NF-Rezension Andreas Jorns. Sensual Nude. Aktfotografie in Schwarzweiß

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AnjaC

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Eine Rezension unseres Community-Mitglieds Ansgar Hoffmann


Aktfotografie als „Königsdisziplin“ der Menschheitsfotografie?

Als Königsdisziplin der Menschheitsfotografie – so bezeichnet der Haaner Fotograf Andreas Jorns die Aktfotografie und stellt in diesem Zusammenhang die These auf, Aktfotografie sei eine logische Fortsetzung bzw. sogar die Vollendung der Porträtfotografie. Oder: Aktfotografie als „Porträtfotografie ohne Kleidung“. Nun kommt der Autor des Buches aus der Porträtfotografie und beschreibt für andere Fotografen mit ähnlicher Provenienz die nötigen Schritte und Stolperfallen auf dem Weg zur Aktfotografie.

Warum Königsdisziplin der Menschheits- bzw. Porträtfotografie? Weil es sich bei der Aktfotografie eben um ein sehr heikles Gebiet handelt und die gewünschte Ästhetik schnell abzurutschen droht in billige und obszöne Bilder. Das Zusammenspiel von Inszenierung, Lichtsetzung, Schärfe und Unschärfe erfordert stets ein hohes Maß an Fingerspitzengefühl, um für Model und Fotograf unangenehme bis peinliche Ergebnisse zu vermeiden.

Dabei gilt es sich stets zu vergegenwärtigen, dass die Darstellungen menschlicher Akte so alt sind wie die künstlerischen Darstellungen menschlicher Körper in Malerei und Bildhauerei. Ein besonderes Kapitel widmet sich der Abgrenzung der von Jorns propagierten „sinnlichen Aktfotografie“ von der Nacktfotografie, der erotischen Fotografie („Glamour Nude“) bis hin zur pornografischen Fotografie.

Die Betonung des stets künstlerischen Anspruchs findet bei Jorns seinen Ausdruck im Kapitel „Warum Schwarzweiß?“. Der Fokus bleibt stets auf dem Inhaltlichen und Formalen und verliert sich nicht in technischen Details.

Gerade das technische Wissen und damit einhergehend die technischen Fertigkeiten sind laut Autor in der Porträtfotografie und noch viel mehr in der Aktfotografie unbedingte Voraussetzung, um ein vorschnelles Scheitern zu vermeiden.

Ein sehr heikles und sicher auch immer wieder missverständliches Thema ist das Zusammenspiel von Fotograf und Model. Aus seiner Erfahrung resultierend stellt Jorns Postulate auf, die für ein erfolgreiches Shooting unumgänglich sind. Sie behandeln nicht nur das Shooting selbst („Kommunizieren Sie!“ beispielsweise), sondern gehen auch der Frage nach, wie der Fotograf dem eigenen fotografischen Niveau und Anspruch entsprechend geeignete bzw. vielmehr passende Models für die Aufnahmen gewinnt.

Die Interviews mit Akt-Models sind sehr gelungen und vor dem Hintergrund der obigen Fragestellung, wie eine Zusammenarbeit für beide Seiten möglichst gewinnbringend sein kann, hilfreich. Die rechtlichen Aspekte, ganz zum Schluss des Buches, sind sehr knapp gehalten und fordern zur weiteren Beschäftigung mit dem Thema auf.

Stets geht es Andreas Jorns in seiner Arbeit um die Ausdrucksstärke des menschlichen Körpers, um den künstlerischen Ausdruck, der vor allem mit dem Ausdruckswerkzeug der Schwarzweiß-Fotografie in Szene gesetzt wird. Ganz anders eben – und hier wird der Autor nicht müde, dies immer wieder gebetmühlenartig zu wiederholen – als in der pornografischen Aktfotografie. Ein Schwerpunkt des Buches beschäftigt sich mit dem Einsatz des Lichts und gestalterischen Aspekten.

Das eigentliche Hauptkapitel, mit exakt 100 Seiten auch das umfangreichste, ist überschrieben mit „How dunnit?“: Anhand ganzseitiger Akte beschreibt der Fotograf die Entstehungsgeschichte, die Aufnahmesituation und auch seine fotografische Intentionen. Exif-Daten und Techniken der Bildbearbeitung runden die jeweilige Beschreibung vollständig ab. Die Fotografien sind allesamt auf einem sehr hohen Niveau, die Erläuterungen dazu sehr hilfreich für den interessierten Leser.

