Gelhof ist ein Roman von Sans Ear, Mitglied im NFF seit 2005. Sein Autorenname: Enno ter Vehn. Das Buch ist im Oldenburger Isensee-Verlag erschienen.
Einleitung
Die Geschichte von Gelhof und um Gelhof ist eine Geschichte des Schweigens. Ich habe gestaunt, wie wortreich und direkt mich Schweigen treffen kann. Wer das Buch liest, sollte sich auf die Kraft des Schweigens einstellen.
Eigentlich hat das Buch genau das ausgelöst, über das der Autor schrieb: Schweigen. Aber mit Schweigen über Schweigen würde ich das wiederholen, was so lange verschwiegen wurde. Und spende ich gerne ein paar Worte über mein Schweigen, obwohl ich eigentlich schweigen möchte. Vielleicht ist es aber nicht schweigen, sondern Stille, die sich in mir breit gemacht hat. Oder eine Betroffenheit. Und über Betroffenheit kann ich reden.
Ich schreibe als Ich, als Sam, nicht als «Man». Und so wird es persönlich. Aber Reden über Schweigen ist auch persönlich.
Rezension
Es trägt mich das Wort Schweigen über die ganzen hundertsechzig Seiten. Ich dachte immer, dass Schweigen lautlos und wortlos ist. Die Worte des Romans umhüllen das Schweigen obwohl mich das Schweigen immer wieder in eine innere Leere führt. Ich werde oft still um diese Worte. Dann höre ich das Schweigen wieder das laut und eindringlich in mir wirkt.
Ich habe ich die chronische Angewohnheit, dass ich beim Lesen immer noch das lese, was zwischen den Zeilen steht oder stehen könnte. Und das unabhängig vom Zeilenabstand und der Schriftgrösse. Und das ist Fluch und Segen zugleich und verstärkt oft die Wirkung des Geschriebenen.
Jugend im Norddeutschland der 70-er Jahre
«Gelhof» benennt das Schweigen und der Autor erhebt eine persönliche Stimme, eine Stimme eines Kindes, eines Jugendlichen. Fragen ersticken im Schweigen, wie Seifenblasen früher oder später in der Luft platzen. Die Worte um das Verschwiegene sind deutlich, präzise, unschön und manchmal nicht zu ertragen. Ich lege das Buch oft weg und gehe eine Weile auf und ab bevor ich weiterlese. Wenn ich mich dem Schweigen öffne, dann trifft es mich breitseitig und abgrundtief. Den Einen gehören die Tränen des Schmerzes, Anderen gehören die Tränen des Berührtseins.
Eigenwillig ist diese Sprache rund um das Schweigen. Schnell im Tempo mit abrupten Szenenwechseln. Eine gewisse Distanz des Autors ist fühlbar, welche aber für den Lesenden gleichzeitig eine intime Nähe zum Menschen schafft. Das Schweigen erzählt, das Schweigen spricht Bände, lange und wie beim Autor, ein Leben lang. Schweigen hat Folgen, Reden auch.
Und es stellt sich mir immer wieder die Frage, was dann wohl mehr schmerzt: Das Schweigen oder das Gesprochene im Roman? Schweigen beinhaltet auch Wörter und Geschichten. Schweigen erbt man mit all den Wörtern, die nicht mein sind und nie ausgesprochen wurden.
Zugfahrt in ein Kriegsgefangenenlager
Die wohl holprige Fahrt, das Schütteln der Waggons, die schwitzenden oder frierenden Männer, der Gestank, die menschlichen Laute oder eben auch das menschliche Schweigen führten mich zu einem mehrsinnlichen Lesen dieser Geschichte. Die Worte um das Schweigen hören, sie riechen und schmecken und fühlen und betrachten.
Schweigen kann nur der Schweigende brechen. Also nur derjenige, der sich entschlossen hat zu schweigen. Dem Gegenüber bleibt das Warten, das Aushalten, das Akzeptieren. Der Schweigende hat Gründe. Vielleicht findet er die Worte nicht, vielleicht würden Worte etwas auslösen, mit dem der Schweigende nicht umgehen kann.
