F wie Fotografie, Z wie Zukunft ....

Thread Status
Hello, There was no answer in this thread for more than 30 days.
It can take a long time to get an up-to-date response or contact with relevant users.

sam25

NF-Community VIP Member
Registriert
Es gibt Momente, da nehme ich mich geistig aktiv aus der Leben des Alltages heraus und betrachte mich und mein Umfeld von Aussen.

Solche Momente lösen in mir Stille und viele Fragen aus. Ich nehme mir dann immer vor, nach Antworten zu suchen. Oft gelingt mir das nicht, es entsteht bei jeder neuen Antwort neue Fragen.

Eines aber gelingt mir mittlerweile sehr gut. Ich muss nicht mehr werten. Das Dafür und das Dagegen liegt oft nicht weit auseinander.

Der Hype um die neue Nikon, die Diskussionen über etwas, was noch gar nicht da war, hat mich stark beschäftigt und auch aufgewühlt. Als ich Anfang der 80er Jahre meine erste Kamera, eine Nikon FG20 kaufte, war ich auf meiner Weltreise weitgehend mit der Kamera beschäftigt, dass ich keine Zeit hatte, mir Gedanken zu machen, wann ich die nächste Kamera entwickelt würde und was sie dann besser machen müsste als jene, welche ich hatte.

Es mag in der heutigen Zeit der unendlichen Verfügbarkeit altbacken klingen, wenn ich sage, dass ich meine FG20 mochte. Sie war nie in einem Service, seit sie über den Ladentisch zu mir kam und hat mich nie im Stich gelassen. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass wir als Kinder angehalten wurden, zu Dingen welche man sich leistet, auch Sorge tragen soll.

Ich habe mich der neuen Technik nie verschlossen. Die F4 habe ich mir Jahre nach meiner Weltreise geleistet und war beeindruckt von ihr. Sie hat mir unglaubliche Dienste erwiesen und musste viel aushalten. Meine fotografischen Vorgehensweisen sind nicht immer vorbildlich und wenn ich mich in die Welt der Wahrnehmung begebe, dann merke ich oft nicht mehr, was ich in den Händen halte. Und alle meine digitalen Kameras haben mir bis anhin gute Dienste geleistet, auch wenn sich wohl manche Kamera gefragt haben müsste, was der Besitzer so alles anstellt mit ihr.

Ich habe Fotografie immer als etwas sehr Wertvolles aber auch etwas sehr Intimes verstanden. Wenn ich die Kamera auslöse, dann gebe ich etwas preis von mir und halte ein Stück weit einen Moment meiner Sichtweise fest. Darum widerstreben mir Serienbilder, sei es in der Natur oder an Konzerten. Jedes meiner Konzertbilder sind Einzelbilder, entstanden in Momenten. Ich kann mich nicht auf neun Bilder in der Sekunde konzentrieren und ich gebe die Kontrolle darüber auch nicht ab. Vielleicht ist es der Respekt und das Bewusstsein, dass jeder Moment einzigartig ist, dass ich mich nicht einfach durchklicken kann.

Ich hatte eine kurze Phase, in der ich mit Blitz arbeitete. Aber ich habe schnell gemerkt, dass blitzen und ich nicht Freunde werden.

Auf meiner Weltreise habe ich geträumt Fotograf zu werden. Als ich gesehen habe, wie sie hart für ihre Aufträge kämpfen mussten, dass sie mit Fotografie ihr Geld hart verdienen müssen, habe ich gemerkt, dass ich das nicht kann. Ich kann keine Bilder machen, welche den Vorstellungen von andern entsprechen.

Unter Freunden, welche allesamt eine Yashica Kamera hatten, war meine Nikon ein Exot. Wir fotografierten bis zum Abwinken, liessen die Bilder drucken und führten nachher oft harte Diskussionen darüber. Dabei war Schärfe nur ein Diskussionspunkt unter vielen. Die meisten Ungereimtheiten stellten sich betreffend der Bildgestaltung ein: Vordergrund versus Hintergrund, hell und dunkel und so weiter.
Wir alle waren ein bisschen stolz auf unsere Kameras und holten so ziemlich alles aus ihr heraus, was sie zu bieten hatte.
Das hat sich bei mir schon bei der F4 geändert. Sie konnte schon mehr, als ich überhaupt brauchte und mit dem Einstieg in die digitale Welt war ich schon mit der Nikon D100 heillos überfordert.

