Ahoi, weiter geht’s...
Diese Episode ist wirklich lang geworden - ich hoffe Ihr haltet durch!
Die Nacht kam, aber es wurde nicht dunkel. Jedenfalls nicht so dunkel, dass man nicht noch aus der Hand fotografieren konnte (auf dem schwankende Schiff ist ein Stativ ja auch kaum zu gebrauchen - es lebe VR!).
Was mich zu einem echten Problem hier oben führt.
Wenn das Licht gut ist, kann man sich seinen Schlaf abschminken. Das ist echt anstrengend...man merkt am Anfang kaum dass man nicht schläft - es bleibt ja hell, und warum sollte man da schlafen? Und so kam ich irgendwie schon mit Augenringen aus Longyearbyen an Bord.
Aber kann man sich solches Licht entgehen lassen?
Irgendwann bin ich dann doch ins Bett gegangen, um am Morgen von dem Ruf „Eis“ geweckt zu werden. Angezogen, hochgestiegen, rausgegangen - und erstarrt. Der Anblick der Eisschollen um uns herum jagte mir eine Gänsehaut auf den Rücken - und das nicht wegen der Kälte. Der Anblick ist so erhaben, dass es nicht zu beschreiben ist.
Ein Fotofreund hatte mich vorgewarnt. Er erzählte, dass er nach seiner Grönlandreise oft von Eisbergen geträumt hatte und im Halbschlaf in der aufgetürmten Bettdecke im Schummerlicht Eisberge auf sich zukommen sah. Er hatte nicht zu viel versprochen.
Wir sahen zwar keine richtig großen Eisberge - aber das Eis ist trotzdem einfach nur faszinierend. Es glättet das Meer und dämpft alle Geräusche, man hat den Eindruck einer großen Stille.
Pünktlich nach dem Frühstück wurde uns ein kleiner Eisberg serviert.
Da wir uns ja auf einer „Fotografenreise“ befanden, bekamen wir ausgiebig Gelegenheit, die Eisberge fotografisch zu erschließen. Kapitän Per Andersson war so nett, um jeden Berg ein paar langsame Kreise zu drehen. Dadurch hatten wir binnen weniger Minuten die Eisberge in völlig anderen Lichtsituationen vor den Linsen.
Stein oder Eis?
Wenig später drängte sich ein weiterer Berg vor unsere Objektive, dieser hatte visuell einen völlig anderen Charakter als der erste.
Panzer eines Eisreptils?
Oder eine Büste mit dynamischer Frisur?
Oder was?
Auch etwas entsättigt nicht schlecht.
Vor dem Berg dümpelte ständig ein einsames Gryllteisten-Weibchen dahin...
...und wir erfreuten uns an seiner Linienführung und an seinen Tonwerten.
Eine keine technische Info: bei keinem Bild ist die Sättigung angehoben. Mit ganz wenigen Ausnahmen wurden die Bilder durchgehend als „Standard“ in CNX entwickelt. Bei den vielen Bildern ist der Horizont und bei fast allen die Tonwertkurve etwas angepasst, bei manchen wurde danach die Sättigung etwas zurückgenommen. Die Ausschnitte sind zu 99% „as shot“.
Diese Eisberge waren ein tiefes und fast schon spirituelles Erlebnis (falls ich das als Agnostiker so sagen darf :zwinker.
Auch hier spukte mir ein Literaturzitat durch den Kopf, nämlich die Eingangsepisode von Stanislav Lems „Fiasko“ - als Pirx kurz vor seiner Schockfrostung über die bizarre Schönheit und Wucht des kosmischen Formenschatzes nachdenkt. Ein Formenschatz, der in seiner Vielfalt die Mühen aller menschlichen Künstler zu jämmerlicher Stümperei degradiert und doch ohne jede Eitelkeit, ohne unseren Exhibitionismus an den entlegensten und unzugänglichsten Stellen der Erde aufgestellt ist. Und so vergänglich...der Eisberg schmilzt, die Formen verschwinden, die Natur kümmert es nicht.
Dieser Tag war vom Anfang bis zum Ende ein Erlebnis.
Die Lichtstimmung war durchgehend sehr geheimnisvoll.
Selbstportrait am Bug - das Wasser war glatt wie ein Spiegel.
Wir fuhren nach Ost-Nordost, in Richtung des südlichen Endes vom Austfonna - dem gigantischen Gletscher, der fast die gesamte Nordost-Insel bedeckt. Der Austfonna erstreckt sich über mehr als 8.100*km² (zusammen mit Vegafonna 8.492*km²) und ist der flächenmäßig größte Gletscher Europas.
Auf dem Weg dorthin begegneten uns zwei weitere, tonnenschwere Wunder der Natur. Dieses Mal in unmittelbarer Nähe: zwei Walrosse. Es fällt schwer, Worte zu finden die diese Viecher beschreiben. Sie wirken einfach nicht wie von dieser Welt. Liegen fett und rund auf Ihrer Eisscholle, an Land unförmig, plump und langsam, wirken sie wie ausgeschnitten aus der Apothekenzeitung: „Die Folgen von schwerem Übergewicht...“. Mit Ihren roten Augen schauen sie teilnahmlos-neugierig und irgendwie traurig in die Welt. Man fühlt sich erinnert an den guten alten Seelefant (bei Urmel aus dem Eis von James Krüss, Ihr wisst schon ;-)).
