Vorweg: Es gibt nun von der Reise keine Fotos mehr.
Wir hatten uns in Kashmir wieder mit der Familie getroffen, mit der wir die Reise gemeinsam unternehmen wollten. Auch in Kathmandu waren wir im gleichen Hotel wie sie. Wir wir uns immer mal wieder trafen, ohne Handy und WhatsApp - das weiß keiner mehr so genau. Aber es funktionierte. Nur miteinander anfangen konnten wir nicht so viel. Aber diese Familie sorgte für ein unvergessliches Erlebnis auf der Rückreise.
Es war mittlerweile Mitte Juli, meine Mutter hatte Geburtstag. Zu diesem Anlass bereitete unser Koch Ente für alle zu. Tja. Irgendwas war mit den Enten wohl nicht in Ordnung. Jedenfalls waren unsere Mägen und unser Verdauungstrakt danach nicht mehr in Ordnung. Bei dreien von uns lief es glimpflich ab - 1 Tag wurde der Entleerung gewidmet -, aber das Geburtstagskind hatte es heftiger erwischt. Zunächst schien es nicht schlimm zu sein, so dass wir wie geplant nach einer Woche Kashmir nach Hause aufbrachen. Etwa 3.500 km mit dem Peugeot.
Erste Station: Ein "Hotel" irgendwo in Pakistan, wo genau weiß keiner mehr von uns. Aber alle wissen, dass wir im Zimmer zuerst Jagd auf Frösche machten und sie wieder im Hotelgarten, um den die eingeschossigen "Pavillons" (so ähnlich wirkten sie) gruppiert waren, aussetzten. Die Zimmer waren schmutzig, mit dreckigen Möbeln ausgestattet, total verwohnt. Strom gab es nur ab und zu, dafür schauten einige nicht isolierte Kabel aus Wänden und Decken. Wir hatten uns eingerichtet und ruhten aus, als unser Begleiter ins Zimmer stürzte und schrie: "Fritz! Die Bude brennt!" Chaos brach aus, dicker, schwarzer Rauch quoll aus deren Zimmer. Leute liefen durcheinander - aber nach 10 Minuten kam die Feuerwehr und löschte professionell. Brandursache wahrscheinlich: ausströmendes Gas des Gaskochers (sie wollten sich im Zimmer eine Mahlzeit zubereiten) entzündete sich an den freiliegenden Kabeln.
Nächste Station: Islamabad, die Hauptstadt Pakistans. Hier ging es meiner Mutter so schlecht dass wir den Aufenthalt um einen Tag verlängerten, damit sie einen Arzt aufsuchen konnte. Ich kann mich gut daran erinnern, wie wir Kinder uns richtig Sorgen machten. Mit ein paar Medikamenten kam sie zurück und es ging weiter. Nur noch 2.700 Kilometer, nur noch zwei Grenzübergänge.
Ich wollte nur noch heim. 7 Wochen, 12.000 Kilometer im Auto. Irgendwo unterwegs hatten meine Schwester und ich noch Geburtstag. Sie wurde 13, ich 12. Wo, weiß ich nicht mehr so genau. Egal. Wir wollten heim, zu unseren kleinen Schwestern, zu unserem Haus mit Garten und Swimming Pool.
Durch eine Panne gab es nochmals einen ungeplanten Aufenthalt. Seit Kabul waren wir wieder mit unserem Faltwohnwagen unterwegs. Wir liebten es! Hatten wir damit doch nahezu grenzenlose Freiheit. Keine muffigen Hotels, keine stinkende Bettwäsche, keine schlechtgelaunten Hotel-Angestellte. Der Zeltanhänger war allerdings für solche Strecken und solches Terrain nicht wirklich geeignet. Die Reifenpannen während unserer verschiedenen Reisen waren nahezu zahllos, noch gravierender, weil zeitintensiver, jedoch die Lagerschäden, die ihn zweimal ereilten. Auch in Afghanistan auf der Strecke von Kandahar nach Herat.
Wir retteten uns noch bis zu einem weitgehend verlassenen, heruntergekommenen Hotel, das im Niemandsland in der Nähe von Fahrarud an der Straße stand. So ein typisch sowjetischer Plattenbau. Der Vater fuhr nach Herat (ca. 200 km) um einen "Mohandes" ("Ingenieur", also jemanden, der einen Schraubendreher richtig herum halten kann) zu holen. Der kam auch mit einem Ersatzlager. Zwei Nächte Zwangsaufenthalt in großer Hitze kostete dies. Genächtigt haben wir im Anhänger. Nachts wurde an ihm ja nicht gearbeitet. Den ehemaligen Hotel-Komplex habe ich mir gerade in der Satellitenansicht von Google Maps angeschaut. Sieht nicht gut aus.
Zurück in Tehran
Dieses Bild war noch auf dem Film mit den Fotos der Reise.
Kaum angekommen, ging mein Vater mit mir auf "Trainingstouren" in die Berge. Unser Ziel: Die Besteigung des Demavand, 5.607 m. Wenn der Smog in Tehran nicht so dick wäre, könnte man diesen höchsten Berg des Iran von der Stadt aus sehen.
Zwei Trainingstouren machten wir, dann fuhren wir am frühen Morgen mit einem Kollegen des Vaters von Tehran (wir wohnten dort auf ca. 1.400 m) zu einem kleinen Dorf am Fuß des Berges auf etwa 2.800 m. Wir mieteten einen Eselstreiber mit zwei Tieren für unser Gepäck und stiegen auf zu einer Biwakschachtel auf 4.100 m. Von dort brachen wir in der nächsten Nacht um 3 Uhr mit Taschenlampen zum Gipfel auf. Es war eine Qual. Es war sooo kalt. Die Luft war so dünn. Meine Füße waren Eisklumpen. Wir hatten weder geeignete Kleidung noch brauchbare Schuhe. Ich kämpfte mich bis auf 5000 m (die Sonne war aufgegangen, aber mir wurde und wurde nicht warm) und stieg dann alleine wieder zur Biwakschachtel ab, legte mich auf einer der Matratzen schlafen und wartete bis der Vater mit Kollege vom Gipfel zurückkehrte. Direkt danach stiegen wir wieder in das Dorf am Fuß des Berges ab und fuhren heim. Es war ein elend langer Tag.
Während des Abstiegs. Man beachte Kleidung und Schuhe.
Warum erzähle ich das? Für mich gehört es zu unserer Indienreise irgendwie dazu. Wenige Tage nachdem wir aus der glühenden Hitze zurückkamen stapften wir bei Minusgraden auf 5000m im Schnee herum. Ich weiß heute noch nicht, was ich davon halten soll.
Epilog
Im November wurde meine jüngste Schwester geboren.
Hier mit der nächstjüngeren Schwester und unserer Haushaltshilfe
Was weder meine Schwester noch ich wussten: Unsere Mutter war während der Reise schwanger.
Aber interessant, dass schon damals tatsächlich der Forellenfang so rigide geprüft wurde.
MOS2000