Mit Beweglichkeit macht man die besseren Fotos

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Oft ist sie wichtiger als Fototechnik.​

Kunstobjekt bunter Fantasiefisch in der Brandung

Kameramann und Fotograf Gert Wagner, Gründer unseres Partners Swift Design, hat heute wieder einen interessanten Artikel für uns. Diesmal geht es um das Thema Beweglichkeit in der Fotografie:

Für eine Reportage hatte ich das Werk des kalifornischen Objektkünstlers mühselig an den Strand geschleppt, ein zwei Meter langer, aufwendig gestalteter Fantasiefisch in prächtigen Farben. Um ihn möglichst wirkungsvoll in Szene zu setzen, befestigte ich ihn auf dem schlanken Metallpfahl, den ich dafür mitgebracht hatte, und platzierte ihn direkt am Brandungsrand. Jetzt wirkte er, als tauchte er in kühnem Sprung direkt aus der schäumenden Brandung.

Doch das wirkliche, fatale Drama passierte dann unversehens. Ich stand schon bis zu den Knien im Wasser, die Kamera im Anschlag. Da sah ich die Welle kommen, drückte den Auslöser, riss schnell die Kamera hoch, rettete mich mit einem Satz an den Strand. Der Wasserschwall hinter mir packte das prächtige Fabelwesen, es löste sich vom Pfahl, die Rückenflosse brach ab und wurde gnadenlos von der Brandung verschlungen. Alles geschah in Sekunden, und von fünf Fotos gab es nur ein einziges gelungenes - mehr Chancen hatte mir das Meer nicht gelassen. Den entstandenen Schaden zahlte großzügig mein Auftraggeber.

Wie sich Dynamik in der Fotografie entwickelte​


alte Kamera

Ein kurzer Blick über 100 Jahre zurück: Erstaunlich, unter welchen Bedingungen in den Kindertagen der Fotografie die Bilder entstanden. Die Kameras waren groß und schwer, ruhten auf klobigen Stativen, ihre Bedienung konnte umständlicher nicht sein: Motivkontrolle unter einem schwarzen Tuch auf einem Mattscheibenbild, das auf dem Kopf stand, Fokussieren mit Maßband und Rändelschiene, Belichtungszeit schätzen, Verschluss spannen, eine Filmkassette pro Aufnahme auswechseln.

Doch dann, im Jahr 1913, erfand Oskar Barnack die Kleinbildkamera, die legendäre Leica. Wie so oft mit Innovationen, deren Bedeutung nicht sofort erkannt wurde, traf sie zunächst auf große Zurückhaltung und wurde gar nicht ernst genommen - so klein, so lächerlich! Aber letztlich hat sie die Fotografie revolutioniert. Der entscheidende Grund: ihre geringe Größe und schnelle Bedienbarkeit eröffneten Fotografen gänzlich neue Chancen. Jetzt war es möglich, besondere Situationen und überraschende Momente spontan wahrzunehmen und nicht mehr zu verpassen. Die Kleinbildkamera eröffnete die aufregende Ära des Fotojournalismus und hat diesen bis heute mitbestimmt.

Alte Leica-Kamera

Es gab noch andere Erfindungen, die das bewegliche Arbeiten mit der Kamera veränderten und damit zu ganz neuen Stilen führten: Das Zoomobjektiv, mit dem das Fotogepäck kleiner und das Fotografieren schneller wurde. Der Autofokus, der schnelle Szenenwechsel meistert und damit z.B. die Eventfotografie erheblich erleichtert. Die Steadicam, die das dynamische Filmen revolutionierte. Dann die winzige Actioncam, die uns so nah wie niemals zuvor direkt an das Herz der wildesten Szenen führt. Und die Kameradrohne, die unsere Sicht auf die Dinge sensationell verändert hat. Letztlich gehört auch Steadify dazu, der Stabilisator aus der Hüfte, weil er mehr Agilität ermöglicht.

Und immer geht es um Beweglichkeit.

Raum für Spontanität​

Bis zur Digitalisierung der Fotografie gehörte vor allem der Rollfilm zur Fototechnik, das war ein riesiger Fortschritt weg von der umständlichen Plattenkamera. In der Werbung wurde das quadratische Mittelformat des Filmmaterials bevorzugt, weil seine hohe Auflösung den Druck großer Plakate ermöglichte und auch, weil die Grafiker sich bei der Gestaltung der Anzeigen beliebige Ausschnitte ohne Qualitätsverlust wählen konnten. In der Handhabung waren diese Kameras allerdings recht behäbig. Im Journalismus dagegen war es das flexible, schnelle Kleinbildformat, mit dem die Fotografen die Welt bereisten. Ich erinnere mich an die Bemerkung einer Bildredakteurin des Magazins GEO: Fotografen, die sich stolz mit ihrer Mittelformat-Kamera vorstellten, hatten hier keine Chance für einen Auftrag. GEO traute ihnen schlicht nicht die Beweglichkeit zu, die sie als Voraussetzung sahen für den Anspruch der Redaktion an ungewöhnliche Bilder unter jeglichen Bedingungen.

