habe ich ja gerade noch einmal Glück.
Hätte ich den letzten Bus von zu Hause aus genommen, hätte ich wohl die Nacht sogar hier an der Haltestelle verbringen müssen?
Das ist jedenfalls neu. Sonst bin ich meist nach Mitternacht hier angekommen und habe im Terminal übernachtet.

Im Terminal oben ist es total leer. Ein Putzwagen fährt noch den Boden ab, sonst ist niemand hier.
Ob die hier oben schließen? Gab es auch schonmal.
Ich mache es mir halbwegs bequem und erwarte mehr oder weniger, dass man mich rauswirft.
Doch niemand stört mich, und ich bleibe tatsächlich der einzige "Übernachtungsgast".
Schlafen kann ich trotzdem nicht gut, obwohl man dem Flughafenausstatter lassen muss, dass er bei den Bankreihen freundlicherweise die Armlehnen weggelassen hat.

Um 4:15 bildet sich schon eine Schlange an den ersten Schaltern.
Ich packe den Rucksack wieder in einen Müllsack, verschnüre alles und stelle mich bei Lufthansa an.
Um 4:30 öffnet der Schalter, um 5:00 bin ich eingecheckt. Diesmal ohne Sperrgepäck.
Auch an der Security ist schon eine Schlange, aber viel kürzer als gestern.
Ich bin recht schnell durch und habe nun Zeit erstmal zu frühstücken.

Der Rest der Anreise verläuft glatt.
In München muss ich umsteigen, und als ich sicher bin, dass ich den Anschlussflug bekomme, buche ich mir ein neues Busticket nach Andorra.

Ich fliege bei herrlichem Wetter über die Alpen.
Es hat frisch geschneit, wohl bis auf 1500m runter.

....





.....


Wie sieht es wohl in den Pyrenäen aus? :eek:
Davon sehe ich nicht viel, es ist ziemlich dunstig.

Um 15:30 setzt mich der Busfahrer direkt vor meinem Hotel d´Isard ab. Das ist mal Luxus!
Einchecken, Zimmer beziehen, gleich wieder los.
Essen! Ich bin halb verhungert.
Dann Gas kaufen.
Das ist hier kein Problem, es gibt mindestens 2 große Outdoor-Läden.
Im Viladomat gibt es alles, was das Gaskocher-Herz begehrt.
Ich kaufe gleich eine 470er Kartusche, denn unterwegs werde ich wohl nirgendwo nachkaufen können.
Eine Runde laufe ich noch durch die Einkaufsstraßen von Andorra la Vella und mache einen Abstecher in die Altstadt - naja.
Nicht schön, aber praktisch.
Das Abendessen im Hotel ist sehr lecker!
Danach falle ich müde ins Bett.
 
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Mittwoch, 3.10.2018 (insgesamt der 34. Wandertag, der 1. Wandertag der Herbsttour)
Andorra la Vella -> El Serrat -> Cabana de Sorteny
15 km /1600 \900
7:45 Std. unterwegs


Heute geht es endlich wieder rauf in die Berge!
Die Rezeption des Hotels öffnet erst um 7:30, früher gibt es auch kein Frühstück.
Als das Buffet geöffnet wird, habe ich schon gepackt und bezahlt.
Die Auswahl an heißen und kalten Platten ist prima, aber ich muss wieder einmal Druckbetankung machen,
um den nächsten Bus nach Ordino zu bekommen und dann den Anschluss nach El Serrat (1x stündlich).

Um 9:20 kann ich in El Serrat loslaufen! Endlich geht es weiter!
Hier habe ich vor gut 6 Wochen die Tour unterbrechen müssen.

Das Wetter ist super, wenn es auch noch recht schattig ist hier.
Ein Nachteil der Herbstwanderung: Die nutzbare Tageslänge ist deutlich eingeschränkt.
Dort im Hotel el Pradet habe ich im Sommer die letzte Nacht verbracht.




Ohne mich hier aufzuhalten gehe ich gleich los.
Es geht hinter den Häusern einen Steig entlang, der ein wenig vermüllt ist, sonst aber schön, und die Straße meidet.
Die laufe ich nur ein paar Meter und biege sofort wieder rechts ab.
Ich steige über einen Pfad, dann über Schotterstraße ein paar Serpentinen hinauf (die Abkürzung verpasse ich) und gelange zum Botanischen Garten des Sorteny-Tales.
Das ist für seine Blumenvielfalt berühmt.
Blumen blühen jetzt im Oktober jedoch nicht mehr viele.
Ob deshalb diese Eisen-Skulpturen hier aufgestellt wurden?




Die Refugi de Sorteny ist geschlossen, wie fast alle bewirtschafteten Refugis jetzt im Herbst.
Ich folge den rot-gelben Markierungen eher als der als HRP in meiner Karte eingetragenen Route.
Die Richtung ist dieselbe, das Ziel auch.
Als ich in die Sonne komme, wird es warm und ich ziehe die Fleecejacke aus.
Oberhalb der Bäume wird es jedoch so windig, dass ich sie wieder anziehe und sogar ihre Kapuze aufsetze.







Schließlich erreiche ich die letzten Serpentinen zum Coll de la Mina (Collada dels Meneres).




Nach 3 Std. habe ich die 1200 Hm erklommen.







