Gloria per Val Redorta ...

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sam25

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Introduzione

Lasst mir etwas Zeit, mich selbst, meine Bilder und meine Eindrücke zu ordnen...

Und trotzdem beginne ich darüber zu berichten, was mich einmal mehr beeindruckt hat.

Aber starten wir mit dem Aufbau dieses Beitrages. Ich widme diesen Thread den Menschen, aber im Speziellen einmal mehr den Spazzocamini, den Kaminfegerjungen, welche mich zu hinderst im Val Verzasca einmal mehr eingeholt haben. Ich hätte den Beitrag auch mit "Das schönste Funbad" betiteln können. Das ist es wohl auch, nur greift es zu kurz.

Ich habe das "Gloria" von Antonio Vivaldi (RV 589) aus verschiedenen Gründen für diesen Beitrag ausgesucht. Ich komme in den einzelnen drei Kapiteln darauf zu sprechen. Die zwölf Sätze gehen je zu vier an die drei Kapitel. Der folgende Beitrag ist eine Mischung aus Dokumentation, Reportage aber insbesondere auch aus ganz persönlichen Gedanken und Emotionen...

Die folgenden Kapitel sind unterteilt in

- aqua e pietre
- spazzocamini
- montagne e persone​

Das Val Redorta verläuft nach Sonogno, zu hinterst im Val Verzasca, südwestlich etwa fünf Kilometer. Wir verbrachten eine Woche am Ende dieses Tales. Ein paar Wanderer, etwas Vieh, sonst nichts. Die Nacht dunkel, der Lärm nur das Rauschen der Redorta ...

Ein Blick nach vorne in Richtung Sonogno ... der Tag erwacht ...


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aqua e pietre (Wasser und Steine)

Das erste was auffällt ist das Rauschen des Wassers. Ein ständiges Rauschen, Tag und Nacht und fast gleichmässig. Einfach Wasser, und es käme niemanden in den Sinn, dass das Val Verzasca und die Seitentäler Jahrhunderte lang unter Wassermangel litten.

Das erste was wir taten, als wir ankamen, die Badeanstalten zu besuchen ... und von denen gibt es viele. Die Redorta ist voll von ihnen, die Verzasca ebenfalls ...


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...a più tardi (bis später...)​
 
Kommentar
Man kann sich den Steinen und dem Wasser schon entziehen. Auch gefühlsmässig. Nach ein paar Tagen wird das Ganze langweilig oder man verfällt in eine ganz spezielle Tiefe. Ich betrachte zuerst das Aussen und dann das Innen und merke, dass sich die Szenerie sehr reflektierend auf mich wirkt. Meiner Frau geht es eben so.

Und dabei hat das nichts mit Melancholie zu tun. Und schon gar nicht mit Gefühlsduselei. Steine und Wasser fordern, man lässt sich darauf ein oder man entzieht sich dem ...


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Was auch immer die Menschen bewog, sich hier vor Jahrhunderten eine Bleibe aufzubauen, erschliesst sich mir nicht. Steine und Wasser bieten zwar Schutz und Existenz, aber auch grosse Unberechenbarkeit.

Das wilde Wasser ist nicht zu zügeln, die Steinschläge nicht zu verhindern. Wasser kommt und geht und das war dann auch das grosse Problem der Menschen. Wie können wir das Wasser speichern und dort hinführen, wo wir es brauchen und einigermassen in Sicherheit sind ...


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Oft sass ich hier. Auf die Szene starrend. Ich weiss nicht, wie man Wasser kanalisiert, es brauchbar macht. Ich dusche zu Hause und im Ferienhaus und bade in den wunderschönen Becken der Redorta. Mehr weiss ich nicht.

Dass sich die Menschen hier, im Val Verzasca, ja, überhaupt in den Alpentälern solche Gedanken wohl kaum gemacht haben, ist mir bewusst. Dass sich die tausenden Touristen, welche bei Lavertezzo in der Verzasca baden und planschen diese Gedanken wohl auch nicht machen, nehme ich an ...


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Das Wasser musste immer wieder gefasst werden, für Mensch und Tier. Man hat es mit Stauen und mit Holzrinnen versucht und das Wasser in kleineren Zysternen gesammelt. Manchmal erfolgreich, manchmal nicht.

Das Wasser wie die Steine sind autonom. Sie verzeihen nicht, zeigen sich lieblich, roh, kompromisslos und wenig authentisch.

Schön, hier ein Bad zu nehmen. Schön, wenn es so bleibt.


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Irgendwann hatte man das Geld, um auch das Wasser der Redorta nutzbarer zu machen. Es konnte gestaut werden, und dient bis heute nicht nur als Wasserspeicher sondern auch als Ergiegewinner ...

Steine und Wasser gehen ... mit oder ohne den Menschen ...


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...a più tardi (bis später...)​
 
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Stundenlang kann man dem Wassertreiben zuschauen. Das ständige Rauschen wirkt wie ein Verstärker und manchmal meinte ich in Trance zu fallen...
Und da kommt Vivaldi mit dem Gloria. Dem feinen fast symphonischen Werk, welche sich der - vordergründig - der Lobpreisung Gottes widmet. Aber das ist die eine Deutung.


