Montag, 15.10.2018 Tag 45 /12
Las Illas -> Col de l´Ouillat
26 km /1100 \700
7:15 unterwegs
Was für eine Nacht!
Es hat gestürmt, gewittert und gepladdert.
Diesmal war ich wirklich froh, drinnen zu schlafen.
Ich schlafe aus, denn aufgrund des Wetterberichtes habe ich nicht vor früh aufzubrechen.
Leider bekomme ich weder das Wasser der Dusche noch das in der Küche warm.
Ich fummel ein bisschen am Boiler herum, aber wahrscheinlich ist der schon für den Winter abgeschaltet.
Egal, dann eben keine Dusche.
Das Frühstück steht in der Küche. Die Küche steht unter Wasser.
Der Wind muss in der Nacht die Flügeltüren aufgedrückt haben und es hat kräftig hereingeregnet.
Was solls, ich ziehe meine fast getrockneten Schuhe an.
Leider sind auch der Kaffee und die Milch, die mir die Wirtsleute in Thermoskannen hergestellt hatten, gerade noch lauwarm.
Das stört mich aber nicht sehr, denn ich freue mich darüber, dass es draußen nicht mehr regnet und sogar kleine blaue Fleckchen zwischen den tiefen Wolken schimmern.
So setze ich mich in die Küche an den Tisch, direkt an die weit geöffneten Türen.
Einige Dorfbewohner kommen vorbei und grüßen.
Einer bleibt stehen und wir plaudern lange.
Jacques kommt aus dem Elsass und hat einige Verwandte in D, daher spricht er gut Deutsch.
Das vereinfacht mir die Kommunikation ungemein
Schließlich packe ich und breche auf.
Auf der Straße liegen noch Sedimente der Überschwemmung von gestern.
Gestern habe ich schon Wegweiser an der Brücke gesehen, wo der GR10/HRP weiter verläuft.
Ich gehe wieder hinunter.
Irgendwie deckt sich aber die Ausschilderung gar nicht mit meiner Route auf der Karte.
Weder der GR10 noch die HRP folgen hier laut Karte der Straße nach Norden.
Ich folge der Ausschilderung ein Stück. Aber die Markierungen biegen nicht ab.
Ich laufe wieder zurück.
Die angegebene Strecke auf der OSM geht eine Straße rauf, die on earth aber als Privatweg deklariert ist.
Hm. Ich überlege, welcher Route ich vertrauen soll.
Auf der OSM müsste ich 10 km laufen, bis eine Abzweigung in meine Richtung kommt.
Das kann irgendwie nicht sein. Es sei denn, die Route ist komplett verlegt worden. Dann kommt sie vielleicht gar nicht am Col d´Ouillat vorbei?
Und die Route der OSM? Vielleicht ist die aus irgendeinem Grund gesperrt?
Irgendwas war mit Umleitung wegen Windkraftanlagenbau.
Blöd.
Es beginnt zu regnen.
Ich folge der Straße und den rot-weißen Markierungen.
Als dann die erste kleine Straße abzweigt und die Markierungen immer noch talwärts zeigen, beschließe ich, meine eigene Route zu gehen.
Ich steige die verlorenen Höhenmeter über das Sträßchen wieder hinauf, fast parallel zu der gerade gelaufenen Straße.
So habe ich sicher insgesamt 1 Std. vertüddelt, bevor ich das Dorf überhaupt richtig verlassen habe.
Ich gelange an die Serpentinenstraße, die gleich oben aus dem Dorf geführt hätte.
Hier finde ich tatsächlich alte, z.T. übermalte GR-Zeichen.
Ich bin gespannt, ob ich auf diesem Weg durchkomme.
Jacques kommt mir in seinem Auto entgegen.
Er bestätigt mir, dass ich diesen Weg nach Le Perthus laufen kann.
Gut.
Als die Straße nach den letzten Häusern endet, wird es matschig.
Außerdem hat der Wind in den Bäumen gut gearbeitet.
Immer wieder muss ich um riesige Pfützen und Matsch navigieren und über Äste und Stämme klettern.
So erreiche ich die FKK-Siedlung Mas Nou. Hier kommt auf einmal der GR10 von links dazu, wo auf meiner Karte gar kein Weg ist.
Von den Nudisten sehe ich nichts. Nur ein paar Schafe laufen über meinen Weg. Mit Wolle.
Nackig wäre mir das hier heute auch zu kalt. Was machen die eigentlich im Winter?
Der Regen hört wieder auf.