Eigene Scholle.
Das Walross ernährt sich vor allem von Muscheln, die es aussaugt. Dazu hat es äußerst muskulöse Lippen. Die zwei überdimensionalen Hauer dienen hauptsächlich als Geweih und wenn nötig zum verprügeln hungriger Eisbären, die sich aber nur selten an Walrossherden herantrauen - denn das kann tödlich enden. Nebenbei gibt es das Problem, dass sich der Eisbär recht hart tut, an einem Walross eine Stelle zum reinbeissen zu finden. Die Radien sind einfach zu groß, als dass man da einfach mal ne Gurgel packen oder in einen Kopf beissen könnte.
Wenn sie so offen ausatmen weht es die stricknadeldicken und hochsensiblen Barthaare zur Seite.
Selbstverständlich gab es hier einst viel mehr Walrosse als heute (um Svalbard angeblich um die 2000 Exemplare). Aber das Walross bietet Elfenbein, welches sich weniger verfärbt als das von Elefanten. Das reichte, um auch hier ein Blutbad anzurichten - oft wurden (nachdem die auf Distanz wehrlosen Tiere mit Lanzen abgestochen wurden) nur die Köpfe abgehackt und der Rest liegen gelassen. Soviel zum Beitrag der sog. Krone der sog. Schöpfung.
Diese Lippen - da wird Angelina neidisch. Der Kuss eines Walross kann für einen durchschnittlichen Menschen tödlich sein. :zwinker:
Kein Ansatzpunkt zum reinbeissen vorhanden.
„Broken Hauer“ hatte übrigens mehrere große, runde Narben. Die Spuren vergangener Paarungskämpfe?
Nach ein paar Runden um die Scholle tuckerten wir weiter....
Zwischendurch gab es wieder einen Eisberg. Dieser hier wollte wohl unbedingt dem Wort „bizarr“ neue Bedeutung geben.
Zu Eis erstarrte Ritter längst vergangener Armeen?
Entsprechende Belichtung und eine dezente Anhebung des Kontrasts brachten aber auch wieder ganz andere Ansichten zum Vorschein.
Weiter in Richtung Nordosten wars wieder auch landschaftlich sehr schön.
Doch der Tag war noch nicht zu Ende und das eigentliche Highlight wartete noch.
......
Diese Episode ist wirklich lang geworden - ich hoffe Ihr haltet durch!
Die Nacht kam, aber es wurde nicht dunkel. Jedenfalls nicht so dunkel, dass man nicht noch aus der Hand fotografieren konnte (auf dem schwankende Schiff ist ein Stativ ja auch kaum zu gebrauchen - es lebe VR!).
Was mich zu einem echten Problem hier oben führt.
Wenn das Licht gut ist, kann man sich seinen Schlaf abschminken. Das ist echt anstrengend...man merkt am Anfang kaum dass man nicht schläft - es bleibt ja hell, und warum sollte man da schlafen? Und so kam ich irgendwie schon mit Augenringen aus Longyearbyen an Bord.
Aber kann man sich solches Licht entgehen lassen?
Irgendwann bin ich dann doch ins Bett gegangen, um am Morgen von dem Ruf „Eis“ geweckt zu werden. Angezogen, hochgestiegen, rausgegangen - und erstarrt. Der Anblick der Eisschollen um uns herum jagte mir eine Gänsehaut auf den Rücken - und das nicht wegen der Kälte. Der Anblick ist so erhaben, dass es nicht zu beschreiben ist.
Ein Fotofreund hatte mich vorgewarnt. Er erzählte, dass er nach seiner Grönlandreise oft von Eisbergen geträumt hatte und im Halbschlaf in der aufgetürmten Bettdecke im Schummerlicht Eisberge auf sich zukommen sah. Er hatte nicht zu viel versprochen.
Wir sahen zwar keine richtig großen Eisberge - aber das Eis ist trotzdem einfach nur faszinierend. Es glättet das Meer und dämpft alle Geräusche, man hat den Eindruck einer großen Stille.
Pünktlich nach dem Frühstück wurde uns ein kleiner Eisberg serviert.
Da wir uns ja auf einer „Fotografenreise“ befanden, bekamen wir ausgiebig Gelegenheit, die Eisberge fotografisch zu erschließen. Kapitän Per Andersson war so nett, um jeden Berg ein paar langsame Kreise zu drehen. Dadurch hatten wir binnen weniger Minuten die Eisberge in völlig anderen Lichtsituationen vor den Linsen.
Stein oder Eis?
Wenig später drängte sich ein weiterer Berg vor unsere Objektive, dieser hatte visuell einen völlig anderen Charakter als der erste.
Panzer eines Eisreptils?
Oder eine Büste mit dynamischer Frisur?
Oder was?
Auch etwas entsättigt nicht schlecht.
