Südafrika 2008 - eine etwas andere Reise

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Christian B.

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Die große schwarze Hoffnung.
Südafrika – ein Zukunftsmodell für den Kontinent?

"DAS LAND IM TIEFEN SÜDEN. Was uns an ihm zuerst auffällt, sind seine Extreme. Die Weite und die Enge. Die Leere und die Fülle. Die Erstarrung und die Rastlosigkeit. Der Mangel und der Überfluss. Das Rückständige und das Moderne. Wir fahren durch stilles, menschenleeres Land und erreichen plötzlich lärmende Zonen, die hoffnungslos übervölkert sind. Wir sehen Spielplätze, auf denen kein Kind spielt, Schwimmbäder, in denen niemand schwimmt, Straßen, die kein Auto befährt. Im nächsten Moment rasen uns Kleinbusse entgegen, die so überfüllt sind, dass sie eigentlich sofort aus dem Verkehr gezogen werden müssten. Wir entdecken wunderschöne Paläste in bukolischen Weingärten und nicht weit davon ein Meer von Blechhütten. Wir vergleichen zwei benachbarte Schulen. Die eine platzt aus allen Nähten, in der anderen verliert sich ein Häufchen Schüler.

Es ist eine zweigeteilte Welt, und wenn wir uns mit den Bewohnern ihrer Teile unterhalten, haben wir den Eindruck, sie reden von völlig verschiedenen Ländern, von einem schwarzen Land und einem weißen, manchmal auch von einem braunen, das irgendwo dazwischen liegt, und es verwundert uns nicht mehr, dass sie auch ihre Geschichte durch diese Farbfilter betrachten. Die Weißen erzählen, sie habe mit der Landung eines holländischen Seefahrers namens Jan van Riebeeck anno 1652 begonnen. Die Schwarzen betonen, sie seien schon tausend Jahre frü-her angekommen, in einer Zeit also, in der das Römische Imperium zerfiel und die Europäer noch gar keine Vorstellung von Afrika hatten. Die Khoikhoi und San, die letzten Ureinwohner des Landes, weisen uns darauf hin, dass die ältesten Felszeichnungen, die ihre Frühkultur do-kumentieren, 26 000 Jahre alt sind.

Das Land heißt Südafrika, und die Gegensätze, die uns allerwegen und allerorten begegnen, sind die Signaturen der Apartheid. Dieses Wort aus dem Afrikaans, der Sprache der ersten weißen Siedler, ist in den Wortschatz der Welt eingegangen. Es bezeichnet ein Wahngebilde, das die Menschen und ihre Lebensräume nach Rassen trennt.

Südafrika hat 43 Millionen Einwohner, 34 Millionen Schwarze, 3,8 Millionen coloureds, also Mischlinge, 1,1 Millionen Bürger asiatischer Abstammung und 4,5 Millionen Weiße. Ihr Land gehört zu den schönsten und vielfältigsten Afrikas; es ist gewiss das wohlhabendste, das wider-sprüchlichste, das komplizierteste Land des Kontinents, und manchmal habe ich das Gefühl, dass es umso schwieriger wird, dieses Land und seine Leute zu verstehen, je länger man darin lebt. Vermutlich liegt das auch daran, dass man mit den Jahren die Distanz verliert, weil man selber Teil der Gesellschaft wird. „Es wandelt niemand ungestraft unter Palmen, und die Gesinnungen ändern sich gewiss in einem Lande, wo Elefanten und Tiger zu Hause sind“, postuliert Goethe, der ja bekanntlich nicht über Sizilien hinausgekommen ist. Ich weiß nicht, ob ich die zehn Jahre unter den Palmen Südafrikas als Strafe empfinden soll, wilde Tiger gibt es hier nicht, und ob meine Gesinnung sich gewandelt hat, mögen andere beurteilen. Aber dieses Land hat zweifelsohne Spuren in mir hinterlassen. Hier bin ich zum Weißen geworden. Die Hautfarbe ist, ob man will oder nicht, ein gesellschaftlicher Definitions- und Teilungsfaktor. Als Weißer gehört man zu einer Minderheit. Als Weißer wird man für reich und privilegiert gehalten. Als Weißer hat man weiße Ängste. Als Weißer schämt man sich manchmal. Man ist natürlich auch Ausländer. Aber man wird unweigerlich erfasst von all den kollektiven Stim-mungsamplituden, die der Schriftsteller Alan Paton einmal beschrieben hat: heute zutiefst pessimistisch, morgen hoffnungsfroh. Das hängt mit dem Schwebezustand zusammen, in dem sich dieses Land befindet. Nichts ist mehr so, wie es einmal war, und keiner weiß, wie es einmal wird. Südafrika ist ein Land im Übergang. Es hat sich und seinen Platz in Afrika noch nicht gefunden."

