Ein philosophischer Beitrag: Dialog zwischen einer Birke und Sam

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sam25

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Birke:
Hallo!

Sam:
Hallo.
Seit wann können Bäume sprechen?

Birke:
Ihr Menschen hört uns Bäume nur, wenn es windet, ansonsten nicht. Sprechen konnten wir schon immer, nur werden wir nicht mehr gehört.

Sam:
Aha...

Birke:
Was willst Du von mir?

Sam:
Ich möchte dich fotografieren!

Birke:
Warum?

Sam:
Weil ich Dich irgendwie schön finde.

Birke:
Warum? Weißt du überhaupt wer ich bin?

Sam:
Nein.

Birke:
Ihr gabt mir den Namen Birke, oder «Betula» in der botanischen Sprache. Betula verrucosa, noch genauer Betula verrucosa pendula. Auf gut deutsch, eine Hängebirke.

Sam:
Aha.

Birke:
Und nun, warum findest Du mich schön.

Sam:
Ich kann es nicht genau sagen. So wie du dastehst, im Licht, ein leichter Wind weht, irgendwie romantisch.

Birke:
Geht es nun um dich oder um mich? Ich finde den Wind auch angenehm, nur hier zu stehen ist nicht nur lustig. Ich kann ja nicht weggehen und wie du siehst bin ich weit vom Bach entfernt. Birken brauchen viel Wasser, ansonsten leiden sie.

Sam:
Das habe ich nicht gewusst.

Birke:
Also du findest mich mit dem Wasser und dem Wind und dem Licht schön. Und du willst also Schönheit fotografieren, auch wenn es gar nicht so ist?

Sam:
So habe ich das noch nicht gesehen. Man sieht dir das Leiden ja nicht an ...

Birke:
Wenn du genau hingucken würdest, dann würdest du es sehen. Und wenn du mich fragen würdest, dann würdest du auch eine Antwort erhalten.

Sam:
Entschuldige.

Birke:
Schon gut. Also, was fotografierst du nun genau?

Sam:
Jetzt bin ich etwas ratlos.

Birke:
Verstehe. Das heisst wohl, dass ich dir deine Vorstellung von deinem Foto vermiest habe, oder?

Sam:
Ja, etwas schon. Ich frage mich, wie ich das Schöne und das Leiden zusammenbringen kann. Kann Leiden ein schönes Bild geben?

Birke:
Jetzt bin ich etwas ratlos. Wir Bäume leben nicht von Bildern. Wir leben vom Überleben. Wir sehen die Welt anders als ihr und fotografieren können wir auch nicht.
Aber es würde ja von Respekt zeugen, wenn du dich mit meiner Situation auseinandersetzen würdest.

Sam:
Da gebe ich dir recht. Nur, ob mir das dann für ein gutes Foto hilft!

Birke:
Ein gutes Foto ist, wenn du dazu stehen kannst.

Sam:
Für mich ja, für andere muss das nicht stimmen.

Birke:
Fass mich an, schau’ mich an, rede mit mir, stell mir Fragen.

Sam:
Tu’ ich ja.

Birke:
Nein, nicht wirklich. Du stellst dir im Kopf ein Bild vor und sprichst mit deiner Vorstellung. Du drehst dich im Kreis, ich als Motiv werde zum Gegenstand, welcher du in deiner Fantasie in verschiedene Positionen bringst.

Sam:
Hat was.

Birke:
Nun, du kannst dich als Mensch ja nicht in einen Baum versetzen. Zumal für euch Menschen ohnehin nicht klar ist, dass Bäume auch leiden können. Aber vielleicht geht ja der Weg über dich selbst. Erinnere dich daran wie es ist, zu leiden, solltest du jemals gelitten haben.

Sam:
Also gut.

Birke:
Was ist das für ein Gefühl? Was ist das Gefühl Durst zu haben, sich matt und müde zu fühlen. Ihr Menschen geht eine Flasche Wasser kaufen, ich muss warten bis es regnet, bis mein Durst gelöscht ist.