Während man vor nicht allzu langer Zeit Kameras als Hobbist über Jahre hatte und sich eine neue Kamera beinahe am Mund absparen musste, kann man sich heute Objektive und Kameras für den Wert von ein paar Biers leisten. Wenn ich mir schon nur den Gebrauchtmarkt betrachte bekomme ich gute bis sehr gute Kameras und Objektive für wenig Geld. Und wenn mich meine Exifdaten beim Bilder zeigen im Netz nicht verraten würden, würde wohl kein Betrachter nach der Kamera und dem Objektiv fragen.

Ich finde es sehr schön, wurde vielen Menschen durch die Technik und die tieferen Preise das Fotografieren erst ermöglicht. Und wenn ich durch die letzten Jahre das eine oder andere Forenmitglied von Beginn weg beobachtete und heute sehe, was sie aus der Fotografie gemacht haben, dann freut mich das noch sehr.

Wenn ich mit meiner Kamera in unserem Konzertlokal an einem Konzert bin und ich mit einem andern Fotografen ins Gespräch komme, dann sind zunehmend nicht mehr die Bilder Gegenstand der Diskussionen sondern die Kamera und die Objektive. Da werde ich zwar für meine Nikon D4 respektiert, mein altes Nikkor AF, 80-200mm, 2.8, wird aber etwas ratlos zur Kenntnis genommen. Am Bluesfestival in Baden von diesem Jahr ist mir aufgefallen, dass viele Fotografen auch an Konzerten einfach auf den Serienmodus schalten und abdrücken. Das löst bei mir etwas Befremden aus, weil die Musik und die Resonanz auf den Menschen massgeblich das Bildergebnis beeinflussen.

Ich erachte mich selbst nicht als Künstler. Ich habe Fotografie nicht an einer Schule oder in einem Kurs gelernt. Meine Auffassung ist, dass jenen dieses Attribut vorenthalten ist, welche diesen Weg gegangen sind. Das hat auch mit Respekt zu tun.

Man kann Dinge auf verschiedene Art und Weise betrachten. Man kann Musik auf Technik und Instrumentierung reduzieren und sich ein Leben lang damit befassen. Man kann Fotografie als Kunst betrachten. Aber man kann Fotografie auch reduzieren auf Technik, oder Schärfe und Farben.

Wir diskutierten damals auch über Technik. Aber die Technik war irgendeinmal schnell durchbesprochen. Heute ist das nicht mehr so. Je mehr Technik in den Geräten ist, desto mehr gibt es zu diskutieren. Die Ansprüche orientieren sich an den Möglichkeiten und irgendwie spüre ich die Tendenz, dass wir zunehmend Autonomie und Kontrolle der Technik überlassen. Ich mag es nicht, wenn meine Kamera einfach etwas macht, darum bin ich – bis auf Konzerte - auch weg von der Autofokussierung gekommen. Ich besitze kein Objektiv mit VR und Stativ nutze ich nur für die grossen Brennweiten, weil es anders einfach nicht geht.

Ja, mich fasziniert die Technik auch. Ich bin begeistert davon, was heute alles möglich ist. Und ich würde mir nie anmassen darüber zu diskutieren oder sie gar zu kritisieren, weil ich nicht kompetent bin.

Aber ich möchte nicht den Moment aus der Hand geben und Fotografie als etwas Ganzes betrachten. Ich möchte nie das Gefühl bekommen, dass meine Kamera das Bild gemacht hat. Das würde mir Angst machen. Ich möchte, dass ich bei jedem Bild immer sagen kann, dass habe ich mit Hilfe der Kamera gemacht, auch wenn es ein schlechtes Bild ist. Die Kamera soll mich nie vertreten und meine Sinne ersetzten. Sie soll keine brauchbaren Fotos von Musikern machen, nur weil ich besoffen die Kamera nicht mehr ruhig halten kann. An diesen Bildern hätte ich keine Freude mehr weil ich etwas wertvolles, wenn nicht das Wertvollste aus der Hand gegeben hätte: meine Wahrnehmung, mein bewusstes Einsteigen in die Welt der Motive.

Ich bewunderte manche Statements in den Beiträgen über die Technik der neuen Z von Nikon. Ich bewundere das fundierte Wissen, die Zusammenhänge und die Begriffe, von denen ich von den meisten keine Ahnung mehr habe. Und ich bewundere den Umgang damit und mit wie viel Lockerheit und Selbstverständlichkeit sie damit umgehen. Hier geht mir etwas ab, was ich nicht mehr aufholen werde.
Ich habe mich dieses Jahr in den Gassen von Indemini ernsthaft gefragt, was ich zum Fotografieren brauche. Ich hatte lediglich die D4 mit einem alten Nikkor 50mm, 1.2 MF mit. Mehr brauchte ich nicht. Ich konzentrierte mich auf meine Wahrnehmung, was mir das Dorf für Geschichten erzählt und eh ich’s versah, war mehr als eine Stunde vergangen und ich habe über hundert Bilder gemacht. Der Ausschuss war gleich null, nur hat mir nicht jedes Bild gleich gut gefallen.