Vor dem Berg dümpelte ständig ein einsames Gryllteisten-Weibchen dahin...
...und wir erfreuten uns an seiner Linienführung und an seinen Tonwerten.
Eine keine technische Info: bei keinem Bild ist die Sättigung angehoben. Mit ganz wenigen Ausnahmen wurden die Bilder durchgehend als „Standard“ in CNX entwickelt. Bei den vielen Bildern ist der Horizont und bei fast allen die Tonwertkurve etwas angepasst, bei manchen wurde danach die Sättigung etwas zurückgenommen. Die Ausschnitte sind zu 99% „as shot“.
Diese Eisberge waren ein tiefes und fast schon spirituelles Erlebnis (falls ich das als Agnostiker so sagen darf :zwinker.
Auch hier spukte mir ein Literaturzitat durch den Kopf, nämlich die Eingangsepisode von Stanislav Lems „Fiasko“ - als Pirx kurz vor seiner Schockfrostung über die bizarre Schönheit und Wucht des kosmischen Formenschatzes nachdenkt. Ein Formenschatz, der in seiner Vielfalt die Mühen aller menschlichen Künstler zu jämmerlicher Stümperei degradiert und doch ohne jede Eitelkeit, ohne unseren Exhibitionismus an den entlegensten und unzugänglichsten Stellen der Erde aufgestellt ist. Und so vergänglich...der Eisberg schmilzt, die Formen verschwinden, die Natur kümmert es nicht.
Dieser Tag war vom Anfang bis zum Ende ein Erlebnis.
Die Lichtstimmung war durchgehend sehr geheimnisvoll.
Selbstportrait am Bug - das Wasser war glatt wie ein Spiegel.
Wir fuhren nach Ost-Nordost, in Richtung des südlichen Endes vom Austfonna - dem gigantischen Gletscher, der fast die gesamte Nordost-Insel bedeckt. Der Austfonna erstreckt sich über mehr als 8.100*km² (zusammen mit Vegafonna 8.492*km²) und ist der flächenmäßig größte Gletscher Europas.
Auf dem Weg dorthin begegneten uns zwei weitere, tonnenschwere Wunder der Natur. Dieses Mal in unmittelbarer Nähe: zwei Walrosse. Es fällt schwer, Worte zu finden die diese Viecher beschreiben. Sie wirken einfach nicht wie von dieser Welt. Liegen fett und rund auf Ihrer Eisscholle, an Land unförmig, plump und langsam, wirken sie wie ausgeschnitten aus der Apothekenzeitung: „Die Folgen von schwerem Übergewicht...“. Mit Ihren roten Augen schauen sie teilnahmlos-neugierig und irgendwie traurig in die Welt. Man fühlt sich erinnert an den guten alten Seelefant (bei Urmel aus dem Eis von James Krüss, Ihr wisst schon ;-)).
Eigene Scholle.
Das Walross ernährt sich vor allem von Muscheln, die es aussaugt. Dazu hat es äußerst muskulöse Lippen. Die zwei überdimensionalen Hauer dienen hauptsächlich als Geweih und wenn nötig zum verprügeln hungriger Eisbären, die sich aber nur selten an Walrossherden herantrauen - denn das kann tödlich enden. Nebenbei gibt es das Problem, dass sich der Eisbär recht hart tut, an einem Walross eine Stelle zum reinbeissen zu finden. Die Radien sind einfach zu groß, als dass man da einfach mal ne Gurgel packen oder in einen Kopf beissen könnte.
Wenn sie so offen ausatmen weht es die stricknadeldicken und hochsensiblen Barthaare zur Seite.
Selbstverständlich gab es hier einst viel mehr Walrosse als heute (um Svalbard angeblich um die 2000 Exemplare). Aber das Walross bietet Elfenbein, welches sich weniger verfärbt als das von Elefanten. Das reichte, um auch hier ein Blutbad anzurichten - oft wurden (nachdem die auf Distanz wehrlosen Tiere mit Lanzen abgestochen wurden) nur die Köpfe abgehackt und der Rest liegen gelassen. Soviel zum Beitrag der sog. Krone der sog. Schöpfung.
Diese Lippen - da wird Angelina neidisch. Der Kuss eines Walross kann für einen durchschnittlichen Menschen tödlich sein. :zwinker:
Kein Ansatzpunkt zum reinbeissen vorhanden.
„Broken Hauer“ hatte übrigens mehrere große, runde Narben. Die Spuren vergangener Paarungskämpfe?
Nach ein paar Runden um die Scholle tuckerten wir weiter....
Zwischendurch gab es wieder einen Eisberg. Dieser hier wollte wohl unbedingt dem Wort „bizarr“ neue Bedeutung geben.
Zu Eis erstarrte Ritter längst vergangener Armeen?
Entsprechende Belichtung und eine dezente Anhebung des Kontrasts brachten aber auch wieder ganz andere Ansichten zum Vorschein.
Weiter in Richtung Nordosten wars wieder auch landschaftlich sehr schön.
Doch der Tag war noch nicht zu Ende und das eigentliche Highlight wartete noch.
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