Auf der Achse des Bösen

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Äußerst interessant für jemanden wie mich, der vom Iran keine Ahnung hat.
Freu' mich auf die Fortsetzung.
Vielen Dank.
 
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Weinstadt Shiraz?
Syrah, in den Weinbauländern in Übersee Shiraz genannt, ist eine nicht sehr ertragreiche, aber hochwertige rote Rebsorte, die ursprünglich vor allem im Rhônetal in Frankreich kultiviert wurde. Aufgrund von DNA-Analysen konnte eindeutig nachgewiesen werden, dass Syrah eine Kreuzung aus alten französischen Sorten ist und daher mit höchster Wahrscheinlichkeit aus dem Tal der Rhone stammt. Die Herkunft der Traube steht in keinem Zusammenhang mit der gleichnamigen persischen Stadt. Dennoch: Shiraz war früher eine Weinstadt; auch heute noch findet man viele Rebstöcke in der Umgebung, die jedoch ausschließlich der Produktion von Rosinen dienen.

Das Alkoholverbot wird in der Öffentlichkeit strikt beachtet. Als wir unwissenderweise im Restaurant "ab djun" bestellen (persisch für Bier, wir meinten damit das weit verbreitete alkoholfreie "Bier", das eher wie Almdudler schmeckt), grinst der Kellner und macht uns klar, dass man das nicht bekommen könne.

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Die Wakil-Moschee nahe des gleichnamigen Basars. Die kurzen sechseckigen Minarette sind typisch für die Zand-Dynastie.

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Die Gebetshalle im arabischen Stil misst ca. 100 x 50 Meter und wird von 48 jeweils aus einem Stück Marmor gearbeiteten Säulen getragen. Jede Säule ist mit gedrehten Rippen verziert, die in den Akanthusblättern der Kapitelle enden. Verbunden werden sie mit Spitzbögen, über denen sich flache Kuppeln erheben.

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Vielen gilt der Wakil-Basar von Shiraz als der schönste des Iran. Hier ein Mädchen in der Tracht der Ghashgai. Die Ghashgai sind ein Nomadenvolk, das in der Fars heimisch ist.

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Eine exquisite Auswahl an Rosenölen.

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Überall betört die Farbenpracht.
 
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Shiraz, die Hauptstadt der Poesie

Die Menschenkinder sind ja alle Brüder
Aus einem Stoff wie eines Leibes Glieder

Hat Krankheit nur einzig Glied erfasst
So bleibt anderen weder Ruh und Rast

Wenn anderer Schmerz dich nicht im Herzen brennt
Verdienst du nicht, dass man noch Mensch dich nennt.


Wer kennt diese Verse? Es ist das Motto, das in Genf den Eingang des Gebäudes der Vereinten Nationen schmückt.

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Hier in Shiraz ruht ihr Autor, der große persische Dichter Sa'adi. Sein Grabmal wird täglich von hunderten iranischer "Literaturpilger" besucht.

Als Beleg dafür, dass der Dichter Hafez, der im 14. Jahrhundert kurz nach Sa'adi lebte, im heutigen Iran immer noch große Verehrung erfährt, mag dienen, dass das Hafez-Grabmal die am meisten besuchte Sehenswürdigkeit des Landes ist – noch vor Persepolis! Hafez gilt als Schutzpatron der Liebenden und so führt die Hochzeitsreise vieler Paare an diese Pilgerstätte.
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Als wir am schon recht späten Abend, deutlich nach Einbruch der Dunkelheit, dort ankommen, ist der Platz von vielen hundert Leuten bevölkert. Iranische Touristen, Bürger von Shiraz, viele junge Menschen. Nebenan findet eine Feier von Literaturstudenten statt; es werden Zeugnisse vergeben.

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Unser Guide, sucht ein relativ ruhiges Plätzchen auf dem Areal auf, wir setzen uns in den Schein einer Lampe und lesen einige Gedichte von Hafez. Simon meinte nach der Reise, dass ihn dieser Abend mit seiner Atmosphäre am meisten beeindruckt habe.

Es ist die Liebe wunderlich
in Wesen, Gedank und Wort;
so preis ich jetzt dein schwarzes Aug'
weil es so stark im Seelenmord.

