6300 km in die Fremde

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Aus Griechenland (streng genommen waren wir nur in Makedonien und Thrakien) gibt es nur 08/15 Urlaubsbilder. Das einzige Foto, das ich hier zeige (es zierte schon den Eingangsbeitrag) zeigt uns auf dem Campingplatz in Alexandroupoli unweit der Grenze zur Türkei.

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Die Begegnung mit einer deutschen Familie und ein Austausch über die geplante Route veränderte die Reiseplanungen. Bisher hatten meine Eltern Bammel davor, mit dem Auto alleine durch Anatolien zu fahren - immerhin ca. 2.500 km. Zu schlimm war das, was sie bezüglich der Qualität der dortigen Straßen gehört hatten. Zumal wir ja ungeplant ohne Begleitung unterwegs waren. Daher war der eigentliche Plan, ab Istanbul ein Schiff bis nach Trabzon zu nehmen, Was uns, nebenbei gesagt, den schwierigsten Part, den berüchtigten Tahir-Pass östlich von Erzerum, auch nicht erspart hätte. Unsere Reisebekanntschaft hatte bereits die Erfahrung einer Türkei-Durchquerung mit dem Auto und zerstreute die Bedenken der Eltern. Ob sie auf dem Schirm hatten, dass wir mit einem Zeltanhänger unterwegs waren, der für anatolische Schotterstraßen nicht wirklich geeignet war??​
 
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Istanbul, die Pforte zum Orient

Hatte sich bisher die Umgebung peu à peu verändert, betraten wir nun mit der Türkei eine durchaus andere, fremdere Welt. Istanbul, die Metropole am Bosporus, der Grenze zwischen Europa und Asien, das frühere Konstantinopel bzw. Byzanz, begeisterte uns. Weniger erfreulich war der Campingplatz, wo wir unser Zelt irgendwie noch zwischen Bullis und andere Zelte quetschten. Eigentlich wäre da kein Platz mehr gewesen ...

Wir mieteten für einen ganzen Tag einen Kleinbus incl. Fahrer, um Istanbul genießen zu können. Praktisch war, dass unser Fahrer als ehemaliger Gastarbeiter gut deutsch sprach.

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Sein Neffe, hier am Steuer, war auch mit von der Partie. Natürlich klapperten wir die großen Sehenswürdigkeiten ab:


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Sultan-Ahmed-Moschee, vollendet 1616



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Hagia Sophia​
 
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Was uns elektrisierte: der Bosporus, das Ende Europas. Was uns wohl dahinter erwartete?

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Stilvoll servierter türkischer Mokka (wahrscheinlich bekamen die Kinder einen Saft ....) mit Blick auf des Bosporus.​
 
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Zunächst empfing uns Asien mit relativ öden Straßen.

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Zeltplatz bei Ankara - der letzte, an den ich eine Erinnerung habe. Bald danach war nämlich Schluss mit Camping - unfreiwillig.


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Ankara präsentierte sich als moderne und sehr ordentliche Großstadt. Orientalisches Flair? Keine Spur. Aber wir mussten in der dort ansässigen Botschaft der BRD irgendwelche Formalitäten erledigen.

Dann ging es weiter nach Kappadokien - rückblickend das Highlight unserer Reise. Dazu werde ich etwas weiter ausholen - morgen.
 
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Heißt morgen gehts weiter mit dem Bericht ab 0:01 Uhr oder erst später. Kann es kaum erwarten, klasse Bericht. Danke dafür.
 
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Die Planung der Route war Sache der Mutter. Sie hatte sich im Vorfeld Literatur besorgt und etwas von interessanten Landschaften in Kappadokien gelesen. Und so fuhren wir von Ankara ca. 300 km nach Südosten auf einen Campingplatz in der Nähe von Nevşehir. Ein Tag war für die Erkundung der Landschaft rund um Göreme vorgesehen.


Kappadokien

Kappadokien mit seiner einzigartigen Felsen- und Kulturlandschaft, die seit 1985 als UNESCO-Weltkulturerbe klassifiziert ist, verdankt seine Entstehung der Tätigkeit der Vulkane Erciyes Dağı (3917 m), Hasan Dağı (3.268 m) und Melendiz Dağı (2.963 m) südlich bzw. südwestlich von Kayseri im Jungtertiär (Neogen), also in erdgeschichtlich betrachtet recht junger Zeit vor ca. 23 bis 2,5 Millionen Jahren. Die Tuffhöhlen von Kappadokien wurden im Laufe von Jahrtausenden unterschiedlich genutzt. Angenommen wird eine Besiedlung lange vor der Hauptsiedlungsphase in byzantinischer Zeit. Bis auf römische Grabreste lässt dies sich jedoch nicht belegen. Nach der Christianisierung Anatoliens durch den Apostel Paulus nutzen frühe Christen die Möglichkeiten, auf recht einfache Weise zahlreiche Eremitenklausen, Höhlenwohnungen und im Fels versteckte Kirchen und Klöster zu bauen.

