NF-Rezension Rezension: Michael Freeman, Schwarzweiß-Fotografie

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Virgil Kane

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Der Autor:
Michael Freeman ist als Autor eine Bank. Die Bücher des international bekannten Fotografen decken zahlreiche Facetten der Fotografie ab, spannen sich von Licht- und Blickführung über Reise- und Architekturbetrachtungen bis hin zu seinem Klassiker „Capturing the Moment - Die Essenz der Fotografie“. Ich hatte nun schon mehrere Bücher von Freeman in der Rezension und alle waren hervorragend. So viel vorweg: „Schwarzweiß-Fotografie“ reiht sich mühelos in die Liste der Empfehlungen ein.


Das Buch:
„Schwarzweiß-Fotografie“ ist im handlichen, beinahe quadratischen Format angelegt. Rund 15 mm stark liegt es satt in der Hand und lässt sich hervorragend blättern. Das Softcover besitzt doppelte Umschlagseiten zum Schutz der Ecken und eine stabile Bindung. Auf ein Lesebändchen wurde verzichtet. Papierqualität und Typographie sind tadellos, die Fotos werden durchgehend scharf und kontrastreich wiedergegeben. Manche Fotos oder Fotoserien stehen auf ganzseitigem schwarzen Font - vermutlich zur Unterbrechung der weißen Seiten oder um ihre Wirkung zu erhöhen. Die Wirkung ist tatsächlich sehr schön anzuschauen, jedoch haben schwarze Hintergründe immer das Problem, dass der unbehandschuhte Finger dort Spuren hinterlässt.

„Schwarzweiß-Fotografie“ erscheint im mitp-Verlag in der Edition PROFIFOTO, die nach eigenen Angaben das Know-how praxiserfahrener Autoren bündeln möchte und mit dem Slogan „made for professionals“ wirbt. Ein hehrer Anspruch, dem die Reihe nicht immer gerecht wird, der im vorliegenden Fall jedoch absolut erfüllt wird.


Der Inhalt:
Das Buch gliedert sich in drei große Kapitel mit zahlreichen Unterpunkten.

Kapitel 1: Die Tradition von Schwarz & Weiß
Im ersten Kapitel beleuchtet Freeman die Entstehung der Schwarzweiß-Fotografie sowohl aus technischer als auch aus historischer Sicht. Er beschreibt den Werdegang der Schwarzweiß-Fotografie von den Anfängen bis zur digitalen Technik und fasst die Entwicklung zusammen in dem Satz: „Was als Notwendigkeit begann, wurde als Normalität akzeptiert und ist jetzt - mit … unendlichen Möglichkeiten der Digitalbilder - eine kreative Entscheidung geworden.“

Schon in diesem Kapitel wächst die Lust am Lesen. Man erfährt über die Anfänge des Herrn Niépce, lernt über Nassplatten und wie Film auf Licht reagiert. Stilfragen werden angesprochen, etwa Landschafts- und Street-Fotografie in schwarz-weiß und warum das „Fehlen“ von Farbe mehr Raum lässt für Form und Detail. Natürlich darf ein Besuch im Atelier von Ansel Adams nicht fehlen und wird dazu genutzt, die Arbeit in frühen Dunkelkammern mit dem Wirken von Dirigenten zu vergleichen, die virtuos mit bloßen Händen oder mit selbstgebastelten Werkzeugen die Intensität von Licht und Schatten bei der Belichtung des Positivs auf dem Papier beeinflussten. Freeman kann es sich dabei nicht verkneifen, Parallelen zur Arbeit mit Photoshop und Co. zu ziehen. Elektronische Filter und Regler machen seiner Meinung nach im Grunde dasselbe wie die alten Pappschablonen. Mit dem gravierenden Unterschied allerdings, dass moderne Bildermacher beim Ausloten von Licht und Schatten alle Zeit der Welt haben, während die frühen Helden alles in den vielleicht zehn Sekunden der Belichtung auf die Reihe kriegen mussten.

Schon in diesen ersten Unterkapiteln wird deutlich, dass Freeman kein Lagerdenken betreibt. Was landläufig unter Digital und Analog verstanden und bei jeder Gelegenheit als Gegensatz zelebriert wird, ist für Freeman einfach nur Mittel zu Zweck. Er kommt mit Film genauso gut zurecht wie mit Sensoren und hat auch kein Problem mit Software, die dazu geschaffen wurde, um Filmlooks nachzuahmen. Im Gegenteil. Nach dem Grundsatz, das Beste aus allen Welten zu vereinen, ist es für ihn völlig legitim, sich dieser Hilfsmittel zu bedienen, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Denn darum sollte es beim Fotografieren gehen, um das Resultat. So bekommt man nebenbei noch eine Lektion über den Sinn und Unsinn technologischer Grabenkämpfe verpasst, die eine angenehme Entspannung bewirkt. Man muss überhaupt nichts. Alles ist erlaubt.