Hafez

Wenn du zu meinem Grabe
deine Schritte lenkst,
bring Wein und Laute mit,
damit ich zu der Spielmannsweise
tanzend mich erhebe.

Inschrift auf dem Sarg von Hafez

Und mag die ganze Welt versinken,
Hafis, mit dir, mit dir allein
Will ich wetteifern! Lust und Pein
Sei uns, den Zwillingen, gemein!
Wie du zu lieben und zu trinken,
Das soll mein Stolz, mein Leben sein.

Goethe

Übrigens ist Hafez (oder Hafis, wie er nicht nur von Goethe genannt wurde) nicht der Name, sondern die Bezeichnung für einen Mann, der den Koran auswendig kennt. Inzwischen wird diese Bezeichnung jedoch singulär für diesen dichtenden Hafez aus Shiraz gebraucht. Obwohl er, wie man ja annehmen kann, ein gläubiger Moslem war, eckte er bei der Geistlichkeit durch seine die Liebe und den Wein preisende Gedichte immer wieder an.
 
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Hallo Lydian,
vielen Dank für die schönen Bilder und natürlich für die vielen Informationen rund um den Iran!
Gruß
Lambada
 
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Im Iran also auch? Das hat der CIA ja gerne und viel gemacht.

Die so genannte "Operation Ajax" war der erste von der CIA organisierte Putsch, weitere in anderen Ländern sollten noch folgen. Etwas mehr dazu gibt es hier, da wird auch das empfehlenswerte Buch des New York Times-Korrespondenten Stephen Kinzer zum Thema erwähnt. Man muss um diese Vorgänge wissen, um die Feindschaft zwischen dem Iran und den USA nachvollziehen zu können. Dieses Trauma wirkt bei den Iranern bis heute nach.
 
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In den 70er Jahre haben wir bei unseren Fahrten durch den Iran auch die Ghashgai-Nomaden besucht. Ich habe undeutliche Erinnerungen an freundliche Menschen in oft farbenfrohen Gewändern.

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Ghashgai-Kinder, das Mädchen rechts (oder in der Mitte...) in traditioneller Festkleidung. Leider kann man die Farben nicht bewundern.... Auf diesen Fahrten fotografierten meine Eltern ausgiebig: Die Mutter mit der Rolleiflex in s/w (hier ein Scan), der Vater machte mit der Zeiss Ikon Contarex Dias. Das waren übrigens auch die Kameras, mit denen ich die ersten Grundbegriffe der Fotografie erlernte (aber erst einige Jahre später).

Übersetzt bedeutet der Name Ghashghai "Jene, die flohen." Sie sind eine der vielen Minoritätsgruppen im Iran. Die Stämme haben verschiedene linguistische und kulturelle Wurzeln, selbst bezeichnen sie sich als iranische Turkmenen. Es gibt fünf große Clans, jeder Clan hat seine eigenen traditionellen Winter- und Sommerweiden. Es hat viele Bemühungen seitens der iranischen Regierungen gegeben, den nomadischen Lebensstil der Ghashghai zu begrenzen. Einige sahen daraufhin auch von einem Nomadenleben ab, viele jedoch blieben weiterhin bei ihrer ursprünglichen Kultur und wechseln zwischen Sommer- und Winterquartier. Die Gegend um Shiraz ist das Winterquartier; bald geht es nach Norden in die Berge.

In Europa verbindet man mit diesem Namen eher einen Geländewagen; auch wenn der anders geschrieben wird (englische Schreibweise dieses Stammes). Was dem einen sein Tuareg, ist dem anderen sein Quashqai.

Die nomadische Lebensweise der Ghashghai beruht hauptsächlich auf der Zucht von Schafen und Ziegen. Die Wolle, der Weißkäse und die Milchprodukte bilden ihre Einkommensquelle. Kamele und Esel werden immer mehr durch LKWs ersetzt, um die Zelte und ihren gesamten Haushalt während der Wanderung zu transportieren. Die Frauen sind begabte Weberinnen und produzieren Wolldecken, Kelims und Teppiche für den eigenen Gebrauch und auch zum Verkauf.