Nach der türkischen Landnahme Anatoliens wurden viele der vorher nomadisierenden Gruppen zentralasiatischer Herkunft in Kappadokien sesshaft und zahlreiche Behausungen und Kirchen wurden ihrem Schicksal überlassen bzw. nur als Ställe, Vorratskammern, Keller und Taubenschläge genutzt. An vielen Stellen jedoch gliederten die türkischen Siedler neue Hausfassaden an die ehemals unauffälligen oder getarnten Höhlenanlagen an. So entstanden die für Kappadokien heute so typischen Haus-Höhlen-Verbindungen, wobei auch Stilelemente der arabischen Architektur wie die Spitzbogengewölbe in die Bauweise integriert wurden.


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In den Jahrhunderten nach der Türkisierung Anatoliens lebten muslimische und christliche Gruppen meist friedlich nebeneinander. Infolge des (zwangsweisen) griechisch-türkischen Bevölkerungsaustauschs nach dem Griechisch-Türkischen Krieg (1919-1922) verließen die letzten orthodoxen Christen Kappadokien und siedelten nach Griechenland um. Deren alte Siedlungen waren in der Regel von einem griechisch-orthodoxen Stil geprägt. Daneben aber führten die Jahrhunderte des Nebeneinanders der unterschiedlichen Gruppen zu einer wechselseitigen Beeinflussung im Baustil, so daß viele Übergangsformen zu finden sind. Aus Griechenland wiederum wurden mehrere 100.000 Muslime vertrieben.

Eine Welle "modernen" Bauens entstand durch zunehmendes Kapital zurückkehrender Gastarbeiter aus Deutschland und Holland während der 70er Jahre. Diese so genannten "Almanci" investierten größere Summen ihres erwirtschafteten Geldes in die Erweiterung und Modernisierung der Bauten, die in zunehmendem Maß europäische Muster aufwiesen. Diese neueste Entwicklung war bei unserem Besuch in Anfängen schon deutlich erkennbar. Die touristische Erschließung der Landschaft war zwar angelaufen, aber noch nicht wirklich sichtbar.

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Das Städtchen Ortahisar ist das Zentrum des Obstanbaus in Kappadokien. Auf vielen Flachdächern lagen Aprikosen und andere Früchte zum trocknen, viele Tuffstein-Höhlen waren Lager für Obst. Von einem etwas erhöhten Standpunkt aus versuchten wir, uns einen Überblick zu verschaffen. Auf einem Haus in der Nähe war eine Frau damit zugange, Obst auszulegen.

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Sie rief uns etwas zu. Verstanden haben wir natürlich nichts, aber ihre nachfolgende Geste war eindeutig: Kommt her! Wir wurden dann mit Obst bewirtet und nach und nach kamen die Kinder hinzu.

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Die Konversation war natürlich schwierig. Im Reiseführer enthalten war ein kleines Wörterbuch und geläufige Redewendungen und so konnten wir ihr immerhin erklären, dass wir aus Almanya stammen. Das begeisterte sie und sie erzählte ganz aufgeregt. Wir verstanden natürlich nichts. Ein mehrfach wiederholtes Wort klang so ähnlich wie "Nünbeg". Es war eindeutig: Sie wollte uns etwas wichtiges, erfreuliches mitteilen. Nachdem das nicht klappte, verschwand sie kurz im Haus und kam mit einem Brief wieder. Dieser war wohl an sie adressiert - und trug eine deutsche Briefmarke. Sie war in Nürnberg abgestempelt. Nun verstanden wir: Ihr Mann ist Gastarbeiter in Nürnberg! Ganz begeistert rief die Frau nun die Kinderschar zusammen und bestand auf einem Gruppenfoto. Die Jungs (alles ihre? sie wirkten recht gleichaltrig) postierten sich umgehend; die beiden Mädels wollten nicht.


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Als ich im Jahr 2011 den Film "Almanya – Willkommen in Deutschland" von Yasemin und Nesrin Şamdereli sah, erinnerte ich mich wieder an diese Begegnung im Jahr 1973. Aus solch abgelegenen und aus unserer Perspektive "rückständigen" Gegenden kamen in den 60ern und 70ern viele Menschen in ein völlig fremdes Land Deutschland, in eine andere Welt. Wir waren dabei, den umgekehrten Weg zu gehen - aber das mit der vermuteten "Rückständigkeit" in Tehran sollte sich dann als Trugschluss herausstellen.​

PS: Dass ich diesen Ausflug barfuß machen musste, hatte ich meiner Schusseligkeit zu verdanken. Das erste Paar Schuhe in Griechenland irgendwo am Meer verloren, das zweite auf dem letzten Campingplatz stehen lassen. Ein paar Tage war ich schuhlos unterwegs.
 
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Herzlichen Dank für diese wunderbare Zeitreise - meine Tante war beruflich in den 70iger Jahren ähnlich unterwegs, und zwar an der deutschen Schule in Istanbul. Sie hatte einen ähnlichen Trip: Umzug nach Istanbul über den Autoput mit einem Käfer, anschließend hat sie über mehrere Jahre den gesamten Nahen Osten mit der Kiste besucht, was als alleinreisende Frau nicht ohne war. Aber wem sag' ich das...
 