Da komme ich her:



Da will ich hin:



Beim Abstieg halte ich mich an das Buch und die HRP in meiner Karte und biege am See rechts ab, statt den rot-gelben Markierungen weiter zu folgen.
Ich denke, der rot-gelbe Weg wäre einfacher gewesen.
Die HRP verläuft erst schön über Wiesen und Geröll, dann ein Stück steil runter und dann endet der Pfad in sumpfigem Gelände.
Querfeldein geht es weiter durch nasse Wiese, dann am Hang entlang auf einem ziemlich überwucherten Pfad wieder bergauf.
Schließlich erreiche ich die Refugi Coms de Jan. Ich gehe aber nicht ganz hinauf.
Es ist erst früher Nachmittag und ich beschließe, noch in die nächste Etappe hineinzulaufen.
Erst geht es leicht über Wiese hinauf, dann immer steiler ins Geröll hinein.




Drüben geht es ziemlich steil und direkt wieder runter.







Schließlich macht der Pfad einen scharfen Linksknick, verläuft noch etwas am Hang entlang und dann erreiche ich die Cabana Sorda um 17 Uhr.
Mit mir erreicht auch der Schatten des Berges die Refugi.
Die Tage sind jetzt wirklich deutlich kürzer als im Sommer!
Gleichzeitig wird es auch sofort ganz schön kalt.
Das Gelände ist zum Zelten nur sehr mäßig geeignet. Entweder steil, sumpfig oder felsig/steinig. Sehr windig ist es auch.
Ich beschließe, heute in der Cabana zu übernachten.
Sie scheint gerade renoviert zu sein, ist recht sauber und aufgeräumt, hat große Fenster für viel Licht.
Hinter der Hütte ist sogar ein richtiges Toilettenhäusle :cool:













Ich erledige den Haushalt: Matratze ausrollen und aufblasen, Schlafsack auspacken und aufschütteln, die Küche einrichten, Wasser holen.
Der Zulauf des Brunnens ist schon abgeklemmt. Der Abfluss des Sees führt gerade so viel Wasser, dass ich meinen Wasserbeutel füllen kann.

Im Sommer habe ich einige Tage gebraucht, bis ich so richtig essen konnte; heute habe ich sofort den ganzen Tag Hunger gehabt.
Ich bin schon wieder voll drin!
Dann koche ich, esse, schreibe Tagebuch und verkrümel mich in meinen warmen Schlafsack.

Herrlich, wieder draußen und unterwegs zu sein!
 
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Donnerstag, 4.10.2018, Tag 35 / 2
Refugi de Cabana Sorda -> Etang de Pedoures
15 km /800 \950
8:10 unterwegs


Die ganze Nacht hat es draußen feste gestürmt.
Das war die richtige Entscheidung, hier drinnen zu übernachten.
Jetzt ist draußen kein Wölkchen am Himmel und der Wind hat sich gelegt.
Erst um 9:20 breche ich auf. Von gestern spüre ich leichten Muskelkater.
Als die Sonne über den Berg schaut, ist es so warm, dass ich gleich in Shorts und Shirt laufe.
Nach einem Besuch der Örtlichkeit (wenig Büsche hier) mache ich mich auf den Weg zum ersten Pass.




Von der Cabana geht es ein wenig hinunter, das Tal kommt mir aber freundlicherweise entgegen.
Am Bach treffe ich den Weg, der von unten kommt.
Nun geht´s durch Schatten und dann Sonne hinauf zum Port d´Incles.




Viel blüht jetzt nicht mehr, aber ein auffälliges Blümchen treffe ich bis auf 2000 m Höhe immer wieder:




Erst halte ich es für Herbstzeitlose, stelle aber nun fest, dass es wohl der Pyrenäen-Herbstkrokus ist.

Vom Coll d´Incles habe ich einen herrlichen Blick hinunter auf die Fontargenta-Seen, zwischen denen ich gleich durchlaufen werde.




Herrliches Licht und starke Farben bietet der Herbst.










Um den letzten der Seen laufe ich ein Stück herum, dann an seinem Abfluss fast auf einer Höhe bleibend am Hang entlang.
Ein herrlicher Weg bisher! Wenig anstrengend und landschaftlich toll!
Dann biege ich mit dem Pfad vom Bach weg nach rechts ab und laufe weit oberhalb des Aston-Tales in die Berge hinein.
Dieser Abschnitt heißt Sentier de Contrebandiers, Schmugglerpfad.




Bald geht es ins Geröll, doch der Pfad findet gut hindurch.
Etwas bergab und bergauf und ich gelange an den kleinen See Laquet.




Hier geht es links zur Refuge du Rulhe, dem "offiziellen Etappenziel" dieses Abschnittes.
Ich will aber weiter, es ist noch früh.
Daher wende ich mich nach rechts, laufe am Laquet entlang und erreiche den größeren Etang d´Estagnol.
Das Laub der Blaubeerbüsche färbt sich rot.




"The climb to Etang de Joclar is extremely steep an requires a little care", schreibt Ton Joosten.
Das ist der Schutthang da vorne rechts vom Felsen.

Der Hang ist wirklich recht steil, aber es geht ein super angelegter Pfad hinauf, der gar nicht steil ist, sondern lieber ein paar Zickzacks mehr macht.
Außerdem bin ich hier auf einem GR, den rot-weißen Markierungen ist leicht zu folgen.

So komme ich also tatsächlich recht entspannt da hoch.
Ein schöner Blick zurück beim Aufstieg:




Der graue Fleck im Hintergrund auf den Wiesen ist die Refuge du Rulhe.

Am Ufer des Etang de Joclar geht es entlang, immer auf und ab.