(aus: Bartholomäus Grill, „Ach, Afrika – Berichte aus dem Inneren eines Kontinents“, 4. Auflage, München (Goldmann), 2005, S. 319 ff.)

Mit diesen einleitenden Worten des Afrika-Korrespondenten der ZEIT möchte ich Euch diesmal mitnehmen auf eine etwas andere Afrika-Reise, die ich zusammen mit meinem Chor Ende Oktober für zwei Wochen unternommen habe.
 
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Unsere erste Station nach langem Flug war das Rooftop Market Center in Johannesburg, eine Kombination aus noblem Einkaufs-Centrum und - allerdings sehr üppigem - Flohmarkt auf dem Dach des ersteren.



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Abends wurden wir dann von unseren ersten Gastgebern, dem UJ-Chor (Chor der University of Johannesburg) herzlich zu einem zünftigen südafrikanischen Braai begrüßt. Der UJ-Chor ist ein multikultureller Chor, der in geradezu vorbildlicher Weise alle südafrikanischen Ethnien beim gemeinsamen - hochkarätigen - Singen vereint. Wenn das kameradschaftliche Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Sozialisation so vorbildlich wäre wie dort, gäbe es viele Probleme der modernen Zeit nicht - nicht nur in Südafrika. Da wir uns von einem nur wenige Monate zurückliegenden Gastspiel des UJ-Chores in Deutschland schon kennen und wechselseitig sehr schätzen gelernt hatten, wurde es ein fröhlicher und bewegender Abend.



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Fein, Christian, da habe ich mich schon die letzten Tage drauf gefreut!

Jetzt gehts los, jetzt gehts los! *gröhl* :sabber: :)
 
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Johannesburg, auch iGoli (isiZulu, die goldene Stelle), iRhawutini (isiXhosa), ist die Hauptstadt der Provinz Gauteng in Südafrika. Mit 3.225.608 Einwohnern (Volkszählung 9. Oktober 2001) ist Johannesburg die größte Stadt und der gesamte Großraum die größte Metropolregion im südlichen Afrika mit nahezu 8 Millionen Einwohnern.

Nachdem um 1880 zuerst in den östlichen Gebieten Transvaals um Barberton und Pilgrim’s Rest Gold gefunden wurde, entdeckten Goldgräber 1886 die Hauptgoldader am Witwatersrand, die sich schließlich als das größte Goldvorkommen der Welt erweisen sollte. Die Stadt wurde als kleine Goldgräber-Siedlung und Zeltstadt gegründet, als Gründungsdatum gilt der 4. Oktober 1886. Mit der Entdeckung des Goldes wanderten Tausende Arbeiter und Glücksritter aus England und der Kapkolonie in die burischen Gebiete ein und ließen sich in Johannesburg nieder. Innerhalb von 10 Jahren wuchs die Stadt auf über 100.000 Einwohnern heran. Der ökonomische Wert dieses Landstriches stieg rasant, was zu Spannungen zwischen den Buren, die während des 19. Jahrhunderts die Herrschaft über die Region hatten, und den Briten führte, die ihren Höhepunkt im Burenkrieg zwischen 1899 und 1902 fanden. Die Buren verloren den Krieg und auch die Kontrolle über die Südafrikanische Republik an die Briten.

Als die Briten 1910 die Südafrikanische Union ausriefen, ebnete dies den Weg für den organisierten Bergbau. Allerdings installierte die südafrikanische Regierung in dieser Zeit ein strenges Rassensystem. Die Zuwanderung von Schwarzen und Indern wurde streng reglementiert. Die schwarze und farbige Bevölkerung wurde gezwungen, in nach Rassen getrennte Gebiete, die zu-vor von der weißen Regierung oft willkürlich festgelegt wurden, umzuziehen. Dadurch entstan-den riesige Barackensiedlungen, die sogenannten Townships, rund um Johannesburg, von denen Soweto (South Western Townships) das Bekannteste ist. Hier lebte auch Nelson Mandela viele Jahre seines Lebens, sein Haus in Orlando ist heutzutage eine Touristenattraktion. Zudem wurde der nicht-weißen Bevölkerung verboten, qualifizierte Arbeiten anzunehmen, und zahlreiche Schwarze mussten als Wanderarbeiter in Johannesburgs Goldminen arbeiten.

