Eine Geschichte ...

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sam25

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Eine Geschichte von heute Morgen, die mich nicht loslässt und mir zu denken gibt.
Das Bild ist nicht von heute Morgen. Ich ja auch kein guter Rehfotograf, und auch dieses Bild hat ja nur Symbolwert. Aber es ist von mir und soll einfach die Geschichte untermauern ...


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Zur Zeit herrscht bei uns dichter Nebel und wenn ich zur Arbeit fahre, dann fahre ich ausserhalb meines Dorfes eine Strecke am Waldrand. Auch heute Morgen sah man fast nichts. Hinten und vorne waren Autofahrer.
Ich bog - extra die Geschwindigkeit angepasst - um eine leichte Kurve und sah das Reh am Strassenrand. Es konnte nicht mehr aufstehen und ich wusste zugleich, dass es angefahren wurde. Ich bremste rapide ab, blieb kurz stehen und sah, dass sich das Reh langsam noch weiter von der Strasse - nur kriechend auf das Laub schleppte. Nirgends sah ich einen Autofahrer, welcher hielt.
Ich fuhr bis zur nächsten Abzweigung ein Stück weiter, wendete und fuhr wiederum an dem Reh vorbei. Völlig erschöpft lag es, zwar etwas weg von der Strasse, am Rand. Ich hatte einen Termin, aber ich beschloss zuerst zum Jagdaufseher zu gehen, welcher ich gut kannte. Durch das Küchenfenster sah ich, dass er am Kaffeetrinken und am Zeitung lesen war. Ich klopfte ans Fenster, entschuldigte mich für die frühmorgendliche Störung und bat ihn, dass man doch das Reh erlösen soll. Er selbst, so der gute Mann, könne leider nicht mehr Auto fahren, aber er telefoniere sofort mit einem Kollegen. Er bat mich zu warten, so dass ich den Ort genau erklären konnte. Ich ging erst wieder als ich wusste, dass der befreundete Jäger auf dem Weg zum Reh ist. Leider habe ich den Jagdaufseher bis vorhin nicht erreicht um nachzufragen, ob sie sich dem Reh annehmen konnten. Aber ich gehe davon aus, dass sie es erlösen konnten. Mein inneres Gefühl sagt mir das.

Aber was mich an der Geschichte - und darum erzähle ich sie - derart beschäftigt ist der Umstand, dass sich der Autofahrer nicht um das verletzte Tier gekümmert hat. Das die Chance bei dieser Strasse vorhanden ist, auch mit geringen Tempo, dass einem ein Reh vor den Wagen springt, mit dem kann ich leben. Nicht leben und in keiner Weise Verständnis dafür habe ich, dass man einfach weiterfährt. Man mag mir übertriebene Tierliebe vorwerfen, aber das hat mit Respekt zu tun. Respekt und Verantwortung und ich meinerseits würde den Papst warten lassen, hätte ich ein Reh angefahren.

Vielleicht werde ich älter. Aber solche Dinge können mich arg beschäftigen im Zeitalter von allumfassender Erreichbarkeit. Es wäre ein kleiner Aufwand gewesen, die entsprechenden Kontakte herzustellen. Und letztlich macht mich diese Respektlosigkeit und Gleichgültigkeit immens traurig ...

In diesem Sinne: mach's gut Reh, auch Dir sei der Frieden vergönnt ...


*****​
 
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[...]aber das hat mit Respekt zu tun. Respekt und Verantwortung und ich meinerseits würde den Papst warten lassen, hätte ich ein Reh angefahren.
[...]

So sehe ich das auch!
Als Landwirt lernt man in der Ausbildung, dass man Tiere die nicht (mehr) lebensfähig sind zu erlösen hat. Beziehungsweise wenn man dazu nicht selbst in der Lage ist, einen Tierarzt dazu zu holen.
Danke Sam, dass du dich des Rehs angenommen hast!
 
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ich gehe jetzt von mir aus und sage, auch ich wäre weiter gefahren.
ich hätte keine ahnung gehabt, was ich mit dem reh hätte machen sollen, ich kenne keine jadgaufseher, aber zumindest hätte ich umgehend die polizei informiert.... schon zwingend wegen der Versicherung... eventuell hat das dieser Autofahrer auch getan?
 
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ich gehe jetzt von mir aus und sage, auch ich wäre weiter gefahren.
ich hätte keine ahnung gehabt, was ich mit dem reh hätte machen sollen, ich kenne keine jadgaufseher, aber zumindest hätte ich umgehend die polizei informiert.... schon zwingend wegen der Versicherung... eventuell hat das dieser Autofahrer auch getan?

Schon das wäre eine Handlung gewesen. Die Polizei anzurufen. Das geht auch in der Schweiz. Und schon das wäre ein Schritt, Verantwortung zu übernehmen ... Wenn der Autofahrer die Polizei benachrichtigt hätte, dann wäre sie schon dort gewesen. Die Repol in der Schweiz ist ziemlich schnell und ist in der Regel in ein paar Minuten vor Ort ...
 
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Ach Sam, Respekt den Tieren gegenüber haben viele, aber einige wenige eben gar nicht.
Und wenn schon in unseren Gesetzen zwar das Tier jetzt nicht mehr als Sache tituliert wird, wird es aber trotzdem in vielen Bereichen wie eine Sache beurteilt.

Und Anstand Sam, ich glaube Anstand wird heutzutage eher weniger gelehrt, so dass er immer mehr abhanden kommt.
 
