Liebe Christel
Ich finde dass Du das sehr gut gemacht hast. Dass die Ente, wenn sie noch kann, davon fliegen würde habe ich mir gedacht. Wäre sie liegen geblieben, dann wären die Verletzungen vermutlich auch ganz arg gewesen, so dass sie die Kraft für den Abflug nicht gehabt hätte.
Zweierlei ist richtig gewesen: zum Tierarzt. Bei verletzten Wildtieren appliziert man oft ein Depotmedikament, das heisst, der Wirkstoff wirkt über mehrere Tage (Antibiotika und Schmerzmedikamente). Somit hast Du ihr auch die Möglichkeit eines rundum Schutzes ermöglicht, um die Wundheilung ohne Infektion zu ermöglichen. Zweitens hast Du sie geschützt. Oft werden verletzte Tiere ein zweites Mal attackiert (Kleinsäuger), weil sie sich nicht mehr wehren können, oder noch so im Schock sind. Gute "Nasenjäger" riechen zudem das Blut von weit her und so sind die angeschlagenen Tiere ein leichtes Opfer.
Wenn Du erlaubst, möchte ich noch ein paar grundsätzliche Dinge ausführen zum Thema Verhalten bei verletzten Wildtieren. Seit Jahren bringt man uns immer wieder kleinere Wildtiere zur Pflege und wir haben mittlerweile einiges an Erfahrung damit. Grundsätzlich gelten aber folgende Dinge zu beachten:
1. Ein Wildtier ist kein Haustier. Es gelten auch für Wildtiere die gesetzlichen Rahmenbedingungen des jeweiligen Landes. Bei uns darf kein Wildtier von Nichtfachleuten zu Hause gepflegt werden (wir tun das nur sehr begrenzt und immer mit Rücksprache des Tierarztes).
2. Findet man ein verletztes Wildtier, dann ergeben sich zwei Möglichkeiten. Grundsätzlich helfen wir aus der Überzeugung, dass auch ein Tier nur ein Leben hat. Dabei ist aber auch wichtig, eine einigermassen richtige Einschätzung vor Ort zu machen. Ansonsten lässt man die Finger davon und verständigt den Wildhüter, oder Tierarzt.
3. Wichtig ist zu wissen, dass ein verletztes Tier ohnehin gestresst ist. Wir müssen uns also bewusst sein, dass ein Tier noch viel mehr in Stress kommt, wenn wir es berühren. Die Handgriffe müssen sitzen und das Tier soll nicht "gestreichelt" werden, auch wenn es in uns Menschen diesen Reiz auslöst.
4. Ist die tierärztliche Erstversorgung gemacht, gilt es zu entscheiden, ob man das Tier schon wieder in die Natur lassen kann oder ob es noch pflegerische Obhut braucht. Letzteres hängt von vielen Faktoren ab. Wir sind seit Jahren gut eingerichtet was die Infrastruktur und die Logistik betrifft. Bei Vögel oder Igel wissen wir sehr genau was auf uns zukommt. Andere Tiere, auch zum Teil Igel, bringen wir in eine Pflegestation.
5. Hat man sich entschieden, den Versuch der Pflege selbst in die Hand zu nehmen, dann beachte man folgende Dinge:
- Es braucht die Infrastruktur, Käfige, je nach dem Einstreu, usw. Wir haben schon Vögel erhalten, welche flugunfähig zwei Tage in einem Schuhkarton verbrachten und sich in der Gefangenschaft die Federn kaputt machten. Da kam dann jede Hilfe zu spät.
- Es braucht Wissen über Pflege und Nahrung. Es braucht wissen über das Verhalten, den Tag-Nacht-Rhythmus. Es braucht vielleicht Spezialfutter, welches man nicht überall bekommt. Sperlinge essen nicht das gleiche wie Amseln oder Meisen. Und nicht jedes Jungtier trinkt Kuhmilch, Igel schon gar nicht, dass kann sogar tödlich sein.
- Es braucht Zeit. Viel Zeit. 95% des Aufwandes rund um ein Pflegetier ist Saubermachen, Essen vorbereiten und und Überwachung. Hygiene ist bei kranken Tieren genau so wichtig wie bei kranken Menschen. Und wichtig ist, Wildtiere sind keine Kuscheltiere. Gestreichelt wird nicht, lange Anwesenheiten vor dem Käfig sind Stress für die Tiere, denn das Ziel muss sein, dass die Tiere wieder zurück in die Natur kann. Das Zeitmanagement ist sehr wichtig. Es kann sein dass man ein Tier ein paar Tage oder vielleicht wenige Wochen hat. Das bedeutet, dass man allenfalls jemand braucht für die Ferien, oder man hat schon ein Wochenende gebucht. Ein nicht überlebensfähiges Tier kann man wegen gebuchter Ferien nicht einfach in die Natur zurück schicken. Also muss man für den Pflegeersatz besorgt sein.
- Kosten: nicht jeder Tierarzt, so wie unser, behandelt Wildtiere kostenlos. Und das Essen wird nicht fremdfinanziert. Spezialfutter kann sehr teuer sein und ist in der Regel auch nicht ewig haltbar.
- Erfahrung: die holt man sich mit der Zeit. Wir haben ein breites Netz von Freunden, vom Tierarzt über den Tierpfleger, bis hin zu Ordnern und Adressen mit Anleitungen. Selbst in den Zoo wo Suri wohnt, pflegen wir Kontakte, um Ratschläge zu holen.
6.All das gilt es gut zu überlegen. Wir haben das Glück, dass wir sehr gut eingerichtet sind, unser Freund und Tierarzt unser Nachbar ist und wir ein breites Beziehungsnetz haben. Ansonsten würden wir von all dem die Finger lassen.
So, ich hoffe nun, dass die Ente überlebt und gesund wird. Und Dir Christel, nochmal herzlichen Dank für deinen Einsatz und die Berichterstattung.