1976 brachen blutige Unruhen in Johannesburg und vor allem in Soweto aus. Der Schüler- und Studentenrat von Soweto organisierte Demonstrationen gegen die geplante Einführung von Afrikaans, das damals als die Sprache der Unterdrücker angesehen wurde, als alleinige Unterrichtssprache in schwarzen Schulen. Am 16. Juni 1976 schoss die Polizei auf eine Studenten-Demonstration. In den folgenden 12 Monaten starben mehr als 550 Menschen (zumeist Jugendliche) bei Demonstrationen gegen das Apartheid-Regime.

Seitdem die Apartheid im Jahr 1990 abgeschafft wurde, ist auch Johannesburg befreit von diskriminierenden Rassengesetzen. Die schwarzen Townships wurden in die Stadtverwaltung integiert. Viele Vororte werden heute wieder von Menschen verschiedener Hautfarben bewohnt. Das größte Problem des Großraums Johannesburg ist heute die Kriminalität. (Quelle: Wikipedia)

Wir haben von dieser allerdings bei Tage nichts mitbekommen. Die Straßen sind - ganz anders als in allen anderen schwarzafrikanischen Ländern, die wir schon besucht haben - sauber gefegt, man sieht allerorten geschäftige Betriebsamkeit, keine herumlungernden Bettler oder Obdachlose. Überall wird an der Infrastruktur gebaut - wohl in Vorbereitung der Fußball-Weltmeisterschaft. Dass sie vorhanden ist, sieht man allerdings den Straßen an. Unsere Quartiere (5 "Lodge" genannte Pensionen) waren - wie alle Häuser im Stadtteil Melville - festungs- bzw. gefängnisartig durch Mauern, Stacheldraht und Elektrozäune gesichert. Die Sicherheitstore öffnen auf Knopfdruck und schließen sofort wieder. Gruppen von Nachbarn haben sich zusammengeschlossen, um einen privaten Sicherheitsdienst zu beauftragen, der die Anwesen rund um die Uhr bewacht.

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Auch die Holy Trinity-Church im Stadtteil Braamfontein, in der wir unser erstes Konzert gaben, ist entsprechend ummauert. Man wies uns an, das Gelände auf keinen Fall zu verlassen, da dies zu gefährlich sei. Hier wurden wir Zeuge einer Essensausgabe an Bedürftige (alles schwarze, junge Männer), die, obwohl alle alle Beteiligten nur das Beste meinten, so beschämend wirkte, dass ich nicht in der Lage war, dies zu fotografieren.

Vor allem nach Einbruch der Dunkelheit leben die Menschen in ihren kleinen, eingemauerten Paradiesen innerhalb gefährlicher Umgebung wie einst die Voortrekker in ihrer Wagenburg.

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Dies ist durchaus kein Problem "weiß-schwarz", sondern von "arm-besitzend". Unsere Lodge wurde rührend betreut von einer schwarzen Geschäftsführerin, die mit ihrer Familie selbst auf dem Gelände wohnte, ebenfalls hinter den Mauern.

Wir haben trotz dieser offenbaren und offenkundigen Probleme in Johannesburg nur herzliche, zuvorkommende und gastfreundliche Menschen getroffen. Am Tag unsere Abreise versammelte die Eigentümerin der Clouds-End-Gasthäuser ihr gesamtes Team (1 Weiße, 6 Schwarze) zur Verabschiedung, bedankte sich bei ihnen vor uns für die geleistete gute Arbeit und erwähnte, wie glücklich sie sei, dass sie nach dem Ende der Arpartheid mit ihren schwarzen Mitmenschen nun friedlich zusammenleben und von gleich zu gleich kooperieren könne. Die schwarzen Mitarbeiter sangen für uns zum Abschied "Nkosi sikel' iAfrica" ("Gott segne Afrika"), das alte Kampflied des ANC, welches nun den ersten Teil der südafrikanischen Hymne darstellt - wir revanchierten uns mit "Wach auf, meins Herzens Schöne."