Wir laufen Gefahr, dass wir etwas aus der Hand geben, was der Fotografie nicht gut tut. Ich meine damit unsere höchst persönliche Autonomie und Persönlichkeit welcher jeder von uns hat. Ich möchte nicht, dass jedes Bild dem andern gleicht, ich möchte Charakter und Persönlichkeit und Sichtweisen des Fotografen als Betrachter erahnen können. Egal mit was er ein Bild gemacht hat.

Fotografie mag zwar mit zunehmender Technik noch bunter und noch schärfer werden. Und sie vermag Details ans Tageslicht bringen, welche wir von blossem Auge gar nicht wahrnehmen können. Uns erschliessen sich mit der Technik Dinge, welche wir in dieser Form nicht kannten. Auf die eine Seite empfinde ich das wunderbar, auf die andere Seite verwirrt es mich.

Und doch habe ich die Wahl. Wahl ist wohl die grösste Freiheit, welcher der Mensch hat. Ich bin privilegiert auszuwählen. Ich kann kaufen und verkaufen, ich kann hier und dort hingehen. Und ich habe die Wahl zu fotografieren, was ich will.

Bis jetzt ging kein Objektiv und keine Kamera von mir in die Bucht. Ich brauche zwar hie und da ein Tablar mehr im Schrank, aber jedes Objektiv und jede Kamera hat ihre Geschichte. Und hie und da gehe ich wieder mit der einen oder andern Kamera spazieren. Ich begrüsse lieber, als dass ich mich verabschiede.

Ich plädiere nicht gegen sondern für das F und das Z. Ich plädiere aber auch für die Vielseitigkeit und die Vielfältigkeit in der Fotografie der Zukunft. Und ich plädiere dafür, unabhängig davon was wir in der Hand haben, unsere Persönlichkeit nie aus der Hand zu geben. Ich plädiere dafür, dass Fotografie weiterhin Freude bereiten soll, dass Technik ein Instrument bleibt, auch in Zukunft. Ich plädiere dafür, dass wir Motiven mit Anstand begegnen und unsere eigene Wahrnehmung als Geschenk ansehen und somit auch Sorge tragen dafür.



picture.php


Ein tolles Wochenende wünsche ich Euch. :)

PS: ...und verzeiht mir die wohl immer noch vorhandenen Rechtschreibefehler ...;)
 
Anzeigen
Ich plädiere nicht gegen sondern für das F und das Z. Ich plädiere aber auch für die Vielseitigkeit und die Vielfältigkeit in der Fotografie der Zukunft. Und ich plädiere dafür, unabhängig davon was wir in der Hand haben, unsere Persönlichkeit nie aus der Hand zu geben. Ich plädiere dafür, dass Fotografie weiterhin Freude bereiten soll, dass Technik ein Instrument bleibt, auch in Zukunft. Ich plädiere dafür, dass wir Motiven mit Anstand begegnen und unsere eigene Wahrnehmung als Geschenk ansehen und somit auch Sorge tragen dafür.

Am Anfang als ich zu lesen begann, dachte ich .....
doch ich las weiter

vor allem der letzte Abschnitt hat es in sich und mich nachdenklich gemacht.

Wie Tolerant sind wir gegen Einander
Wieviel mal wurde das Rad neu erfunden und am Schluss war es trotzdem nur Rund?

Scharfes Bild kann heute "jeder" machen. Bilder mit Charakter und Aussagungskraft?
Dies wird sich auch mit der Z nicht ändern.
 
Kommentar
Um es mal mit Fanz Kafka zu sagen:

Jeder, der sich die
Fähigkeit erhält,
Schönes zu erkennen,
wird nie alt werden.

Das gilt in ganz großem Maße für mich.
Und wenn ich das mit einer neuen, anderen Kamera festhalten kann,
macht mich das glücklich!
Und ich bin mir sicher, dass auch Du zu diesen Menschen gehörst!
 
