Vielen Dank für den Hinweis auf das interessante Thema und die Ausstellung! Es wäre gut, wenn wir im Thread eng beim Thema blieben und die Auswirkungen der Fotografie auf die Umwelt nicht mit anderen Produkten, z.B. SUVs, verknüpften. Und damit klar wird, worum es in der Ausstellung genau geht, habe ich mir einmal den Pressetext und Bildmaterial besorgt. Meiner Meinung nach unbedingt einen Besuch wert, aber entscheidet selbst:
Mining Photography. Der ökologische Fußabdruck der Bildproduktion
Ausstellung bis 31. Oktober 2022 im MKG Hamburg
Robert Smithson, Asphalt Rundown, 1969, Dokumentationsfotografie, Cava dei Selce, Rom, Italien, Foto: Robert Smithson, © Holt/Smithson Foundation, lizensiert durch VG Bild-Kunst, Bonn 2022
In der Ausstellung „Mining Photography. Der ökologische Fußabdruck der Bildproduktion“ widmet sich das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MK&G) der Materialgeschichte zentraler Rohstoffe der Fotografie und stellt den Zusammenhang zur Geschichte ihres Abbaus, ihrer Entsorgung und dem Klimawandel her. Anhand historischer Fotografien und zeitgenössischer künstlerischer Positionen sowie Interviews mit Expert*innen erzählt sie die Geschichte der Fotografie als eine Geschichte der industriellen Fertigung und zeigt, wie das Medium zu den vom Menschen verursachten Veränderungen der Natur beiträgt. Die ca. 170 Arbeiten umfassende Ausstellung nimmt eine neue Perspektive ein, indem sie nicht bloß die Folgen des Klimawandels abbildet, sondern erforscht, wie das Medium Fotografie selbst materiell und ideologisch in Umweltveränderungen verwickelt ist.
Seit ihrer Erfindung ist die Fotografie von der Gewinnung und der Ausbeutung natürlicher Rohstoffe abhängig. Im 19. Jahrhundert waren es Salz, Kupfer und Silber, die für die ersten Fotografien auf Kupferplatten und für Salzpapierabzüge genutzt wurden. Nach dem Aufkommen der Silbergelatineabzüge wurde die Fotoindustrie im späten 20. Jahrhundert mit über der Hälfte des weltweiten Verbrauchs zur wichtigsten Abnehmerin für Silber. Im Zeitalter der digitalen Fotografie und der Smartphones ist die Bildproduktion auf Seltene Erden und Metalle wie Koltan, Kobalt und Europium angewiesen. Die Speicherung der Bilder und ihre Distribution produzieren zudem großen Mengen an CO2.
Die Ausstellung gliedert sich nach den unterschiedlichen Materialien, die für die fotografische Produktion Verwendung finden, in fünf Kapitel: Kupfer für die Daguerreotypien; fossile Brennstoffe wie Kohle und Bitumen für die Druckverfahren; Silber für die weitverbreiteten Silber- gelatineabzüge im 20. Jahrhundert; Papier als Trägermaterial und Seltene Erden für die immer kleiner werdenden Kameras und Smartphones.
Interviews mit M. Susan Barger, Restauratorin, Hans Joosten, Biologe, Hannah Pilgrim, Aktivistin, Rainer Redmann, Chemiker, Katrin Westner, Mineralogin und Katherine Mintie, Kunsthistostorikerin, beleuchten verschiedene Aspekte der Materialien in Bezug auf ihren ökologischen Fußabdruck.
Die Ausstellung verfolgt exemplarisch einzelne Handelsketten und analysiert, wie sich die für das bloße Auge nicht erkennbare Materialität von Fotografien im Laufe der Jahre verändert hat. So stellt sie etwa die Frage, woher das Kupfer stammt, das für Hermann Biows Daguerreotypie vom Universalgelehrten Alexander von Humboldt verwendet wurde.