Kritik
Dem Titel ist nicht zu entnehmen, dass es ausschließlich weibliche Akte sind, die von Jorns aufgenommen werden, zumindest als solche im Buch berücksichtigt werden. Während sich Jorns Porträtfotografie nicht dieser Beschränkung unterwirft und sich diese auch nicht in der klassischen Malerei bzw. Bildhauerei findet, bietet er im Buch leider keine schlüssige Erklärung für diese Beschränkung. In meinen Augen stellt gerade die ausschließliche Darstellung weiblicher Akte das Bemühen des Autors, sich vom Glamour Nude abzugrenzen, ein wenig in Frage.

Der Lesefluss des Buches leidet etwas unter den unnötig häufigen in Klammern gesetzten Zusätzen, mit denen Andreas Jorns versucht, Aussagen zu relativieren, zu ergänzen oder durch rhetorische Fragen aufzulockern. Der eine mag dies als persönlichen Stil schätzen, andere mögen sich hier mehr redaktionellen Einfluss wünschen.

An wen richtet sich das Buch?
Mit Sicherheit richtet sich dieses Buch nicht an Voyeuristen, die an anderen Stellen meist günstiger zum Gewünschten kommen, sondern an den ambitionierten Fotografen, der sich künftig (mehr) dem Thema Aktfotografie auf eine künstlerische Weise nähern möchte. Wer diese Voraussetzungen mitbringt, dem bietet sich eine gut aufbereitete und umfangreiche Möglichkeit, dem Fotografen Andreas Jorns über die Schulter zu schauen, künstlerisch wertige Aktfotografien zu bewundern und sich der Ästhetik des Aktes zu näher. Nicht jeder Hobbyfotograf wird die Anregungen leicht umsetzen können, allein schon aus Ermangelung geeigneter Models.

Fazit
Ein äußerst gelungenes Buch zum Thema künstlerische Aktfotografie, mit nur leichten Einschränkungen in puncto Stil und Passgenauigkeit von Titel und Inhalt. Meine subjektive Beurteilung: 4,5 von 5 Sternen.

Die Daten
Andreas Jorns. Sensual Nude. Aktfotografie in Schwarzweiß erschien am 15. Dezember 2016 im dpunkt.verlag. 326 Seiten, gebunden, 18,9 x 2,7 x 25,1 cm. Eine E-Book-Ausgabe ist in Vorbereitung.
ISBN: 978-3-86490-411-0
Preis: 39,90 Euro

Leseproben

Rezension: Ansgar Hoffmann

Bewertung:
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ISBN: 3864904110

 
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Was ich ja nie verstehen werde: Man erfindet eine fünfstufige Skala (ein bis fünf Sterne) und benotet dann zehnstufig (mit halben Sternen) - warum genau? Ich meine: warum nicht 1 bis 10 Punkte? Oder würdet ihr dann auch 3,5 oder 8,5 Punkte vergeben?

Ansonsten stimme ich mit der Bewertung/Besprechung weitestgehend überein. Mich stören fehlende Männerakte gar nicht, ich hatte das noch nicht mal bemerkt (wohl weil ich auch nie auf die Idee käme, solche zu machen) - da sieht man mal, wie wichtig hier die Kritik von einer LeserIN und ihrem Standpunkt ist. Und die (wirklich hervorragenden) Bilder entstanden alle in einem sehr überschaubaren Kosmos: Atelier und Hotelzimmer. Draussen oder "mit Umgebung" kommt (für meinen Geschmack) ein wenig zu kurz. Allerdings habe ich gestern (Sonntag) selbst nochmal mit einem Model gearbeitet, und vorher zur Inspiration in das Buch geschaut: derzeit (Mitte Januar) würden mir tolle Tricks für ein gelungenes Outdoor-Shooting auch echt nicht helfen ...
 
Kommentar
Hat vielleicht etwas mit "error of extreme tendency" oder "Tendenz zur Milde" zu tun. Wobei ich letztere Formulierung fast für missverständlich halte. Die 4,5 sind kein Urteil der Milde, sondern eine Reaktion darauf, dass es bei den Rezensionen eine Tendenz zur fünf gibt und dagegen eine vier (bei nur kleinen Abweichungen) fast zu hart erscheint. Das ist fast so wie bei einigen Studiengängen, bei denen es kaum noch eine Note mit "zwei Komma irgendwas" gibt. Die Abstufungen erfolgen fast nur noch zwischen 1,0 bis 1,9. Alles mit zwei ist dagegen fast unzureichend.
 
Kommentar
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