Der Duft der Macchia - 11 Tage auf Korsika

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Lydian

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Reiseberichte haben sich ja pandemiebedingt hier etwas rar gemacht. Nun denn, hier ist einer. Mit einem Reisemobil kann man glücklicherweise kurzfristig agieren und so haben wir uns, vollständig geimpft, wieder auf die Reise gemacht.

Mitte der 70er Jahre las ich zum ersten Mal von einer Insel im Mittelmeer. Ihr Duft wurde wie folgt beschrieben:

"Ein hauchzarter Duft nach Thymian und Mandeln, Feigen und Kastanien.... und dieser Hauch von Kiefer, diese leichte Andeutung von Beifuß, diese Ahnung von Rosmarin und Lavendel."

Auf dieser Insel gab es viele Berge, noch mehr Kastanienwälder, störrische Esel, noch störrischere Menschen, gezähmte Wildschweine (oder ungezähmte Hausschweine?) und Römerlager mit Namen wie Opossum, Hauteuchdrum, Postscriptum und Tschuingum. Außerdem nicht nur angenehme Düfte, sondern auch einen Käse, mit dem man Schiffe in die Luft sprengen konnte.

Die Rede ist natürlich von Korsika bzw. vom Comicband "Asterix auf Korsika". Es dauerte etwa 40 Jahre, bis wir auf der Insel dann tatsächlich herausfinden konnten, dass die Sache mit dem Käse und dem Schiff gar nicht so weit hergeholt ist ...... Über unsere erste Korsika-Reise - und den Käse - habe ich hier berichtet:
Unsere Gedanken bei der Abreise: "Schön war's, aber wir müssen nochmal hin." Also waren wir im September '21 wieder dort.

Wie üblich fahren wir auf der Anreise nicht stur durch die Alpen (wäre jammerschade), sondern machen Station in Linthal/Schweiz am Fuß des Klausenpasses. Wir kommen wegen erst nachmittäglicher Abfahrt und Staus am späteren Abend an und beziehen mit unserem Kasten einen Stellplatz direkt am Fluss Linth auf dem weitläufigen Parkplatz der Braunwaldbahn, einer Standseilbahn, die Linthal mit Braunwald verbindet. Braunwald ist einer der autofreien Orte der Schweiz, die nur zu Fuß oder per Bahn erreichbar sind. Für den Kasten zahlt man 5 Fränkli Gebühr und darf die Toiletten der Bahnstation nutzen. Fair.

Am nächsten Morgen vertieft sich die bEva in ein Buch während ich den Klausenpass in Angriff nehme. Er fehlt noch in meiner Sammlung.

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Der Urnerboden liegt auf ca. 1370 m und damit etwa halber Höhe des Anstiegs. Hier befindet sich auch die die Grenze zwischen den Kantonen Glarus und Uri.

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Urnerboden von oben


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Die Landschaft ist grandios!


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auf der Passhöhe (1.948 m)
Um 11 Uhr bin ich wieder am Kasten und wir fahren weiter an den Fährhafen Savona-Vado.
 
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In Vado besteigen eine Fähre von Corsica-Sardinia Ferries. Für Hundehalter hat diese Reederei einfach die besten Angebote. Bei einer Nachtfahrt ist eine Kabine, in die auch Hunde dürfen, sehr angenehm.

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Erste Station ist der Campingplatz Fautea nördlich von Porto Vecchio. Oder Porto Syracusanus, wie es historisch korrekt auf der Korsika-Karte im Asterix-Band heißt. Hier gibt es zwei kleine Sandstrände und viele kleine Felsbuchten. Der malerische Campingplatz liegt direkt über dieser Bucht in der Mitte zwischen den Häusern und dem Genueserturm.

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3 Kommentare
jazzmasterphoto
jazzmasterphoto kommentierte
Ein Schiff kommt an, einige Typen steigen aus … das alles lohnt keinen Bericht. :cool:
 
Stefan M.
Stefan M. kommentierte
…ein Schiff fliegt in die Luft, wozu einen Bericht schreiben… 😉
 
Lydian
Lydian kommentierte
Der Asterix-Band ist legendär. Ich erinnere mich noch genau, als ich ihn, damals in der 6. Klasse, während einer Schulpause zum ersten Mal in den Händen hielt. Schon drei Jahre zuvor lief ich meist mit einem Asterix-T-Shirt rum (Asterix als Legionär, noch so eine Legende).
 
Mir ist es hier an der Küste zu heiß (außerdem ist das Wetter mäßig und das Licht doof ....) und so drängel ich, etwas in die Berge zu fahren. Auf etwa halber Strecke zum Col de Bavella wandern wir die enge Schlucht des Polischellu aufwärts. Hier kann man - wenn man das frische Wasser ab kann - in den Gumpen baden....