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Unsere Gastgeberin redete mit den Jungs, schien ihnen einen Auftrag zu geben. Sie machte uns klar, dass wir ihnen folgen sollen, sagte mehrmals "Kilise", also Kirche, soviel verstanden wir. Prima, wir hatten also jemanden, der uns zu den Sehenswürdigkeiten der näheren Umgebung führte. Bevor wir losgingen, erhielt ich, da barfuß unterwegs, noch ein Paar Schlappen. Etwas zu klein zwar, aber ich war froh, bei dem nun folgenden unwegsamen Gelände Schuhe zu haben.

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Eine höchst spannende Reise, mit tollen Fotos. Heute kaum zu glauben, dass man mit so einfachen Mitteln reisen kann.

Manchmal ist weniger einfach mehr !

Vielen Dank dafür.

Gruß Marc
 
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Tagsüber zu sechst im Kombi, nachts zu sechst im Zeltanhänger, ohne Handy, Navi und Sprachenntnisse (mit englisch kam man nicht weiter) in eine völlig fremde Welt, und überhaupt ohne wirkliche Ahnung .... ja, rückblickend kann man sich manches kaum vorstellen. Aber es gab keine ernsthaften Probleme. Auch nicht, als wir Teile der Zeltausrüstung unterwegs verloren und Camping dann nicht mehr möglich war. Der Zeltplatz bei Kayseri war unser letzter - und noch ca. 2.500 km to go.
 
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Wie erwähnt, hatten wir über die grandiose Tuffstein-Landschaft Kappadokiens, die sich in den letzten Jahrzehnten zu einem touristischen Hotspot der Türkei entwickelte, nur wenige Informationen. Zum einen hatten die Eltern zunächst gar nicht geplant, in diese Gegend zu fahren (sondern mit dem Schiff von Istanbul nach Trabzon zu reisen), zum anderen waren diese Sehenswürdigkeiten im Reiseführer (Baedeker) nur knapp erwähnt. Die systematische und wissenschaftliche Untersuchung Kappadokiens begann erst in den 60er Jahren, die touristische Erschließung war gerade erst angelaufen. Soweit ich mich erinnere, trafen wir an diesem Tag keine anderen Touristen.

Und so waren wir natürlich froh, dass sich nun die Jungs der etwas hilflosen Reisenden annahmen und zu verschiedenen sehenswerten Gegenden, Höhlen und Kirchen führten. Anhand der Fotos habe ich nun versucht herauszufinden, wo genau wir überhaupt waren. Sollte jemand hierzu korrigierende / ergänzende Informationen haben, wäre ich dankbar.


Die erste Höhlenkirche war wohl die Pancarlık Kilise (die Schreibweise Kilisesi ist auch zu finden). Auf deutsch wird sie "Rübenkirche" genannt. Warum? Keine Ahnung. Sie soll noch bis in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts in Gebrauch gewesen sein..

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Hier waren noch einige Malereien gut erhalten. Inzwischen sind sie sicherlich restauriert worden. Die Fotos davon sind nicht perfekt. Ich bitte aber zu bedenken, dass ein Agfa CT 18 eingelegt war und man nicht eben mal die Kamera auf 3.200 ISO stellen konnte ...​
 
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Das ist auch für mich mit einer gedanklichen Zeitreise verbunden. So, wie eure Mutter da hinter dem Auto steht, beim Brötchenschmieren
(nehme ich mal an) - das erinnert mich an meine Mutter in diesen Jahren.

Na, dann - weiterhin gute Reise!

Grüße, Christian

Zusatzfrage: Hast Du die Schwarzweißfotos abfotografiert (siehe EXIFs)?
 
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Zusatzfrage: Hast Du die Schwarzweißfotos abfotografiert (siehe EXIFs)?

Ja. Mit D700 und Nikkor AF-S 2,8/105 Micro, Leuchtpult und Stativ. Ich denke, dass ist für die hier erlaubte Größe ausreichend. Ausgewählte Negative habe ich (wie die Dias) professionell scannen lassen; so kann ich auch große Formate drucken/ausbelichten lassen. Die Dias dieser Reise sind leider in den Jahren nicht besser geworden. Dass sie oft in deutlich schlechterem Zustand (Farbe, Kontrast) sind als die unserer Reise im Jahr darauf nach Afghanistan kann ich nur feststellen, nicht erklären. Allgemein ist ja die Langzeitstabilität des CT 18 nicht gut beleumundet. Auf eine Nachfrage meinerseits meinte der Vater kürzlich, seine Alternative wäre der Kodachrome 64 gewesen, aus Kostengründen habe er jedoch zum Agfa gegriffen. Dieser war deutlich billiger. Natürlich würde es mich interessieren, wie es dem Kodachrome, den ich später selbst lange Zeit nutzte, nach all den Jahren ergangen wäre. Aber wie bekannt ist das mit dem Scannen (bzw. der nachfolgenden Bearbeitung) beim Kodakchrome nicht so einfach.

Am Rande: Alle Diafilme aus unseren Jahren im Iran wurden zur Entwicklung nach Deutschland geschickt. Die SW-Filme der Rollei entwickelte ein Labor in Tehran.
 
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