Die alemannische und schwäbische Fasnacht steht stärker in einer archaischen Tradition als der Karneval rheinischer Prägung etwa in Köln oder Mainz. Das Brauchtum bezieht sich hier auf die Vertreibung des Winters und böser Geister durch Lärm, Feuer und Maskerade. Während in Gebieten mit vorwiegend katholischer Bevölkerung die Fasnacht mit dem Aschermittwoch endet, geht sie in einigen protestantisch geprägten Gemeinden im Badischen (z.B. Weil am Rhein, Hauingen, Sulzburg) aber auch in der Schweiz (z.B. Liestal) erst richtig los. Einerseits, um die Katholen zu ärgern, andererseits wird argumentiert, man mache die eine oder andere Kalenderreform nicht mit, da sei sowieso ein Rechenfehler bezüglich des Beginns der Fastenzeit enthalten.
Die größte Fasnacht der Schweiz und wohl auch die größte in einer protestantischen Gemeinde weltweit findet in Basel statt. Basel war mit der Reformation protestantisch geworden, hatte aber im Gegensatz zu manch anderen protestantischen Städten die Fasnacht nicht abgeschafft. Bereits 1529 wurde sie auf die Tage Montag bis Mittwoch nach Aschermittwoch begrenzt. „Die drey scheenschde Däg“ dauern exakt 72 Stunden, von Montag 04.00 Uhr bis Donnerstag 04.00 Uhr (außer 2002, da schalteten die Stadtwerke eine Minute zu früh das Licht ab, also dauerte die Fasnacht drei Tage und eine Minute).
Der Ablauf dieser drei Tage ist traditionell geprägt. Die Auftaktveranstaltung ist der Morgestraich, aber nicht weniger wichtig sind die Cortèges am Montag und Mittwoch Nachmittag, die Gugge-Konzerte am Dienstag Abend auf dem Marktplatz, dem Barfüßer und dem Claraplatz und die große Laternenausstellung auf dem Münsterplatz. Die meisten Kneipen und Restaurants haben durchgehend geöffnet, das fasnächtliche Treiben findet auch in den Gassen und Kneipen statt.
Ursprünglich wurde die Fasnacht mit Lärm eröffnet, also mit Trommeln und Schießen. Dabei war das Trommeln eigentlich ein militärisches Zeremoniell von Soldaten für Soldaten. Der Termin des Morgestraich geht wohl auch auf die Praxis zurück, am Montag nach Aschermittwoch Rekruten einzuziehen. Jedenfalls ist für das Jahr 1833 belegt, dass ein gegen die Obrigkeit renitenter Wirt mit Gesinnungsgenossen gesetzwidrig morgens mit Trommeln durch die Basler Innenstadt gezogen sei und so die Fasnacht eröffnet habe. Die Obrigkeit habe das damals toleriert, wohl, weil man nicht mit Soldaten gegen die eigene Bevölkerung vorgehen wollte, denn man befand sich gerade in einer militärischen Auseinadersetzung mit Aufständischen aus dem Basler Umland, die man dann auch noch verlor. Das führte zur Spaltung des Kantons in Basel Stadt und Basel Land. 1834 fand wegen des verlorenen Krieges keine Fasnacht statt, erst wieder 1835. Von da an waren Trommeln erlaubt, die Tradition des Morgestraichs war begründet. Beleuchtet wurde das Geschehen durch Pechfackeln. Wegen der Feuergefahr wurden die dann später verboten, seither gibt es die Tradition mit den „Stäggeladärne“. Auch „Ruggeladärne“ kamen zum Einsatz, die aber später wieder verschwanden. Heute spielen natürlich die „Zugladärne“ und die „Kopfladärne“ eine wichtige Rolle.
Die Basler Fasnacht und speziell auch der Morgestraich wird getragen von der Arbeit der Cliquen, das sind Gruppen, die ursprünglich wohl aus Zünften entstanden sind. Diese mehr als 200 Cliquen versammeln sich am Montagmorgen an unterschiedlichen Standorten in der Basler Innenstadt. Sie bestehen immer aus dem Vortrab, Pfeifern, dem Tambourmajor und den Trommlern, wobei die Reihenfolge nicht bei jeder Clique gleich ist. Nach dem Vortrab kommen manchmal die Pfeifer, dann der Tambourmajor, dann die Tambouren. Manchmal kommt nach dem Vortrab aber auch gleich der Tambourmajor, dann die Trommler und danach die Pfeifer. Andere Instrumente als die Piccolo-Flöte und die Trommel kommen nicht zum Einsatz. Alle sind kostümiert mit Larven und Gewändern, aber nicht einheitlich im Unterschied zu den Cortèges. Die freie Kleiderordnung nennt sich „Charivari“. Die gemeinsame Gruppenzugehörigkeit wird durch gleiche oder ähnliche Kopflaternen dokumentiert. Publikum (zum Morgestraich kommen üblicherweise mehr als 100.000 Zuschauer) und begleitende Familienangehörige („Nachtrab“) sind übrigens nicht maskiert. Zusätzliches Licht von außen durch Taschenlampen oder durch Kamerablitze sind verpönt.
Pünktlich um vier Uhr morgens wird das Licht gelöscht. Das ist für die Tambourmajore das Startsignal. Sie geben den Befehl „Achtig! Morgestraich! Vorwärts marsch!“, und alle Cliquen spielen dann an ihren unterschiedlichen Standorten das erste Lied gleich, eben den Morgestraich-Marsch. Dieses Lied wird während der gesamten Fasnacht nur dieses eine Mal gespielt. Danach intoniert jede Clique ihre eigene Hitliste.
Jede Clique führt im Vortrab eine oder mehrere Zuglaternen mit sich, die ein Thema aufgreifen und es grafisch sehr sehenswert umsetzen. Beliebt sind Frotzeleinen über die „Waggis“ (Franzosen) oder die Nachbarn aus dem „großen Kanton“ (Deutsche), aber auch andere regional- und weltpolitischen Themen werden gerne aufs Korn genommen. Neben der grafischen Qualität beeindrucken die in kleiner Schrift gehaltenen Sprüche auf Baseldytsch, die man später auf dem Münsterplatz bei der Laternenausstellung geruhsamer geniessen kann.
Die anfänglich gespenstisch anmutende Szenerie klärt sich zunehmend mit der Dämmerung, sie dünnt sich mehr und mehr aus. Sowohl Darsteller als auch Publikum stärken sich zunehmend in den Kneipen bei Mehlsuppe und Zwiebelwaie. Doch trifft man in den Gassen den ganzen Vormittag über immer wieder kleine Gruppen oder Einzelmasken, die fröhlich vor sich hinträllern oder trommeln und ihre ganz individuelle Fasnacht feiern.
Gruß
Suermel