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Auf dem Weg nach Pretoria besuchten wir die Lesedi Africa Logde. In dieser sind in Art eines nachgebauten Freilichtmuseums die ursprünglichen Wohnformen der 5 größten Südafrikanischen Stämme (Zulu, Xhosa, Ndebele, Sotho, Pedi) nachgebaut; z.T. werden die Hütten als Hotelzimmer vermietet. Tagsüber erläutern in jeweilige Trachten gekleidete Führer Traditionen, Gebräuche, Trachten und Hausformen der genannten fünf Stämme. Das ist natürlich einerseits sehr touristisch aufgezogen, andererseits aber hervorragend gemacht. Die Führerinnen und Führer sind beredt, kenntnisreich und charmant (all das aber ich andernorts in Afrika jeweils schon ganz anders erlebt) - und darüber hinaus auch noch gute Musikanten und hevorragende Tänzer. Zwei Mitglieder der Crew (unsere Führerin im Pedi-Schmuck und ein kleiner Bengel im Zulu-Ornat) haben es mir besonders angetan.


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[...] Alles blüht. Purpurne Bougainvilleen. Zinnoberrote Trompetenwinden, hunderttausend Jacarandabäume im violetten Kleid. Pretoria, ein Frühlingstraum. - Abgeschnittene Hände. Zermanschte Gehirne. Häftlinge, zu Tode geprügelt. Folter. Mord. Terror. Pretoria, Schaltzentrale der Apartheid. Hier, in der Hauptstadt Südafrikas, wird der Abschlussbericht der Truth and Reconciliation Commission vorgelegt: 3500 Seiten dick, 21000 angehörte Opfer, 7000 Amnestieanträge von Tätern - die gesammelten Verbrechen während der Hochzeiten der Apartheid, ein Panoptikum der Grausamkeit. Seit April 1996 reiste die Kommission durch Südafrika, um die schweren Menschenrechtsverletzungen zwischen 1960 und 1993 aufzuklären. In öffentlichen Anhörungen sollten sich die Opfer freireden können und die Täter freigesprochen werden, sofern sie ein volles Geständnis ablegten und aus politischer Überzeugung gehandelt hatten. Personen, denen niedrige kriminelle Motive nachgewiesen wurden, konnte die Amnestie verweigert werden; sie mussten mit strafgerichtlicher Verfolgung rechnen. Zweieinhalb Jahre unterzog sich das neue Südafrika dem qualvollen Ritual der historischen Selbsterforschung. Bekenntnisse, Lebenslügen, Reue, Hass, Nervenzusammenbrüche, Tränenströme, eine Wanderbühne, unterwegs zwischen Kapstadt und Krugerpark, auf der Lehrstücke, Grotesken und Trauerspiele zu sehen waren. Die Kommission öffnete schwärende Wunden und entzweite die Nation. Sie wurde beschimpft als Weißenhatz, Inquisition, Hexenjagd, Siegertribunal. Am Ende hat sie das Tiefenbild einer vom Rassenwahn zerrissenen Gesellschaft gezeichnet.

...

Allein die Tatsache aber, dass die schwarzen Opfer die Kommission mit überwältigender Mehrheit begrüßten, während die überwiegend weißen Täter sie ablehnten, spricht für das umstrittene Experiment. Die Erniedrigten und Gepeinigten konnten coram publico erzählen, was ihnen angetan wurde. Katharsis, Heilung durch das Aussprechen und Anhören der Wahrheit: Fortan kann niemand mehr die Verbrechen der Apartheid leugnen. Aber die Nutznießer und Mitläufer und Wegschauer sagen, was all jene sagen, die unfähig sind, zu erinnern und zu trauern: Wir haben von diesen schrecklichen Dingen nichts gewusst. Umso unglaublicher wirkt die Versöhnungsbereitschaft der meisten Schwarzen, Farbigen und Inder. Keine Drohungen, keinerlei Racheakte, keine Selbstjustiz, nichts. Es kommt nicht einmal zu einem Bildersturm, in dem sich die Wut an den Symbolen der Unterdrückung entladen würde. Jedes Mal, wenn ich am Staatstheater von Pretoria vorbeifuhr, habe ich mich gefragt, wie lange das Monument für J. G. Strijdom wohl noch stehen mag; es glorifiziert einen Premierminister der Apartheid. Niemand stieß die Skulptur vom Sockel, niemand beschädigte oder beschmierte sie. Sie blieb unversehrt bis zum 31. Mai 2001. An diesem Tag - es ist ironischerweise der ehemalige Republic Day, an dem sich die Apartheid selber feierte - kollabierte aus unerfindlichen Gründen das Betongewölbe über dem Denkmal und begrub Strijdom unter den Trümmern. Es war, als würde das innerlich verrottete System in sich selber zusammenkrachen.
(aus: B. Grill, "Ach, Afrika", siehe Eingangsposting)
 