Durch Fels- und Bouldergelände steige ich noch einmal ein Stück hoch und erreiche den Collada de Juclar.
Von hier habe ich einen herrlichen Blick über die Estanys de Juclar auf andorranischer Seite.




Zu denen steige ich jedoch nicht hinunter, sondern es geht noch weiter nach oben zum




Steil und geröllig geht es hinunter zum nächsten See.
Um den Etang Haut de l´Albe läuft wieder ein schöner Balkonweg ein Stück über dem Ufer.
Erst am Schluss steigt der Weg durch einiges Geröll fast ans Ufer hinunter.




Ich folge dem Abfluss des Sees und erreiche über steile, geröllige Hänge den Etang Bas de l´Albe.
Der markierte Weg führt am jenseitigen Ufer entlang durch viel großes Blockzeug.
Warum? Am diesseitigen Ufer führt ein kürzerer Pfad über Wiese und ein paar Felsen ebenfalls zum Abfluss.
Ich probiere den direkteren, unmarkierten Weg und finde ihn wirklich gut.




Am Bach aus diesem See entlang erreiche ich den großen Etang de Couart.

Das sich herbstlich verfärbende Gras zeigt schön den Zustand des Bodens an.
Rötlich heißt hier sumpfig.







Am Ende des Sees steige ich durch das Blockgelände leicht abwärts, dann biege ich nach rechts ab und muss durch Felskram wieder ein Stück hochsteigen.
Sieht etwas aus, als hätte hier ein Riese seine Bauklötze ausgekippt.
Danach geht es in eine sumpfige Senke hinunter.
Weil mich hier nun der Abendschatten der Berge rundum einholt, wird es ziemlich frisch und ich beeile mich weiterzukommen.
Der Pfad verliert sich in der Ebene immer wieder, ich muss ein wenig suchen, es gibt einige Wasserläufe zu queren.




Jenseits geht es wieder auf einen breiten Rücken hinauf, von wo aus ich auf den Stausee Etang de Pedoures hinuntersehen kann.
Den hatte ich mir als Tagesziel ausgesucht. Er liegt 2 Std. über l´Hospitalet-pres-l´Andorre.
Auf dem Weg hinunter würde es vermutlich nicht viele Zeltmöglichkeiten geben.




Als ich am See ankomme, finde ich ihn aber nicht so schön.
Ich sehe auf der Karte noch einen See etwas tiefer liegen. Der müsste auch gehen.
Also laufe ich noch ein wenig weiter.
Doch ich komme kaum um einen Felsbuckel herum, als ich eine wunderschöne Wiese finde, durch die der Bach aus dem See mäandert.
Und Sonne ist hier auch noch! Die hätte ich unten am nächsten See nicht mehr. Vielleicht scheint sie hier sogar morgen früh her?

Ich baue mein Zelt auf und bin zu Hause.




Was für ein herrlicher Tag das war!
Kein Wölkchen am Himmel!
Fast kein Wind, nur an einigen exponierten Stellen.
Wunderbare Landschaft!
Der Pfad mal bequem, mal anstrengend, mal nicht vorhanden.
All die schönen Seen!
Der Herbst legt langsam seine Farben über Gras, Büsche und Bäume.
Wie schön, wieder hier zu sein!

Sobald die Sonne dann hinter dem Berg verschwunden ist, wird es kalt.
Und schnell auch dunkel.
Um 20:00 bin ich im Schlafsack verschwunden.
Wenn alles gut geht, werde ich morgen den Pic Carlit sehen und übermorgen oben stehen!
 
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Hallo Sylvia,
super, dass es jetzt weitergeht!

...Die nutzbare Tageslänge ist deutlich eingeschränkt.
...Die Refugi de Sorteny ist geschlossen, wie fast alle bewirtschafteten Refugis jetzt im Herbst...

zwei deutliche Nachteile, wenn man erst im Oktober läuft (wie wir auf unseren ersten Tour).

...Herrlich, wieder draußen und unterwegs zu sein!

Herrlich, Deine Reise wieder begleiten zu dürfen!

Gruß Axel
 
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zwei deutliche Nachteile, wenn man erst im Oktober läuft (wie wir auf unseren ersten Tour).

Vielen Dank, Axel!

Das ist richtig. Aber es ist auch sooo schön im Oktober!
Der September ist wahrscheinlich in mancher Hinsicht ideal?
Da kann ich aber leider in den nächsten 20 Jahren keinen Urlaub nehmen ...

Liebe Grüße,
Sylvia
 
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Freitag, 5.10.2018 Tag 36 / 3
Etang de Pedoures -> Lac de Lanoux
18 km /1150 \1100
8:15 Std. unterwegs


Um 8 morgens frühstücke ich. Der Himmel ist wieder knallblau.
Erste Bergspitzen werden von der Sonne beschienen.
Das Zelt ist erstaunlicherweise trocken, obwohl ich heute Nacht oben auf dem Schlafsack einiges an Feuchtigkeit hatte.

Im Schatten laufe ich erst mit der dünnen Leggins unter der Shorts und mit Fleece los.
Sobald ich in die Sonne komme, werfe ich bis auf Shorts und Shirt alles ab.

