Da wir noch in Shiraz sind, ein paar Ausführungen zur Kultur im Iran; hier zur Poesie und - recht aktuell - der Filmszene.
Im Iran genießt die Literatur, allen voran die Poesie, große Wertschätzung. So gehört das Rezitieren von Gedichten auf Feiern oder Trauerfeiern zum Alltag und der Festkultur. Kaum ein Iraner, der nicht einige Gedichte von Sa’adi, Hafez oder Rumi aufsagen kann.
am Grabmal des Hafez
Die Geschichte der Persischen Literatur lässt sich bis in das Altertum zurückverfolgen. Erste Beispiele einer iranischen Dichtung, die bereits das Schema einer zur Tradition gewordenen Rhetorik aufweisen, befinden sich in den Gathas (Gesängen), den ältesten Teilen des Avesta, der Schrift der zoroastrischen Religion. Dabei ging mit der Eroberung der Araber die mittelpersische Sprache Pahlavi verloren, Texte wurden nun auf Arabisch verfasst und die gesprochene Sprache mit arabischen Wörtern durchsetzt. Erst im frühen 11. Jahrhundert erlebte die neupersische Sprache und Dichtung eine Renaissance. Der Dichter Ferdowsi schuf mit dem „Schahname“, dem Buch der Könige, einem etwa 50.000 Verse umfassenden Werk, ein Heldenepos. Es enthielt nur wenige arabische Wörter und wurde zur Grundlage der neupersischen Sprache.
am Grabmal des Sa'adi
Als Dari-Dichtung wird die Gesamtheit der klassischen Dichtungskultur Persiens bezeichnet, die in der persischen Schriftsprache Dari angefertigt wurde. Sie entstand hauptsächlich auf dem Gebiet der heutigen Staaten Iran, Afghanistan, Tadschikistan und Usbekistan. Zudem war die Persische Sprache über eine sehr lange Zeitspanne hinweg Kultur- und Amtssprache in den heutigen Staaten Irak, in Pakistan und Nordindien. In diesen Staaten lebten einige der bekanntesten Dichter der persischen Sprache, nennen möchte ich hier nur mal Omar Khayyam (wohl mehr als Mathematiker bekannt) und Rumi.
Persische Dichter haben so auch über Jahrhunderte hinweg andere Kulturen und Sprachen beeinflusst, unter anderem Goethe, dessen West-östlicher Diwan auf der klassischen persischen Poesie basiert.
Angrenzend an das Hafez-Grabmal ist ein großer Künstler-Friedhof.
Bis heute hat der Iran eine lebendige Literaturszene. Unter dem Pahlawi-Regime mussten viele Autoren Verhaftung und Folter erleiden. Dieses änderte sich auch nach der Revolution nicht, Schriftsteller werden nach wie vor bedrängt und ihre Werke zensiert. Heute entsteht ein bedeutender Teil der iranischen Literatur im Exil.
wieder am Grabmal des Sa'adi
Daneben wurde in jüngster Zeit auch im Westen bekannt, dass der Iran eine überaus lebendige und qualitativ hoch stehende Filmszene hat, die sich nicht nur in Jafar Panahi und Shirin Neshat personifiziert, die beide schon einige internationale Filmpreise eingeheimst haben.
Aus meiner Sicht wird eine Grundhaltung der iranischen Filmszene in diesem Zitat sehr deutlich:
„In den USA gibt es zwar Meinungsfreiheit, aber Filmemacher müssen hart für die Unterstützung experimenteller Filme kämpfen. Das Publikum ist nicht so sehr gebildet, vielleicht auch zu bequem, und bevorzugt daher Mainstream-Filme - eine Art Eskapismus. Im Gegensatz zu diesem Eskapismus, der von den Filmemachern in der freien Welt bedient wird - stark vereinfacht gesehen natürlich -, ist das iranische Publikum von uns Filmemachern richtiggehend abhängig: davon, dass wir Position beziehen und eine Stimme erheben. Unsere Kunst gibt dem Volk eine Stimme. Aufgrund der Zensur ist unser Publikum daran gewöhnt, zwischen den Zeilen zu lesen. Wir können allegorische, abstrakte oder sehr poetische Filme machen, weil iranische Zuschauer so etwas geradezu erwarten.“
Shirin Neshat