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... oder den Teilnehmern einer Canyoning-Tour zusehen, wie sie spektakulär rückwärts eine Naturrutsche in einen der Gumpen stürzen.

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Das kommt in bewegten Bildern natürlich besser und so habe ich hier ein kleines Video hochgeladen:

 
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Am späteren Nachmittag beziehen wir Quartier auf dem Campingplatz U Ponte Grossu am Fluss Solenzara und entspannen in dessen Gumpen.

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Am nächsten Tag gibt es ein ähnliches Programm: In etwa 45 Minuten wandern wir vom Col de Larone zu den Wasserfällen und Gumpen des Purcaraccia. Aufgrund des malerischen Wasserlaufs in einer engen Schlucht mit smaragdgrünen Gumpen, einigen Wasserfällen und Naturrutschen, ist diese Schlucht in den letzten Jahren sehr populär geworden. Was wir nicht wussten: Seit diesem Jahr ist, um den Andrang zu reduzieren, die Schlucht von Mitte August bis Mitte September geführten Canyoning-Gruppen vorbehalten. Es ist der 17.09. .... Glück gehabt. Oder auch nicht: der Andrang ist nicht unerheblich.

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An den unteren, im Schatten liegenden Gumpen ist nichts los. Weiter oben sieht das schon anders aus.

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Immer wieder kommt eine Canyoning-Gruppe vorbei. Das wäre auch was für uns. Aber mit Hunden eher suboptimal...... und als geübte Kletterer wäre es für uns sicher nervig, zu warten, bis alle der wohl zum ersten Mal abseilenden Teilnehmer dann auch unten sind. Das hat teilweise ziemlich gedauert.

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Auch hier ein kleines Video:

 
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Bei unserem letzten Aufenthalt auf Korsika wollten wir am Col de Bavella ausgiebig klettern. Herausgekommen sind aber nur 2-3 Touren am Nachmittag unserer Ankunft, dann machte das Wetter einen Strich durch diese Rechnung. Also gab es etwas nachzuholen.

Zum x-ten Mal geht es über den Col de Larone.

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Am Bavella angekommen ist die übliche Kirmes angesagt. Es ist Mitte September und unter der Woche. Wie ist es hier im August?
Egal, 20 Minuten in die Felstürme gelaufen und Ruhe ist. Die Tafoni-Strukturen des Bavella-Granits begeistern uns wie immer. Die Bezeichnung "Tafoni" stammt aus dem Korsischen pietra tafunata („durchlöcherter Stein“). Bei der Tafonierung bilden sich durch chemische Verwitterung von innen nach außen Hohlräume mit sehr unterschiedlichen Durchmessern. Der tafonierte Granit des Bavella-Gebirges ist also sehr stark strukturiert und bietet damit dem Kletterer Griffe und Tritte in einer unglaublichen Vielfalt.

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Die Licht- und Wolkenstimmung am Abend ist wunderschön. Aber es sieht auch nach Wetterküche aus.

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Die Wetterzeichen verkünden eindeutig: Es kippt. Am Morgen weckt mich wunderschönes Licht. Jedenfalls in Richtung der Aiguilles de Bavella.

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In Richtung Küste sieht es schon eher bedrohlich aus. Wenige Minuten später befinden wir uns in einer Nebelsuppe und es regnet. Bis zum Mittag hört es nicht auf.
 
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Die Wettervorhersage verspricht ab 11 Uhr Besserung. Um 12 Uhr hat sich noch nichts geändert. Wir verlassen mal wieder wetterbedingt diesen tollen Ort und steuern das nächste Ziel an der Südspitze der Insel an. Unterwegs passieren wir auf der wunderschönen Küstenstraße T40 den Rocher du Lion.

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Das Ziel ist aber ein anderer Rocher: Der bekannte "Wackelblock" Uomo di Cagna. Meine fotografische Hoffnung: Der Uomo in der Abenddämmerung, im Morgenlicht und - wenn alle klappt - in der Nacht, beschienen vom Mond mit Sternenzelt darüber. Aus diesem Grund schleppen wir nicht nur die schwere Kamera, Stativ + Kugelkopf, sondern auch Schlafsäcke, Isomatten, Kocher, Proviant und vor allem Wasser über drei anstrengende Stunden vom Dörfchen Ghianuccio hoch zum Uomo, der auf ca. 1.200 m über dem Südzipfel Korsikas thront. Das Wetter ist ganz gut, die Prognose verheißt einen Wechsel von Sonne und Wolken bei viel Wind und mäßigen Temperaturen.