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Um 9:30 brechen wir auf, um Nomaden zu suchen. Das Wetter ist so, wie man es sich wünscht. Nach ca. 1 Stunde Fahrzeit kommen wir zu mehreren vereinzelt stehenden Nomadenzelten in paradiesischer Berglandschaft.

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Am ersten Zelt sind zwei Frauen, Mutter und Tochter, die Wolle spinnen. Frappierend fand ich das Aussehen des Mannes, Sohn bzw. Bruder der Frauen: Hätte mir jemand erzählt, es sei der Karl-Heinz aus Wanne-Eickel - ich hätte es wohl geglaubt. Er war es, der uns schon von Weitem sah und einlud, zum Zelt zu kommen. Bemerkenswert noch, dass die Frauen Wolle spannen, der Mann gemütlich Tee trank.

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An den Händen konnte man genau sehen, wer hart arbeitet und wer eine eher ruhige Kugel schiebt. Die Nomadenfrauen sind sehr offen und lassen sich problemlos fotografieren. Sie machen einen selbstbewussten Eindruck. Es heißt ja auch, bei den Nomaden hätten die Frauen das Sagen.

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Meine Schwestern versuchen sich auch am Spinnen.

In einem anderen Zelt, weiter hinten im Tal, werden wir von einem sehr zurückhaltenden jungen Mann zum Tee ins Zelt eingeladen. Der Wasserkessel steht auf dem Holzfeuer, aber daneben liegt eine Gasflasche.
 
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Das Abendessen nehmen wir in einem halb-legalen Etablissement mit Live-Musik und Nomadencharakter ein. Die Lage ist recht geheim: Unser Guide weiß von einem Kollegen, dass es dieses Restaurant gibt. Er ruft dort an und man vereinbart einen Treffpunkt am Rande der Stadt. Unser Kontaktmann führt uns dann auf verschlungenen Wegen hin. Wir sind die einzigen Touristen. Am Abend zuvor haben wir in einem Restaurant in Shiraz noch die Flucht vor einer Busladung deutscher Touristen ergriffen.

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So wird auf traditionelle Weise Fladenbrot gebacken.

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Stark geschminkte Frauen rauchen Shisha und bedecken die Haare nur zum Schein. Das andere Leben der Iraner….

Es ist das teuerste Essen unserer Reise: 1.000.000 Rial für 10 Personen (etwa 70 Euro).
 
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Jetzt eine Zwischenfrage:
wenn du diese Fotos einstellst, gefähdest du diese Menschen dann nicht, da dieses ja eine nicht ganz legale "Veranstaltung" ist?
Immer hin ist das Internet auch eine Quelle über deren Reichweite men keine Kontrolle hat.
 
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Ich habe mit diesem - nicht unberechtigten - Einwand gerechnet. Ich habe das per e-Mail im Vorfeld mit einer Iranerin abgeklärt. Sie hatte keine Bedenken. Und es ist nicht so, dass das, was in diesem Restaurant abläuft, völlig illegal ist; es ist offiziell nicht gerne gesehen. Wäre z. B. eine Sängerin aufgetreten, hätte ich sie nicht fotografieren (und schon gar nicht das Foto im Netz veröffentlichen) dürfen. Das öffentliche Singen ist Frauen streng verboten.

Im Restaurant hat sich auch niemand an unserer Fotografiererei gestört.

Diese von mir konsultierte Iranerin hat auch Fotos aus diesem Restaurant, die ich ihr geschickt habe, auf ihre Facebook-Seite gestelllt. Und wenn ich mir anschaue, welche Fotos sie auf ihrer privaten Seite stehen hat.....mannomann, ganz schön mutig! Man sollte nicht dem Irrtum unterliegen, dass die Iraner alle vor ihrer repressiven Regierung kuschen.
 
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Tolle Bilder aus einem Land, das man so gar nicht kennt. Aber so wie du es beschreibst, kommt mir sofort der Wunsch, diese Menschen und ihr Land auch einmal zu besuchen. Hoffen wir, dass da bald Ruhe einkehrt, ach wenn die Erfahrung leider dagegen spricht...
 
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Da wir noch in Shiraz sind, ein paar Ausführungen zur Kultur im Iran; hier zur Poesie und - recht aktuell - der Filmszene.

