Auf eisigen Eisenwegen in den Dolomiten

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2000volt

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Nach 2 Wochen Kalymnos/Griechenland zum Klettern und Tauchen und einer kurzen aber heftigen Arbeitsphase dazwischen, mussten wir nochmal auf Berge steigen, um ausreichend Erholung und Puffer zu schaffen bis zu den Weihnachtsferien. Kurz und knapp: Sonnenaufgänge gibt’s von mir keine, Sonnenuntergänge auch nicht. Morgens lag ich zu der Zeit noch in unserem Wellnesstempel und träumte nur von den steilen Graten und Wänden, abends saß ich zu Untergangszeiten entweder in der Sauna oder schon beim 5-Gang-Menü bei einem guten roten Tropfen, nicht aus dem nahen Kaltern, für uns besser geeignet aus der Toskana. Dazwischen waren wir wunderbar, wie so oft, zum Klettern an den traumhaften Wänden der Ampezzaner, Grödner-, Sella oder Sextner Dolomiten bis zum letzten Freitag, an dem sich eine Kaltfront sehr kühl nicht nur ankündigte, sondern in vollem Gange den ersten Schnee brachte auf den Bergen in Südtirol. Nichts tun, stand nicht zur Debatte, also liess ich mich zu einer meiner Lieblingsdisziplinen überreden. Klettersteig auf den Cristallo di Mezzo, knapp 3200m hoch, zwischen Cortina und Misurina. Lieblingsdisziplin. Klettersteige stehen für mich normalerweise nicht auf dem Plan. Zu viel los, zu wenig Anspruch, zu genüsslich, zu wenig Adrenalin :) ich hasse Steige.
Gut, die Kaltfront brachte Schnee, somit versprach das Vorhaben nach knapp 1 Woche richtig Klettern, trotzdem ein delikates Unternehmen zu werden.


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Das Abenteuer startet auf dem Weg zum Cristallo bereits mit der uralten Eiergondelbahn, 25 Minuten Schwitzen auf dem Weg hoch zur Lorenzi-Hütte, zum Einstieg des Steiges. Die Fahrt mit der Gondel machte mich jedenfalls nervöser, als jede Klettertour die Tage zuvor, ich fühlte mich ausgeliefert und wir überlegten , vor allem 200m vor der Bergstation, was passieren würde, wenn die Gondel abreissen würde und wie es sich wohl anfühlt, die knapp 1000 Höhenmeter das steile Schotterfeld runterzurollen. Ich bin mir sicher, in Deutschland würde das Gefährt den TÜV eher nicht passieren.

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Jedenfalls hatten die Wetterexperten aus Innsbruck absolut Recht, der Bericht hatte nicht zu viel versprochen, die Sicht war mäßig und die Temperatur 10 Grad unter Null, eigentlich genau nach meinem Geschmack. Denn mit Andrang war nicht zu rechnen und so war es auch. Ausser uns waren da keine anderen Geniesser unterwegs. :), also ganz anders, wie man das sonst auf solchen Steigen erlebt bei gutem Wetter.

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Hier erkennt der Kenner im Nebel des Grauens die Bergstation, UND: Schnee fiel auch bereits, die Lage spitzte sich zu und an dem Punkt wünschte ich mir den letzten Aufguß aus der Sauna vom Vorabend.
 
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Nach einem netten Espresso und small talk mit dem Hüttenwirt/in, (Hütte im Background) machten wir uns also auf Richtung Gipfel, wir wollten uns jedenfalls etwas bewegen und ich war überrascht, wie trocken der ein oder andere Felsbrocken noch war trotz des Graupelschauers

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Klettersteige werden jedenfalls heftig diskutiert bei Alpinisten und Kletterern, einerseits macht man nur bekletterbare Berge auch weniger geübten Bergsteigern/Wanderern zugänglich, andererseits ist das sicher für den Tourismus inkl dem Rettungsbusiness zuträglich. Sie sind sehr beliebt und in der Regel auch sicher zu begehen, sofern kein Kaltfrontgewitter ansteht. Klettern ist das nicht wirklich, eher Wandern am Drahtkabel, man zieht sich teilweise an den Drahtkabel hoch, teilweise gibt es Leitern und Eisensprossen, ein Landschaftserlebnis ist es aber doch und an dem Tag wäre Klettern mit den engen Schuhen mit wenig Reibung auf den nassen eisigen Platten ohnehin nicht möglich gewesen.