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Eine andere Stadt, weniger als eine Autobahnstunde weiter nördlich - je nach Verkehrslage - , ganz andere Eindrücke. Wieder hatten wir nette Gastgeber - diesmal waren es sogar zwei Chöre, die TUKS Camerata (einer der beiden Universitätschöre der University of Pretoria) und der Sinkronies Chamber Choir (im wesentlich bestehend aus Ehemaligen der TUKS Camerata. Anders als an der UJ gibt es an der Universtät von Pretoria Chöre, die sich auf ein bestimmten Repertoire spezalisiert haben. Die TUKS Camerata singt vor allem Musik des europäischen oder von Europa geprägten Kulturkreises, der zweite Universitätschor das traditionell afrikanische Repertoire. Obwohl dies aus künstlerischen Gesichtspunkten jeweils - noch - bessere Qualitität verheißt, als dies bei einem multikulturellen Projekt wie dem UJ-Chor möglich erscheint, hat dies auch einen entscheidenden Nachteil: In dem Chor mit europäischem Repertoir singen nur (Sinkronies) oder fast nur (TUKS) Weiße, in dem zweiten Unichor, den wir leider nicht zu hören bekamen, nur Schwarze.

Überhaupt ist - obwohl auch an der Universität von Pretoria mittlerweile mehr als 60% Schwarze studieren - Pretoria eine Stadt, die noch weit mehr als Johannesburg vom Einfluß der europa-stämmigen Einwohner geprägt.

Das auffälligste Bauwerk in dieser Hinsicht ist das Voortrekker-Monument vor den Toren der Stadt, das den Zug der Buren-Trecks von Kapstadt nach Norden und Osten und die von Anders Pretorius - dem Namensgeber Pretorias - geschlagene Schlacht am Blood-River gegen die Zulus verherrlicht. Mehr dazu später. Zunächst - im nächsten Posting - wieder ein paar Bilder.
 
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Als Beginn der modernen Geschichtsschreibung in Südafrika gilt der 6. April 1652, als der Niederländer Jan van Riebeeck im Auftrag der Niederländischen Ostindien-Kompanie (niederl.: Vereenigde Oostindische Compagnie, VOC) am Kap der Guten Hoffnung eine Versorgungsstation errichtete. Diese sollte aufgrund ihrer strategisch günstigen Lage Raststation für Handelsschiffe sein, die zwischen Europa und Südostasien, insbesondere Indien, unterwegs waren. Während des 17. und 18. Jahrhunderts war die Siedlung, die sich langsam aber stetig vergrößerte, in holländischem Besitz.

Im Jahre 1797 (bis 1802) und erneut 1806 besetzten Truppen des Königreichs Großbritannien die Region um das Kap der Guten Hoffnung und errichteten hier nun dauerhaft eine britische Kronkolonie. Als im Jahr 1833 das Britische Parlament die Abschaffung der Sklaverei in ihrem weltweiten Einflussgebiet verfügte, entzog dies vielen Buren die Existenzgrundlage. Um sich dem Einflussbereich des britischen Rechts zu entziehen zu können, wichen sie als so genannte Voortrekker ins Hinterland aus. Im Großen Treck von 1835/1841 wanderten rund 14.000 Buren in die Gebiete nördlich des Oranje-Flusses aus.

