Karbon und Akku statt Kondition – Berühmte Anstiege der Tour de France

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Lydian

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Was macht ein (wenn auch erst seit kurzem) leidenschaftlicher Radfahrer, der unbedingt einige der berühmten Anstiege der Tour de France mit dem Rad erfahren will, wenn er auf diese Touren die beste Ehefrau von allen mitnehmen möchte? Er hat zwei Möglichkeiten:

1. Er kauft ihr ein schönes Rennrad und organisiert kleinere gemeinsame Touren in der Hoffnung, dass auch die bessere Hälfte daran Gefallen fände.
Ergebnis: „Also an Flüssen entlang kann ich mir das gut vorstellen.“
Erkenntnis: War wohl nix...

2. Er versucht, sie mit einem Pedelec vertraut zu machen. Das sind die Dinger, bei denen ein Elektromotor mit bis zu 250 Watt mitschiebt, wenn in die Pedale getreten wird. Spiegel-Kolumnist Achim Achilles alias Hajo Schumacher nennt sie „Rentner-Drohnen“ und „Fahrradattrappen mit Zierkurbel und Dekopedale“. Das ist witzig, aber unfair. Radfahrer sind ja tolerante Menschen, so wie Taliban oder Hundebesitzer. Auch ein Achilles-Zitat. Also wird ein Pedelec für einen Tag zwecks Test gemietet.
Ergebnis: Gute Laune nach dem steilen Anstieg auf die „Hohe Derst“ (563 m) im Pfälzerwald. Und nach weiteren 40 hügeligen Kilometern immer noch.
Erkenntnis: Alpen, wir kommen!


Und so landen wir an einem späten Sonntagabend im Spätsommer 2014 mit 3 Rädern (Karbon-statt-Kondition-Renner, Pedelec und weiteres Rennrad als Backup, falls dieses neumodische Gefährt Alpenpässe verweigern sollte) am Col du Lautaret zwischen Grenoble und Briancon.


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Der Col du Lautaret befindet sich schon auf einer Höhe von 2058 m. Die restlichen 588 Höhenmeter zum Col du Galibier werden am nächsten Morgen der erste Testlauf sein.

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Neben uns finden noch viele weitere Wohnmobilisten diesen Ort toll. Aber wir haben das älteste Wohnmobil!​
 
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Als mit dem Pedelec alle Rennradler am Berg in Grund und Boden fahrender bin ich schon gespannt, wie es weitergeht -> freigeschaltet
 
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Am folgenden Morgen ist das Wetter fantastisch.

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La Meije im Morgenlicht​


Der Col du Galibier ist nicht nur einer der schönsten, sondern auch der fünfhöchste asphaltierte Pass der Alpen. Mit dem Tourmalet und dem Mont Ventoux gehört er zu den großen Legenden des Radsports, in jüngerer Zeit kam aufgrund des Spektakels auch noch der Anstieg nach Alpe d’Huez hinzu.

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In den Sattel rechts des Berges im Vordergrund zieht der Südanstieg hinauf.​


Oft steht der Galibier im Programm der Tour de France, erstmals 1911, damals – und noch bis in die Jahre nach dem WK II - auf der ursprünglichen Schotterstraße. Mit Stahlrössern ohne Gangschaltung, mehrere Ersatzreifen um die Brust gewickelt, das Ganze im Rahmen einer 366-km-Etappe von Chamonix nach Grenoble.

Üblicherweise wird der Galibier während der Tour von Norden über den Col du Télégraphe angefahren. Wir hingegen wollen unseren allerersten Alpenpass (ist es Blasphemie, sich dafür den Galibier auszusuchen?) nur von Süden, vom vorgelagerten Col du Lautaret erklimmen.
 
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Strahlende Sonne, kalte, ungeheuer klare Luft, leider sehr windig.

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Wir richten die Räder und sind voller Vorfreude.​


Da Christiane elektrisch unterstützt wird, bekommt sie die zusätzliche Bürde der D700 mit 28-105, ich stecke die PEN mit 1,7/20 in eine Trikottasche. Weiteres Foto-Equipment haben wir gar nicht erst dabei.

Gespannt sind wir, wie sich Alpenpass und Akkuleistung arrangieren werden. Eine diesbezügliche Aussage war den Mitarbeitern des Radverleihs nicht zu entlocken. Wahrscheinlich wurde ihnen diese Frage auch noch nie gestellt.
 
