NF-Rezension Rezension: Steve McCurry "Buddhismus"

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Virgil Kane

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„Buddhismus“ von Steve McCurry erscheint als Softcover-Fotobuch im 28x24 cm Hochformat.
Der Hochglanz-Einband zeigt auf Vorder- und Rückseite jeweils ein Foto aus der Reihe sowie die Logos der UNESCO und der Völklinger Hütte, die als europäisches Zentrum für Kunst und Industriekultur damit werben kann, als Weltkulturerbe eingestuft worden zu sein. Das Buch erschien anlässlich einer Ausstellung des Fotografen in den dortigen Räumlichkeiten und zeigt Fotografien von 1985 bis 2013. Sie entstanden in Myanmar, Thailand, Kambodscha, Tibet, Indien und China.


Gegliedert ist das Werk in…

  • eine Einführung von Prof. Dr. Meinrad Maria Grewenig, CEO der Völklinger Hütte über den Dialog der Kulturen (Buddhismus in einer Industrieumgebung).
  • ein Portrait des Fotografen durch Frank Krämer, Projektleiter an der Völklinger Hütte, unter dem Titel „Der richtige Moment“, in dem Krämer die Kunst Steve McCurrys vorstellt.
  • einer Abhandlung über den Buddhismus und das westliche Bildbewusstsein von Prof. Dr. Meinrad Maria Grewenig, worin der Autor auf einzelne Bilder der Ausstellung exemplarisch eingeht und die Wichtigkeit der Bilddokumentation historischer Stätten in Zeiten religiöser Bilderstürmer betont.
  • den großformatigen Bildteil
  • die Vita des Fotografen mit Auflistung aller erhaltenen Preise und ausgerichteten Ausstellungen (mehrere Seiten…. :))
  • eine Zeittafel des Buddhismus von den Anfängen 563 v.Chr. bis heute
  • die Kurzvita der Autoren



Die Fotos:

McCurrys Fotos in diesem Buch sind ausnahmslos grandios. Jedem Bild sind der Titel, der Entstehungsort, das Jahr und das Druckformat, mit dem es in der Ausstellung präsentiert wurde, zur Seite gestellt. Aufnahmen aus den Ausstellungsräumen zu Anfang des Buches vermitteln einen Eindruck von der wunderbaren Location und den Dimensionen der Bilder. 180 x 270 cm für ein Querformatbild ist bei McCurry eine gängige Größe.

Auch das Buch lebt von der Größe der Abbildungen. Je Doppelseite wird nur ein Bild gezeigt, randlos in die Seiten eingepasst mit dezent gefärbten Balken an den Seiten für Titel und weitere Infos. Die Größe der Fotos transportiert zum einen die Eindringlichkeit der festgehaltenen Momente, kämpft zum anderen aber mit einem Mittelfalz, der durch die Art der Bindung ungefähr die Tiefe des Mariannengrabens haben dürfte und oft wesentliche Teile der Fotos einfach verschluckt. Bestes Beispiel dafür ist das spektakuläre Foto einer Gruppe junger Mönche in China, die in orangefarbener Mönchsrobe und weißen Turnschuhen an einer Mauer chillen, während einer von ihnen spektakulär an der vertikalen Mauer über seine Kumpels hinweg springt. Dasselbe Foto ist in kleinerem Format auf der Rückseite des Buches zu finden und dort viel besser zu betrachten als im Innenteil, wo die zentrale Bildstelle - die an der Mauer laufenden Beine des Mönchs - im Falz verschwinden.



Die Message:

Buddhismus lautet der Titel des Buches - Menschen sind sein eigentliches Thema. Menschen, die zufällig einer bestimmten Religion angehören, die aber in erster Linie als Individuen wahrgenommen und betrachtet werden. Natürlich gibt es Tempelszenen, Bilder religiöser Riten, Mönche mit Colaflaschen. Aber die Religion an sich bleibt im Verborgenen. Sie ist die Staffage, das Band, das die Fotos thematisch verbinden soll. Man käme gut ohne aus. Auch nicht-religiöse Menschen werden die Gesichter und Szenen, die Steve McCurry eingefangen hat, begeistern. Wer über den Buddhismus selbst erfahren möchte, sollte andere Quellen zu Rate ziehen. In McCurrys Bildern geht es um Variationen menschlichen Lebens.


Der Fotograf:

Die Vita des Fotografen ist spektakulär. Seine Erfolge sind es ebenfalls. Der 1950 geborene Amerikaner hat in seiner Karriere alles erreicht. Gegenwärtig sieht er sich jedoch starker Kritik ausgesetzt. Man kann kein Buch mit Fotos von Steve McCurry rezensieren, ohne über „Rikscha-Gate“ zu sprechen: das Foto einer Gruppe indischer Männer, die im Regen mit einer Rikscha unterwegs sind und bei dem McCurry via Photoshop etwas mehr als nur die Belichtung korrigiert hat.

Nach der Entdeckung dieser Manipulationen und einiger weiterer bei anderen Motiven weht dem Star-Fotografen ein kritischer Wind ins Gesicht, angefacht hauptsächlich von puristischen Amateuren, die sich um einen authentischen Blick auf die Welt betrogen sehen. Nachzulesen zum Beispiel hier: http://www.techinsider.io/steve-mccurry-photo-editing-scandal-2016-5

Wäre McCurry Modefotograf, wären seine Photoshop-Tricks lediglich das kleine Einmaleins. Jeder wüsste darum und keiner hätte etwas dagegen (außer vielleicht Peter Lindbergh). Ob Reportage-Fotografen Fotos nach eigenem Befinden manipulieren dürfen, ist ein Streitthema. Und kein neues. Bereits die Wahl des Standortes oder des Bildausschnittes beeinflusst die Bildaussage. Bereits die eingesetzte Brennweite verändert die Perspektive. Was erlaubt ist und was nicht mag daher jeder selbst für sich festlegen. Was Authentizität angeht, ist vermutlich keinem Bild und keinem Fotografen zu trauen.


Für wen ist dieses Buch geeignet?

Für Menschenfreunde, für scheue Beobachter, für alle, die lieber andere dorthin reisen lassen, wo sie selbst gerne mal vorbeischauen würden, für jeden, der die Vielfalt und das Leben auf unserem Planeten liebt, ist McCurrys Bildband eine vergnügliche Lektüre. Wer selbst fotografiert und einen technischen Seitenblick auf die Bilder wirft, wird darüber hinaus für seine eigene Arbeit nützliche Inspirationen finden.


Fazit:
Wunderschöne Fotos, mit dem Makel des tiefen Mittelfalzes, angenehm wenig Begleittext, kein profundes Buch über Buddhismus, aber eine Ode an das Menschsein. Aus all diesen Gründen satte 4 Sterne für Steve McCurry.


Die Daten
Steve McCurry. Buddhismus erschien am 6. Mai 2016 im Wienand Verlag. Hg. Meinrad Maria Grewenig, mit Beiträgen von Meinrad Maria Grewenig, Frank Krämer, Volker Zotz. 96 Seiten, 43 farbige Abbildungen, 24 x 28 cm, Broschur.

ISBN: 978-3-86832-274-3

Preis: 19,80 EUR (D)*| 25,30 SFR (CH)


Bewertung:
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ISBN: 3868323392


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