Was meine Fotografie prägt​

Meine eigenen Erfahrungen haben mir das immer wieder gezeigt. Schon beim Packen vor der nächsten Reise ergeben sich die ersten wichtigen Entscheidungen. Was ist notwendig bei diesem Job, was ist überflüssig? Mit zunehmender Erfahrung hatte ich ein System entwickelt, das für mich gut funktionierte. Für die Anreise berücksichtige ich alle Eventualitäten. Mein 400 mm Teleobjektiv z.B. benutze ich selten, ebenso das Reisestativ und auch zusätzliches Licht. Aber für die wenigen Gelegenheiten, wo es wichtig ist, habe ich auch diese Teile zumindest noch in meinem Hauptgepäck im Hotel oder im Auto. Ohne sie aber bin ich optimal flexibel, wenn ich auf Events oder in schwierigem Gelände unterwegs bin. Denn ein wirklich langes Teleobjektiv brauche ich nur für spezielle Themen, in der Natur oder bei sportlichen Events. Und wann benötige ich ein Stativ oder mehr Licht? Eher nur zum Ende des Tages, oder unter extrem schlechten Lichtverhältnissen. Die meiste Zeit ist es nicht notwendig, dann bleibt es zurück. In vielen Situationen kann manches Objektiv, zusätzliches Licht, noch eine Kamera, oder ein Stativ eher hinderlich sein. Beweglichkeit war immer ein entscheidender Aspekt, wenn mir meine Fotos gelangen. Unzählige Situationen fallen mir dazu ein, hier noch drei Beispiele:

Die Reportage über das Ballon-Event in Albuquerque, USA, mit dutzenden Heißluftballons am Start und am Himmel. Noch vor Sonnenaufgang trafen die Ballonfahrer mit ihren Trucks auf dem freien Feld vor der Stadt ein und bereiteten sich auf das Abenteuer vor, immer mit ungewissem Ausgang, abhängig vom Wetter. Gondelkörbe wurden abgeladen, riesige farbige Ballonhüllen ausgebreitet, Aggregate für den Auftrieb in Stellung gebracht. Action überall, die Stimmen der vielen Helfer, die lauten Kommandos der Teams, das fauchende Zischen beim Entzünden der Brenner, mit denen Heißluft die Ballonhüllen füllte bis diese sich zu beeindruckender Höhe aufrichteten. Dann die Starts, der aufregende Moment, wenn Männer an den Sicherheitsseilen zerrten bis sich der Korb mit dem Ballonteam langsam vom Boden löste und majestätisch davonschwebte.

Und mittendrin: ich mit drei Kameras und Objektiven unterschiedlicher Brennweiten. Ein Knochenjob, den ich mit noch mehr Gepäck nicht zustande gebracht hätte. Beweglichkeit war die wichtigste Voraussetzung, um möglichst viele Momente wahrzunehmen, die oft genauso schnell vorbei waren wie sie unversehens auftauchten.

Bunte Heißluftballons am Himmel, von unten fotografiert

Ach, und dann der Tag der Hochzeit meines Freundes Thomas. Die Stimmung um die prächtige Tafel, ausgelassen und feierlich zugleich. Am laufenden Band wechselten die Szenarien, die ich unbedingt festhalten wollte. Ich kam kaum dazu, von der Lammkeule zu kosten oder am Wein zu nippen. Die meisten Motive konnte ich mit dem Weitwinkel wahrnehmen. Für die Close-ups der Gesichter benutzte ich ein kleines Tele. Nur die Lichtverhältnisse machten mir zu schaffen, aber ein Stativ hätte mir die Flexibilität genommen, selbst ein kleines Reisestativ wäre noch zu viel gewesen. Da ist ein Monopod die bessere Alternative.

Und hier noch ein Extrembeispiel der Filmproduktion in meiner nächsten Nachbarschaft - Krabbenfang mit dem Kutter auf der Nordsee, absolut abenteuerlich. Das Wetter war gar nicht so schlecht, trotzdem erschwerte mir der permanente Schwall der kräftigen Nordseedünung das Agieren auf dem schwankenden Bootsdeck erheblich. Einmal erschienen unverhofft Robben an Backbord, dann wieder wurden die breiten Schleppnetze eingeholt, von kräftigen Händen an Deck gezerrt und in die Behälter unter Deck entleert. Krabben kiloweise, dazwischen kleine Schollen, die nicht rechtzeitig flüchten konnten, Krebse, unentrinnbar mit dem Netz vom flachen Meeresboden geschabt. Und schließlich kippten die Fischer die Krabben in einen dampfenden, kochenden Wasserkessel am Bootsheck. So behielten sie ihren frischen Geschmack für die Gourmets an Land. Ich glaube ich war nur deshalb nicht seekrank geworden, weil mich meine Arbeit total abgelenkt hat.