Im Iran genießt die Literatur, allen voran die Poesie, große Wertschätzung. So gehört das Rezitieren von Gedichten auf Feiern oder Trauerfeiern zum Alltag und der Festkultur. Kaum ein Iraner, der nicht einige Gedichte von Sa’adi, Hafez oder Rumi aufsagen kann.
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am Grabmal des Hafez

Die Geschichte der Persischen Literatur lässt sich bis in das Altertum zurückverfolgen. Erste Beispiele einer iranischen Dichtung, die bereits das Schema einer zur Tradition gewordenen Rhetorik aufweisen, befinden sich in den Gathas (Gesängen), den ältesten Teilen des Avesta, der Schrift der zoroastrischen Religion. Dabei ging mit der Eroberung der Araber die mittelpersische Sprache Pahlavi verloren, Texte wurden nun auf Arabisch verfasst und die gesprochene Sprache mit arabischen Wörtern durchsetzt. Erst im frühen 11. Jahrhundert erlebte die neupersische Sprache und Dichtung eine Renaissance. Der Dichter Ferdowsi schuf mit dem „Schahname“, dem Buch der Könige, einem etwa 50.000 Verse umfassenden Werk, ein Heldenepos. Es enthielt nur wenige arabische Wörter und wurde zur Grundlage der neupersischen Sprache.

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am Grabmal des Sa'adi

Als Dari-Dichtung wird die Gesamtheit der klassischen Dichtungskultur Persiens bezeichnet, die in der persischen Schriftsprache Dari angefertigt wurde. Sie entstand hauptsächlich auf dem Gebiet der heutigen Staaten Iran, Afghanistan, Tadschikistan und Usbekistan. Zudem war die Persische Sprache über eine sehr lange Zeitspanne hinweg Kultur- und Amtssprache in den heutigen Staaten Irak, in Pakistan und Nordindien. In diesen Staaten lebten einige der bekanntesten Dichter der persischen Sprache, nennen möchte ich hier nur mal Omar Khayyam (wohl mehr als Mathematiker bekannt) und Rumi.

Persische Dichter haben so auch über Jahrhunderte hinweg andere Kulturen und Sprachen beeinflusst, unter anderem Goethe, dessen West-östlicher Diwan auf der klassischen persischen Poesie basiert.

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Angrenzend an das Hafez-Grabmal ist ein großer Künstler-Friedhof.

Bis heute hat der Iran eine lebendige Literaturszene. Unter dem Pahlawi-Regime mussten viele Autoren Verhaftung und Folter erleiden. Dieses änderte sich auch nach der Revolution nicht, Schriftsteller werden nach wie vor bedrängt und ihre Werke zensiert. Heute entsteht ein bedeutender Teil der iranischen Literatur im Exil.

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wieder am Grabmal des Sa'adi

Daneben wurde in jüngster Zeit auch im Westen bekannt, dass der Iran eine überaus lebendige und qualitativ hoch stehende Filmszene hat, die sich nicht nur in Jafar Panahi und Shirin Neshat personifiziert, die beide schon einige internationale Filmpreise eingeheimst haben.

Aus meiner Sicht wird eine Grundhaltung der iranischen Filmszene in diesem Zitat sehr deutlich:

„In den USA gibt es zwar Meinungsfreiheit, aber Filmemacher müssen hart für die Unterstützung experimenteller Filme kämpfen. Das Publikum ist nicht so sehr gebildet, vielleicht auch zu bequem, und bevorzugt daher Mainstream-Filme - eine Art Eskapismus. Im Gegensatz zu diesem Eskapismus, der von den Filmemachern in der freien Welt bedient wird - stark vereinfacht gesehen natürlich -, ist das iranische Publikum von uns Filmemachern richtiggehend abhängig: davon, dass wir Position beziehen und eine Stimme erheben. Unsere Kunst gibt dem Volk eine Stimme. Aufgrund der Zensur ist unser Publikum daran gewöhnt, zwischen den Zeilen zu lesen. Wir können allegorische, abstrakte oder sehr poetische Filme machen, weil iranische Zuschauer so etwas geradezu erwarten.“
Shirin Neshat
 
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Bevor es jetzt (bzw. morgen...) nach Persepolis, einem der Höhepunkte einer Iran-Reise - zumindest für historisch interessierte - geht, hier etwas noch alltägliches aus Shiraz.

