kann ich zwei identische Bilder wirklich erzeugen, indem ich a) beschneide oder b) mehr Brennweite verwende und nicht mehr beschneide?
Das hängt nach meinem Verständnis vor allem davon ab, was man genau unter
"identisch" versteht, also in Bezug auf welche Gesichtspunkte genau man Identität wünscht. Daher hier die aus meiner Sicht
wesentlichsten sich in Bezug auf die technische Qualität der letzlichen Ausgabe (Ausdruck, Ausbelichtung, Beamer, Bildschirm) ergebenden
Unterschiede, die sich nach meinem Verständnis durch die Vorgangsweise b) im Vergleich zu a) ergeben - beziehungsweise ergeben können:
Was nach meinem Verständnis - bei Wahl einer
äquivalenten Brennweite - bei der Vorgehensweise b) im Endergebnis
identisch bleibt, ist die
Größe des fraglichen Motivbereichs
in cm auf einem Ausdruck
im gleichen Format. Hat zum Beispiel eine fotografierte Statue auf einem Ausdruck der sich aus der Vorgehensweise a) ergebenden Bilddatei im Format A2 im Hochformat eine Höhe von 40 cm, dann hat sie auf einem gleichformatigen Ausdruck der sich bei der Vorgehensweise b) ergebenden Bilddatei ebenfalls eine Höhe von 40 cm.
Die
wesentlichsten der sich bei der Vorgehensweise b) im Vergleich zur Vorgehensweise a) ergebenden
Unterschiede sind aus meiner Sicht Folgende:
1. Die in der Sensorebene vorliegende Abbildung des Motivs wird von den einzelnen Pixeln des jeweiligen Sensors
abgetastet. Bei der Vorgehensweise b) sind nun im Vergleich zu a) mehr Pixel des jeweiligen Sensors an der Abtastung der Abbildung des Motivs beteiligt, was eine vergleichsweise höhere
Nyquist-Frequenz und eine
Sensor-MTF mit vergleichsweise höheren
Modulationsübertragungswerten mit sich bringt. Und bei einer vergleichsweise
höheren Sensor-MTF erhöht sich bei ansonsten identischen Kettengliedern (z. B.: Objektiv, kamerainterne Bildverarbeitung, externe Bildverarbeitung, Drucker) auch die
MTF für die gesamte Kette, da diese sich aus der
Multiplikation der MTF der einzelnen Glieder der Kette ergibt.
2. Bei der Vorgehensweise b) wird für die Abbildung der
identischen Bereiche des Motivs ein vergleichsweise
größerer Bereich des Bildkreises des bei b) verwendeten Objektivs benötigt. Da nun
die MTF der meisten Objektive in den Randbereichen ihrer Bildkreise niedrigere Werte aufweisen, als in den mittleren Bereichen, kann es – je nach Motiv – dazu kommen, dass die MTF des bei der Vorgehensweise b) verwendeten Objektivs für
identische Bereiche des Motivs
niedriger ausfällt, als die MTF des bei der Vorgehensweise a) verwendeten Objektivs für die identischen Bereiche des Motivs. Und bei einer vergleichsweise
höheren Objektiv-MTF erhöht sich bei ansonsten identischen Kettengliedern (z. B.: Sensor, kamerainterne Bildverarbeitung, externe Bildverarbeitung, Drucker) auch
die MTF für die gesamte Kette, da diese sich aus der
Multiplikation der MTF der einzelnen Glieder der Kette ergibt.
3. Bei der Vorgehensweise b) benötigt man für den
identischen Schärfentiefebereich eine vergleichsweise
größere Blendenzahl. Bei einer vergleichsweise
größeren Blendenzahl erhöhen sich die
Einflüsse der Beugung auf die Abbildung. Dadurch wird gegebenenfalls die
kritische Blende(nzahl) überschritten, was dann gegebenenfalls die Objektiv-MTF im Vergleich zur Vorgehensweise a) negativ beeinflussen würde. Weiter ergibt sich durch die bei der Vorgehensweise b) für einen identischen Schärfentiefebereich notwendige vergleichsweise größere Blendenzahl bei
identischem Motiv und
identischen Beleuchtungsverhältnissen:
- bei identischer ISO und identischer Ausdehnung des Schärfentiefebereichs eine vergleichsweise
längere Belichtungszeit mit einem gegebenenfalls höheren Risiko in Bezug auf Bewegungs- und Verwacklungsunschärfe.
- bei identischer ISO und identischer Belichtungszeit eine
geringere Ausdehnung des Schärfentiefebereichs.
- bei identischer Ausdehnung des Schärfentiefebereichs und identischer Belichtungszeit eine
höhere ISO mit den damit gegebenenfalls einhergehenden Nachteilen (Rauschen etc.).
Bei der Vorgehensweise b) ergibt sich also nach meinem Verständnis zwar
grundsätzlich eine vergleichsweise
höhere Sensor-MTF aber
unter Umständen – je nach Motiv – gegebenenfalls eine
niedrigere Objektiv-MTF – zumindest für bestimmte Bereiche des Motivs, sowie eine
Zunahme der Beugungseinflüsse, oder ein
geringerer Schärfentiefebereich, oder
mehr Bewegungs-/Verwacklungsunschärfe, oder
mehr Rauschen.
In Bezug auf die oben unter 1. bis 3. erläuterten Gesichtspunkte werden die Vorgehensweisen a) und b) also meiner Meinung nach in aller Regel zu
unterschiedlichen Ergebnissen (Ausdrucken, Ausbelichtungen, Bildschirmdarstellungen etc.) führen und
nicht zu
"identischen". Daher hängt es aus meiner Sicht also von der ganz konkreten Sachlage im Einzelfall ab, welche der Vorgehensweisen a) oder b) im Einzelfall letztlich zum Beispiel zu einem Ausdruck führt, welcher der im jeweiligen Einzelfall erwünschten technischen Bildqualität möglichst nahe kommt.
Daher scheint mir ein
genereller Grundsatz, wie zum Beispiel der von Fraenker vorgeschlagene
Die Verwendung einer angemessenen Brennweite ist IMMER einem Ausschnitt aus einer zu weitwinkeligen Aufnahme vorzuziehen.
in Bezug auf zumindest viele mir vorstellbare Sachlagen in der Fotografie unangemessen zu sein. Dies wird aus meiner Sicht nicht zuletzt auch dadurch unterstrichen, in welch rasanter Weise sich das KB-Format neben den größeren Aufnahmeformaten seinen Platz in der Fotografie erobert hat - und zwar obwohl eine KB-Fotografie ja vom Grundsatz her
"IMMER" einem
"Ausschnitt" aus einer vergleichsweise
"weitwinkligen" MF- oder GF-Fotografie entspricht.