Der Weg nach l´Hospitalet runter ist herrlich! Tolles Wetter, toller Weg, tolle Aussichten.
Ich treffe Kühe und mir fällt auf, dass ich in den letzten beiden Tagen kaum Tiere gesehen habe.
1 humpelndes Schäfchen an der Cabana Sorda, dass wohl beim Abtrieb vergessen wurde und nicht mitkam.
Einige größere Vögel, die ich aufgeschreckt habe (vermutlich Schneehühner, sie waren zu weit weg).
1 Eidechse (im Sommer waren es tausende).
Dafür sind jetzt seeeehr viele Grashüpfer unterwegs.
Ich finde immer wieder Hagebutten und Blaubeeren, die reif und lecker sind.
Und Herbst-Krokusse (nicht essen!).



Beim Abstieg komme ich an einer Ebene mit einem Delta an Bachmäandern vorbei, dann am kleineren zweiten See.
Hier hätte man auch schön zelten können.




Weiter unten dann viel Gebüsch in Herbstfarben und allmählich Bäume.
Zweimal ducke ich mich unter einer enormen Wasserleitung hindurch,
die aus den oberen Seen Wasser ins Tal bringt.

Wer hat denn hier den Handschuh geschmissen?
Er erinnert mich daran, dass ich Andorra nun tatsächlich verlassen habe
und wieder ein Stück weiter Richtung Mittelmeer gekommen bin! :D




L´Hospitalet ist nur noch pres-l´Andorre.
Schön ist es hier nicht.




Ich brauche nichts, der Laden scheint sowieso geschlossen zu sein.
Also gehe ich ohne Sightseeing gleich hindurch.

Sobald ich jenseits wieder im Grünen bin, nutze ich den Empfang und rufe den aktuellen Wetterbericht ab.
Der hat sich ein wenig verändert. :eek:
Für heute und morgen ist noch schönes Wetter angesagt, für die 2-3 Tage danach jedoch Starkwind und Starkregen. :frown1:
Danach wieder schön.
2 Tage Abwettern kann ich mir vom Zeitplan her leisten, wenn sonst alles glatt läuft; 3 Tage eher nicht.
Die gute Nachricht dabei ist, dass das Wetter morgen für die Besteigung des Pic Carlit noch halten soll.
Hier ist es gerade 11°C.

Während ich so meine Optionen durchdenke, mache ich mich wieder auf den Weg.
Erst steigt er leicht mit einigen Kehren durch Mischwald am Hang entlang auf und führt mich in das nächste Tal.
Hier komme ich wieder in die Sonne. Ein wunderschönes Tal mit einem einfachen Weg.
Herrliches Wandern!
Bunte Herbstbäume, z.T. mit roten Beeren, die in der Sonne leuchten.










Vom Etang des Besines bin ich erstmal enttäuscht.
Ich laufe auf eine wenig schöne Staumauer zu, davor ein großer Schotterplatz, es sieht ein wenig nach Baustelle aus.
Dazu ziemlich viele Tagesausflügler.
Auf dem Uferweg jenseits der Staumauer ist es dann jedoch wunderschön!
Tolle Blicke über den See in die Berge dahinter.
Viele Angler versuchen hier ihr Glück.

Am Ende des Stausees laufe ich an einer herrlichen Ebene entlang, durch die sich einige Bäche winden.




Nun geht es steil bergauf zur Refuge des Besines.
Die ist auch schon geschlossen, daher gehe ich nicht ganz hoch.
Hier treffe ich wieder auf den GR10 und winke Axel und Heike zu :hallo:
Nach einem Picknick folge ich dem GR10 zum Bach hinunter,
dann durch ein etwas verblocktes Tal hinauf, durch das jedoch ein guter Weg verläuft.







Bald erreiche ich eine weitere große Ebene mit sehr schöner Bergkulisse rundherum.
Bevor es dann steil nach oben geht, überquere ich einen Bach, der ganz laut ruft: "Trink mich!"
Ich kann nicht widerstehen, tue ihm den Gefallen und lege auch gleich eine kleine Badepause ein. :)




Ich denke den Col de Coume d´Agnel schon zu sehen, nur noch hier diesen steilen Hang rauf, und laufe los.
Doch dahinter geht es nach Durchqueren eines Plateaus weiter hoch.
Ich klettere durch große Felsblöcke und denke, ich bin gleich oben.




Doch kurz vorher höre ich einen Bach unter den Felsen plätschern.
Bäche entspringen nicht oben auf Pässen ...
Wieder ein Absatz und noch weiter rauf.




Erst als eine große Graskuppe kommt, stehe ich tatsächlich irgendwann oben auf dem Col de Coume d´Agnel.
Landschaftlich war das ein besonders schöner Aufstieg.
Während dessen hat es sich ziemlich zugezogen.
Kommt das schlechte Wetter doch jetzt schon!?
Vom Col habe ich dennoch schöne Blicke in eine wilde Bergwelt.




Und ich sehe den Pic Carlit!
Der höchste Gipfel, der fast in der Mitte aufragt.
Meine Aufgabe für morgen. Hoffentlich.
Der Aufstieg erfolgt von der steilen Westseite, auf die ich schaue.
Davor liegt der große Etang de Lanoux, auch ein Stausee,
und davor der kleine Estany de Lanoset, an dem ich zelten möchte.




Ich baue mein Zelt auf einer perfekten Wiese mit Panorama und Bach auf.
Inzwischen sind die meisten Wolken wieder verweht und ich genieße den Blick und die Abendsonne.




 
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...Der September ist wahrscheinlich in mancher Hinsicht ideal?
...