Der Weg zum Uomo ist durchaus anspruchsvoll. Zunächst schwitzen wir heftig, weiter oben dann nimmt der Wind mehr und mehr zu und das Klettern über die Blöcke ist recht .... unterhaltsam. Am Uomo angekommen herrscht Sturm und es wird zusehends kälter. Die bEva verkriecht sich mit Hunden an einer leidlich windgeschützten Stelle und ich suche einen Übernachtungsplatz. Eben und windgeschützt sollte er sein, und zunehmend droht auch Regen. Also noch überdacht. Ich klettere die gestapelten Riesenblöcke rauf und runter, hin und her, finde aber keinen geeigneten Platz. Zwischendurch schieße ich schnell ein paar Fotos vom Uomo.

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300 - 400 Tonnen schwer soll er sein. Was man erkennen kann: An der Küste scheint ab und an die Sonne, aber über uns ziehen sich die Wolken immer dichter zusammen.

Ich finde keinen geeignete Platz. Überall pfeift der Sturm. Wo es eben ist: kein Regenschutz, wo es windgeschützt ist: nicht eben. Die bEva setzt sich durch. Wir steigen im letzten Tageslicht ca. 30 Minuten ab zu einer Höhle, die uns beim Aufstieg aufgefallen ist. Dort bereiten wir unser Nachtlager.

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Die Hunde sind etwas irritiert.
 
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Kalt, aber einigermaßen geschützt vor dem Sturm ist es hier. So geschützt, dass ich den Gaskocher zum Laufen bringe. Immerhin. Draußen undenkbar. Immer wieder weht der Sturm ein paar Regentropfen in die Höhle. Zum Glück haben wir gute Schlafsäcke, darin wird es warm. Die kleine Titou nächtigt zunächst in meinem, dann im anderen Schlafsack, der größere Munk kuschelt sich zwischen die Schlafsäcke. Die Nacht ist passabel.

Am nächsten Morgen: ringsum Nebel, wenig Sicht. Auch nach mehreren Kaffees und einem Frühstück ändert sich daran nichts. Die Wetterprognose weiß nichts von diesen Unbillen, anscheinend hat der Uomo sein eigenes Mikroklima. Wir packen zusammen und laufen in ca. 2 Stunden runter nach Ghianuccio. Fotos vom Uomo in Sturm und Nebel waren ja nicht der Plan.

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Gemütlich aufwachen ist anders.​
 
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Am Mittag ging es dann wieder an die Küste nach Campomoro, wo wir uns interessante Tafoni am Strand erhoffen. Unterwegs kaufen wir in Sartène ein. Laut Prosper Mérimée (der die literarische Vorlage zu Bizets "Carmen" lieferte) ist Sartène "die korsischste aller Städte.

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"Stadt" ist auf Korsika relativ. In Sarténe wohnen ca. 3.300 Menschen.

In Campomoro checken wir auf dem Campingplatz ein und durchstreifen im Abendlicht die felsige Küste. Es gibt dort auch einen Sandstrand, aber der interessiert uns nicht.

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Der Genueserturm von Campomoro


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Campomoro ist erstaunlich touristisch geprägt. Wir treffen fast ausschließlich Franzosen.
 
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Am nächsten Tag ist eine Küstenwanderung angesagt. Viele Kilometer machen wir dabei nicht, denn ständig halten uns die grandiosen Tafoni auf. Staunen, fotografieren, Hand anlegen. Ich bin immer ganz fasziniert von diesen Gebilden und kann mich oft nur schwer lösen. Aber es gibt hier tausende von ihnen.

Doch zunächst verlangt die bEva (ihr Kopf ist zu sehen...) nach einem Bad. Wie man sieht, ist der Wellengang nicht unerheblich. Kein Wunder bei dem Sturm gestern.

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Super, ich hoffe da kommt noch mehr. Ich war sehr lange nicht mehr auf Korsika, sollte mal wieder hin um zu sehen was sich in über 20 Jahren alles verändert hat. Deine Bilder sind Spitze.
 
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Einen besonders großen Felsen taufen wir auf den Namen "Bernd das Brot".

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Das wäre ein überaus reizvoller Kletterfels. Aber bei der Höhe und dem Absprunggelände..... besser nicht.

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Nebenan können wir leichtere Felsen ersteigen und finden ein sehr sorgfältig gebautes Möwennest (?), bewacht von einem Hund.​
 
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Super Bilder, Lydian!

Sieht ein bisschen aus, wie an der Granitküste in der Bretagne.

(y)
 
3 Kommentare
aspis
aspis kommentierte
Wahnsinns Steinformationen!! (y)
 
Lydian
Lydian kommentierte
Ja, eine Kletterin meinte dazu: „Wie Fels auf LSD.“
 
H
Holger Meister kommentierte
Gratulation!
Schon der Bericht ist so toll geschrieben, dass ich nicht unterbrechen konnte. Und dann die mega Aufnahmen!!!
Ganz sicher einer der besten Reiseberichte, die ich hier gesehen habe!!!
 
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