Sam:
Irgendwie komme ich nicht weiter.

Birke:
Schon möglich. Dann mach’ dein Foto.

Sam:
Geht nicht mehr. Ich sehe es nicht mehr so, wie ich es gesehen habe.

Birke:
Dann hatte unser Gespräch schon Sinn gemacht.

Sam:
Warum?

Birke:
Du hast deine Vorstellung verlassen und dich dem Aussen angenähert. Auf deine Weise, du bleibst du trotzdem. Obwohl ich für mich alleine verantwortlich bin, bin ich im ständigen Kontakt mit anderen Bäumen und Pflanzen. Ich weiss, wer sie sind, wie sie ticken und wie es ihnen geht.
Du hast dich also mit dem Gegenüber auseinandergesetzt, nicht abschliessend. Du hast dein Motiv als Gegenüber erkannt und ernst genommen. Und letztlich hat dich dieser Prozess auf dich selbst zurückgeworfen.

Sam:
Mit dem Resultat, dass ich kein Bild mehr habe. Nun kann also ein neues Bild im Kopf entstehen.

Birke:
Ja, aber muss nicht. Du kannst ja mein Leiden nicht fotografieren. Du hast ja wenn du zuhause ein Foto anschaust nur den Zugang mit den Augen.
Hier vor Ort fühlst du die Wärme der Sonne, hörst das Rauschen der Blätter, du riechst die Luft, das Wasser. Das alles gibt dir ein schönes Gefühl, das heisst, du nimmst auch deine Emotionen wahr.
Nun, seit wir reden miteinander, weiss du auch, dass deine Wahrnehmung nur eine ist. Und nicht komplett und abschliessend. Wenn du also ein Foto machen willst, musst du mein Leiden ignorieren, oder du findest einen Weg, dies in dein Foto einzupacken.

Sam:
Das ist Kunst.

Birke:
Bist du so weit von dir entfernt, dass du dich nicht mehr von Etwas berühren lässt? Ist sich berühren lassen Kunst?

Sam:
Nein, ich meine die Umsetzung von dem. Ich kann, wie du richtig sagst, dein Leiden nicht auf Papier bringen. Ich könnte vielleicht ein dürres Blatt mit aufs Foto nehmen, und dann die helle Sonne und das spiegelnde Wasser. Das gebe eine Geschichte für den Betrachter. Mit Kontrasten kann man Geschichten erzählen.

Birke:
So. Wäre eine Möglichkeit. Du denkst dennoch ziemlich kleinlich. Und wo bleibt das Riechen, die Wärme uns so weiter?
Du bist erneut daran, dich zu ignorieren. Sich mit dem Gegenüber auseinander zusetzen bedeutet letztlich, sich mit sich selbst auseinander zu setzen. Du machst das Foto, also bist du es, der ein Stück weit auch dich selbst mit in das Resultat nimmt. Und dies immer dann, wenn du abdrückst. Du kannst diesen Fakt negieren oder nicht. Negierst du ihn, dann nimmst du dich nicht ernst, lässt es einfach geschehen. Und du nimmst dann auch nicht das Motiv ernst. Fotografie ist ein Prozess zwischen dem Fotografen und dem Motiv. Das Resultat ist der Dialog, zwischen demjenigen der abdrückt und demjenigen der «abgedrückt» wird.
Du hältst, um es kurz und bündig zu beschreiben, auch Stück von Dir in jedem Foto fest.

Sam:
Warum ist ein gutes Foto so anstrengend zu machen? Mit all der technischen Hilfe heutzutage.

Birke:
Es sagt ja niemand, dass technische Hilfsmittel schlecht sind. Aber sie ersetzen den Prozess mit dem Gegenüber nicht.

Sam:
Beethoven soll einmal gesagt haben, dass ein Ton daneben bei einem Konzert keine Rolle spielt. Wenn man aber dem Gespielten keine Seele einhaucht, dann ist es eine Katastrophe. Menschen hören zu, wenn sie berührt werden, und sie sehen wohl auch zu, wenn sie berührt werden.