Und so bricht der Autor nicht das Schweigen, sondern spricht darüber. Wortgewandt geht der Angeschwiegene mit dem Schweigen um. Eindringlich. Den Menschen, von denen er erzählt komme ich sehr nahe, auch wenn ich das manchmal nicht möchte. Aber diese innere Diskrepanz muss ich als Zuhörer aushalten. In solchen Momenten macht sich das Kontroverse des Schweigens bemerkbar und lässt es mich spüren.
Wer bereit ist, sich einer persönlichen Geschichte hinzugeben, der Geschichte eines Jungen, und eines Vaters und einer verstorbenen Mutter und der Geschichte von Gefangenen, einer Geschichte eines Landes, ein Stück weit einer Weltgeschichte, dem ist dieses Buch aufs Wärmste zu empfehlen. Wer die Worte um das Schweigen aushält, wer sich aber gleichzeitig dem Schweigen öffnet, wird berührt und betroffen sein. Man muss nicht, man darf. «Gelhof» lädt ein.
Der Ich-Erzähler erbt das Schweigen
«Gelhof» lädt ein zu reden. Reden, nicht Urteilen. Fragen stellen. Ich, Du und Wir. Fragen an unsere Eltern, Fragen an unsere Kinder und Fragen an sich selbst. Letzteres hat der Autor ebenfalls gemacht und das Schweigen mit Worten umhüllt. Eigene Worte, auf gleicher Höhe, gesagte, geschriebene und zu lesende Worte.
Und wenn Schweigen Worte beiseitegestellt werden, dann ist die geschwiegene Bürde nicht mehr so schwer. Und weil die Worte rund um das Schweigen nun von hoffentlich vielen Menschen gelesen wird, verliert die Bürde an Wirkung. Und das ist der einzige Weg für einen Angeschwiegenen, dem Schweigen die Kraft zu nehmen.
Geschichte kann ich nicht verändern. Wenn geschwiegen wird über die Geschichte, dann haben ich zu lernen, darüber zu reden. Der Autor ist Erbe von Schweigen. Für seine Entscheidung, eigene Worte für das Erbe zu finden und ein Buch darüber zu schreiben, bin ich dem Autor zutiefst dankbar.
Gelhof – Isensee – Seit 1892
www.isensee.de
Einleitung
Die Geschichte von Gelhof und um Gelhof ist eine Geschichte des Schweigens. Ich habe gestaunt, wie wortreich und direkt mich Schweigen treffen kann. Wer das Buch liest, sollte sich auf die Kraft des Schweigens einstellen.
Eigentlich hat das Buch genau das ausgelöst, über das der Autor schrieb: Schweigen. Aber mit Schweigen über Schweigen würde ich das wiederholen, was so lange verschwiegen wurde. Und spende ich gerne ein paar Worte über mein Schweigen, obwohl ich eigentlich schweigen möchte. Vielleicht ist es aber nicht schweigen, sondern Stille, die sich in mir breit gemacht hat. Oder eine Betroffenheit. Und über Betroffenheit kann ich reden.
Ich schreibe als Ich, als Sam, nicht als «Man». Und so wird es persönlich. Aber Reden über Schweigen ist auch persönlich.
Rezension
Es trägt mich das Wort Schweigen über die ganzen hundertsechzig Seiten. Ich dachte immer, dass Schweigen lautlos und wortlos ist. Die Worte des Romans umhüllen das Schweigen obwohl mich das Schweigen immer wieder in eine innere Leere führt. Ich werde oft still um diese Worte. Dann höre ich das Schweigen wieder das laut und eindringlich in mir wirkt.
Ich habe ich die chronische Angewohnheit, dass ich beim Lesen immer noch das lese, was zwischen den Zeilen steht oder stehen könnte. Und das unabhängig vom Zeilenabstand und der Schriftgrösse. Und das ist Fluch und Segen zugleich und verstärkt oft die Wirkung des Geschriebenen.
