Indemini ...

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sam25

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Wenn ich Gäste nach Indemini führe, dann mache ich das gerne ...

Es ist nicht die Frage ob Indemini mit seiner Geschichte und wie es sich heute darbietet gefällt oder nicht ...

Ich trage jedesmal wenn ich in das Dorf komme Geschichten in mir. Und in den engen Gassen des Dorfes nehmen sie Gestalt an und transformieren sich in Dialoge welche ich dann fotografisch festhalte ....

Von bunt bis schwarzweiss, so wie halt Geschichte ist....

Es ist nicht Wehmut das in mir hochsteigt. Es ist grosser Respekt, Neugier und eine Art Demut, welche ich empfinde vor jenen Menschen, welche dem Dorf jenen Charakter und Leben gegeben habe ...


Schon der Weg dorthin ist für jemand, der es nicht kennt, ein Erlebnis. Vom Lago Maggiore auf ca. 300 Meter über Meer führt nur eine Strasse nach Indemini. Man fährt die immer enger werdenden Kurven bis hinauf auf ca. 1'300 Meter auf die Alp di Neggia. Von dort geht es wieder auf knapp 1'000 Meter hinunter bis man im letzten Dorf vom Tessin angelangt. Unmittelbar hinter dem Dorf ist die Grenze zu Italien.


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Mit einer Gruppe von Menschen im Dorf zusammen zu bleiben geht fast nicht...

Jeder bleibt immer wieder stehen und bestaunt die Häuser, die Wege und verarbeitet auf seine Weise die Eindrücke ...

Und nun lade ich Euch ein, mit mir und meinen Geschichten durch Indemini zu gehen ...


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Spätestens wenn man bei diesem farbigen Hydranten angelangt ist, hat man die Orientierung verloren....

Man muss sich ohnehin auf die eigenen Schritte konzentrieren, bei Nässe noch viel mehr ...

Es geht steil bergab in diesem Dorf und man vergisst, dass man das, was man bergab gegangen ist, wieder bergauf gehen muss....

Farbig ging es lange Zeit nicht zu und her in diesem Dorf. Das Dorfleben bestand aus harter Arbeit und grossen Entbehrungen ...


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Die Architektur des Dorfes alleine gibt schon sehr viel Preis über das Leben der Dorfbewohner...

Auffallend ist, wie eng die Häuser aneinander gebaut sind. Das hat vor allem drei Gründe. Der erste Grund ist, dass man sich auf Grund des Geländes gar nicht in die Breite ausbreiten konnte. Der zweite Grund ist der Schutz. Stein- oder Schneelawinen würden zwar die äusserten Häuser zerstören, die Wucht der Lawine würde aber durch die engen Gassen gebrochen und würden eine Zerstörung weiterer Häuser allenfalls verhindern. Und der dritte Grund waren die Temperaturen: im Sommer heizen sich die Häuser nicht so stark auf, weil sie weniger Fläche der Sonne aussetzen. Und im Winter geben sich die Häuser gegenseitig warm.

Man muss sich vorstellen, dass alle Häuser dazumal nur mit Steinen aufgebaut waren. Im Winter war es feucht und kalt in ihnen und nur gerade eine Feuerstelle musste für die Wärme genügen....

Eine Bauweise im Übrigen, welche viel Bergdörfer überall auf der Welt gemeinsam haben ...


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Die meisten Häuser haben drei Stockwerke, inkl. Parterre. Das hat damit zu tun, dass man über die Jahrhunderte mehrere Generationen in einem Haus wohnte. Und oft kam noch das Vieh dazu, welches in den Wintermonaten ebenfalls Teil der Hausgemeinschaft war ...


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Die kargen Lebensgrundlagen zwangen die Bewohner schon früh zu zusätzlichem Verdienst ausserhalb des Dorfes.

Die abgelegene Lage und die Nähe zu Italien boten nicht sehr grosse Möglichkeiten. Die Männer gingen dem Schmuggler oder Söldnergeschäften nach, die Frauen übernahmen Haus und Hof, die Buben hüteten das Vieh auf den Alpen und die Mädchen halfen den Müttern im Haus und auf den kleinen Feldern.

Jeder Quadratmeter bepflanzbare Fläche ausserhalb des Dorfes wurde genutzt um Nahrungsmittel anzupflanzen ...


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Nichts deutet heute darauf hin, dass es die jungen Mädchen waren, welche wöchentlich den langen Weg an den See auf sich nahmen, um einige Produkte auf dem Markt zu verkaufen.

Die Strasse wie sie heute ist gab es noch nicht, so dass sie über die Berge hinunter an den See gehen mussten...

Meine Frau und ich haben vor ein paar Jahren einen Teil der "Mädchenwege" bewandert ... uns beiden kamen fast die Tränen, als wir daran dachten, wie es mühsam gewesen sein musste, dies alles an einem Tag, hin und zurück machen zu müssen ...


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Dem Schmuggel wurde mit den beiden Weltkriegen ein Ende gesetzt und die Männer war gezwungen, sich neue Verdienstquellen zu suchen ....

Da die Männer als ausserordentlich stark und belastungsfähig bekannt waren, wurden sie an den grossen Bahnhöfen in Norditalien als Gepäckträger für die Reisenden eingesetzt. Die aufkommende Mobilität und die Reisfreudigkeit boten den Männern somit gute Verdienstmöglichkeiten...


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Und wer sich die Zeit nicht nimmt stehen zu bleiben, zu lauschen und zu erfragen, was der Geist des Dorfes in einem selbst auslöst, dann ist es schade für die Zeit ...

Oder wie ich sage: wer mit der Zeit geht, verpasst den Moment ...


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Die Verbindungsstrasse nach Indemini ist so alt noch nicht und bedurfte mehrerer politischer Hürden ...

Erst Anfang des 20 Jahrhunderts wurde sie nach und nach gebaut. Das ist das eine. Es dauerte aber Jahre, bis sie auch im Winter zugänglich gemacht wurde, da der Aufwand riesig war und das Dorf die Kosten für die Schneeräumung alleine gar nicht bezahlen konnten.

Erst mit Hilfe des Kantons Tessin gelang es eine Lösung zu finden und die Strasse ist nun durchgehend befahrbar ...


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Lange brauchte das Dorf, bis die Kinder in die Schule konnten oder durften. Unterricht gab es, wie in andern Tessiner Tälern auch, nur im Winter, da die Kinder ein fester Bestand der täglichen Arbeit und somit unentbehrlich waren ...

Manchen Eltern musste mit Strafe gedroht werden, dass sie ihre Kinder in die Schule schickten ...


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An Frischwasser mangelte es in der Regel nicht. Der Dorfbrunnen war nicht nur zum Waschen da sondern wurde auch für den Wasserkonsum und zur Körperpflege verwendet ...

Und wenn ich da so davor stehe, dann höre ich die Frauen reden oder singen, wenn sie die Wäsche waschen ...


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Farben kamen erst später ins Dorf. Für Ästhetik war keine Zeit...

Das Dorfleben und die Abgeschiedenheit hatten ihren Preis...Viele junge Menschen verliessen das Dorf nach dem zweiten Weltkrieg weil sie keine Verdienstmöglichkeiten im Dorf sahen ...

Mit der Zeit wurde das Dorf von "Aussteigern" entdeckt und so zog mancher Deutschschweizer aus irgendwelchen Gründen in das Dorf ...

Das rettete zwar die Existenz des Dorfes, führte und führt auch immer wieder zu Spannungen zwischen der alten Bevölkerung und dem "neuen Geist" ...


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