Kapitel 2: Digitales Schwarzweiß
Wie zur Untermauerung dieser These schließt sich das zweite Kapitel an und konzentriert sich auf Schwarzweiß digital. Hier geht es um Sensoren, lineare Aufnahme, Rauschen, Graustufen, Hauttöne, Farbumwandlung… - einfach alles rundum Schwarzweiß digital. Und über allem liegen wunderschöne Bildbeispiele. Da macht es auch nichts, wenn das Lektorat einmal einen Bayer-Filter in Mayer-Filter umbenennt - es geht schließlich um das große Ganze.

Beispielhafte Workflows für einzelne Software-Module zur SW-Umwandlung wie in Lightroom, Capture One, DXO Optics Pro werden angerissen, Silver Efex Pro bekommt sogar zwei ganze Doppelseiten zur Vorstellung. Allerdings kommen bei diesen Kapiteln die Schwächen des Buchdrucks ein wenig zum Vorschein. Man muss ab und an schon genau hinschauen, um bei den zu vergleichenden Bildpaaren die Effekte zu erkennen, die durch das Verschieben der Regler entstanden sind.

„Farben als Graustufen“ ist ein hoch interessantes Kapitel. Allein schon die Tabelle der Kodak Wratten-Filter und ihr Einfluss auf die Darstellung farbiger Oberflächen ist bedeutungsvoll und für die eigene Arbeit nützlich. Schön ist auch, dass Freeman bewusst die Grenzen der Schwarzweiß-Fotografie auslotet. Ein blühendes Lavendelfeld kann man noch so präzise und gekonnt in SW umwandeln, es verliert mit der Farbe seine Aussagekraft. Nicht bei jeder Bildaussage ist der Verzicht auf Farbe ein Gewinn.


Kapitel 3: Kreative Varianten
Jetzt geht es zunächst darum, schon vor der Aufnahme das Motiv farblich zu abstrahieren. Schwarzweiß-Denken hat zur Abwechslung einmal nichts mit vereinfachter Wahrnehmung zu tun sondern damit, das Bildergebnis zu antizipieren. Dazu ein Zitat des Fotografen Eliot Porter: „Wenn ich Dinge wie Felsen fotografiere, gehe ich anders vor, weil ich in Schwarzweiß die Formen viel besser sehe als in Farbe.“

Kontrast, Low und High Key und sogar HDR in Schwarzweiß werden in diesem Kapitel behandelt. Sogar eine Adaption des Adams ´schen Zonensystem auf Digitalkameras wird bemüht und ausführlich abgehandelt. Unabhängig davon, ob man sich dafür begeistern kann, zeigt dieses Kapitel doch, wie gut Freeman in der Lage ist, fotografische Theorie von aktueller Kameratechnik zu abstrahieren. Theorien sind nicht deshalb weniger wahrhaftig, weil sich die Technik ändert.

Ganz am Ende, unmittelbar vor Register und Index, schließt sich der photographische Kreis. Was mit Niépce begann, endet mit einer reich bebilderten Anleitung zur Entwicklung von Schwarzweiß-Filmen. So erhält der unbedarfte Leser einen Eindruck davon, wie einfach das eigentlich ist und versucht es vielleicht einmal selbst. Und der Analogue Native erinnert sich an seine Anfänge und freut sich darüber, was ihm heutzutage dank digitaler Technik erspart bleibt.


Für wen ist dieses Buch geeignet?
Für Freunde gelungener und anregender Fotobücher.
Für Schwarzweiß-Enthusiasten und solche, die es werden möchten.
Für alle, die einen plausiblen Grund benötigen, auf Farben in der Fotografie zu verzichten.
Für Schwarzweiß-Freunde, die Tipps suchen, wie sie ihre Ergebnisse verbessern können.
Für Michael Freeman-Fans, die keine Folge der Serie verpassen möchten.

Fazit
„Schwarzweiß-Fotografie“ von Michael Freeman ist ein Gewinn für jeden Foto-Enthusiasten. Auch wer nicht daran denkt, schwarzweiß zu fotografieren wird das Buch mit Gewinn lesen. Ein Buch so tief und zeitlos wie „die Kunst des Monochromen“. 5 Sterne

Die Daten
Michael Freeman. Schwarzweiß-Fotografie. Die zeitlose Kunst des Monochromen erschien am 11. August 2017 im mitp-Verlag. 1. Auflage 2017, 192 Seiten, in Farbe, 23,7 x 1,5 x 25,6 cm
ISBN: 978-3958454606
Preis: 29,99 € [Buch] | 25,99 € [E-Book]

Bewertung:
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ISBN: 3958454607

 
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