Jugend im Norddeutschland der 70-er Jahre
«Gelhof» benennt das Schweigen und der Autor erhebt eine persönliche Stimme, eine Stimme eines Kindes, eines Jugendlichen. Fragen ersticken im Schweigen, wie Seifenblasen früher oder später in der Luft platzen. Die Worte um das Verschwiegene sind deutlich, präzise, unschön und manchmal nicht zu ertragen. Ich lege das Buch oft weg und gehe eine Weile auf und ab bevor ich weiterlese. Wenn ich mich dem Schweigen öffne, dann trifft es mich breitseitig und abgrundtief. Den Einen gehören die Tränen des Schmerzes, Anderen gehören die Tränen des Berührtseins.
Eigenwillig ist diese Sprache rund um das Schweigen. Schnell im Tempo mit abrupten Szenenwechseln. Eine gewisse Distanz des Autors ist fühlbar, welche aber für den Lesenden gleichzeitig eine intime Nähe zum Menschen schafft. Das Schweigen erzählt, das Schweigen spricht Bände, lange und wie beim Autor, ein Leben lang. Schweigen hat Folgen, Reden auch.
Und es stellt sich mir immer wieder die Frage, was dann wohl mehr schmerzt: Das Schweigen oder das Gesprochene im Roman? Schweigen beinhaltet auch Wörter und Geschichten. Schweigen erbt man mit all den Wörtern, die nicht mein sind und nie ausgesprochen wurden.
Zugfahrt in ein Kriegsgefangenenlager
Die wohl holprige Fahrt, das Schütteln der Waggons, die schwitzenden oder frierenden Männer, der Gestank, die menschlichen Laute oder eben auch das menschliche Schweigen führten mich zu einem mehrsinnlichen Lesen dieser Geschichte. Die Worte um das Schweigen hören, sie riechen und schmecken und fühlen und betrachten.
Schweigen kann nur der Schweigende brechen. Also nur derjenige, der sich entschlossen hat zu schweigen. Dem Gegenüber bleibt das Warten, das Aushalten, das Akzeptieren. Der Schweigende hat Gründe. Vielleicht findet er die Worte nicht, vielleicht würden Worte etwas auslösen, mit dem der Schweigende nicht umgehen kann.
Und so bricht der Autor nicht das Schweigen, sondern spricht darüber. Wortgewandt geht der Angeschwiegene mit dem Schweigen um. Eindringlich. Den Menschen, von denen er erzählt komme ich sehr nahe, auch wenn ich das manchmal nicht möchte. Aber diese innere Diskrepanz muss ich als Zuhörer aushalten. In solchen Momenten macht sich das Kontroverse des Schweigens bemerkbar und lässt es mich spüren.
Wer bereit ist, sich einer persönlichen Geschichte hinzugeben, der Geschichte eines Jungen, und eines Vaters und einer verstorbenen Mutter und der Geschichte von Gefangenen, einer Geschichte eines Landes, ein Stück weit einer Weltgeschichte, dem ist dieses Buch aufs Wärmste zu empfehlen. Wer die Worte um das Schweigen aushält, wer sich aber gleichzeitig dem Schweigen öffnet, wird berührt und betroffen sein. Man muss nicht, man darf. «Gelhof» lädt ein.
Der Ich-Erzähler erbt das Schweigen
«Gelhof» lädt ein zu reden. Reden, nicht Urteilen. Fragen stellen. Ich, Du und Wir. Fragen an unsere Eltern, Fragen an unsere Kinder und Fragen an sich selbst. Letzteres hat der Autor ebenfalls gemacht und das Schweigen mit Worten umhüllt. Eigene Worte, auf gleicher Höhe, gesagte, geschriebene und zu lesende Worte.
Und wenn Schweigen Worte beiseitegestellt werden, dann ist die geschwiegene Bürde nicht mehr so schwer. Und weil die Worte rund um das Schweigen nun von hoffentlich vielen Menschen gelesen wird, verliert die Bürde an Wirkung. Und das ist der einzige Weg für einen Angeschwiegenen, dem Schweigen die Kraft zu nehmen.
Geschichte kann ich nicht verändern. Wenn geschwiegen wird über die Geschichte, dann haben ich zu lernen, darüber zu reden. Der Autor ist Erbe von Schweigen. Für seine Entscheidung, eigene Worte für das Erbe zu finden und ein Buch darüber zu schreiben, bin ich dem Autor zutiefst dankbar.