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Madame beim Wandern in der Steilwand :)
 
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Jeder steigt für sich, man sichert sich nicht gegenseitig wie beim Klettern. Ausgesetzt und exponiert ist es auch. Man hängt also seine Sicherungskarabiner in die Drahtkabel ein und klippt beim nächsten Fixpunkt um. Im Grunde wäre das im Sturzfall reine Schadensbegrenzung, auch wenn moderne Klettersteigsets Falldämpfer haben, herrscht aus meiner Sicht absolutes Sturzverbot, denn anders als beim Sturz in ein Kletterseil und entsprechender dynamischer Sicherung des Partners,würde man hier bis zum letzten Fixpunkt rauschen bzw aufgrund des stufigen Geländes auf einem Felsband etc aufschlagen.

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Zurück zu kalt

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Der Nebel kommt und geht, es schneit nur zeitweise, der Weg zum Gipfel ist nicht mehr weit. Aber ich habe mich nicht verhört. Zu einer gescheiten Kaltfront gehört auch ein Kaltfrontgewitter, es donnert, nur ist das an Stahlkabel sehr ungünstig und generell nicht empfehlenswert, bei solchen Bedingungen einen Steig zu begehen. Die Innsbrucker meinten, um 15 Uhr gehts los, wir haben also noch Zeit, zudem ist deren Bericht und das meteorologische Rechenmodel nur um + oder - 3 Stunden genau. In dieser Wand steht Madame, nur wo ?
 
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Ich find so Berge ja ein bissl gruselig und Du verstärkst mein Bauchgefühl noch weiter:)

Ich fands auch gruselig an dem Tag, um 14:00 war fast Nacht, es war dunkel, saukalt und mit dem Donner hatten wir am Gipfel eine ganz aussergewöhnliche Stimmung, zum Glück donnerte es nur, Blitze waren keine in Sicht und das blieb auch so bis wir wieder unten waren, dann gings los gegen späten Nachmittag, die Meteos hatten also Recht gehabt. Sicher ist es angenehmer so einen Steig bei trockenen sonnigen Bedingungen zu machen, bei Blitzgewitter u.U tödlich, denn ein Kugelblitz rollt sich gerne am Stahlkabel entlang, Kugelblitze, die Physiker lange versucht hatten, künstlich zu reproduzieren, sieht man an solchen Drahtkabelsteigen dann in natura. Und bei gutem Wetter geh ich eben lieber klettern als Steig steigen. :)
 
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Bei diesen Bedingungen die Tour zu machen: Hochachtung! Der Bericht und die Bilder dazu: Wunderbar. Danke fürs Zeigen.
 
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Bevor es zum Gipfel geht, mal ein Tierbild vom Ende dieser Tour, als wir wieder auf der Hütte waren :) oder: "Viel Vogel, wenig Berg" - diese fett gefressene Bergdohlenspezies war rotzfrech, aber scheinbar viele Menschen gewöhnt. Sie tänzelte die ganze Zeit direkt vor mir rum, meinen Rucksack im Blick, um sich das bis dahin ungegessene Brötchen einzuverleiben

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Bei diesen Bedingungen die Tour zu machen: Hochachtung!

Danke Heinz. Andere sagen: leichtsinnig ! Nur, ich war mir ganz sicher, dass wir vor dem Gewitter wieder unten sind, denn am Kabel möchte ich mich auch nicht von einem Blitz grillen lassen und ich klettere seit 38 Jahren. Als Student habe ich als Bergführer und Klettertrainer in den Semesterferien Geld verdient, um mein Studium zu finanzieren. Von daher ist so ein Ausflug auch bei solchen Bedingungen für uns ziemlich sicher. Bei Westalpentouren zb hat man selbst in Klettertouren oft ähnliche Bedingungen. Wir hatten jedenfalls Spass, auch wenn beim Gipfelbild, dass ich u.U noch zeigen werde, wegen der hohen UV Strahlung trotz Nebel, der Blick beim selfie (ohne stick) nicht entspannt wirkt :)
 
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