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Die Buren besetzten kein menschenleeres Land. Sie stießen überall auf schwarzafrikanische Bevölkerung, die seit fast tausend Jahren in diesen Regionen ansässig war. Aber es war eine Bevölkerung, die zum großen Teil seit wenigen Jahrzehnten durch Krieg und Verwüstung extrem in ihren Strukturen erschüttert war – durch den Mfecane („Zermalmung“). Der Zulu-König Chaka (1789 – 1828) hatte um 1816 eine Zäsur in die Geschichte des schwarzen Südafrikas gesetzt, als er aus winzigen Anfängen den Militärstaat der Zulu aufzubauen und auszuweiten begann. Wer sich in die Regimenter Chakas nicht integrieren ließ, die mit ihren Kurzspeeren – den Assegai – eine neue Kampftaktik exerzierten, der sah sich in die Flucht getrieben, sofern er überlebte. Die Kriegszüge der Zulu hinterließen einerseits eine entwurzelte schwarze Bevölkerung als leichte Beute für die Buren, andererseits neben dem Zulustaat im heutigen KwaZulu-Natal einige kraftvolle politische Systeme, die nach dem Vorbild der Zulus (so der Swazi-Staat) oder als Fluchtburg vor ihnen (so der Lesotho-Staat) geschaffen worden waren. Swaziland und Lesotho gelang es, ihre Autonomie dauerhaft zu bewahren, indem sie die imperialen Interessen der Briten gegen die Buren auszuspielen verstanden.

Die Buren kollidierten militärisch mit den Zulu unter Chakas Halbbruder, Mörder und Nachfolger Dingane (gest. 1843) am 16.12.1838 in der berühmten Schlacht am Ncome-Fluss in Natal. Diese Schlacht wurde zum Mythos des weißen Afrikaner-Volkes.

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Nachdem der Zulukönig Dingane im Februar 1838 zunächst den Voortrekkerführer Piet Retief und seine Begleiter
im Anschluß an Verhandlungen und kurz darauf weitere rund 400 Siedler hatte ermorden lassen, wählten die Buren Andries Pretorius, der erst im November 1838 zu ihnen gestoßen war, zum Generalkommandanten. Er führte 464 Mann nebst einigen Helfern, 64 Planwagen und zwei Geschützen in einer Strafexpedition in Richtung der Zuluhauptstadt uMgungundlovu im heutigen KwaZulu-Natal. Am Fluss Ncome, der nach der Schlacht den Namen Bloedrivier erhalten sollte, trafen die Buren auf eine Übermacht von vermutlich mehr als 10.000 Zulu. Pretorius bildete ein sogenanntes Laager (eine Kreisformation mit den Planwagen). Beim Kampf wurden lediglich drei Voortrekker verletzt (darunter Pretorius selbst), kein einziger getötet. 3.000 Zulus fielen bei dem Gefecht.

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Der Sieg Pretorius' machte die weitere Kolonisierung Natals und die Gründung der Burenrepublik Natalia möglich – wenngleich es in der Folgezeit zu weiteren blutigen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Zulu einerseits, Buren und/oder Briten andererseits mit wechselndem Kriegsglück kam. Die Zulu waren jedoch erheblich geschwächt, Dinganes Macht schwand, und der Niedergang des mächtigsten indigenen Volksstammes im südlichen Afrika setzte ein.

Der 16. Dezember wird in Südafrika als Feiertag begangen. Aufgrund eines Gelübdes, das Pretorius am Tag vor der Schlacht abgegeben hatte, wurde er bis 1994 als Geloftedag/Day of the Vow (Tag des Gelübdes), seither als Day of Reconciliation (Versöhnungstag) bezeichnet. Die Hauptstadt Südafrikas – Pretoria – ist nach Andries Pretorius benannt.

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Das von 64 steinernen Ochsenkarren - wie ein Laager - eingerahmte Voortreckerdenkmal in Pretoria ist so konstruiert, dass durch ein Loch in der Kuppel ein Lichtstrahl dringt, der genau an jedem 16. Dezember um 12.00 Uhr auf den im Untergeschoss stehenden Kenophag mit der Aufschrift "Ons vir jou Suid-Afrika" (Wir für Dich, Süd-Afrika") fällt. Noch zu heutigen Zeiten versammelt sich am 16.12. jeden Jahres eine große Zahl Afrikaaner im Voortrekker-Denkmal, um diesen Augenblick mitzuerleben.

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Unserem Stadtführer versagte bei der Schilderung des Verrates Dinganes an dem Voortreckerführer Retrief (dessen Leiche mit dem unterschriebenen Vertrag in der Tasche aufgefunden sein soll) vor Rührung die Stimme.
 
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Szenenwechsel - Besuch der Balebogeng Primary School in der Township Mamelodi bei Pretoria.