Kommentar
Hallo Sam,

ein wunderbarer Beitrag von dir, chapeau!
Am Bluesfestival in Baden von diesem Jahr ist mir aufgefallen, dass viele Fotografen auch an Konzerten einfach auf den Serienmodus schalten und abdrücken. Das löst bei mir etwas Befremden aus, weil die Musik und die Resonanz auf den Menschen maßgeblich das Bildergebnis beeinflussen.
Um das zu perfektionieren, wurde das Videofilmen mit Kameras um die Funktion "Einzelbild aus laufender Filmaufnahme erstellen" entwickelt. :D
Ich habe früher manchmal Musikvideos geschaut und sie auf Videorecorder auf gezeichnet, und dann im Einzelbildmodus einzelne Szenen betrachtet.
Dabei fiel mir auf, dass nur äußerst wenige dieser Einzelbilder "ansehbar", geschweige denn ansprechend oder gar aussagekräftig waren.
Deshalb war ich auch nie ein Freund von schnellen Serienbildern.
 
Kommentar
Lieber Sam,

freue dich, dass Du bist, wie Du bist.

Betrachte ich mich von außen,
so sehe ich oft das Gegenteil von dem, was Du siehst.
Dann empfinde ich meine ganze Knipserei zunehmend als willkürlich.
Die Wichtigkeit nimmt ab.

Von der letzten Reise habe ich noch Fotos;
von anderen Reisen zuvor fehlen mir viele Aufnahmen.
Sehe ich mich von außen positiv,
so richtet sich meine Wahrnehmung mehr auf die Gegenwart.
Was war, verliert an Bedeutung.
Aber im Grunde verändere ich mich wohl kaum;
nur eine zunehmende Rastlosigkeit beobachte ich,
die aber sicher auch dem bereits fortgeschrittenem Alter geschuldet ist.

Fotografieren war für mich ein bestimmendes Hobby,
eine mir selbst gestellte Aufgabe.
Jetzt habe ich oft aus dem Auto fotografiert,
habe oft noch nicht einmal angehalten.

Was ist passiert ?
Ich denke nach ...
Danke für Deine anregenden Überlegungen und Gedanken !
 
Kommentar
Lieber Sam,
Jetzt muss ich auch dieses Wort gebrauchen: Ein wunderbarer, nachdenklicher, persönlicher und offener Beitrag, dem ich voll und ganz folgen kann!
Auch wenn ich sicher nicht immer so strikt bin, wie du es beschreibst.
Das bunte, nach den klassischen Regeln der Gestaltung gesehene Bild mache ich auch manchmal so, weil es gerade passt. Zum Beispiel für die Rubriken " Zeigt her eure . . ."
Gerade hatte ich angefangen darüber nachzudenken, ob mich das zum schablonenhaften Fotografieren verleitet.
Und die Serienbidfunktion? Bei spielenden Hunden oder der unruhigen Hummel an der Blüte freue ich mich gelegentlich über 11fps und wende sie auch an. Die Ergebnisse sehe ich dann aber selbst eher als Dokumentation oder Sachaufnahmen. Es sind meist nicht die Fotos, die mir am Herzen liegen.
Du hast mir Denkanstöße gegeben, Danke!
 
Kommentar
Lieber Sam,

deine Gedanken sprechen mich voll an.

Am Anfang meiner Fotografie stand der Teachnik-affine Thomas. Alle paar Jahre eine neue Kamera,...

Beim Lesen merkte ich, dass es mir inzwischen in vielen Bereichen so geht wie von Dir beschrieben. Dies hat bei mir dazu geführt, heute nicht mehr bei jedem neuen Produkt, das Nikon vorstellt dieses haben-müssen-Syndrom zu verspüren.

Viel mehr geht es mir um das bewusste Sehen und Umsetzen von Momenten, die ich erleben darf.

So war ich vor Kurzem noch mit der D1x und einem 105er aus F3-Zeiten auf einer aufgegebenen Bahnstrecke unterwegs. Und am nächsten Tag mit anderem Glas. Und selten- wirklich sehr selten wünschte ich mir bei einer solchen Tour eine andere Optik. Irgendwie dürfte ich in der Zeit lernen, Motive für die Brennweite zu entdecken, die ich dabei hatte. 18 km lang war die Strecke. 2022 sollen hier wieder Züge rollen. Vorbereitungen laufen. Viele der Motive gibt es so nicht mehr. Für mich einmalig und wertvoll.
Momente und Stimmungen festgehalten.
Hätte die Z das besser gekonnt?
Mag sein.... aber ich hatte keine. Und selbst sehr ich heute bei den meisten Fotos nicht, welche Kamera an der Optik hing. In erster Linie geht es um die von Dir so treffend beschriebenen Faktoren.
Wer mich ein kleines Stück begleiten will:
http://thomasferber417.wixsite.com/sehart/wuerttembergische-schwarzwaldbahn
 
Kommentar
Danke Sam für diese schönen Zeilen.......Ein Spiegelbild eines Menschen der mit dem Herzen fotografiert, ach wie schön.
Mir hat das Freude bereitet weil man sich doch in oder zwischen den Zeilen irgendwo wieder findet!
 