Birke:
Als du hier angekommen bist, hast du mir unter anderem vom Wind erzählt. Du hast dies mit allen anderen Wahrnehmungen als schön empfunden. Die Geräusche der Blätter haben keine Melodie. Es ist lediglich ein Geräusch, fast immer gleichbleibend. Dennoch verbindest du das mit einem dir angenehmen Gefühl. Warum?

Sam:
Es hat etwas beruhigendes. Noch intensiver wird das Gefühl, wenn ich den Wind spüre. Es ist, als ob mich jemand umarmen würde.

Birke:
Oh, jetzt kommen wir doch der Sache sehr viel näher. Nur einfacher in der Umsetzung wird es deshalb nicht. Wie verpackst du nun Schönheit, Intimität und Leiden in ein Foto?

Sam:
Das wäre ja nun die eigentliche Kunst. Nicht im Sinne von «künstlerisch», sondern im Sinne der hohen Anforderung.
Komponieren war ja vor nicht allzu langer Zeit als reines Handwerk angesehen. Darum hiessen sie auch «Tonsetzer». Töne in der richtigen Reihenfolge setzen war also keine Kunst, sondern ein Handwerk, wie Müller oder Bauer oder andere Handwerke. Erst später wurde der Begriff «Komponist» und in diesem Zusammenhang auch von «Tonkünstlern» gesprochen. Also wäre ich in Anlehnung an den Tonsetzer ein «Bildsetzer».

Birke:
Ich stehe ja auf der Gegenseite von dir. Ich kann ja als Motiv nicht beeinflussen, wann du ein Foto machst. Ich sehe es ja nicht und ich kann ja als verwurzeltes und eingeschränkt bewegungsfähiges Motiv nichts zu deinem Foto beitragen. Ich kann mich nicht in Pose werfen, ich bin Birke wie ich bin.
Zusätzlich wird es für dich ja schwierig, mit mir zu kommunizieren. Wir haben nicht dieselbe Sprache. Einen Menschen kannst du fragen, kannst im zu hören und ihm antworten. Das hörbare Schweigen von mir, reflektiert dich ja noch mehr und unser Dialog ist in der Regel von Fragen ohne eindeutige Antworten geprägt.

Sam:
Ja, und trotzdem bist du mir gegenüber und du löst in mir einen Reiz aus, ein Foto zu machen. Das hat ja nicht nur mit mir zu tun, sondern auch mit dir.

Birke:
Ja, sowohl als auch. Ich aber löse in dir nur etwas aus, was du in der dir trägst. Ich kann dir nicht zurufen und dir sagen, wer ich bin und wie es mir geht und dass ich eine absolut fotogene Birke bin. Das musst du alles alleine tun.
Könnte ich nichts in dir auslösen, dann würdest du an mir vorbeigehen, ohne nur im Ansatz daran zu denken, mich zu fotografieren.
Somit komme ich wieder auf dich. Der Reiz in dir ist der Schlüssel zum Dialog mit dem Motiv.

Sam:
Dann heisst das, der Reiz ist wie der Schlüssel zum fotografischen Prozess, zum Dialog mit dem Motiv?

Birke:
Ja, nur kannst du nicht erwarten, dass der Prozess immer gleich verläuft. Er kann schnell sein, greifbar, abhängig von dir und deinem Zustand. Er kann mühsam sein, er kann fröhlich sein, er kann traurig sein.

Sam:
Wie in der Musik. Manchmal ertrage ich nicht jede Musik.

Birke:
Ich kann die Musik nicht beurteilen. Ich ticke anders als du. Ich bin wie gesagt mit mir und meinem Umfeld beschäftigt. Ich weiss zwar viel, aber meine Biologie gibt mir nicht viel Spielraum. Wenn ich also Durst habe, dann lasse ich die Blätter hängen. Das kann für dich traurig aussehen, hat aber mit dem zu tun, dass ich nicht genügend Wasser in meine Blätter kriege.

