Die Geschichte Afghanistans
Vom Zankapfel der Großmächte zum Pufferstaat
Wie so viele Staaten Asiens ist Afghanistan ein künstliches Gebilde aus der Kolonialzeit. In dieser Region kollidierten russische und britische Iinteressen. Seit der Aufstellung der russischen Marine durch Zar Peter den Großen war es Ziel russischer Politik, zum Indischen Ozean vorzustoßen und dort einen eisfreien Hafen zu bauen. Großbritannien wollte Afghanistan seinem Weltreich, genauer: Britisch-Indien angliedern. Die Briten führten mehrere Kriege in Afghanistan, konnten das Land jedoch nie dauerhaft besetzen. Afghanistan wurde 1893 durch die Durand-Linie von den Briten geteilt und das südöstliche Gebiet (heute pakistanische Provinzen) der indischen Kronkolonie einverleibt. Nach einem letzten, dritten, anglo-afghanischen Krieg 1919 wurde das verbliebene Afghanistan unabhängig. Das Land, dessen von den Briten und Russen gezogene Grenzen mitten durch Stammesgebiete verläuft, bildete nun einen Puffer zwischen russischen und britischen Interessen. Beide hielten sich lange weitgehend aus diesen Gebieten heraus.
Zeit der relativen Stabilität unter Mohammed Zahir Schah
Eine längere Phase unter Mohammed Zahir Schah an der Spitze eines konstitutionellen Königreichs Afghanistan folgte. Zahir Schah öffnete das Land vorsichtig in Richtung Demokratie. Unter seiner Herrschaft wurde unter anderem ein Zwei-Kammern-Parlament, das Frauenwahlrecht, eine Modernisierung der Infrastruktur begonnen und Pressefreiheit eingeführt. 1973 wurde der König von seinem Neffen Mohammed Daoud Khan, der bis 1963 als Ministerpräsident amtierte, gestürzt und eine Republik ausgerufen. Das war also die Zeit, in der wir Afghanistan bereisten. Während unseres ersten Besuchs erlebten wir umfangreiche Feierlichkeiten zum 1-jährigen Bestehen der Republik Afghanistan.
Niemand ahnte, was sich zusammenbraute.
Wirklich niemand? Auch wenn es für unsere Reisen keine Rolle spielte: Man kann hierzulande nicht an Afghanistan denken und die Zeit nach 1978 ausblenden. Deshalb in aller gebotenen Kürze der Versuch eines Überblicks.
Ministerpräsident Daoud war ein Verfechter der Wiedereingliederung der nun in Pakistan liegenden paschtunischen, also: afghanischen, Stammesgebiete in das Königreich. Dies führte zu Konflikten mit Großbritannien – der Schutzmacht des neu entstandenen Staates Pakistan - , wodurch es in den 60er Jahren zu einer deutlichen Annäherung Afghanistans an den Erzfeind der Briten in dieser Region, die Sowjetunion, kam. Die Wirtschafts- und Militärbeziehungen zum nördlichen Nachbarn wurden intensiviert, Sowjets bauten die Infrastruktur des Königreichs aus, z. B. den Salang-Tunnel. Um die Krise mit Großbritannien zu entschärfen, wurde Daoud vom Schah 1963 entmachtet. 10 Jahre später rächte er sich und stürzte seinen Onkel.
Daoud nannte sich nun Präsident und regierte anfangs mit der Unterstützung der kommunistischen Partei Afghanistans (DVPA), im weiteren Verlauf diktatorisch. Nach Zerwürfnissen mit der DVPA wollte er die Partei verbieten lassen und wurde 1978 Opfer eines Staatsstreichs eben dieser Partei, die dem Verbot zuvorkam.
Nach Daouds Sturz übernahm die DVPA die Macht in Kabul, rief die Demokratische Republik Afghanistan aus und versuchte mit sowjetischer Unterstützung gesellschaftliche Neuerungen wie eine Alphabetisierung der Landbevölkerung, aber auch eine Bodenreform und eine strikte Säkularisierung, umzusetzen. Die Reformen stießen im überwiegend durch Stammesverbände und –traditionen geprägten Land auf heftigen Widerstand. In Folge gründeten sich eine Vielzahl von Mudschahedin-Gruppen und griffen zu den Waffen. Mit der zunehmenden Gewalt überfordert, ersuchte Präsident Amin die Sowjetunion um militärischen Beistand, was aber von Seiten Moskaus (noch) abgelehnt wurde.
Die Sowjets wollten sich zunächst aus den mehrfachen und blutigen Regierungswechseln in Kabul heraushalten. Erst als von sowjetischer Seite befürchtet wurde, Premier Amin könne sich schließlich, mangels Unterstützung seitens der UdSSR den USA zuwenden - was zu einer Stationierung von US-Truppen an der empfindlichen Nordwestgrenze zur UdSSR hätte führen können – beschloss das Politbüro, Amin zu liquidieren, seine Regierung aufzulösen und ein moskautreues Regime zu installieren.
Mit dem Einmarsch sowjetischer Truppen im Dezember 1979 entwickelte sich der Bürgerkrieg zu einem zehnjährigen Krieg zwischen sowjetischer Besatzungsmacht und den von den Vereinigten Staaten, Saudi-Arabien und Pakistan unterstützten islamistischen Mudschaheddin. Dieser endete mit dem Abzug der sowjetischen Truppen 1989, nur um einem nochmals entfesselteren Bürgerkrieg Raum zu geben. In diesem Konflikt liegt die Geburtsstunde der Taliban – wobei ich hier die Interessenten auf weiterführende Literatur verweisen möchte. Zu kompliziert ist die Sache und für den hier vorgestellten Bericht spielt das keine Rolle. Nur ein Tipp: Ohne die Bücher von Ahmed Rashid halte ich es für schwierig, das Phänomen „Taliban“ zu ergründen.
1996 setzten sich die Taliban in diesem Bürgerkrieg mit massiver pakistanischer Unterstützung durch und errichteten das Islamische Emirat Afghanistan, ein Staat, der lediglich von Pakistan, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten anerkannt wurde. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 begannen die USA mit der "Operation Enduring Freedom" und stürzten die Taliban. Hauptziel war jedoch, die in Afghanistan nach US-Angaben operierende Terrororganisation Al-Qaida mit ihrem Anführer Osama bin Laden durch massive Angriffe aus der Luft zu zerschlagen.
Noch ein Schmankerl: In Kabul nächtigten wir mit unserem Zeltanhänger im Hof des Hotels "Ariana", das nach der Intervention der USA zum Hauptquartier der CIA wurde.