Ich folge nun lange einer Erdpiste immer an der Französisch-Spanischen Grenze entlang.
Ich treffe wieder auf Grenzsteine, die ich zuletzt im Baskenland gesehen hatte.
Ausnahmsweise bin ich ganz froh, dass der Weg heute so lange über diese Schotterpiste läuft.
Das erspart mir viel Matsch.
Dennoch zieht sich dieser Weg endlos dahin, mit nur wenig Gefälle. Immerhin kann ich so Kilometer fressen.
Endlich erreiche ich den Col del Priorat. Die Schilder nach Le Perthus zeigen geradeaus hoch in den Wald.
Ein hübscher Pfad steigt auf zum Puig del Priorat und gabelt sich dort.
Kein Zeichen oder Schild mehr.
Ich schaue auf die OSM. Die zeigt mir hier wieder überhaupt keinen Weg an.
Natürlich ist der, den ich zuerst versuche, der falsche Weg und endet irgendwo im Gebüsch.
Also wieder rauf zum Col und auf der anderen Seite runter.
Hier findet sich bald ein sehr guter und sehr schöner Pfad, der über den Bergrücken und genau entlang der Grenze Richtung Le Perthus führt.
Sogar ein wenig Licht bekomme ich von oben! Diese Strecke ist wirklich toll!
Auf ihr gelange ich schließlich zu einem Fahrweg hinunter, wo ein paar alte Mauern herumstehen.
Schilder klären mich darüber auf, dass ich hier an einem historisch sehr interessanten Punkt stehe.
Der wichtigste römische Grenzübergang von Gallien nach Spanien.
Hier begann die Via Domitia, die erste Römerstraße in Gallien.
Um 120 v. Chr. gebaut verband sie Italien mit Spanien zu Lande und überquerte dabei die Alpen.
An ihrem "Ufer" wurde Narbonne als Knotenpunkt gegründet mit der Via Aquitana an den Atlantik.
Hier, am Ende der Via Domitia, steht man auf dem nur 330 m hohen Col de Panissars.
Damals war das wohl der wichtigste Pass über die östlichen Pyrenäen mit einer breiten Handelsstraße.
Auch Hannibal, so wird vermutet, hat hier mit seinen Elefanten die Pyrenäen überschritten.
Wahrscheinlich gab es hier ein Aphrodite-Heiligtum, eine Zollstation, Handels- und Verteidigungsanlagen.
Damals hieß dieser Ort
Summum Pyrenaeum.
Südlich anschließend an die Via Domitia baute man als Verlängerung die Via Augusta bis hinunter nach Cadiz.
Auf dem Hügel dahinter sieht man Fort Bellegarde aus dem 17. Jhdt.
Gleicher Ort, gleiche Aufgaben.
Ich würde mich hier gerne noch länger umgesehen, aber ich will vor dem Regen ankommen und habe noch eine gute Strecke zu laufen.
Die Grenze verläuft heute immer noch hier. Ich kann aber ohne Abgaben und Steuern passieren.
Kurz darauf passiere ich eine moderne breite Passstraße, die A9 durch Le Perthus.
Le Perthus finde ich recht unattraktiv.
Die Läden scheinen jetzt mittags alle geschlossen zu sein.
Auf einem Mäuerchen sitzend esse ich einen Schokoriegel und versuche, in der Refuge anzurufen.
Ich erreiche aber niemanden.
Daher schreibe ich noch eine e-Mail.
Na, ich bin mal gespannt, was mich da oben erwartet ...
Für nachmittags sind jetzt ein paar Schauer angesagt.
Ich mache mich schnell wieder auf den Weg.
Nun geht es lange ein kleines Sträßchen an einer Schlucht entlang.
Gleichmäßige, angenehme Steigung, kein aufgeweichter, matschiger Waldboden, ganz nette Ausblicke.
Ich bin zufrieden, bitte nur den Himmel inständig dichtzuhalten, bis ich am Col bin.
Im Sommer bei über 30°C ist das hier sicher völlig anders.
Riesige Pilze
Blick in die Berge gegenüber
Fontaine Sainte Marie
Rote Beeren, tiefe Wolken
Korkeichen, deren nachgewachsene Korkschicht schon wieder 4-5 cm dick ist.
Nach einigen Kilometern zweigt, kaum zu sehen, ein Pfad nach rechts ab.
Erst geht es durch viel Geäst, Gestrüpp, Brombeerranken und Kraut.
Ich befürchte schon, der endet irgendwo.
