Hallo pictor,
Es wird von Nikon viel Zeit dafür verwendet, in jede
Kamera nachträglich Video einzubauen. Und wenn Video einmal eingebaut worden ist, dann wird viel Zeit investiert, um die Video-Funktionen zu verbessern. Daraus ergeben sich mehrere Probleme: wichtige Funktionen für die Fotografie bleiben dabei auf der Strecke, weil Ressourcen schließlich nur begrenzt vorhanden sind.
Ist das wirklich so? Ich kenne den Entwicklungsbetrieb so, dass Innovationen heraus gebracht werden müssen, weil der Markt danach verlangt. Diese neuen Produkte sollten (wenn möglich) mindestens mit dem Mitbewerber gleich ziehen, wenn möglich ihn überflügeln oder gar Alleinstellungsmerkmale haben. In den Marketing-Specs werden diese Anforderungen nach der Kano-Klassifikation gerne mal als "Excitements" bezeichnet, also etwas das weit über den Basisanforderungen ist und den Kunden positiv überraschen (=> Begeisterungsmerkmal).
Canon konnte Video und Nikon hat bezeichnenderweise zunächst nicht (!) in den Profigehäusen dieses Feature nachgezogen. Mit dieser Zielgruppe ist schonmal klar welche Einstufung das Requirement hat: Sicher nicht "Basic", sicher aber auch nicht "Excitement". Es ist gekommen, weil es kommen musste. Nikon hatte gar keine andere Chance, keinen Entscheidungsspielraum. Und wenn das Feature schon mal da ist, dann wandert es früher oder später auch in die Profimodelle.
Normalerweise richteten sich die Feature eines Produktes nicht nach der zur Verfügung stehenden Entwicklungsmanschaft, sondern die Ressourcen werden den Anforderungen angepasst. Wenn ein Feature so wichtig ist, dass der Kunde mehr dafür zahlt als es gekostet hat zu entwickeln und zu produzieren, dann kommt es in das Lastenheft für die nächste Produktauskopplung aus der Systemplattform. Denn wenn das Feature technisch machbar und wirtschaftlich sinnvoll ist, dann macht es Sinn es so bald wie möglich auf den Markt zu bringen - bevor es der Mitbewerber tut oder (falls er es schon getan hat) bevor der Mitbewerber soviel Land gewinnt, dass man wieder nur hinterher hecheln kann.
Ich kann Dich, pictor, schon auch verstehen. Fotografen sind deshalb Fotografen, weil sie zu einem gerüttelt Maß - auch - ein puristischen Naturell haben. Wenn es für die nächste DSLR-Generation jeden Tag 1000 neue Apps gibt und man damit in zwei Handynetzte gleichzeitig einwählen kann, dann fangen die meisten von uns wohl an zu zweifeln, ob das wirklich der richtige Weg ist.
Aber noch ist es nicht so weit. Die D3s ist eine reinrassige Profi-DSLR. Die Video-Funktion ist so gut versteckt, dass sie geradezu übersehen werden kann. Der Video-Modus kann nur im Live-View Betrieb gestartet werden und die Aufnahme beginnt nach einem Druck auf die ebenfalls ohnehin vorhandenen Pv- oder Mitteltaste. Es wurde für die Video-Funktion keine einzige eigene Taste spendiert und die manuelle Belichtungssteuerung wurde in der BDA sogar komplett vergessen, obwohl sie implementiert ist und funktioniert. Insofern musste die Videofunktion in den Nikon DSLRs kommen, damit Nikon am Markt weiter erfolgreich ist und damit die Voraussetzung für Innovationen auch in anderen Bereichen geschaffen werden. Wäre nicht das erste Mal, dass sich verschiedene Bereiche gegseitig bereichern.
So würde es mich beispielsweise nicht wundern, wenn das schnelle Auslesen mehrerer Frames in kurzer Zeit aus der Videotechnik früher oder später auch Eingang in die klassische Fotografie findet. So könnte man durch Mittelung mehrerer Frames zu einem Bild unter (pixelweiser) Berücksichtigung sowohl der hoch- als auch der niederfrequenten Luminanzänderung das Rauschen in homegonen Flächen noch einmal drastisch reduzieren ohne dabei sich schnell bewegende Motivteile in die Unschärfe zu treiben.
Es bleibt spannend.
Ciao
HaPe