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Danke Christel. Nun ich bin im Moment etwas empfindlich, darum wühlen mich solche Dinge auch auf ...
 
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Leider kenne ich das aus eigener Erfahrung. Längst nicht jeder Wildunfall wird gemeldet. Und das schlimme ist eben, dass nicht jedes Tier tot ist sondern teilweise noch lebt und mitunter qualvoll verendet. Sich dieser Fälle anzunehmen gehört auch zur Jagd. Natürlich kann man Wildunfälle nicht ganz verhindern, man kann Sie durch vorsichtiges Fahren höchstens vermeiden.

Man muss auch den örtlichen Jäger nicht kennen, die Polizei hat diese Kontakte oder erlöst gelegentlich auch selbst. Wichtig ist allerdings vor Ort zu bleiben, um der Polizei oder dem Jäger die genaue Stelle zu zeigen. Ich habe viele Stunden damit verbracht, die von Polizei oder Autofahrern ungenau beschriebenen Stellen zu suchen.

Was mich aber wirklich wütend macht sind die Autofahrer, die nach vielen Stunden oder mehreren Tagen ankommen um sich eine Wildunfallbescheinigung für die Versicherung abzuholen.
 
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mit 18 habe ich selbst ein reh angefahren, das ins gelände absprang. damals machte sich ein jäger auf die suche. vor einigen jahren dann, sah ich eine sich aufbäumende katze im todeskampf mitten auf einer dorfstraße. die anwohner kannten keinen jäger, also rief ich die polizei. bis die beamten endlich da waren, hatte es das tier bereits geschafft. ich hatte ihm nicht geholfen.
das konnte ich mir nicht verzeihen. ich suchte mir einen mächtigen stock und habe ihn nun immer im auto. zuletzt fand ich ein angefahrenes kaninchen im industriegebiet. trotz aller vorsätze, ich war zu feige :mad:... bis die polizei kam, war das tierchen verendet.
 
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Danke für die Kommentare.

Ich habe gestern Abend noch mit dem Jagdaufseher telefoniert. Die beiden Jäger waren eine Viertelstunde später beim Reh und mussten es erlösen. Der Jagdaufseher meinte, dass das Reh unglaubliche Schmerzen gehabt haben muss.

Erst Stunden später hätte der Jagdaufseher dann von der Polizei die Nachricht erhalten, dass es ein Wildtierschaden an dieser Stelle gegeben hätte....

Man darf jetzt denken was man will ...
 
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Danke, Sam, für Deinen Beitrag. Nein, Tierliebe sollte nichts mit dem Alter zu tun haben. Aber ich denke, Respekt und Verantwortung für eine lebende Kreatur sollte eigentlich jeder Mensch besitzen. Mir ist selber mal vor vielen, vielen Jahren ein Rehkitz in das Auto gesprungen und hatte dann versucht, mich darum zu kümmern. Den Jagdaufseher kannte ich nicht - aber die Polizei hatte das dann für mich erledigt. Erstaunt hatten mich dann aber viele Kommentare einiger Zeitgenossen, für die das Rehkitz lediglich Jagdbeute bedeutete. Mir tut es heute noch leid....
Schönes Wochenende.
Gruß, Unixx aka Wilhelm
 
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Auf Malle war eine fremde (wahrscheinlich eine "stromernde") kranke Katze bei uns im Garten - ich habe versucht, sie aufzupäppeln. Meine Frau meinte, es sei besser, zum Tierarzt zu fahren.
Das haben wir dann gemacht und er hat sie eingeschläfert, meinte nur, wenn diese "Wildtiere" es nicht mehr alleine schaffen, ist Hilfe zu spät.

Hinterher habe ich überlegt, ob es besser gewesen wäre, diese Katze wieder mitzunehmen. Ich hatte sie vorher schon in einer Schubkarre gebadet und mit Hundefutter versehen; sie hatte es angenommen.

Vielleicht hätte sie es geschafft, vielleicht wäre sie ... - wir fahren zum Mond - und zurück (!), aber bei Mensch und Tier wissen wir / weiß ich zu wenig.
 
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Danke für deinen Beitrag und dein Engagement.
Ein Beitrag gegen die um sich greifende Rücksichts- und Gedankenlosigkeit.

LG
Dirk

Im Übrigen finde ich, du bist ein guter Rehfotograf. Tolles Foto.:up:
 
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Danke Wilhelm, Kay und Dirk ... :)

Ich habe mich heute schon wieder einigermassen beruhigt. Und ich danke auch den stillen Mitlesenden hier, dass Ihr meine - manchmal überbordende - Emotionalität aushält und mir respektvoll begegnet.
Das ist nicht selbstverständlich... :)

Heute ging ich wieder mit meinen Hunden im Wald spazieren. Und ein Reh hat sich ins Gebüsch verzogen. Und irgendwie hatte ich Freude ...

Danke auch Dir Dirk für das Kompliment betreffend dem Bild. Ich habe es vor ein paar Tagen im Jura gemacht, als ich auf der Heimfahrt war. Nun eigentlich wollte ich die Rehe scharf und nicht den Hintergrund ... aber als Bild zur Geschichte passt es meine ich dennoch ... ;):)
 
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Hallo Sam,

ich danke dir für diesen Beitrag!

Geschichten wie deine, voller Gefühl gezeigt und formuliert, zeigen mir, dass die Menschlichkeit noch nicht gänzlich verschwunden ist.
 
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