Dann wird er aber nach und nach immer besser und ein wunderschöner Waldweg.
Zwischendurch geht es noch einmal pfadlos über eine Wiese zu einer Gruppe von Häusern.
Irgendwo treffe ich wieder auf den GR10.
Durch einen Wald und dann über Wiesen voller Ginster steige ich steil hinauf.
Dann geht es einigermaßen eben durch einen Wald.
Ich habe Hunger und Durst.
Mal linst ein wenig Licht durch die Wolken, mal laufe ich im Nebel.
Bis auf einige Tropfen hält der Himmel aber tatsächlich dicht. Danke!
Endlich sehe ich vor mir einen Schuppen. Sieht aus wie schon lange verlassen.
Ich ahne nichts Gutes.
Ich finde einen Schlauch, der Wasser aus dem Wald in einen Trog leitet.
Davor sumpfige Wiese. Zur Not finde ich hier irgendwo einen Platz für mein Zelt.
Dann erreiche ich die Refuge.
Kein Mensch weit und breit. Verrammelt, verschlossen, verlassen.
Auf meine Anfrage habe ich auch keine Antwort erhalten.
Was verstehen die hier eigentlich unter "ganzjährig geöffnet"???
Auch hier finde ich ein Stückchen Wiese vor dem Haus, wo ich nun mein Zelt aufbaue.
Das Wetter ist ja nicht ganz so wild wie gestern.
Neblig, nass, aber es regnet nicht.
Ich hoffe, dass es nicht zu windig wird, denn meine Heringe finden in dem Boden keinen rechten Halt.
Mit dem Wassersack laufe ich zu dem Brunnen zurück, klettere die Böschung hoch und fülle meinen Vorrat aus dem Schlauch auf.
Dann sammele ich Kastanien zum Abendessen!
Direkt neben dem Haus stehen einige Esskastanienbäume und der Boden ist voll von reifen Früchten! Herrlich!!!
Während ich die Maronen koche, kommt tatsächlich der Hüttenwirt!
Er entschuldigt sich vielmals. Irgendwie sei heute ein spezieller Tag oder so.
Er wirkte ziemlich gehetzt. War aber echt super nett!
Er würde mir den Dorm aufschließen, ich könne da übernachten.
Ich entscheide mich jedoch dafür, im Zelt zu bleiben. Ist ja schon eingerichtet.
Morgen soll sogar die Sonne scheinen!
Er ist total nett und lässt die Türe über Nacht offen, falls ich doch - das Wetter ...
Und ich könne die Dusche und Toilette nutzen.
Allerdings im Dunklen, denn seit 2 Tagen oder so hätte er hier keinen Strom.
Er würde im Haupthaus drüben schlafen, falls ich was bräuchte.
Vor 2 Jahren sei er selbst auch die HRP gelaufen.
Mein Zelt findet er interessant.
Zu essen gäbe es aber nichts.
Wie gut, dass ich mich nicht darauf verlassen habe, drinnen schlafen und essen zu können!
Meine Maronen werden total lecker!
Am liebsten würde ich einen Sack voll mit nach Hause nehmen ...
Anschließend suche ich meine Duschsachen zusammen und die Stirnlampe.
Der Dorm macht einen gemütlichen Eindruck.
Ich teste erst vorsichtig, aber das Wasser der Dusche ist tatsächlich richtig herrlich heiß! Vielen Dank dafür!
Ich habe Empfang und reserviere für morgen Abend vorsichtshalber ein Hotelzimmerzimmer in Banyuls.
Wer weiß? Entweder ist alles geschlossen oder belegt.
Ich bekomme auch die Bestätigung für die Reservierung. Das beruhigt mich nach den letzten Tagen.
Banyuls!
Wahnsinn! Nur noch 1 (eine!) Etappe, ein Tag bis ans Mittelmeer!
Dann bin ich da! Wow.
Ich habe es immer noch nicht gesehen.
Viel kann mich jetzt nicht mehr vom Erreichen meines Zieles und vom Vollenden dieses Projektes abhalten.
Selbst wenn ich morgen den ganzen Tag in strömendem Regen laufen muss, ich werde wohl ankommen.
Die Etappe wird noch einmal sehr lang und man soll sie nicht unterschätzen, heißt es im Guide.
Seit einer Weile regnet es immer wieder. Aber das stört mich jetzt auch nicht mehr.
Der Chef kommt noch einmal vorbei und berichtet, dass er das Stromproblem gelöst habe.