Fotograf unbekannt. Silberbarren im Tresor von Kodak, 1945. Kodak Historical Collection #003, Rare Books, Special Collections, and Preservation, University of Rochester, Rochester, N.Y., Nutzung erlaubt durch Eastman Kodak Company
Das Kapitel
Kupfer, Gold und die Daguerreotypie untersucht die Kupferplatten, die in den 1840er und 1850er Jahren die ersten Bildträger der Fotografie waren. Sie wurden im industriellen Maßstab vornehmlich in Paris produziert und weltweit vertrieben. Angetrieben durch fossile Brennstoffe wurde Kupfer im walisischen Swansea verarbeitet. Aus allen Teilen der Welt wurden Erze nach England transportiert und dort verhüttet, um weltweit gehandelt zu werden. Die Fotografie war vom Kupferhandel abhängig und ihre schnelle Verbreitung wäre ohne fossile Brennstoffe, koloniale Expansion und Ausbeutung von Bodenschätzen nicht denkbar gewesen. Die Fotografien aus der Ära des Goldrausches geben ein deutliches Bild von den Auswirkungen der extraktiven Bergbauindustrie. Sie dokumentieren sowohl die Zerstörung der Landschaft als auch die Selbstinszenierung der Goldgräber, die sich als Entrepreneure stolz der Kamera präsentieren. Als weibliche Pendants repräsentieren die sogenannten Grubenfrauen aus Wigan die unsichtbare Arbeit, die mit einem industrialisierten Produkt wie der Fotografie einhergeht. Die anlässlich der Ausstellung entstandene Arbeit „Hygieia Watches Over Us“ von Ignacio Acosta verknüpft die aus Kupfer gefertigte Skulptur der Personifikation der Hygiene mit der Kupferproduktion der Hamburger Firma Aurubis. Die Skulptur ist Teil des seit 2010 laufenden Projekts „Copper Geographies“, in dem der Künstler die internationalen Handelswege des aus seinem Herkunftsland Chile stammenden Kupfers verfolgt.
Ignacio Acosta (*1971). Hygieia Watches Over Us, 2022.Installation aus 40 Pigment Pri9nts und Video (Detail) © Ignacio Acosta
In
Fossile Brennstoffe, Kohle und Bitumen widmet sich die Ausstellung Ruß und Kohle als Pigmente, die als Beimischung von Farbstoffen in der Fotografie zum Einsatz kommen, etwa in Arbeiten von Anaïs Tondeur, Oscar und Theodor Hofmeister, Eduard Arning oder Susanne Kriemann. Auf der Motivebene werden Moorlandschaften gezeigt, in denen der für die Fotografie genutzte Brennstoff Torf abgebaut wird. Der bei der Verbrennung von fossilen Brennstoffen entstandene Ruß wird den Pigmenten beigemischt. Ein weiterer fossiler Brennstoff ist das lichtempfindliche Bitumen, ein natürlich vorkommender Asphalt, der in der Reproduktionsfotografie eingesetzt wurde. Eine eigens für die Ausstellung entstandene Arbeit von Noa Yafe zeigt die Landschaften am Toten Meer, in denen dieser Rohstoff der Fotografie abgebaut wird.
Jürgen Friedrich Mahrt (1882-1940). Torfabbau im Hartshoper Moor, um 1930 Silbergelatinepapier, koloriert. Sammlung Mahrt/Storm, Rendsburg/Berlin
Papier und seine Beschichtung widmet sich den Materialien Baumwolle, Zellulose, Gelatine und Celluloid. Papier wurde im 19. Jahrhundert zunächst auf Basis von Lumpen, die aus Baumwolle oder Flachs bestanden, vornehmlich in Europa produziert. Die Baumwolle pflanzte und erntete man um 1860 in den amerikanischen Südstaaten mithilfe von Sklav*innen, verschiffte sie nach Europa, um sie dort zu Stoffen zu verarbeiten, die dann als Lumpen den Hauptanteil von Papier ausmachten. Erst im 20. Jahrhundert wurde Holz in Form von Zellulose in der Papierproduktion eingesetzt. Die Fotograf*innen Alison Rossiter und F&D Cartier thematisieren die unterschiedliche Materialität historischer Fotopapiere in poetisch abstrakten Bildfindungen. Tierische Produkte waren für die Beschichtung dieser Papiere unabdingbar. Im 19. Jahr- hundert waren es Eier, im 20. Jahrhundert Gelatine, die hauptsächlich aus Rinderknochen hergestellt wurde. Die brutale Realität der industrialisierten Fleischproduktion dokumentieren und reflektieren Madame d’Ora und James Welling, die sich auf unterschiedliche Weise den Materialien der fotografischen Beschichtung widmen. Für die Ausstellung hat Tobias Zielony eine Arbeit geschaffen, die auf Recherchen in der ehemaligen Agfa-Filmfabrik Wolfen basiert und auf die Aspekte von Arbeit und Ökologie in der Fotoindustrie fokussiert.
Fotograf unbekannt. Rohpapierlager der AGFA AG, Leverkusen 1956 C-Print, auf Karton montiert. Sammlung Agfa, Museum Ludwig, Köln © Museum Ludwig
Das Edelmetall
Silber ist die Grundlage des fotografischen Bildes und wird dafür noch heute benötigt. Unter den in der Ausstellung behandelten Rohstoffen ist die Fotoindustrie für Silber zumindest zeitweilig der weltweit größte industrielle Abnehmer. Hier zeigt sich die schiere Menge an benötigtem Material am deutlichsten. Die Arbeiten von Daphné Nan Le Sergent, Simon Starling und dem Kollektiv Optics Division of the Metabolic Studio berühren die Zusammenhänge des Rohstoffabbaus, seiner kolonialen Hintergründe und der Verarbeitung von Silber. Sergent beschäftigt sich auch mit dem Einfluss des Marktwerts des Edelmetalls, der technische Innovationen vorangetrieben und lukrativer gemacht hat.