Die Erstklässler begrüßen uns mit der südafrikanischen Nationalhymne.


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Mamelodi ist eine so genannte Township im Osten von Pretoria in Südafrika. Die Siedlung wurde 1953 auf dem Grundstück der Vlakfontein-Farm errichtet, deren Namen das neue Stadtviertel ursprünglich trug, und war ausschließlich für schwarze Bewohner vorgesehen. Ende der 1950er Jahre wurde der Stadtteil in Mamelodi umbenannt. Der Name bedeutet Mutter der Melodien. Dies ist zurückzuführen auf Präsident Paul Kruger, der so genannt wurde, da er Vogelzwitschern imitieren konnte. In den 1960er Jahren wurden die schwarzen Bewohner Pretorias im Zuge der Apartheid-Politik gezwungen, die Stadt zu verlassen und sich in den umliegenden Townships Mamelodi, Ga-Rankuwa, Soshanguve und Atteridgeville anzusiedeln. Die Einwohnerzahl kann nur geschätzt werden und beträgt etwa 1.000.000 Menschen.

Township ist die Bezeichnung für die während der Apartheid eingerichteten Wohngegenden für die schwarze, die farbige oder die indische Bevölkerung. Sie haben auch heute noch die Ausmaße von ganzen Städten. Ein typisches Beispiel ist Soweto (South Western Township), ein Stadtteil von Johannesburg. Sie waren Teil der so genannten „idealen Apartheidsstadt“, in der alle Rassen durch so genannte „buffer zones“ in Form von physischen Barrieren, Verkehrsanlagen, Industrieeinrichtungen oder unbebauten Landstücken getrennt wurden. Während die „weiße Stadt“ durch eine sozioökonomische Viertelbildung charakterisiert wurde, waren die Townships ur-sprünglich nach ethnischen Gesichtspunkten aufgeteilt. Eine Besonderheit stellten die so genannten „Hostels“ dar, welche als einfachste Sammelunterkünfte für alleinstehende Männer und Frauen dienten, die im „weißen“ Gebiet arbeiteten. Die ständig wachsende Einwohnerzahl in den Townships ist heute noch eines der größten Probleme. Die Bevölkerung lebt in Großwohnsiedlungen und Squatter-Gebieten, einfachen Hüttenvierteln fast ohne Infrastruktur. Zum Beispiel wurde 1927 eine Township (Langa) 12 km südöstlich von Kapstadt ursprünglich für 850 Personen gebaut, 1989 umfasste diese bereits 16.500 Einwohner. Nach aktuellen Schätzungen sind es jetzt über 80.000. Rund 74.000 schwarze Familien wohnen in Kapstadt in Squatters oder Hostels. Anfang 1997 fehlten über 134.000 Wohneinheiten. Die Größe einer Township ist bevölkerungsstatistisch nur sehr schwierig erfassbar. Ihre Lage erstreckt sich meistens an den Stadträndern. Die einzelnen Behausungen, so genannte „Shacks“ (engl. für Baracke, Bretterbude), sind in der Regel vollkommen ungeordnet gebaut. Die Bewohner kommen und gehen. Aus dem gleichen Grund ist es auch allgemein schwierig, eine Aussage zu machen, wie schlimm oder gut die Verhältnisse wirklich sind. Nach dem Ende der Apartheid änderten sich die Zustände zwar nur schleppend, doch es gibt allmählich Verbesserungen. So werden beispielsweise die oft zu dicht nebeneinander gebauten Häuser verlegt, um ein effizienteres Straßen- und somit auch Versorgungsnetz aufbauen zu können. (Quelle: Wikipedia)

In den Bereichen der Township Mamelodi, in die wir kamen, sahen wir beispielsweise nur "richtige" Steinhäuser, keine Wellblechhütten. Die Straßen waren staubig, aber breit genug, um mit einem Bus und Gegenverkehr befahren zu werden und in ordnungsgemäßem Zustand. Am Rand von Kapstadt (dazu später) sahen wir noch dicht an dicht gebaute Wellblech-Hütten-Siedlungen; auch diese werden aber derzeit umgebaut. Das Problem besteht darin, mindestens jeden zweiten Hüttensiedler zum Umzug in ein anderes Gebiet zu überzeugen, da auch ein kleines Standard-Haus den Platz von mindestens zwei Wellblechhütten benötigt. Viele Bewohner ziehen den Erhalt des enstandenen engen, nachbarlichen sozialen Netzes deutlich verbesserten Wohnverhältnissen vor. Wir haben aber am Kap auch geräumte Flächen gesehen, auf denen die Regierung neue Häuser errichtete.
 