Kommentar
Es war schon immer so. Auch in den "guten alten Zeiten". Bei Gruppierungen wie Fotoclubs, VHS etc. An der Technik konnte man sich reiben, festhalten, hatte ein Raster/Muster auf dem man sich einigermaßen sicher bewegen konnte.
Sobald es um Bildinhalte und Gestaltung ging kam die Unsicherheit und ausdiemaus. Bis die Gesprächskurve kam und bei Mann/Frau wieder die technischen Aspekte die Oberhand gewonnen haben.

Mitmenschen, denen Technik wichtiger ist als das fertige Bild finden in mir keinen kooperativen Gesprächspartner.

Es ist vielleicht auch ein Geschenk der Erfahrung und der Sicherheit, mit dem man seine "Werkzeuge" handhabt, immer weniger zu brauchen um seine Bildideen und Inhalte festzuhalten. So benötige ich für 90% meiner Aufnahmen nur noch zwei Objektive. (Das macht auch Städtetouren leicht und entspannt). Und, wenn es keine Pflicht für Bildergebnisse gibt, mache ich nur noch Aufnahmen die mich wirklich interessieren.
Die paar Spezialoptiken, die ich auch habe, sind halt für spezielle Aufgabenbereiche.

Und da ich das "fotografische Handwerk" behersche, benötige ich die ganzen "Automatiken" und wohlwollenden Bildhilfen nicht, nur in Ausnahmesituationen kommen sie mal zum Einsatz. Wenn ich lese, das man bei Serienaufnahmen bedauert bei 9B/Sek. das keine Belichtungsmessung zwischen den Bildern gemacht werden kann - und sowas ein nogo ist... Ich fotografiere ganze Konzertauftritte mit einer manuellen ausgewählten Einstellung und habe absolut ausgewogene Ergebnisse.

Und mir ist es gänzlich unwichtig, mit was und wie ein Bild gemacht wurde. Entscheident ist, ich lasse ein Bild als Bild gelten, so wie es so gewollt war und betrachte es in seiner Wirkung und Aussage und lasse gelten, was der Urheber wollte ohne darin rumzupopeln und technsche Unzulänglichkeiten/Ansprüche an die Oberfläche zu portieren.
Für ein gutes Bild, in meine Augen, spielen solche friemelansicheten keine Rolle. Somit entziehe ich mich auch den seitenweisen Ergüssen die hier im Forum sich großer Beliebtheit erfreuen. Das brauche ich einfach nicht mehr!

Da nehme ich mir lieber einen Bildband, z.B. "Grey Matter(s) von Tom Jacobi, mache mir eine Tee, lege mir schöne Musik auf und setze mich mit seinem Thema und Hintergründen auseinander und freue mich an den hervorragenden Ergebnissen ;-))

Oder wenn hier mal jemand feinsinniger sich zum Bildermachen äußert - Danke Sam.
 
Kommentar
...danke für die Resonanz und die wunderbaren Beiträge... eine solche Resonanz hätte ich nicht erwartet... das berührt mich sehr...
 
Kommentar
Lieber Sam,

ich hatte bisher leider nicht die Ruhe, um auf Deinen wunderbaren Beitrag - eigentlich ja ein Essay - zu schreiben. Zunächst einmal herzlichen Dank dafür!


Antworten möchte ich mit einem Beispiel bzw. Gedanken aus meinem Leben. Ich liebe Musikinstrumente, ein paar habe ich, einige davon sind teuer gewesen, andere eher günstig, manche beherrsche ich, andere nicht so sehr. Wider jeder Vernunft habe ich gestern eine neue Gitarre gekauft - in dem Moment, als ich sie zum wiederholten Mal testete, rief mich meine fast 80jährige Mutter aus dem Krankenhaus an, dass ihre Herz-OP gut verlaufen sei und es ihr gut ginge. Daraufhin habe ich die Gitarre ohne weiteres Überlegen mitgenommen. Zuhause klang sie noch viel besser, als ich das im Laden empfunden habe. Und meine Mutter hat sich - so ihr geschildert - unglaublich gefreut - ich hatte eher mit "muss das noch sein, du hast doch schon genug Gitarren" gerechnet, so kann man sich irren und so schön kann das Leben sein.