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Typischer Imbiss in einem einfachen Chai-Khaneh (Teehaus). Es gibt Fladenbrot, Sabsi (Grünzeug), Joghurt, rohe Zwiebeln (mild) und Datteln. Und selbstverständlich wie immer Tee.

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Am Hafez-Grabmal besucht uns die Mitarbeiterin der Reiseagentur um sich zu erkundigen, ob alles in Ordnung ist und um Anregungen entgegen zu nehmen. Sie lebte zwei Jahre bei Stuttgart, spricht sehr gut deutsch und hat Deutschland als sehr kalt in Erinnerung.
Zwei andere junge Damen, hier mit uns auf dem Foto, sprechen meine Schwestern an, und, da sie gerade deutsch lernen, nutzen sie die sich bietende Gelegenheit zum Üben. So etwas gehört zu den ganz typischen Begegnungen. Sobald die Iraner merken, dass Deutsche da sind, suchen sie Kontakt. Dabei werden Frauen fast niemals Männer ansprechen - und umgekehrt.

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Eine Leidenschaft vieler Iraner gehört dem Fußball. Oft werden wir auf deutsche Mannschaften und Spieler angesprochen und ich muss meist konstatieren, dass sich meine Gesprächspartner im deutschen Fußball wesentlich besser auskennen als ich.
Auf diesem Sammelsurium von Plakaten wirkt das Nebeneinander von Fußball, Filmstars und Märtyrern (links dargestellt ist Ali, der 4. Imam, nach dem Propheten Mohammed die Lichtgestalt der Schiiten) schon recht gotesk. Wer die Dame rechts oben ist, weiß ich nicht. Es könnte eine (märchenhafte) Darstellung von Roxane sein, der ersten Frau Alexanders des Großen. Jedenfalls sind im Hintergrund die Ruinen von Persepolis zu sehen.
 
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Fast vergessen: Ich wollte noch etwas bringen zu den

Heiligtümern und Feinden des Islam

Wir besuchen das Imamzadeh Schah Cheragh (König des Lichts). Es ist die Begräbnisstätte von Amir Ahmad (gestorben 835), ein Bruder des achten Imam Reza, der in Mashad begraben ist (das einzige Grabmal eines Imam im Iran). Amir Achmad hatte während der Verfolgungen durch die Abbasiden Zuflucht in der Stadt gefunden und war hier verstorben. Das Mausoleum ist eine der wichtigsten Pilgerstätten im Iran; das Betreten wird Nicht-Muslimen nicht immer gestattet. Wir dürfen rein, jedoch erst, nachdem sich die Offiziellen versichert hatten, dass wir Christen sind, also auch einer der drei Buch-Religionen angehören. Dieser Logik folgend müssten auch Juden das Heiligtum betreten dürfen. Die Foto-Ausrüstung muss ich am Eingang abgeben. Ein paar Bilder hat unser Guide dann heimlich mit dem Handy gemacht. Ich nenne ihn hier bewusst nicht beim Namen.

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Spannend war eine Ausstellung über die Feinde des Islam (also die USA und Israel…) in einem Zelt auf dem Gelände des Heiligtums. Zunächst erläutert uns der Guide die Exponate, etwas misstrauisch beäugt von einem Offiziellen in Soldatenuniform, der natürlich nicht versteht, was man den Touristen erklärt. Anscheinend will er dann sicher gehen, dass das Richtige erzählt wird und so übernimmt er bald die Führung; unser Guide übersetzt, teilweise etwas zögerlich. Es ist ja schon eine sehr eigene Sichtweise, die da proklamiert wurde. Unter den Exponaten befnden sich z. B. Karikaturen, in denen sich zwei übergroße Israeli über ein palästinensisches Dorf beugen. Einer sagt: „We cut electricity and gas, what should we cut now?“ Antwort des Anderen, der ein blutiges Beil in den Händen hält: “Heads!” Wir werden darauf hingewiesen, dass die Iraner nichts gegen Juden hätten, sondern dass sich der Hass auf den Zionismus beschränke, sich also gegen das Errichten eines jüdischen Nationalstaates auf palästinensischem Gebiet richte. Diese Unterscheidung hören wir auch andernorts immer wieder und oft wird zum Beleg für die Toleranz der Iraner die Geschichte des großen Perserkönigs Kurosch (Kyros/Cyrus) angeführt, der die Juden aus babylonischer Gefangenschaft befreite und es damit auch zu einer lobenden Erwähnung im Buch „Esther“ des Alten Testaments brachte. Weiter wird erwähnt, dass den Juden wie auch den Christen je zwei Sitze im iranischen Parlament garantiert seien.