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Seid 1997 hat Südafrika eine Hymne, die - melodiemäßig - das Alte ANC-Lied "Nkosi sikelel' iAfrika" mit der alten Nationalhymne "Stem" und textlich die 5 bedeutendsten der 11 offiziellen Landessprachen, nämlich Xhosa, Zulu, Sotho, Englisch und Afrikaans vereint.

(Xhosa) Nkosi sikelel' iAfrika
Maluphakanyisw' uphondo lwayo,
(Zulu)Yizwa imithandazo yethu,
Nkosi sikelela, thina lusapho lwayo.

(Southern Sotho) Morena boloka setjhaba sa heso,
O fedise dintwa le matshwenyeho,
O se boloke, O se boloke setjhaba sa heso, Setjhaba sa.
(English) South Africa, South Africa!

(Afrikaans) Uit die blou van onse hemel,
Uit die diepte van ons see,
Oor ons ewige gebergtes,
Waar die kranse antwoord gee,

(English) Sounds the call to come together,
And united we shall stand,
Let us live and strive for freedom,
In South Africa our land.


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Die Übersetzung lautet in etwa:

Gott segne Afrika,
möge sein Ruhm hoch erhoben werden!
Höre unsere Bitten,
Gott, segne uns, Deine Kinder.

Gott, wir bitten Dich, unsere Nation zu behüten,
Greif' ein und beende alle Konflikte,
Schütze uns, schütze unsere Nation, unsere Nation
Südafrika, Südafrika!

Vom Blau unseres Himmels,
von den Tiefern unserer See,
über die ewigen Bergketten,
wo die Felswände Antwort geben,

tönt der Ruf, zusammen zu kommen,
und vereinigt werden wir stehen.
Laßt uns leben und streben für die Freiheit,
in Südafrika, unserem Land!
 
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Obwohl das zuständige Ministerium unseren Besucht dort schon vor Monaten genehmtigt hatte, wurde die zuständige Schule erst am Morgen unseres Besuches informiert. Bis zu unserer Ankunft um 10.00 Uhr wurde ein umfangreiches Gesangs- und Tanzprogramm unter Beteiligung aller Schüler einstudiert. Während die letzten Vorbereitungen getroffen wurden, führte uns der Direktor durch die Schule und stellte uns den Lehrkörper vor.

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Überall herschte eine fröhliche Form von Diszplin. Die Lehrer machten einen gleichzeitig freundlichen, liebevoll-strengen und kompetenten Eindruck. Klassenstärke ist 60 bis 100 Kinder. Außer bei den ganz jungen Kindern, für die es einen eigens eingerichteten Raum gibt, ist - natürlich - Frontalunterricht angesagt. Breiten Raum nimmt aber wohl auch die musische Erziehung ein, wie wir uns anhand der verschiedenen Vorführungen vergewissern konnten. Die Kinder machten trotz der - wie schon gesagt - eingehaltenen Disziplin einen fröhlichen, ja glücklichen Eindruck.
 
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Auch wir gaben natürlich zum Jubel der Schüler einige Stücke zum Besten, übten ein deutsches Volkslied mit den Kindern ein, übergaben einige Lehrmaterialien als Geschenk und sangen zum Schluß alle gemeinsam - ein großer Spaß. Nachdem der Direktor uns zu unserer Überaschung aufgefordert hatte, unsere Nationalhymne zu singen, wurden wir sehr herzlich verabschiedet und verließen die Schule in dem glücklichen Gefühl, wieder neue Freunde gefunden zu haben, auch wenn wir diese wahrscheinlich nicht mehr wiedersehen werden.

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Das sind wirklich klasse Fotos, die fesseln und anrühren zugleich . Die Kinderfotos insbesondere. Die STERN-Fotografen können es nicht besser.
 
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Hier noch ein Bild von dem Präsidenten Paul Kruger, nach dem die Township Mamelodi (s.o.) - und natürlich auch der Kruger National Park - benannt wurde. Die Statue steht auf dem Church Square in Pretoria.

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