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sam25

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Eine Woche im Tessin. Einem Seitental des Valle Maggia. Anlässlich meiner zehnjährigen Mitgliedschaft hier im Forum, aber auch der zehnjährigen intensiven Auseinandersetzung mit Fotografie widme ich diesen Thread einem Rückblick - notabene mit aktuellen Bildern.

Ich habe mich im Tessin selbst interviewt, der härteste Kritiker meine Bilder, so habe ich ernüchternd festgestellt, bin ich selbst ...

Ich gehe tageweise vor, das heisst heute werde ich über den ersten Tag berichten, über das Val di Prato. Ein Tal das wir nicht kannten, und ich im Stillen zu meinem Jubiläumstal erkor ...


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Sam, wir treffen uns für eine Woche zuhinterst im Maggiatal. Warum gerade hier?

Wir sind hier im Val die Lavizzaro, einem Seitental vom Val Bavona. Und wir treffen uns im Tessin, weil ich mich hier ein Stück weit meiner Fotografie sehr nahe fühle. Das Maggiatal teilt sich in Binasco in diese beiden Täler. Die Flüsse der beiden Täler speisen unter anderem die Maggia. Es ist mir wichtig diesen Unterschied zu machen, nicht nur wegen der Präzision sondern auch der Geschichte wegen und auch weil mich mich dann präziser meinen Motiven nähern kann.



2 (Prato, ein kleines Dorf und etwas ausserhalb wohnten wir in einem Rustico)


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Was hat präzise mit deiner Fotografie zu tun?

Vielleicht ist es nicht das richtige Adjektiv um das zu umschreiben, was ich damit meine. Ich meine damit, dass ich mich stark mit dem Motiv auseinandersetze, bevor es ein Bild oder Foto wird. Mit Präzise meine ich, dass ich alles daran setze ein Motiv und somit den Augenblick zwischen mir und dem Motiv zu verstehen. Eine Blume ist nicht einfach eine Blume. Aber nicht immer ist mir der Name wichtig, auch wenn ich nachher dann oft nachschaue wie sie heisst. Schon nur der Name und deren Ursprung aber kann meine Wahrnehmung beeinflussen, kann mich dem Motiv ein Stück näher bringen. Es muss es aber nicht.


3 (Val di Prato, am Morgen auf dem Rückweg ins Val di Lavizzaro)

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Wie muss ich das verstehen?

Seit zehn Jahren fotografiere ich intensiv. Auf meiner Weltreise in den 80er Jahren habe ich auch fast zwei Jahre intensiv fotografiert. Aber dort lag der Fokus anders. Im Mittelpunkt stand das Festhalten von Motiven, Landschaften und Tieren. Und mit der gleichen Intension habe ich dann wieder begonnen, als ich meine erste digitale Kamera anschaffte. Zusammenfassend gesagt, habe ich das Motiv in den Vordergrund gestellt und nicht den Prozess.


4 (zuhinterst im Val di Prato. Man kann noch weiter über Berge bis hin zum Valle di Verzasca)

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Du sprichst von Wahrnehmung und Prozessen in deiner Fotografie. Fotografie ist ja nur ein Abbild von dem, was man sieht...?

Das habe ich auch immer gemeint und mit diesem Ansatz habe ich auch lange Zeit fotografiert. Da ich von mir behaupten darf, dass ich eine einigermassen gute Beobachtungsgabe habe, sind mir auch einige schöne Fotos mit diesem Ansatz gelungen. Aber mehr nicht.
Die letzten zehn Jahre war ich beruflich und privat starken Emotionen ausgesetzt. Dazu kam, dass ich wenige Möglichkeiten hatte, mich auf Motivreise zu machen. Also irgendwo hin zu gehen um Motive aufzusuchen. Meine Fotografie beschränkte sich fast ausschliesslich auf den Alltag, auf die Spaziergänge mit den Hunden oder zu Hause in meiner näheren Umgebung, oder eben Ferien. Ich mag mich daran erinnern, dass ich mich auf einem Spaziergang einmal fragte, warum ich hundert Mal an denselben Motiv vorbei gehe ohne ein Foto zu machen und dann irgend einmal der Moment gekommen ist, das Motiv zu fotografieren.


5 (Blick vom Val die Prato in Richtung Val di Lavizzaro)

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Kannst Du ein Beispiel machen?

Ich nehme eine Blume am Wegrand. Wir haben drei Wochen schönes Wetter und ich gehe jeden Tag denselben Weg an derselben Blume vorbei. Es ist also nicht so, dass sich das Licht änderte oder die Blume. Sie blüht, jeden Tag gleich, immer im selben Licht. Und irgend einmal bleibe ich stehen, bücke mich und fotografiere sie. Warum? Es ist mir bis heute noch ein Rätsel. Ich bin aber soweit, dass ich sagen kann, dass der Auslöser nichts mit der Blume zu tun hat, sondern mit mir. Und hiermit beginnen eben die Wahrnehmungen und die daraus folgenden Prozesse.