Sam:
Nun, Durst haben ist ja auch traurig.

Birke:
Warum fotografierst du mich dann?

Sam:
Weil ich ein Bild im Kopf hatte. Aber jetzt muss ich nachdenken.

Birke:
Tu’ das. Aber du darfst mich trotzdem fotografieren.

Sam:
Das habe ich gemacht.

Birke:
Du hast aber den Fotoapparat nicht hervorgenommen.

Sam:
Ja, das ist richtig. Ich trage das Bild in mir.



full
 
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Sagt die Nachbarbirke ca. 12 Meter weiter links:
Sag mal, der Typ da eben mit dem Fotoapparat, was war das denn für ein schräger Vogel?

Birke:
Keine Ahnung, der ist hier aber schon öfter vorbeigekommen.

Nachbarbirke:
Und was wollte der?

Birke:
Wollte wohl quatschen, so ‘n Psychogesülze … hat vielleicht Probleme.
Hab ihn aber ganz schön verarscht. Na ja, ‘n Typ mit ‘ner vollen Gießkanne
wäre mir jedenfalls lieber gewesen, ist doch verdammt trocken hier in letzter Zeit.

Nachbarbirke:
Stimmt.
Na denn rausch mal weiter im Wind, bevor dir Deine Modelkarriere noch zu Wipfel steigt.


Sorry Sam, aber diese Fortsetzung konnte ich mir einfach nicht verkneifen.
Aber ich denke in Zeiten der Schwyzer Fasnacht kannst Du den Schertz vertragen.

Grüße aus HB
Heiner
 
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Sorry Sam, aber diese Fortsetzung konnte ich mir einfach nicht verkneifen.
Aber ich denke in Zeiten der Schwyzer Fasnacht kannst Du den Schertz vertragen.

Grüße aus HB
Heiner

:) Kein Problem Heiner! Bin zwar kein Fastnachtsfan, ausser die Schnitzelbänke der Basler Fastnacht. Ansonsten lehne ich mich gerne an den englischen Humor ... ;)
 
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Lieber Sam,

es sei mir gestattet, zu zitieren :

" Birke:
Nein, nicht wirklich. Du stellst dir im Kopf ein Bild vor und sprichst mit deiner Vorstellung. Du drehst dich im Kreis, ich als Motiv werde zum Gegenstand, welcher du in deiner Fantasie in verschiedene Positionen bringst. "

Wenn Du dies weiter auflösen willst, kommst Du zum Strukturalismus und dann wird es schwierig.
( Zum Einlesen : https://de.wikipedia.org/wiki/Jacques_Lacan )

Du bist nicht nur Sam, Du bist Europäer, geprägt von der schweizer Kultur (Kurzform).
Wir sind Dir ähnlich und verstehen Dich, wenn Du sagst, ich sehe eine Birke.
In diesem Satz steckt aber, obwohl er kurz ist, jede Menge an Inhalt.
Das geht los bei unserem Verständnis vom " ich ", vom Verständnis vom " sehen "
Und Birke, oder Baum bedeutet hier auch etwas, das wir meinen, gemeinsam verstehen zu können.
Dabei fängt der Prozeß schon bei der Beziehung von Subjekt - Objekt an und bei dem, was wir als Subjekt bereits in diese Beziehung einbringen.

Nimm als Beispiel
einen Aborigine, einen Eskimo und einen Regenwaldbewohner
und bespreche mit jedem von ihnen, was sie unter dem Satz verstehen : " Ich sehe einen Baum "

und nach den jeweiligen Erfahrungen kannst Du dann nach ein paar Jahren weitermachen, zu verstehen, was es ist, wenn Sam eine Birke sieht.

Über die Auseinandersetzung mit der Birke reden wir dann weiter ...