Wie gesagt, herzlichen Dank nochmal für Deine Gedanken!
 
Kommentar
Lieber Sam, in deinem Beitrag steckt viel Wahrheit drin - beinahe in jeder Zeile - und Du bringst einen zum Nachdenken.
Danke dafür.
Und ich erkenne mich wieder.
Zu analogen Zeiten habe ich zu fast hundert Prozent auf Diafilm fotografiert. Maximal, wenn es gutging, 38 Aufnahmen
pro Film, und jeder Film war verhältnismäßig teuer. Damals war es ganz normal, auf den richtigen Moment zu warten,
ehe man auf den Auslöser gedrückt hat. Einen bestimmten Moment festzuhalten, oft einen Moment, den man antezipieren
(vorsehen) und herbeisehnen mußte, das war bestimmend für die Art und Weise, wie man fotografiert hat.

Nur Profis und absolute Freaks haben den Film in wenigen Sekunden meterweise belichtet. Heute möchte fast jeder duzende,
ja hunderte Fotos machen, in der Hoffnung, aus diesen vielen Aufnahmen den einen richtigen Moment heraussuchen zu können,
den einen entscheidenden Moment zu erwischen.

Ich bin in die digitale Fotografie mit Kompaktkameras eingestiegen. Die hatten keine Serienbelichtung. Dann kam die D200. Die
Speicherkarten waren klein, also mußte ich mit Aufnahmen geizen. Und ganz zu Beginn, in den ersten zwei, drei Wochen, hatte
ich auch noch kein Autofokusobjektiv. Also bin ich mit meinen alten manuellen Objektiven unterwegs gewesen, und hatte davon
auch nur ein einziges dabei. - Kurz, ich habe so fotografiert wie in alten, analogen Zeiten.
Sind diese Fotos daher schlecht? - Nein.
Sieht man ihnen an, daß sie mit alten Objektiven gemacht wurden? - Wohl kaum.
Sind Fotos, die mit einer D200 gemacht wurden, schlechter als jene, die ich mit meiner D500 gemacht habe? - Auf keinen Fall.

Später habe ich mir die D7000 zugelegt, und damit fing auch für mich eine neue Zeit an: Schnelle Serienbildfunktion und die
Speicherkarten groß genug für einige hundert Fotos. In dieser Zeit habe ich angefangen, auf Konzerten eines Chores, zu dem
auch ich gehöre, und des zugehörigen Orchesters Aufnahmen zu machen. Dazu gehört auch immer ein Dirigent, den ich
ebenfalls fotografieren und die besten, schönsten, ausdrucksstärksten Momente von ihm einfangen wollte. Daher erlag auch
ich der Versuchung, dies zu tun, indem ich in den spannendsten Sekunden Bilder, Bilder, Bilder und noch einmal Bilder machte,
um hernach die besten Aufnahmen heraussuchen zu können.

Ich hatte 300, 400 Bilder von einem Konzertabend oder mehr. Aber erstaunlicherweise waren die aller-allerwenigsten Bilder Aufnahmen
des einen, erhofften Moments. Dafür circa 70 Prozent Ausschuß, die restlichen 30 Prozent so in etwa brauchbar, bedurften aber der
strengen Begutachtung und Auswahl. Übrig blieben dann einige Duzend, die ganz gut, und eine handvoll, welche wirklich gut waren.

Das ist jener Effekt, den hier mal ein Forenmitglied ins Bild gefaßt hat, indem er einen Rollfilm, einen KB-Film und eine Speicherkarte
nebeneinander fotografiert und - so in etwa - denebengeschrieben hat: 8 Aufnahmen, 8 gelungene, 36 Aufnahmen, 8 gelungene, 300
Aufnahmen, 8 gelungene.

Wie wahr, wie wahr das ist.
Kurz - ich habe es eine Weile mit "Masse" probiert, aber inzwischen habe ich die Weiche umgelegt. Es geht mir auf die Nerven und es
kostet mich Zeit die ich nicht habe, aus 400 Aufnahmen die zwei oder 12 besten herauszusuchen. Ich versuche seit den letzten zwei
Konzerten, mich zu beschränken und mache kürzere Serien, weniger Fotos insgesamt, und ich übe mich darin, auf die Momente zu
warten, welche besonders gute Aufnahmen versprechen. Insgesamt mache ich auf diese Weise nicht mehr 400, sondern "nur" noch
80 Fotos, und ich möchte versuchen, diese Anzahl nach Möglichkeit noch zu verringern.

