Hi,
jetzt erlaube ich mir mal, als Gelegenheits-Portrait- / Bewerbungsknipser, aber mit einer einigermaßen soliden fotogr. Ausbildung, meine 2 Cent dazuzugeben.
Wie der Name "Bewerbung" verät, geht es bei einem solchen Foto auch um Werbung - für eine Person. Selbige will sich bei der Suche nach einem Job aus einer Viel- bis Hundertzahl von Mitbewerben hervorheben.
Dazu gehört vor dem Fotografieren das Nachdenken über die Zielgruppe, also das Unternehmen, bei ich mich bewerbe. Eine Bank wird andere Erwartungen haben als ein Laden für Skater-Klamotten in der City.
Dem entsprechend kann man über unterschiedliche Bildstile nachdenken - im Zweifen aber eher den seriöseren wählen - hinten im Skaterladen sitzt vielleicht ein Kaufmann im Anzug...
Die Art der Stelle ist auch zu bedenken - für den Vorstandposten wird man anders antreten als für den Gabelstaplerfahrer...
Ein Bewerbungsfoto ist also ein Werbefoto, aber nicht für eine Sache, sondern für einen Menschen. Wer macht die Werbefotos für Sachen? Werbefotografen, meistens welche, die Fotografie studiert haben, oder sich einige Jahre lang bei anderen Werbefotografen allerlei abgeschaut haben.
Bewerbungsfotos werden meistens von handwerklich ausgebildeten Fotografen gemacht, die ein 2-3 Jahre gelernt haben, auf der Berufsschule waren und im besseren Fall mit Leib und Seele fotografieren und ihr Handwerk beherrschen. Im besseren Fall wird sich der Mensch im Portrait-Fotostudio mit offenen Augen erst mal den Menschen anschauen und ausfragen, wo er sich bewerben will.
Im Gegensatz zu Sachen sind menschliche Gesichter höchst veränderlich. Eine Spur Unsicherheit oder Ungeduld beim Fotografen wird sich im Gesicht des Fotografierten spiegeln - genau wie jede Nuance in der Lichtführung Emotionen im Betrachter auslösen wird.
Ich halte das Machen von guten Bewerbungsfotos keinesfalls für leichter als das Machen von Werbefotos von Autos, Industriehallen, Fräsmaschinen oder Armbanduhren, auch wenn der technische Aufwand eher geringer ist.
Da geht es um erheblich mehr als "Der Schatten ist zu stark" oder "Der Hintergrund hat Falten".
Bewerbungsbilder sollen heute, soviel ich weiss, abnehmbar sein, wenn man sich in einem Unternehmen / Institution bewirbt, die auf das AGG achten muss. Infos sind in der einschägigen Literatur zu finden, im FAZ-Verlag gab es mal recht gute Bücher.
Was sind Ausschuss-Kriterien, wenn ein Foto dabei sein darf?
- Foto sieht billig aus, hat Knicke oder Flecken.
- Foto ist schief geschnitten
- Foto mit einer angerosteten Büroklammer angebracht
- die Kleidung ist der Stelle nicht angemessen
- die Kleidung passt nicht zur Person
- die Person hat keine positive Ausstrahlung
- der Stil des Fotos passt nicht zur Stelle
- der Stil des Fotos passt nicht zur Person
- man sieht dem Foto an, das der Bewerber 9,90 Euro sparen wollte.
Wenn nicht in der sachlichen Qualifikation eine absolute Alleinstellung des Kandidaten zu finden wäre, dürfte jeder dieser Faktoren die Bewerbung nach hinten befördern.
Wer einem arbeitsuchenden Menschen einen Gefallen tun will, schicke ihn zum Profifotografen. Welcher Unternehmer, außer dem Frittenkocher an der Ecke, würde seine Werbefotos selbst machen oder den Bekannten, der eine DSLR hat, fragen? Ein Blick auf die selbstgeschossenen Fotos in der Pommesbude ist auch selten appetitanregend...
Passbilder sind eine andere Sache, da ist der Ausdruck schietegal, da geht es um emotionslose Ausleuchtung und Einhaltung von Vorschriften.
Wie findet man ein gutes Portraitstudio? Einfach mal ein paar Schaufenster der Portraitstudios anschauen, da sollten mehr als eine Handvoll Bilder drinhängen, bei denen man sich sagt "Den oder die auf dem Foto würde ich gerne kennenlernen!" Dann mal reingehen, sein Anliegen (Bewerbung für Stelle als .... bei Unternehmen XY...) und schauen, was dann kommt. Wird man in eine Ecke mit fest installierten Lampen und angeschraubter Kamera geführt - raus aus dem Laden, weiter suchen.
Herzliche Grüße
Christian