Optics Division of the Metabolie Studio (Lauren Bon, Tristan Duke und Richard Nielsen) Lake Bed Developing Process, 2013 © Optics Division of the Metabolie Studio
Das Gewicht der Cloud: Seltene Erden, Metalle, Energie und Abfall thematisiert die Ressourcen, die benötigt werden, um digitale Bilder zu produzieren, auszustellen und zu speichern. Der Abbau von Seltenen Erden, die in unseren Smartphones und Datenspeichern zur Distribution von Bildern verbaut werden, verbraucht große Mengen Energie.
Schließlich landen die Seltenen Erden auf ständig wachsenden Bergen von Elektroschrott im globalen Süden, die ebenso schnell anschwellen wie der Hunger nach neuen Geräten. Den Aspekt des Recyclings behandelt Lisa Barnard in ihrem forschungsbasierten Werk „The Canary and the Hammer“ über das Edelmetall Gold. Mary Mattingly verfolgt die komplizierten, oft undurchsichtigen Lieferketten von Kobalt, die sie kartografiert und deren Abbild sie fortwährend an das Marktgeschehen anpasst. Lisa Rave widmet sich in ihrem Videoessay dem Seltenerdmetall Europium. Die in Zusammenarbeit mit der Klasse von Christoph Knoth und Konrad Renner an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HFBK) entwickelte App lässt die Besucher*innen die Lebensdauer und Recyclingaspekte ihrer Telefone betrachten und damit ihrem eigenen Energieverbrauch nachspüren.
Mary Mattingly (* 1979). Eagle Mine, 2016 © Mary Mattingly
Beteiligte Künstler*Innen
Ignacio Acosta, Lisa Barnard, F& D Cartier, Klasse Digitale Grafik HFBK Hamburg (Mari Lebanidze, Cleo Miao, Leon Schwer und Marco Wesche), Susanne Kriemann, Mary Mattingly, Daphné Nan Le Sergent, Optics Division of the Metabolic Studio (Lauren Bon, Tristan Duke und Richard Nielsen), Lisa Rave, Alison Rossiter, Robert Smithson, Simon Starling, Anaïs Tondeur, James Welling, Noa Yafe, Tobias Zielony
Historisches Material und Leihgaben
Die Ausstellung zeigt historische Werke u.a. von Eduard Christian Arning, Hermann Biow, Oscar und Theodor Hofmeister, Honoré d'Albert de Luynes, Jürgen Friedrich Mahrt, Charles Nègre, Madame d’Ora, Hermann Reichling und Louis Vignes. Zusammen mit historischem Bildmaterial aus dem Agfa Fotohistorama Leverkusen, dem Eastman Kodak Archive, Rochester, dem FOMU Antwerpen, von Alexander von Humboldt gesammelten Mineralienproben aus der Sammlung des Museums für Naturkunde, Berlin, sowie Cartes de visite von Minenarbeiterinnen repräsentieren sie die Fülle fotografischer Produkte und Verfahren, deren Rohstoffe die Ausstellung in den Mittelpunkt rückt.
Katalog
Zur Ausstellung erscheint eine Publikation (deutsch und englisch) mit Beiträgen u.a. von Siobhan Angus, Nadia Bozak, Boaz Levin, Brett Neilson, Esther Ruelfs, Christoph Ribbat, Karen Soli. 174 Seiten. Spector Verlag, Leipzig. 36 Euro. Erhältlich im Museumsshop oder
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*Für Bestellungen über Partnerlinks erhält das Netzwerk Fotografie kleine Provisionen. Am Preis für dich als Kunden ändert sich nichts.
Die Ausstellung wird kuratiert von dem Künstler, Autor und Kurator Boaz Levin und Dr. Esther Ruelfs, Leiterin der Sammlung Fotografie und neue Medien am MK&G.
Ausstellungsansicht © Henning Rogge
Ausstellungsarchitektur
Die Ausstellungsarchitektur von Thomas Jehle, Wien, besteht aus recycelten und wiedernutzbaren Materialien.
Ausstellungsgrafik
Studio Pandan
Es gibt dazu auch mehrere Videos auf YouTube, eines binde ich hier ein:
Zur Webseite des MKG Hamburg:
Startseite | Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
www.mkg-hamburg.de