Nun könnte der Serienbilder-Fetschist ja meinen, bei einer um 80 Prozent geringeren Anzahl an Fotos sei jetzt garnichts brauchbares
mehr dabei. - Das stimmt erstaunlicherweise nicht. Und eigentlich ist das garnicht erstaunlich. Denn insofern trifft sich das mit dem, was
Du, Sam, geschrieben hast: Wichtig ist es, den Moment einzufangen. Dazu muß man sich in die Situation, und in das, was vor dem
Objektiv geschieht, einfühlen. Konzentrieren. Nicht einfach auf "continuous" stellen und draufdrücken.

Ich mache hier mal Schluß, ich wollte garnicht so viel schreiben.
Dir Sam, danke für den Beitrag. Du hast damit sehr gut etwas ausgedrückt, was ich gewußt habe, aber so nicht in Worte fassen konnte.
Eigentlich wissen das die meisten Menschen, die fotografieren. Sogar die Serien-Besessenen, davon bin ich überzeugt. Aber sie lassen
sich vom "Höher-Schneller-Weiter" einlullen, betäuben, anstecken.
Mehr ISO, mehr AF-Punkte, Was? Kein Augen-AF? - Bitte noch diese Automatik!. - So lauten dann die Aufschreie jener, die sich mit einem
solchen Virus infiziert haben.

Alles verständlich.
Alles wünschenswert
Aber genauso auch:
Alles Blödsinn.
 
Kommentar
Sehr schöne und interessante Worte, wie sie in diesem Forum eigentlich nur von Dir lieber Sam kommen können. Ich lese Deine Einblicke in Dein Seelenleben sehr gern, nicht nur weil ich dazu gar nicht in der Lage wäre, sondern weil Dein Inneres so völlig verschiedenen von meinem ist.

Du bist -auch wenn Du das immer wieder negierst- ein extrem musischer / künstlerischer Mensch, ich bin der reine Techniker. Trotzdem bist Du einer der wenigen hier im Forum, bei dem ich so ziemlich jeden Bilderthread anklicke. Meist weil mich auch Deine Erläuterungen zu den jeweiligen Bildern interessieren. Ich gestehe oft bleibe ich trotzdem ratlos zurück und sehe aber unter einem für mich (Achtung nicht auf mich einkloppen, das ist eine völlig subjektive Gefühlseinschätzung meinerseits) Knipsbildchen hunderte von Thanks.

Mir fehlt da einfach die -mir fällt grad kein besseres Wort dafür ein- "künstlerische Gedankenebene".

Die Erkenntnis, das ich schlicht nicht in der Lage bin künstlerisch wertvolle Fotos zu machen brauchte bei mir viele, viele Jahre. In diesen -gerade dann im Digitalzeitalter- schob ich meine suboptimalen Ergebnisse immer auf die jeweils vorhandenen Kameras, deswegen mußte auch unbedingt immer die Neueste und Beste her, denn die würde mir die Ober-Über-Hammer-Bilder ermöglichen.

Irgendwann waren die Kameras aber nahezu perfekt, die Belichtung stimmte immer, der AF saß da wo er hingehörte, aber die Fotos blieben beliebig und austauschbar. Das Einzige wo wir uns ähneln ist übrigens das auch ich bis heute praktisch nie diese Dauerfeuerei benutzt habe. Einfach rumzuballern und zu hoffen wiederstrebt mir auch heute noch. Meine 12 Jahre alte D700 hat mal gerade etwas über 20.ooo Auslösungen und auch die Sony R II dürfte etwa bei dem Wert liegen.

Etwas war mir aber schon vor einiger Zeit aufgefallen: In meiner Lightroom-Bibliothek haben sich in den letzten 16 Jahren knapp 70.ooo Fotos angesammelt (nein da fehlt keine 0, siehe eins drüber) aber wie häufig schaue ich mir die wirklich an? Wenn ich ehrlich zu mir selber bin, könnte ich da locker aufräumen und es blieben vielleicht ein paar hundert, die mir wirklich wichtig wären. Ich glaube auch da unterscheiden wir uns diametral, Dir ist jedes Deiner Fotos wichtig, denn sonst hättest Du es nicht gemacht.

Meine Kameras lagen oft wochen und monatelang in ihren diversen Taschen und Rucksäcken und warteten darauf das ich mich mal wieder "aufraffen" konnte zu fotografieren. Mit der Zeit begann dann aber eine Metamorphose und derzeit kann ich Deine obigen Gedankengänge viel besser nachvollziehen, als noch vor ein paar Jahren.