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Kleine Monumente schafft der Besucher immer wieder. Manche wirken und manche wirken verloren. Und irgendwann sind sie dann weg, ganz im Gegensatz zum Wasser und den Steinen. Deren Vergänglichkeit ist schier endlos ...


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Wasser ist stärker als Stein. Das haben die Menschen hier gewusst. Stein gibt zwar dem Wasser ein Bett, das Wasser aber sucht sich immer wieder eigene Wege.
Der Untergrund in diesen V-Tälern ist porös. Was wir oberhalb an fliessenden Wasser sehen, gibt es im Untergrund auch. Und dies noch viel mehr. Irgendwann fliesst das Wasser wieder an die Oberfläche, irgendwo. Woher es kommt, weiss niemand ...


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Fotografisch gesehen sind das schöne Motive. Sie "lockern" die Kombination von Stein und Wasser auf.
Aber es zeigt auch deutlich, dass alles was dem Wasser in die Quere kommt, zum Spielball wird. Ob Pflanze, Mensch oder Tier, das Wasser nimmt jeden auf die Reise ...


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So nah am Wasser finden kaum Gespräche statt. Nicht dass man sich nichts zu sagen hat. Aber das Rauschen des Wassers lässt die menschlichen Töne im Nichts verschwinden. Und seine Gefühle einander zuzuschreien macht man nicht.

So holt einem trotz des Rauschens die Stille ein. Die eigene Stille, wenn man sie dann aushält ...


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Steine und Wasser mögen tolerant erscheinen. Auf den ersten Blick. So mögen Steine von Pflanzen bewachsen sein, dort ein Gras und hier ein Gras.
Der Schein trügt. Bestimmend über Leben und Tod ist einzig das Wasser...


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Obwohl ich nur auf wenigen hundert Meter die Steine und das Wasser der Redorta fotografiert habe, erschien mir eine grosse, wundersame Welt vor meinen Augen zu haben.

Jedes Bild ist anders und meine Chips sind voll von Bildern mit Wasser und Steinen. Und jedes mal, jeden Tag war es, als ob ich erneut in diese Welt eintauchen würde.


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Und mit diesem Bild schliesse ich den ersten Teil. Mit den ersten vier Sätzen von Vivaldi leite ich über zum zweiten Teil.

Gloria in excelsis
Et in terra pax
Laudamus Te
Gratias agimus tibi

Zu den Spazzocamini ...


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...a più tardi (bis später...)​
 
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spazzocamini (Kaminfegerbuben)


Eigentlich wollte ich dieses Thema nicht an mich heranlassen. Es ist ja auch nicht so, dass ich es immer bei meinen Reisen ins Tessin heranlasse. Vor einiger Zeit habe ich ja einmal mit dem Thema befasst, anlässlich des Buches von Elisabeth Wenger, welche sich dem Thema intensiv gewidmet hat.

Zwei Begebenheiten veranlassten mich dennoch, dieses Thema erneut, inmitten dieser Gegend, aufzugreifen. Zum ersten habe ich das erste Mal das Museo di Val Verzasca besucht. Nach der Verfilmung des Klassikers von Lisa Tetzler (Kurt Held) ist der Thematik ein ganzer Stock gewidmet. Und zum Zeiten hatte ich ein Gespräch mit Angelo, einem Einwohner von Sonogno, mit welchem ich fast zwei Stunden über Leben und Menschen im Val Verzasca gesprochen habe.

Beide Ereignisse haben mich sehr berührt. Aber ich habe mich nicht getraut, Angelo um ein Foto zu fragen. Dabei wäre es ein wunderschönes Porträt geworden mit seinem weissen Vollbart und dem Strohhut....


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Ich verweise noch auf meinen alten Thread (http://www.nikon-fotografie.de/vbul...chte-der-kaminfegerjungen-aus-dem-tessin.html), in welchem viele Angaben über die spazzocamini (Kaminfegerjungen) zu finden sind. Einige Ergänzungen möchte ich hier aber dennoch machen und sie auch in einen grösseren Zusammenhang stellen.

Das Heft für alpine Kultur von Benito Mazzi mit dem Titel "Hunger, Russ und Kälte" hat mir die Thematik weiter vertieft und auch zusammenhängender gemacht.

Dennoch, die Betroffenheit bleibt, nicht zuletzt auch dadurch, dass sich die Schweiz bis heute mit dieser Thematik rund um die Verdingkinder noch immer äusserst schwer tut ...


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Das Armut noch heute viele Gesichter hat weiss ich. Die ganze Dramatik hat aber doch seit dem Ende des 16. Jahrhunderts bis Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts angedauert. Also fast 500 Jahre lang wurden die Buben als Billiglohnkräfte in die Kamine der Häuser - insbesondere in Italien - geschickt ...

Der Polizeipräfekt von Turin hat es denn auch mit einem Schreiben an seinen Amtskollegen im Tessin 1761 auf den Punkt gebracht:

"...mit einem Wort, Herr Direktor, das Leben dieser armen, unglücklichen Jungen, die von unmenschlichen Eltern für eine Handvoll Geld verkauft werden, unterscheidet sich in nichts von dem der Sklaven in alten und modernen Zeiten ..."

Man muss nichts von den Kaminfegerjungen wissen um auf den schönen Steinen der Verzasca zu klettern und im blitzsauberen Wasser zu baden. Aber es schadet auch nicht ...


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