Ich denke, dass HRP und GR10 da nicht ganz vergleichbar sind, da sie einfach unterschiedliche Zielrichtungen haben.
Während der HRP so angedacht ist, dass man so gut wie möglich "oben" bleibt und dadurch viele Ortschaften und ein Großteil der Hütten gemieden werden (können), wurde der GR10 so konzipiert, dass man jede Nacht in einer Gîte, einem Hotel, einer Refuge oder auf einem Campingplatz übernachten kann, so man das möchte.
Deshalb ist m.E. der GR10 nicht zu empfehlen, während ganz Frankreich Sommerferien hat, außer man möchte viele Menschen treffen (aber wer will das schon beim Wandern).
Beim HRP ist das aus o.g. Gründen nicht sooo schlimm.
Grundsätzlich hast Du aber natürlich Recht, und so sehen wir das auch: der September ist für uns zwischenzeitlich der optimale Monat für die Pyrenäen: ab dem 10. rum sind die Sommerferien in Frkr. vorbei, die Hütten dadurch nicht rappelvoll, man kann kurzfristig ein Abendessen oder auch nur eine Übernachtung buchen.
Das Wetter ist etwas angenehmer: es regnet zwar ein oder zwei Tage im Monat mehr als im Juli und August, aber es ist nicht mehr ganz so heiß, beim berghochwandern ein entscheidender Vorteil.
Juli und August sind mitunter sehr heiß und wie man bei Dir ja gesehen hat, ist der Juli nicht immer schneefrei.

Die kurzen Tage haben auch einen Vorteil: man schläft deutlich länger :D!
2016, als wir Anfang Oktober losgelaufen sind, habe ich regelmäßig 10 bis 11 Stunden am Stück geschlafen. Ein Luxus, den ich hier in Deutschland nicht annähernd hinbekomme...

...Hier treffe ich wieder auf den GR10 und winke Axel und Heike zu :hallo:
...

...und wir winken zurück, auch wenn wir diese Stelle wohl erst in drei Jahren erreichen werden...

Gruß Axel
 
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Die kurzen Tage haben auch einen Vorteil: man schläft deutlich länger :D!
2016, als wir Anfang Oktober losgelaufen sind, habe ich regelmäßig 10 bis 11 Stunden am Stück geschlafen. Ein Luxus, den ich hier in Deutschland nicht annähernd hinbekomme...


Oh ja, das stimmt! Um 8 stehe ich auf, um 8 bin ich wieder im Schlafsack.
Die Zeit dazwischen ist es dunkel.
Da kann ich noch lesen oder Tagebuch schreiben, aber ich schlafe auch sehr viel.

...und wir winken zurück, auch wenn wir diese Stelle wohl erst in drei Jahren erreichen werden...

Dann könnt ihr euch da die nächsten 3 Jahre drauf freuen! Es ist herrlich hier!!! :)

Liebe Grüße,
Sylvia
 
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Samstag, 6.10.2018 Tag 37 / 4
Estany de Lanoset -> Etang de Pradeilles
19 km /900 \1200
9 Std. unterwegs





In der Nacht hat es das erste Mal gefroren.
Zelt und Wiese sind hübsch knusprig.
Ich finde das klasse!
Es ist immer noch ziemlich kalt. Zum Frühstücken lasse ich die Außentüre offen, das Mückennetz schließe ich aber wieder.
Das bringt schon einiges an Wärme.

So sehe ich die vier Wanderer erst, als sie schon vorüber sind.
Das Pferd führt er am Zügel, der Esel trottet einfach so hinterher.
Ich rufe ihnen noch ein Bonjour nach.







Sie versorgen sich aus "meinem" Bach und pausieren dann drüben in der Sonne.
Ich hole meinen Schlafsack heraus und breite ihn über einen großen Felsen aus.
Dann klopfe ich das Eis vom Zelt. Rundherum bildet sich ein kleiner Schneewall.
Als die Sonne mich erreicht, wird es sofort warm.
Sie trocknet das Zelt schnell, ich helfe ihr ein bisschen mit meinem Lappen.
Das verzögert meinen Aufbruch etwas, aber ich genieße diesen herrlichen Morgen ohne Eile.

Ich laufe nur in Shorts los und packe bald auch die Jacke ein.
An der Refuge Rouzet trennen sich GR10 und HRP wieder.
Ein Paar packt hier gerade zusammen.
Ihre Hunde umkreisen mich und einer spring mit seinen Matsch-Pfoten zweimal an mir hoch.
Großartig. :motz:
Mein langärmeliges Merinoshirt und die Shorts sind jetzt dreckig. :mad:
Können die Leute ihre Viecher nicht ordentlich erziehen oder unter Kontrolle halten!?
Nein, ich finde das nicht lustig. Und schon gar nicht süüüüüß. :ignore:

Der Weg am Etang de Lanoux entlang ist herrlich!




Nahezu eben, sodass ich die Landschaft voll genießen kann.
Der Herbst färbt täglich mehr Büsche und Gras rot und gelb.
Der See ist ziemlich lang, was nichts ausmacht, der Weg könnte so ruhig noch weitergehen.
Aber ich will ja noch einen Gipfel erklimmen.
Gegen Ende des Sees nehme ich noch einen falschen Weg, den direkt am Seeufer entlang.
Als ich beginne, über dem Wasser über einen schmalen Felssims zu klettern, kommt mir das komisch vor und ich erkenne meinen Fehler in der Karte.
Das ist jedoch nicht weiter tragisch, denn der Ufersteig trifft meinen Weg bald wieder.
Kostet nur etwas Zeit und Kraft. War aber total schön da.