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In unserer Euphorie nehmen wir gleich die erste Abzweigung den Berg hoch. Ich wundere mich über den schlechten Straßenbelag. Hier fahren die mit 80 km/h und mehr den Berg runter? An einem Gehöft wenige hundert Meter weiter wird klar: Das war das falsche Sträßchen. Also besser Augen auf, das Schild „Col du Galibier“ erblickt und jetzt aber hoch.

Schon nach ca. 100 Höhenmetern müssen wir anhalten. Nein, wir sind nicht außer Puste, diese Landschaft muss erstmal abgelichtet werden!


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Zum Greifen nah ist das Massif des Ecrins, mit den südlichsten Gletschern und dem südlichsten 4.000er der Alpen, der Barre des Ecrins (4.102m). Direkt im Blick ist die vergletscherte Meije (3.974m).


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Als ich dieses Foto auf dem Display kontrollierte, konnte ich nicht erkennen, was Chris da abgelichtet hatte....

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Der Asphalt ist übersät mit Namen von Radprofis und Anfeuerungen.
 
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1 Km vor dem Col können Motorisierte zur Abkürzung durch einen Tunnel fahren. Da der Pass verkehrstechnisch ziemlich bedeutungslos und hauptsächlich touristisch interessant ist, wird er wenig genutzt. Hier steht übrigens die höchste Ampelanlage Europas, die den Verkehr durch die nur einspurig befahrbare Röhre regelt.


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In der Nähe des Tunneleingangs befindet sich ein Denkmal für Henri Desgrange (1865-1940), den Gründer der Tour de France. Übrigens waren Gangschaltungen bis 1937 bei der Tour verboten ....:dizzy: Erst Desgranges Nachfolger Godet erlaubte diese technische Neuerung.​
 
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Dokumentation eines Kuriosums: Kurz vor der Passhöhe blies der Wind erbarmungslos. Im Wiegetritt stemmte ich mich gegen ihn und die hier bis zu 12%ige Steigung. Den Blick stur auf die Straße gerichtet um die Kehre gekämpft - und schon ging's bergab, aufgrund des Gefälles und des plötzlichen Rückenwindes auch gleich richtig schnell. Hier kehre ich zu Fuß zurück.

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Es ist kalt und stürmisch, also gleich die Windjacke an.
 
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Es ist erst 11 Uhr und wir sind schon auf dem Galibier. Eigentlich wäre jede Menge Zeit zum Fotografieren, aber der Sturm einerseits und das Herumlaufen mit den Klick-Schuhen andererseits macht wenig Freude. Also stürzen wir uns bald in die Abfahrt, überholen die langsamen Wohnmobile und sind schon bald wieder am Ausgangspunkt.

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Keine Erschöpfung, einfach nur Zufriedenheit. Und auch der Akku ist noch mehr als halb voll.​


Weiter geht's mit dem Womo nach Ailefroide, südlich von Briancon in einem Tal an den östlichen Ausläufern des Massif des Ecrins.


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Hier gibt es einen wunderbaren Campingplatz.

Außerdem ist Ailefroide ein Zentrum für Bergsteiger, Wanderer und Kletterer. Und etwas klettern wollen wir an Ruhetagen, damit die Arme auch etwas zu tun bekommen.

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Mit dem kurzen Anstieg war das heute ein halber Ruhetag, also tun wir das auch gleich in wunderschöner Landschaft. 4 Seillängen im Klettergarten müssen jedoch reichen - es ist schon recht spät - und morgen wartet der Col d'Izoard.​
 
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Bevor es mit der Schilderung der Rundfahrt Ailefroide - Briancon - Col d'Izoard - Guillestre - Ailefroide weitergeht, hier der Hinweis auf die wohl beste deutschsprachige Seite für Pässefahrer:

http://www.quaeldich.de/
Für die nicht Radsport-Affinen: Der Name der Webseite kommt von der mittlerweilen legendären Anfeuerung meines Pfälzer Landsmannes Udo Bölts an seinen Kapitän Jan Ullrich, als dieser 1997 im Gelben Trikot auf der letzten schweren Etappe der Tour de France durch die Vogesen schwächelte und der davongefahrene Richard Virenque seinen Gesamtsieg noch gefährdete: "Quäl dich, du Sau!"