Ich habe das Medium Video für mich entdeckt. Da ist es derzeit schon noch so, das die früheren Fotoapparate die auch filmen konnten noch dtl. Verbesserungspotential haben, wesewegen ich auch immer mal wieder nach einer neuen Kamera schiele. Aber eigentlich reichen für meine stümperhaften Youtube-Filmchen auch meine vorhandenen Kameras völlig aus. Zorro würde mich jetzt in die Kategorie dieser schrecklichen Hobby-Filmer, die in 10min erzählen, wofür auch ein Satz reichen würde, einordnen, aber das ist mir völlig wurscht, wo andere mich einzustufen wünschen.

Ich kann keine ganze Geschichte mit einem oder wenigen Fotos erzählen, wie Du Sam es immer wieder schaffst. Ich brauche dafür halt ein paar Minuten länger und auch der Prozess bis so ein Video fertig ist dauert ewig, aber damit habe ich endlich meine Ausdrucksform gefunden. Ich freue mich wenn andere meine Filmchen schauen und kommentieren, ich ärgere mich am Schnittrechner zwar, wenn womöglich die Belichtung nicht paßte, oder die blöde Kamera den Focus versemmelt hat, aber das für mich wichtige in den Filmchen ist meine "Botschaft". Ich beschäftige mich im Vorfeld viel mit dem Film, lege mir im Kopf ein Konzept zurecht, entscheide wieviele Kameras ich wo brauche, was will ich zeigen, manchmal schreibe ich auch vorher ein paar Stichworte auf. Die kindliche Freude am Tun ist auf einmal wieder da, ich kann immer noch technisch viel perfektere Fotos machen als mir das beim Filmen möglich ist, aber da habe ich fast keinen Spaß mehr dran.

Damit verschieben sich auch recht schnell die Ansprüche. Sensorgröße, superschneller AF, höchstmögliche ISO, F oder Z, ..... ist relativ wurscht, wenn die Kamera zu groß und zu schwer für mein Saugstativ im Auto ist kann ich sie nicht gebrauchen. Viel wichtiger ist, das sie perfekt vom Smartphone aus zu bedienen ist, sie wird zu einem reinen Werkzeug ohne jeden "Selbstbefriedigungsauftrag"

Im Endeffekt bin ich nun bei einer zu Dir recht ähnlichen Einstellung angelangt, allerdings war der Weg bei mir -durch das ewige neueste Kamera kaufen und mit viel Verlust wieder verkaufen- etwas arg viel teurer. Natürlich werde ich auch in Zukunft Videokameras kaufen, die zur Not auch fotografieren können, einfach weil ich Spaß an neuer Technik habe, aber nicht mehr weil ich der Meinung bin damit dramatische Verbesserungen meiner Ergebnisse erzielen zu könnnen. Die heuteigen Kameras egal ob man sie für Foto oder Video nutzt sind alle so gut, das einzig und allein ich die Limitierung darstelle.



Musik wollte ich auch immer machen :cool: Hier fliegen diverse Gitarren und Keyboards rum, aber auch dafür fehlt mir einfach die künstlerische Ader. Trotzdem habe ich jetzt endlich ein Instrument für mich gefunden, ich spiele seit ein paar Monaten Schlagzeug, paßt perfekt zu mir, da es auch dort erstmal überwiegend um die reine Technikbeherrschung geht.
 
Kommentar
Hej Stefan,

das trifft nur zu auf WOW ich kann auch was oder gug mal wie ich meinen Materialismus auspacke... Und das ganze in manischer Stimmung. Wenn jemand etwas erlebt und das auch noch authentisch erzählt, habe ich nichts gegen 10 Min. ;-)) oder mehr...
Nur wenn es rezeptmäßig geht, gepackt, ins Auto gestiegen, Fähre / Flugzeug, angekommen und übriges Klischee...
Auch wenn wir oft unterschiedliche Meinungen zu den Themeninhalten haben, bewege ich Deine Argumente schon und denke darüber nach.
Was mir und für Leute mit etwas anderem Anspruch sicher gut wäre, wäre eine Plattform oder Zusammenkünfte wo man konztruktiv über Inhalte und dasjenige redet wire die Inhalte / Botschaften umgesetzt wurden und ob die Ausdrucksweisen wenigstens bei einem gewissen Anteil der Menschen, die sich das anschauen (egal ob Bild ob Film) ankommen.
Schließlich haben wir ja auch sprechen gelernt, nicht aus Langeweile, sondern um uns auszutauschen und im sozialen Gegenüber einen Spiegel zu finden und Anregeungen und Entwicklungen zu bekommen.

Schönen Sonntag noch...
Dieter
 
Kommentar
-Anzeige-
Zurück
Oben Unten