An einer weiten Ebene muss ich ein paar Bäche queren und dann Richtung Pic Carlit abbiegen.




Dann immer mal einige kleine Täler hinauf.




Superschöne Landschaft! Wiesen, Bäche, Felsen, Bäume, Berge, ...
Schließlich wird es karger und ich erreiche den kleinen Estany dels Forats am Fuße des Aufstiegs zum Gipfel.







In der Nähe fließt ein Bach und ich trinke noch einmal kräftig.
Bis ich auf der anderen Seite am Fuße des Berges wieder auf Wasser treffe, wird es eine Weile dauern.

Dann mache ich mich an den Aufstieg.
Bis zum Gipfel sind es nur 400 Hm, nicht so viel.
Aber die gehen recht senkrecht durch viel loses Schuttzeugs, überwiegend ohne Pfad.




Ich gehe also langsam, Schritt für Schritt, und weiß, so kann ich ohne Pause bis oben durchgehen.
Pause muss ich trotzdem immer wieder machen. Zum Fotografieren.
Und um mir auf halber Höhe in zunehmendem Wind Mütze und Jacke anzuziehen.

Blick nach ein paar Hohenmetern auf den Estany dels Forats.



Der Serpentinen-Pfad zerfasert schnell im steiler werdenden Gelände.
Hier ist Kreativität gefragt.
Ich finde es nicht so dramatisch, steige langsam und gleichmäßig höher.

Aus dieser Rinne komme ich hoch.
Der Boden ist im Schatten noch gefroren und manchmal rutschig.
Der Grüne ist der Forats-See, der Blaue der Lanoux.




Nach einiger Kletterei gelange ich aus der Rinne, dem steilsten Stück, heraus und auf einen Absatz.




Es geht weiter durch Schotter, jetzt breiter und weniger steil.
Dann stehe ich unterhalb des Cols.
Durch felsiges, brüchiges Gelände quere ich hinüber in die Kerbe.



Rechts von mir befindet sich nun der Gipfel.



:eek:

Krass!

Ich habe im Aufstieg vielleicht fünf Leute gesehen, von denen einer wieder umgedreht ist, weil ihm das zu steil wurde.

Der Pic Carlit ist mit 2921m der höchste Berg der östlichen Pyrenäen.
Die erste, bekannte Besteigung erfolgte 1864 durch den Pyrenäen-Kenner und Erforscher Henry Russell.
Er meinte, der Pic Carlit sei dank seiner Abgeschiedenheit und seiner Höhe einer der schönsten Gipfel der Pyrenäen.
Unter seinem Gipfel entspringt der Fluss Têt.

Besonders abgeschieden und einsam wirkt der Gipfel nicht gerade.
Zu Russells Zeiten gab es wohl noch keine Refuge de Bouillouses mit Parkplatz.

Erst stelle ich mich in der Schlange an, um auch auf den Gipfel zu kommen.
Dann wird mir das aber zu blöd.
Ich drehe um und gehe auf den weniger zerklüfteten Nordgipfel, der vielleicht 2 Meter niedriger ist.




Zwei Paare sind hier. Sonst ist es völlig ruhig! Herrlich!
Ein junges Paar fragt mich, ob ich mit ihrem Handy ein Gipfelfoto von ihnen machen könne.
Klar.
Im Gegenzug machen sie das Bild da oben von mir, auch mit meinem Handy. :cool:

Ich mache Picknick und fotografiere die Landschaft mit der Kamera.
Da kommen die beiden noch einmal auf mich zu.
Ob ich evtl. vielleicht möglicherweise mit dieser Kamera noch ein Gipfelfoto von ihnen machen könne.
Und ihnen dann schicken.
Äh, ja, klar.
Ich spreche wenig Französisch, sie spricht halbwegs Englisch und sogar ein bisschen Deutsch, war mal als Schülerin in D.
Er weder noch.
Wenn ich das richtig verstehe, hat er ihr gerade einen Heiratsantrag gemacht :love:
Sie zeigt mir ihren Ring und strahlt bis hinter die Ohren. Er auch.
Und jetzt brauchen sie ein Bild für die Einladungskarte zur Hochzeit.
So werde ich spontan zum Hochzeitsfotografen. :D

Er geht in die Hocke, sie klettert mit Bergschuhen auf seine Schultern und er stellt sich wieder auf.
Etwa einen Meter vor dem Abgrund, aus dem ich gerade hochgestiegen bin.




Ich tausche mit Lucile und Raphael die Kontaktdaten.
Sie wohnen irgendwo gleich am Fuße des Berges und laden mich ein, bei ihnen zu übernachten.
Oder wenn ich vielleicht mal eine Dusche bräuchte oder sonst irgendwas.
Supernett, die beiden! Wir haben viel zu lachen.
Ich möchte jedoch auf meinem Weg weiter wandern.
Bei dem angesagten miesen Wetter halte ich mir dennoch die Option offen, evtl. bei ihnen abzuwettern.
Wir erzählen noch eine ganze Weile und genießen das großartige Wetter.

Nach einer ausgedehnten Pause, geht es auf der Ostseite wieder hinunter.




Es ist eine ganz schöne Kletterei über Felsen und Rutscherei über loses Geraffel, bis ich den steilen Teil hinter mir habe.
Unten nehme ich nicht den direkten Weg, sondern mache den Bogen an den Seen entlang.

Der Weg zieht sich ganz schön. Der Himmel zieht sich auch. Zu.
Es wird recht frisch.
Dann geht es in waldigeres Gelände.
An diesem schönen See mache ich noch einmal kurz Pause.




