Verschleierung
Heutzutage kann man wohl kaum längere Ausführungen über Afghanistan machen, ohne auf das leidige Thema „Burka“ zu kommen. Leidig deshalb, weil nicht nur hierzulande die Diskussionen um dieses Kleidungsstück von meist erschreckender Unkenntnis dominiert sind.
„Eine Frau aber entehrt ihr Haupt, wenn sie betet oder prophetisch redet und dabei ihr Haupt nicht verhüllt. […] Wenn eine Frau kein Kopftuch trägt, soll sie sich doch gleich die Haare abschneiden lassen.“
Aus dem Koran? Nein, aus der Bibel, Paulus in seinem 1. Korintherbrief (nach der Einheitsübersetzung).
Die Vollverschleierung hat - wie der Islam - ihren Ursprung in den Wüsten der Arabischen Halbinsel, wo sich die Menschen mit Gesichtstüchern gegen die scharfen Wüstenwinde und den Sand schützten. Im Koran ist die Verschleierung nicht erwähnt oder gar vorgeschrieben. Formulierungen im Koran sind untrennbar mit den damals üblichen Kleidungsstücken der Beduinenfrauen verbunden.
„Und sag den gläubigen Frauen, sie sollen die Augen niederschlagen, und sie sollen darauf achten, dass ihre Scham bedeckt ist (…) und den Schmuck, den sie tragen, niemandem offen zeigen, außer ihrem Mann, ihrem Vater, ihrem Schwiegervater, ihren Söhnen, ihren Stiefsöhnen, ihren Brüdern, den Söhnen ihrer Brüder und ihrer Schwestern, ihren Frauen, ihren Sklavinnen, den männlichen Bediensteten, die keinen Geschlechtstrieb haben, und den Kindern, die noch nichts von weiblichen Geschlechtsteilen wissen."
Soweit, nach der Übersetzung von Rudi Paret, die Stelle des Korans, die am häufigsten herangezogen wird, um die Verschleierung der Frau zu begründen. Mit „Scham“ ist hier ein Décolleté gemeint, das durch den damals üblichen Umhang der Frauen gebildet wurde. In frühislamischer Zeit gab es wohl unterschiedliche Ansichten darüber, ob mit dem Schmuck, den die Frau außerhalb dieses Kreises auf keinen Fall offen zeigen darf, auch ihr Haupthaar gemeint sei. Später setzte sich unter islamischen Gelehrten die Einschätzung durch, dass das Haar der Frau Teil dieses Schmucks sei.
Es gibt zwei weitere Passagen im Koran, die aber noch undeutlicher bleiben bzw. sich ausschließlich auf die Gattinen des Propheten beziehen. Jedenfalls: Der Koran kennt keine Burka, keinen Nikhab etc.
Der Gesichtsschleier kam im Osmanischen Reich zunächst als Mode-Accessoire für Haremsdamen auf. Im 19. Jahrhundert breitete er sich im Nahen und Mittleren Osten als modische Kopfbedeckung für Frauen der Oberschicht, egal welchen Glaubens, aus. Die afghanische Burka entstand aus der Verbindung eines Körperschleiers mit einem Gesichtsschleier. Sie besteht aus einem großen Stofftuch, mit dem oben eine Kappe für den Kopf vernäht ist. Im Augenbereich ist eine Art Gitter aus Stoff als Sichtfenster eingearbeitet. Sie ist meist knapp bodenlang und oft blau, manchmal finden auch andere, meist dunkle, Farben Verwendung. Ursprünglich war sie nur in Städten üblich, da sie bei der landwirtschaftlichen Arbeit behinderte. Sie lässt sich - anhand von Abbildungen - erst ab dem 19. Jahrhundert nachweisen.
Mit dem Ende der Taliban-Regierung 2001 wurde die Vorschrift, eine Burka tragen zu müssen, aufgehoben. Will jemand tiefer in die Materie einsteigen, so empfehle ich den Vortrag der Islamwissenschaftlerin Prof. Dr. Rotraud Wielandt:
http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlag.../Wielandt_Kopftuch.pdf?__blob=publicationFile