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Während der Führung werden wir mit eisgekühlten Getränken und Aufmerksamkeit der Umstehenden geradezu bombardiert. Wir sind die Attraktion! Danach bittet uns einer, der wohl so etwas wie der Chef hier ist, nach nebenan, wo eine Couchgarnitur steht. Man bewirtet uns wieder mit Getränken (zum Glück kann man bei diesem Wetter ständig trinken – und muss fast nie zur Toilette!), diesmal gibt es auch noch für jeden ein Eis. Anschließend sollen wir unsere Eindrücke über die eben gesehene Ausstellung in einem Gästebuch festzuhalten. Unser Guide weist uns vorsorglich darauf hin, dass er unsere Einträge anschließend übersetzen muss…….Ich beschränke mich also auf eher allgemeine Aussagen zur Freundlichkeit und Gastfreundschaft, die wir im Iran erleben und bedanke mich für die interessante Ausstellung. Die Offiziellen sind damit wohl zufrieden und bedanken sich sehr herzlich für unseren Besuch und das gezeigte Interesse.

Inzwischen ist es fast dunkel geworden es wird vorgeschlagen, ein weiteres Heiligtum zu besuchen, in dem das Fotografieren erlaubt ist. Ich weiß ja nicht, von was es abhängt, ob man das darf oder nicht; am „Rang“ des Emamzadehs kann es nicht liegen: Im letzten Jahr in Ghom, im Grabmal der Fatimeh Massumeh, dem zweithöchsten Heiligtum im Iran, war es noch erlaubt (zumindest hat es keinen Offiziellen gestört).

Im Imamzadeh Sayyed Mir Mohammed ist ein Bruder des Schah Cheragh bestattet. Den Schiiten sind ihre Mausoleen sehr heilig, man erlebt wahrhaftig wirkende Trauer und Andacht der Besucher am Schrein. Nur ein paar Meter vom Schrein entfernt jedoch hält sie die Ehrfurcht nicht davon ab, in der Kühle eines solchen Hauses Siesta zu halten oder mit dem Handy zu hantieren. Ich kann ungehindert fotografieren und habe nicht den Eindruck, dass sich jemand an uns stört.

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Wie in allen Imamzadehs sind die kompletten Innenwände mit Spiegelmosaik verziert. Der Guide erklärt uns, auf diese Technik seien die Iraner vor hunderten von Jahren gekommen, um Spiegel, die den weiten Transport von Venedig nicht unbeschadet überstanden hatten, weiter zu verwenden.
 
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Ein langer Tag. Knapp 500 km Fahrt von Shiraz nach Zeinodin, das etwa 50 km südlich von Yazd liegt, zwischendurch Besichtigung von Naqsh-e Rostam und Persepolis, eine der drei Residenzen der Achämeniden und die einzige, von der - trotz Zerstörung durch Alexander - noch sehr sehenswertes erhalten ist.

Zunächst sehen wir Naqsh-e Rostam, die Nekropole der Achämenidenkönige.

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An einer steilen Felswand, die die Grenze eines Plateaus ca. 5km westlich von Persepolis bildet, ließ Dariush I. im 5. Jh. v. Chr. ein Felsgrab in den Stein meißeln. Seine Nachfolger Xerxes, Artaxerxes und Dariush II. ließen in dieser Felswand ebenfalls Grabmäler errichten, die größtenteils genaue Kopien des Grabes von Dariush I. sind.

Dass man die Grabkammern in luftiger Höhe in den Stein meißelte, hat mit zoroastrischen Vorschriften zu tun: Erde, Wasser und Feuer dürfen nicht mit einem Leichnam verunreinigt werden.