Dann geht es ganz runter zum großen Stausee Bouillouses.
Am Damm gibt es Parkplatz und Restauration.




Ich trinke ein alkoholfreies Bier und dann einen Milchkaffee.
Und rufe den aktuellen Wetterbericht ab.
Puh, die zwei Tage Unwetter sind abgesagt! :cool:
Dafür aber auch die Schönwettertage danach.
Statt dessen soll es die nächste Zeit wechselhaft sein, Sonne und Regen.
Lucile und Raphael meinten, es solle Dienstag sogar schneien!
Heute ist Samstag.
Der Kellner versichert mir, dass der kleine Laden in Bolquere, in dem ich morgen einkaufen will/muss, sonntags vormittags geöffnet hat.
Das ist gut!

Ich laufe noch ein Stück weiter.
Erst über den Damm, dann in den Wald hinein.
Ein wunderschöner Weg, größtenteils zusammen mit dem GR10, der seit dem Stausee wieder dabei ist.
An zwei oder drei Wald-Seen laufe ich vorbei.




Zelten darf man hier von 19-9 Uhr.
Am letzten See vor der Fahrpiste schlage ich mein Zelt auf.
Es wird schnell dunkel, ich schöpfe Wasser aus dem See, einen Bach finde ich hier nicht.




Zum ersten Mal in diesem Herbst bimmeln wieder Glocken auf der Wiese gegenüber.
Ich mache Inventur und schaue, was ich morgen kaufen muss.
Zum ersten Mal seit dem Start vor 4 Tagen lade ich mein Handy nach.
Es wird kalt, ich nehme alle Akkus + Handy mit in den Schlafsack.

Morgen muss ich schon im Dunkeln aufstehen.
Von hier aus sind es noch 3 Stunden zu laufen bis Bolquere.
Da ich nicht weiß, wann denn der Laden mittags schließt, will ich um 11 da sein.

Wow, das war wieder ein herrlicher Tag heute! Den Pic Carlit habe ich!
Laut Ton Joosten soll nach der Überschreitung des Pic Carlit der Einfluss atlantischen Wetters abebben und das Klima mediterran werden ...
 
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Ich oute mich auch mal als Fan. Zwar kenn ich mit den vielen Landschaftaufnahmen wenig werden (es sieht ja doch meist sehr ähnlich aus: Wiese, Tümpel, Geröll, Berge), aber ich freue mich auch seit Wochen jedes Mal über die neuen Episoden.
 
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Um so mehr freut es mich, Stefan, dass du trotzdem dabei bist!

Die meisten Bächlein hier sind zu klein, um sie mit dem WW-Kajak befahren zu können ;)
 
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Da haben wir jetzt wieder ein Highlight :up:

Ich freue mich sehr, so schnell wieder mitreisen zu dürfen und bin gespannt wie Deine Herbstetappe weiter verläuft. Hattest Du Dein Schenkelproblem vom Sommer restlos auskuriert?
 
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Ich oute mich auch mal als Fan. Zwar kenn ich mit den vielen Landschaftaufnahmen wenig werden (es sieht ja doch meist sehr ähnlich aus: Wiese, Tümpel, Geröll, Berge), aber ich freue mich auch seit Wochen jedes Mal über die neuen Episoden.
Das Fesselnde ist ja auch weniger jedes einzelne, in der Tat oft recht gleichartig zu vorherigen wirkende Bild, sondern das Gesamtpaket des so schön lebendig geschriebenen Reiseberichts, der noch hübsch bebildert ist. Die Bilderserie allein ohne den Text hätte mich schon etwas länger als Follower verloren. :)
 
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Sonntag, 7.10.2018 Tag 38 / 5
Lac de Pradeilles -> oberes Vallee d´Eyne
22 km /950 \600
7:30 Std. unterwegs





:eek:

Der erste Blick heute Morgen aus dem Zelt: Wintereinbruch!
Irgendwo da in den Wolken muss der Pic Carlit sein, auf dem ich gestern noch in kurzer Hose in der Sonne saß.
Es ist richtig kalt draußen, auch wenn es hier unten nicht friert.
Hier hat es nachts geregnet und leicht gewittert.
Da habe ich wohl gestern mit dem Gipfel richtig Glück gehabt!
Aber - der Kamm, über den ich morgen laufen will, ist fast genauso hoch ...
Wie sieht es dort jetzt wohl aus?

Ich frühstücke nur einen Müsliriegel, ziehe das erste Mal auch die Handschuhe und die warme Leggins an und mache mich noch in der Dämmerung auf den Weg nach Bolquere.
Der Forstweg ist anfangs mit groben Steinen übersät, wird dann aber immer besser.
Auch das Wetter bessert sich. Nach und nach ziehe ich Handschuhe und Mütze aus.
Heute ist Jagd hier, Jäger laufen herum und bedeuten mir, auf dem Weg zu bleiben.
Über einen sehr schönen Waldweg gelange ich bis mitten ins Dorf hinein.
Ich finde den Laden mit einem großen Holztisch davor und Bänken.
Hier lasse ich meinen Rucksack, da es in diesen kleinen Läden oft sehr eng ist.
Mit meiner Einkaufsliste laufe ich die wenigen Regale ab, bekomme ein paar Sachen, muss mit anderen improvisieren.
Das dauert eine ganze Weile.
Zum sofortigen Verzehr gönne ich mir einen Ziegenkäse von Tieren aus der Nachbarschaft.
Den inhaliere ich gleich am Tisch draußen.
Postkarten gibt es auch. Ich schreibe gerne Postkarten.
Aber das sind nur reichlich verblichene Wintersport-Motive ...
Naja, hat ja auch geschneit. Nein, ich kaufe keine.