Die Beschreibungen auf quaeldich.de sind sehr exakt und die Schwere des Anstieges wird mit einer Bewertung versehen. Der Galibier vom Lautaret angefahren steht mit einer QDH (Quäl-dich-Härte) von 47,3 zu Buche:

http://www.quaeldich.de/paesse/col-du-galibier/
 
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Eine tolle Fotoreportage mit interessanten Bildern und kleinen Geschichten - ganz nach meinem Geschmack und sicherlich ein Fall für unsere Highlights :up:
 
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Das Testlauf auf den Galibier verlief zur vollen Zufriedenheit - das erste Ziel des Kurzurlaubes wurde schon am ersten Tag erreicht. Zweites Ziel: Der Col d'Izoard, den wir während einer Rundfahrt von Briancon aus überfahren wollen.

Der Plan sieht vor, gemütlich am Vormittag aufzubrechen, den Weg bis Briancon zu erkunden und evtl. noch die Stadt kurz besichtigen. Der Izoard ist für diesen Tag noch nicht geplant.

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Von Ailefroide fahren wir knapp 500 Höhenmeter hinab bis fast ins Durance-Tal und biegen kurz vor der verkehrsbelasteten N94 auf die D4. Etwa 200 zusätzliche Höhenmeter, jedoch folgt entspanntes Pedalieren in fast schon mediterraner Landschaft auf perfektem Asphalt.


Briancon versteht sich - trotz der Nähe zum bekannten Skigebiet Serre Chevalier - als Radsport-Stadt. Und so stehen in jedem Kreisel (von denen es bekanntlich in Frankreich viele gibt) überdimensionale Rennräder.

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Wir können es nicht lassen, etwas darauf herumzualbern.
 
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Die Stimmung ist gut, das Wetter fantastisch, das Pedalieren macht Spaß. Und so wollen wir in der Stadt auch gar nicht Halt machen, sondern lieber gleich weiter nach Cervières fahren.

Von Briancon (ca. 1.300 m) erreicht man das Dörfchen auf der sehr gut ausgebauten D902 durch die enorme Schlucht der Cerveyrette.

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kurz vor Cervières (1.608 m)​

In diesem beschaulichen Bergdörfchen beginnt der eigentliche Anstieg. quaeldich.de benennt für den Anstieg eine QDH von 96,2 sowie (ab Briancon) eine Höhendifferenz von 1.039 m. Der Akku des Pedelec zeigt nun, nach 37 km und 872 Höhenmetern, noch ein knappes Drittel Restkapazität. Zeit für eine Mittagspause, die wir mit Salat, Ziegenkäse in Blätterteig und Kartoffeln füllen, das Ladegerät wird eingestöpselt.

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Cervières​

Es ist 14 Uhr. Eine Stunde geben wir dem Akku Zeit. Solange können wir gemütlich essen und überlegen, welche weitere Taktik wir anwenden.
 
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Danke Lydian dass Du uns mit auf die Tour nimmst ... spannend und mit sehr schönen Eindrücken untermauert... :):up::up::up:
 
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Die Frage ist: Wagen wir, weiter zu fahren? Es ist schon recht spät und es wartet der eigentliche Anstieg, der Rückweg über Guillestre nach Argentière und dann noch der Schlussanstieg über ca. 500 Hm nach Ailefroide. Insgesamt noch 72 km, 1.689 m bergauf, 1.812 m bergab. Wir haben also erst ein Drittel geschafft. Die Alternative jedoch wäre: zurück zum Campingplatz und anderntags mit dem Womo nach Cervières und den Pass "zu Ende fahren". Wieder hätten wir nur einen halben Pass gefahren.

Also geht es Punkt 15 Uhr, der Akku ist zu 2/3 geladen, weiter. Ab jetzt wird's richtig stressig, steil und Zeit haben wir keine mehr. Fotos werden nun nur noch nebenbei kurz geknipst.

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Kurz vor der Passhöhe fährt man aus dem Lärchenwald, die Landschaft wird karg, aber faszinierend.

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Blick zurück kurz vor dem Zwischenziel
 
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Wir erreichen die Passhöhe und das Pedelec vermeldet per Display, es könne noch 8 km weiter fahren. Es weiß ja nicht, dass es jetzt etwa 1.300 Höhenmeter bergab geht.

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So schön die Landschaft ist: nur ein kurzer Stop, 2-3 Fotos, Windjacke an, Beine etwas lockern und weiter. Auf die Uhr schauen wir nicht - is eh' wurscht.​
 
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