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Jetzt wird es spannend...

Wenn ich also davon ausgehe, dass die berühmte „Motivklingel“ in mir selbst ist, dann muss ich mich fragen, was dann mit mir passiert, dass ich auf ein Motiv reagiere. Ich habe für mich herausgefunden, dass sich das Aussen in meinem Inneren spiegelt oder das Aussen in mir etwas wachruft: Emotionen, eine Geschichte, eine Erinnerung, ein Gefühl. Wenn dem so ist, hat sich also das Motiv mir interessant gemacht. Nur, und das ist eine weiterführende Frage, was mache ich dann mit diesem Augenblick, dieser Wahrnehmung. Und jetzt, erst jetzt beginnt der eigentliche fotografische Prozess. Aber nicht ausschliesslich um die Wahrnehmung rund um das Motiv. Die Landschaft und die Blume laufen mir ja nicht davon, bei Tieren und Menschen ist das etwas anderes. Auf das komme ich später zu sprechen. Ich beginne in mir selbst zu forschen, ich beginne einen Dialog mit mir selbst und beziehe auch das Motiv mit ein. Was ich dann letztlich fotografiere ist der Dialog zwischen mir und dem Motiv.


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Wenn ich das alles richtig verstanden habe, dann beschäftigst du dich weit mehr mit dir selbst beim Fotografieren als mit dem Motiv?

Das ist so. In den Jahren wurde ich zunehmend routinierter damit. Ich erhalte auch immer wieder Rückmeldungen von Menschen, mit welchen ich fotografieren gegangen bin, dass ich relativ „locker“ an die Motive herangehen würde, aber oft Erstaunliches dabei raus käme. Am Anfang häufig, manchmal noch heute, überwirft mich die Auseinandersetzung mit mir selbst. Ich habe schon bittere Tränen geweint vor einem Motiv oder laut gelacht, weil der Auslöser von Aussen dermassen auf Resonanz in mir stiess.


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Das Gespräch zwischen Sam und mir findet am zweiten Tag seine Fortsetzung ... Den Rest des ersten Tages haben meine Frau und ich auf der Terrasse verbracht. Und ich mit dem 800mm Nikkor mit einem 1.4 Konverter und habe die Gegend abgeklopft ... :)


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Es geht weiter. Der zweite Tag versprach wettermässig durchzogen zu werden. So nutzten wir die Gelegenheit am Fluss Richtung taleinwärts zu wandern ...

Und selbstverständlich greife ich wieder ins Gespräch ein. :)

So könnte man es so formulieren, dass dein Innen dein Aussen ist und umgekehrt...?

Ja, das ist eine Standartformulierung welche ich seit Jahren in mir trage. Ich verstehe mein Innen auch als mein Aussen und umgekehrt. Sie beide sind permanent im Austausch, ob fotografisch, privat oder beruflich. Vielleicht hat dies auch mit meiner Haltung zu tun, dass wir Menschen, ob wir wollen oder nicht, in die Welt und eben dem Aussen eingebunden sind.


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Das heisst?

Die Blume am Wegrand wird zweifellos Bestandteil meines Lebens, wenn ich an ihr vorbei gehe. Schon beim ersten Mal. Ich kann mir natürlich nicht immer alles merken, ich begegne ihr vielleicht auch gar nicht bewusst, gespeichert wird die Blume in meinem Gehirn schon, aber es ist mir nicht bewusst. Wir wären ja komplett überfordert, wenn uns jeder Reiz bewusst wäre. Und so sind mir viele Dingen nicht mehr bewusst sind, welche ich erlebt habe.
Unser Hirn speichert jeden Reiz, nur filtert es heraus, welcher für uns notwendig ist oder nicht. Das passiert automatisch in der Regel. Mit der Erkenntnis der Traumatologie könnte man das sehr schön erklären. Aber das würde zu weit führen.


19 (Blick talaufwärts in Richtung Fusio)

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Versuche es...

Ich möchte nicht auf die Traumatologie eingehen. Ich meine, das Innen lebt von Aussen. Ich gehe tausend Mal den selben Weg und ich meine alles zu kennen. Und dem ist nicht so. Das Licht ist anders, das Wetter. Aber, und das ist entscheidend, ich bin immer anders. Vielleicht fröhlich oder traurig. Wenn ich also die Blume wiederum sehe am Wegesrand und ich bin traurig, dann finde ich sie nicht schön. Ich kann ihr also keine glücklichen Gefühle entgegenbringen, sondern nur traurige. Das Aussen bestärkt mich in meinem momentanen Gefühl, kann mir aber auch diametral vermitteln, dass es anders ist.


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