Krabbenfang mit dem Kutter auf der Nordsee

Fototechnik allein reicht nicht​

In der Fotografie steht oft die Technik im Fokus, die tolle Bilder ermöglichen soll. Objektive, die unterschiedliche Perspektive eröffnen, Kameras mit tollen Features, Zubehör mit wundersamer Wirkung. Oft wird darüber vergessen, dass es Wichtigeres geben kann als den letzten Stand der Technik. Ganz oben steht die Beweglichkeit.

Mit der Fotografie wollen wir Momente festhalten, die oft ungewöhnlich und meist vergänglich sind. Wir streben nach dem besonderen Bild und lassen uns durch unsere Kreativität beflügeln. Alles um uns herum verändert sich permanent. Je beweglicher wir mit der Kamera sind, desto mehr können wir mit ihr einfangen. Wir müssen der Dynamik folgen. Das bedeutet nicht unbedingt große Action und unruhige Szenen, es kann viel unscheinbarer sein. So, wie das Chamäleon lange bewegungslos verharrt und dann blitzschnell sein Opfer mit seiner langen Zunge schnappt. Oder der Naturfotograf, der geduldig auf den Moment wartet, bis die Biene abhebt, bis die Brandung am höchsten bricht oder bis ein unverhoffter Sonnenstrahl für einen Moment die beste Stimmung schafft.

Was macht uns beweglich? Unsere Neugier, unsere Kondition, kleines Gepäck, leichtes Equipment. So entstehen Bilder, die mit dickem Ballast oder aus der Sofaecke nicht möglich sind.

FAQ​

Zoom-Objektive sind praktisch, aber was sind ihre Nachteile?
Objektive mit Festbrennweiten sind oft sehr lichtstark mit Blendenöffnungen noch unter 1. Zoom- Objektive können da nicht mithalten, besonders nicht bei längeren Brennweiten mit maximalen Blendenöffnungen von 4 bis 6,5 je nach gewählter Brennweite. Einige, meist teure Exemplare schaffen eine Blende von 2,8 durchgehend durch alle Brennweiten.

Bei den preiswerteren Varianten der Zoom-Objektive ist auch die optische Qualität nicht immer die beste, z.B. mit stärkeren Vignettierungen und möglichen Unschärfen zu den Rändern.

Zwar sind Zoom-Objektive immer größer, dafür ersetzen sie aber mehrere Objektive mit Festbrennweiten. Besonders auf Reisen und Events kann das ein großer Vorteil sein.

Welche Bedeutung hat das Mittelformat mit der entsprechenden Sensorgröße heute?
Die großen Sensoren der digitalen Kleinbild-Kameras übertreffen sogar die Auflösungsqualität des Mittelformates aus den Zeiten des Rollfilms. Das digitale Mittelformat wird heute eingesetzt bei höchsten Ansprüchen an Auflösung und Abbildungsqualität, begehrt von Experten und von Liebhabern des Besonderen.

Mit welcher Technik lässt sich ein Stativ ersetzen?
Bis zu einer natürlichen Grenze gibt es Möglichkeiten, auch ohne Stativ eine Stabilität zu erreichen, die noch scharfe Bilder ermöglicht. Hier einige Optionen:
  • Erhöhung der ISO Werte bis an die Grenze von sichtbarem Bildrauschen, größte Blendenöffnung wählen - beides, um die Belichtungszeit so kurz wie möglich zu halten.
  • Kurze Brennweiten verwackeln weniger als lange, besonders starke Teleobjektive sind sehr anfällig für Verwacklungen.
  • Den Körper anlehnen oder abstützen, dabei die Kamera mit beiden Händen halten und die Ellenbogen fest an den Körper pressen.
  • Ein Monopod ist schon erheblich leichter und kleiner als ein Stativ oder sogar Reisestativ und kann eine große Hilfe sein.
  • Steadify, Stabilisierung aus der Hüfte, ist noch kleiner als ein Monopod, und durch seine Technik ist es stabiler, beweglicher und spontaner.
Man sollte immer bedenken, dass ein Stativ nicht nur für Stabilität gut ist, sondern auch das Kameragewicht trägt. Für langes Stand-by kann das besonders wichtig sein. Alternativlösungen wie Monopod oder Steadify können das.

Bildnachweis: ©Swift Design
 
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