... und von der Fotografie, Zeichnung, oder was auch immer, reden wir dann später, wenn wir ahnen, ob das Wort " Baum " ein Bild, ein Geräusch, ein Geruch --- ein Sinnbild für Nahrung, oder Leben, oder ein Zusammenhang von uns mit diesem Baum, oder was auch immer sein könnte - ein weiter Weg, wenn man ihn einmal beginnt ...
 
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Lieber Kay

Danke für deine Worte: ich gehe jetzt kochen mit dem Kleinen, nehme ein Glas Rotwein und antworte Dir später. Spannend, sehr spannend. (y)
 
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So, lieber @Kay , nun etwas ausführlicher meine Antwort.
In deinen Ausführungen hast Du ja "nur" einer zitiert, die sich dieser grundsätzlichen Frage des Menschseins und dessen Sinnhaftigkeit angenommen hat. Schon früh habe griechische, römische aber auch Philosophen aus dem Osten und unbekannte Völker dieser Frage angenommen.

Würde man meine Gene aufschlüsseln und sie zuweisen können, dann kämen wohl einige biologische Ursprünge zum Vorschein, welche ich nicht wusste, aber dennoch in mir trage. Das mein Bewusstsein ein kleiner Teil meiner Wahrnehmung ausmacht, ist längst bewiesen, was sich im Unbewussten so tummelt, das haben sich manche auch schon gefragt.

Gesichert ist zumindest, dass Zellen und ihre Gene zumindest alles an Reizen speichern. Es würde daher möglich sein, alles Erlebte eines Menschen auf die Sekunde aufzuzeichnen. Nur was wir nicht können, sind die Emotionen dazu. Jene wiederum sind verantwortlich dafür, wie wir Situationen in uns abspeichern.

Durch die zunehmende Technisierung auch in der Fotografie konzentrieren wir uns zunehmend auf die Fähigkeit und die Wahrnehmung der uns zur Verfügung gestellten Technik. Per se ist dies nichts schlechtes. Nur geht dabei etwas entscheidendes verloren. Die Birke steht für unser Motiv, für unsere Aussenwelt, zu welcher wir nur versucht sind, sie nur noch technisch wahrzunehmen.

Nun macht ja Lacan einen Unterschied zwischen "Realität" und "Realem". Im Grunde genommen die klassische Frage in der Fotografie. Die Realität wäre dann das, was sich die meisten von uns unter einer Birke vorstellen. Der Habitus, der weiss-schwarze Stamm, die Blätter. Das Reale wäre dann jenes, was ich als Gegenüber wahrnehme. Hier spricht Lacan vom Subjekt, was wir ja alle sind. Selbst die Birke wird zum Subjekt und wird fotografisch nicht mehr Realität, sondern real.

Sam ist wie jeder von uns ein Wesen mit langer Geschichte, welche nicht erst von der Geburt an begonnen hat. Glaubt man der Wissenschaft und dem alten Wissen, dann bringen wir ja schon genetisch einiges mit, welches sich dann, zusammen mit unserem Dasein vereint. Wir sind also ein Produkt von altem und neuen Reizen und Einflüssen.

Rein biologisch betrachtet orientiert sich unser Hirn an den Begebenheiten. Also dem, was wir vorfinden. Und wir verarbeiten dies auch so, mit dem was wir sind. Kenne ich die Farbe rot nicht, dann muss sich mein Gehirn zuerst daran gewöhnen und es für mich abrufbar im Bewusstsein verankern.

Fotografie, und das wollte ich mit dem Beitrag sagen, ist eine aktive und wertvolle Form der Auseinandersetzung mit dem Gegenüber, welcher aber letztlich über mich selbst geht. Die Frage, ob jemand das gleiche sieht wie ich, ob jemand das gleiche Bild im Kopf hat wie ich, ist schon aus oben genannten Ausführungen klar zu verneinen. Dennoch bin ich überzeugt, dass es Angleichungen gibt im Sehen.