Welchen Zweck das quaderförmige Bauwerk, die so genannte „Ka’ba des Zarathustra“ wohl erfüllte, ist unklar. Ein Feuertempel? Aufbewahrungsort für das heilige Buch „Avesta“? Eine Leichenhalle, in der die Könige bis zur Fertigstellung der Gräber aufbewahrt wurden? Eine Art Observatorium zur Bestimmung des Laufs der Sonne? Für alle Theorien gibt es Hinweise, aber keine ausreichenden Belege.

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Ein Relief über dem Eingang zeigt, wie der Gott Ahuramazda dem Großkönig den Ring der Herrschaft überreicht. Der König steht auf einem Podest, das von Vertretern von 28 Völkern des persischen Reiches getragen wird. Alle tragen sie ihre typische Kleidung, genau wie auf den Reliefs von Persepolis, die wir noch sehen werden.

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Der erste König, der sich hier nach den Achämeniden bildlich verewigen ließ, war im 3. Jh. n. Chr. Ardashir I., der erste Sassanidenkönig. Er übernimmt die auf den Grabmälern gezeigte Darstellung, wie ihm von Ahuramazda der Ring der Herrschaft überreicht wird. Jedoch lässt er sich auf Augenhöhe mit Ahuramazda darstellen, was die altpersischen Großkönige stets vermieden.
 
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Die altpersische Residenzstadt Persepolis war die Hauptstadt des antiken Perserreiches unter den Achämeniden und wurde 520 v. Chr. von Dariush I. im Süden in der heutigen Region Fars gegründet. Die Achämeniden waren quasi Nomaden-Könige: Im Sommer war das hoch gelegene Ekbatana ihre Residenz, im Winter Susa (Mesopotamien) und im Frühjahr Persepolis.

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Der Name „Persepolis“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Stadt der Perser“. Im Altpersischen wurde die Stadt jedoch als Parsa bezeichnet. 331 v. Chr. wurde die Stadt von den Truppen Alexander des Großen in Brand gesteckt. Bereits in der Antike wurde gerätselt, ob Alexander den Brand und die Plünderung initiierte oder ob ihm hier die Kontrolle über seine Armee entglitten war. Von manchen Historikern wird die Zerstörung Persepolis’ als Rache für die der athenischen Akropolis durch Xerxes im Jahr 479 v. Chr. gedeutet. Persepolis ist die einzige Stadt, die während des Eroberungszuges des Makedonen zerstört wurde.

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Der prächtige Haupteingang zum Areal und zu den zwei großen Säulenhallen wird „Tor aller Länder“ genannt. Es ist wohl auch ein Symbol für die Toleranz, die den unterworfenen Völkern, von denen einige den Persern mittels Freundschaftsvertrag verbunden waren, ihre eigene Lebensweise und Kultur beließ.

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Die Apadana kann mit ihren hunderten Reliefs als eines der antiken Weltwunder gelten und diente als Empfangs- und Audienzsaal der Könige. Sie hatte bei ihrer Erbauung vor ca. 2.500 Jahren einen gedeckten Innenraum von 3.600 m² und 36 reich verzierte, 20 m hohe Säulen, von denen nach der Zerstörung nur wenige Reste stehen blieben.

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Der Palast des Dariush, der am besten erhaltene Palast. Dahinter die Apadana.

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Wie an der Apadana ist die Basis des Palastes von Reliefs gesäumt.
 
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Danke für diesen informativen Reisebericht. :up:
Zwar ist der Iran fast täglich in den Medien,
aber trotzdem weiss ich eher wenig über dieses Land.
Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.
 
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Zwar ist der Iran fast täglich in den Medien,
aber trotzdem weiss ich eher wenig über dieses Land.

Leider geht es da nur um negatives: Atomprogramm (dazu: den Grundstock legte eine gewisse Firma Siemens), Zensur, Repression, Verletzung von Menschenrechten etc. Über anderes wird ja kaum berichtet. Löbliche Ausnahme ist hier der Kultursender Arte, der auch immer wieder andere Themen beleuchtet und schon viele iranische Filme ausgestrahlt hat.
 
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