Aktueller Wetterbericht: ab 15 Uhr Regen; morgen Vormittag ok, nachmittags wieder Regen.
Und frisch, max. 9°C. Hier in Bolquere auf 1600m.
In der Sonne ist es angenehm, der Wind jedoch ist eisig.

Der Weg nach Eyne ist ausgeschildert.
Er führt sehr schön über Wiesen.




Eyne selbst ist hübsch und wirkt ziemlich urig.
Ich habe allerdings den Kirchplatz verpasst, da ich den Brunnen an der Straße angesteuert habe.




Das Vallee d´Eyne ist hier ausgeschildert.
Als ich die Straße verlasse und mich an den Anstieg in das Eyne-Tal mache, wird es richtig warm.
Ich ziehe meine warme Leggins und die Fleecejacke aus.
Ein wunderschöner Waldweg führt wenig anstrengend das Tal hinauf.
Das Tal ist recht eng und tief eingekerbt.
Die andere Seite ist felsig.




Der Blick zurück zeigt immer noch Schnee um den Pic Carlit und seine Nachbarn.
Ich treffe unterwegs Trail runnende Locals, die von oben kommen, und frage sie, ob evtl. oben schon Schnee liegt.
Sie schauen mich an, als hätte ich im August am Mittelmeerstrand nach Schneefall gefragt. hahaha
Als ich sage, am Carlit hätte es aber geschneit, meinen sie, ja, da drüben, aber hier noch lange nicht.
Der Ladenbetreiber in Bolquere hat dasselbe gesagt.
Gut, die Einheimischen müssen es ja wissen.
Ich bin etwas beruhigt und freue mich auf die Etappe, soll super schön sein, den ganzen Tag tolle Aussichten.

Lange begleitet mich ein Aquädukt.




Dann verlasse ich den Wald und das Tal weitet sich.
Gegenüber finde ich die Refuge Orri de Baix.
Sieht echt spartanisch aus, bei fiesem Wetter aber vielleicht eine Alternative, falls das Dach dicht ist.




Noch etwas weiter soll man nach Ton Joosten gut zelten können.
Es ist halb 3, sieht aber noch nicht nach Regen aus.
Daher gehe ich weiter. Der Höhenweg morgen soll lang und wasserlos sein.
Unterwegs gibt es am Bach einige herrliche Zeltmöglichkeiten.
Ich will aber bis zum höchstmöglichen, zeltbaren Platz aufsteigen, an dem ich noch Wasser finde.

Ein wunderbarer Weg folgt dem Bach, wenig steil, aber stetig ansteigend, ab und zu gibt es eine Geländestufe.



Herrlich entspanntes Wandern.
Dann kommen nach und nach die Berge in Sicht, über die ich morgen rund 15 km laufen will.




Der Weg wird auf rd. 2800m verlaufen, ich finde einen Zeltplatz auf 2300m.




Es ist zwar erst 16:00 Uhr, aber ab hier wird das Gelände steiler.
Jetzt zieht es sich auch langsam zu, die Wolken sinken. Kalter Wind treibt mich ins Zelt.

Ich richte mich ein, mache es mir gemütlich.
Gegen 18:00 beginnt es dann tatsächlich zu regnen.
Während ich zu kochen beginne, beginnen die Regentropfen feste Formen anzunehmen und hüpfen von meiner Zeltplane hoch.
Hagel? Wo Hagel ist, ist kein Schnee.
Bald jedoch wird mir klar, dass es umgekehrt ist: Es schneit! :eek:
Und zwar immer mehr! Ich beginne, den Schnee von innen vom Zelt zu klopfen.




Und es ist noch früher Abend. Was passiert wohl die Nacht über?
Was jetzt?
Rückzug ins Tal? Das müsste ich mittlerweile mit Stirnlampe machen.
Wie tief hinunter schneit es wohl?
Aber wenn das so weitergeht, finde ich morgen den Weg nicht mehr.
Ich esse, koche noch einen Tee, klopfe weiter Schnee vom Dach
und harre der Dinge, die sich ereignen mögen.
Es wird morgen eine Lösung geben.
 
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Das Fesselnde ist ja auch weniger jedes einzelne, in der Tat oft recht gleichartig zu vorherigen wirkende Bild, sondern das Gesamtpaket des so schön lebendig geschriebenen Reiseberichts, der noch hübsch bebildert ist. Die Bilderserie allein ohne den Text hätte mich schon etwas länger als Follower verloren. :)

Danke schön, Christoph!
Ich freue mich, dass du dabei bist und werde umso fleißiger weiterschreiben :)

Viele Grüße,
Sylvia
 
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Da haben wir jetzt wieder ein Highlight :up:

Ich freue mich sehr, so schnell wieder mitreisen zu dürfen und bin gespannt wie Deine Herbstetappe weiter verläuft. Hattest Du Dein Schenkelproblem vom Sommer restlos auskuriert?

Herzlichen Dank, Bettina!
Ja, das Problem mit dem zwickenden Bein war nach ein paar Tagen wieder weg und ist auch im Herbst nicht wieder aufgetreten.
Keine Ahnung, was das war.

Viele Grüße,
Sylvia
 
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