Aber kommen wir zum Schluss noch zu unserem Unbewussten. Wir können mit Methoden wie zum Beispiel der Hypnose Zugang dazu finden. Es ist aber immer schwierig, solche Erkenntnisse in die eigene Realität umzusetzen. Ich stand schon oft vor Motiven und habe mich als erstes gefragt, warum mich das berührt. Und oft konnte ich die Frage nicht beantworten. Vielleicht hat mein Unbewusstes etwas gespeichert, das ich nicht kenne und ich es nicht einteilen kann, aber trotzdem in mir ist. Hierbei sei als Beispiel die ganze Thematik der Traumatologie erwähnt, welche allzuoft nach solchen Mechanismen abläuft und für betroffene Menschen im täglichen Leben zu massiven Problemen führen kann.

Wenn ich also vom Dialog spreche, dann spreche ich vom Dialog mit mir und dem "Realen", nach Lacan. Also jene Wahrnehmung, welche er als unfassbar und unkontrollierbar bezeichnet. Vielleicht geht diese Gedanke auch in Richtung Spiritualität. Und da wären wir dann in einem zusätzlichen Gebiet, welches zu lange dauern würde.

Wenn es mir gelungen ist durch diesen kurzen Dialog etwas ausserhalb der technischen Diskussionen anzustossen, dann habe ich bereits Freude daran. :)
 
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Lieber Sam,

es ist Dir gelungen.

In dem, was wir als Realität bezeichnen, ist es nicht einfach, die Vorgaben zu erkennen. Das, was das Subjekt als Gegenüber wahrnimmt, wird durch unsere Sprache beschrieben. Dies ist unsere übliche Darstellung. Und doch ist für den einen eine Oase eine Wasserstelle in der Wüste und für den anderen ein Ort der Ruhe.

So hast Du sehr anschaulich geschrieben, wie sich Dein Bewußtsein im Laufe der Unterhaltung mit der Birke ändert / geändert hat.
Ein anderes Subjekt nimmt dieses, oder ein anderes, Gegenüber möglicherweise - oder fast sicher - anders wahr.
Schon in dem Satz " ich sehe die Birke " stecken Vorgaben. Ein Indianer würde vielleicht sogar die Subjekt-Beziehung ablehnen und würde die allumfassende Natur, zu der Lebewesen und Pflanzen gehören, ganz anders umschreiben.

Dazu kommt, dass das Bild im Kopf in unseren Kreisen meist überwiegend optisch geprägt ist. Und doch riechen wir auch die Birke (wenn auch nicht so stark wie z.B. ein Hund), hören das rauschen des Birkenwaldes ... und was letztendlich " eine Birke " bedeutet, wird nicht nur durch Gene vorgegeben, sondern durch Kultur, Kindheit und dem, was wir als allgemeinverbindlich annehmen und was uns mitgegeben ist, ohne dass wir es voll umfänglich jederzeit benennen können, oder wollen und durch ganz ordinäre Erlebnisse wie eine Rast unter dem Baum oder die Verarbeitung zu Brennholz - auch solche Gedanken stecken bewußt oder unbewußt im Kopf (oder wo der Mensch empfindet - sei es Kopf, Seele, Gemüt ... ).

Dein Dialog bedeutet den Wunsch, die Birke zu erfassen. Das ist schon schwierig. Wie viel komplizierter ist da noch die Fotografie eines Menschen ?

Und vielleicht erklären solche Fragen auch die Scheu mancher Fotografen und ich frage mich, wie Aktfotografie ohne Intimität möglich sein sollte.

Aber fangen wir an mit der Birke !

Danke, lieber Sam, zur Anregung zu solchen Gedanken ! :6874:
 
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Kommentar
Lieber Kay

Ich bedanke mich sehr, hast Du meinen Faden so ausführlich aufgenommen. Ich meinerseits bin daran, ihn weiterzuspinnen. Oft eben beim Musikhören oder eben beim Fotografieren und egal mit welchem Equipment. :)

In diesem Sinne: machen wir weiter bei der Birke. :6874:

Herzlich. Sam
 
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