HaPe,
man wird einer solchen Diskussion nicht gerecht, wenn man die Argumente des Gesprächspartners ins Lächerliche zieht.
Zumindest versuche ich, die Thematik ausführlich zu illustrieren. Wenn jemand nicht in der Lage ist, das zu verstehen und dann nur einen kurzen Satz dazu blubbert, ist es nicht meine Aufgabe, Überzeugungsarbeit zu leisten.
Selbstverständlich ist das Auge in der Lage einen sehr viel höheren Kontrastumfang zu verarbeiten als jede beliebige aktuelle Kamera. Nur eben anders. Zeitliche und räumliche Aspekte spielen da noch ein Rolle.
Aha. Das ist doch mal eine qualifizierte Ansage! So liest sich das doch schon ganz anders, oder?
Toyota, Du vertrittst eine Fotografie, wie sie vor 50 bis 100 Jahren gesetzt war.
Damals war ich noch nicht auf der Welt, das kann ich nicht beurteilen. Aber ich kann beurteilen, ob jemand das Thema Belichtungsmessung verinnerlicht hat oder nicht. In normalen Situationen fällt Nichtwissen nicht auf, da funktioniert die Technik. Nur sehe ich immer mehr Fotos, die in Situationen entstanden sind, wo das fehlende Wissen sich im Resultat niederschlägt, was häufig mit der Nachbearbeitung kaschiert wird.
Ich habe meine Erfahrung in der Praxis gelernt, und manchmal war der Weg steinig. Mit der Zeit kommt das Verstehen und das Sehen. Und das Begreifen, dass sich an der Belichtungsmessung und der Visualisierung des fertigen Fotos bis heute nicht viel geändert hat (wenn man HDR aussen vorlässt). Die Masse der Fotos ist durch die neue Technik nicht besser geworden, sondern eher schlechter.
Wenn ich Dir jetzt sage, dass ich seit Jahren Gossen und Sekonic Belichtungsmesser verwende (das ist eher ein Rechner als ein simples Messgerät), dann mag das in Deinen Augen ein Rückschritt sein. Die Realität sieht aber anders aus: Mit einem derartigen Belichtungsrechner und dem Wissen um die Limitierung der Ausgabemedien kann ich jederzeit reproduzierbare Ergebnisse erzielen - wie ich es will, und nicht wie es sich die Entwickler in Japan vorgestellt haben. Das gleiche geht halt auch viel frickeliger mit dem eingebauten Spotmeter moderner Kameras - nur wird der mangels Kenntnis zu selten eingesetzt.
Logisch, dass ich 'alter Haudegen' die Technik nutze, die mir zur Verfügung steht, auch wenn Du es Dir nicht vorstellen kannst. Fakt bleibt, dass ein sauberes Ausgangsmaterial viel mehr Spielraum lässt als ein vermurkstes. Mich stört halt, dass die Technik-Gläubigkeit Überhand nimmt, nach dem Motto: Auf dem Rechner kann ich alle Fehler mit ein paar Klicks beseitigen.
Beispiel: Wenn ich einen bestimmtes Rot zu wenig belichte, muss ich es per EBV erstmal auf den korrekten Ton bringen. Dann habe ich jedoch keinen Spielraum mehr noch weiter nach oben - das Rot wird schlagartig zerfetzt. Besser ist es also, das Rot perfekt auf den Rechner zu bekommen, dann habe ich Luft nach oben und unten, ohne dass mir die Farbe zerfetzt. Wenn mir dann ein Sensor noch 12 oder 14 EV bietet, dann ist das doch gut - aber es bedeutet nicht, dass ich mich aus Technik-Geilheit deswegen am unteren oder oberen Limit bewegen muss. D'accord?
Andere "große" Fotografen wie etwa Andreas Gursky sagen: "Alles was nützt ist gut" und bei ihnen nimmt die Nachbearbeitung einen extrem breiten Raum ein.
Andreas Gursky ist Künstler. Das ist eine ganz andere Geschichte. Der darf auch verschiedene, nicht passende Perspektiven in einem Bild kombinieren (Montparnasse:
http://c4gallery.com/artist/database/andreas-gursky/gursky-paris-montparnasse-large-print.jpg), und die Käufer finden das toll. Das ist sein Job, und er kann sehr gut davon leben. Nur: er weiss genau, wie wichtig die richtige Belichtung ist, sonst wären seine Werke nicht machbar.
Dabei muss berücksichtigt werden, dass - speziell bzgl. der Dynamik - die Fotografie, wie wir sie kennen - das natürliche Sehen nie komplett abbilden kann. Das Auge stellt sich in jedem Augenblick und jede Blickrichtung auf die jeweilige Situation ein, das Foto muss dagegen auf seiner kompletten Fläche den richtigen Kontrast transportieren, weil es nicht einen einzelnen Blick, sondern eine ganze Szenerie abbildet.
DANKE! Genau diesen Satz sollten sich alle verinnerlichen, die eine Kamera in die Hand nehmen. Das ist der Kern meiner Aussage, dass die Menschen mit Kameras sich mehr dem Thema Belichtungsmessung widmen sollten, als dem Werbegesülze der Hersteller blind zu vertrauen, wenn sie jederzeit **reproduzierbare** Ergebnisse wollen.
Wer es schafft, eine Szene innerhalb der 9 Zonen (Zonensystem, man kann auch mehr oder weniger Zonen oder Stufen nehmen) so auf einem Medium abzubilden, dass es den Betrachter berührt, der kann fotografieren und Menschen bewegen.
Schwierig? Nein, nicht wirklich. Das ist der Grund, weshalb viele Fotografen die Arbeit im Studio bevorzugen, weil sie das Licht dort kontrolliert setzen und einsetzen können. Im Studio bewegst Du Dich in der von Dir geschaffenen und auf das Ausgabemedium optimierten Umgebung: 5 EV (oder mehr, wenn Du willst und kannst). Draussen sieht die Geschichte schon ganz anders aus.
Vor einiger Zeit wurden ein paar junge, bekannte Studio-Fotografen in NY gebeten, ein paar Aufnahmen im Freien zu machen. Die hatten wirklich grosse Probleme, weil die Belichtungsmessung 'draussen' ganz anders angegangen werden muss als 'drinnen' - sie waren, wie Du es sagst, plötzlich mit 20 EV konfrontiert, was nicht mehr ihrer 'sicheren und kontrollierten' Umgebung entsprach.
Umgekehrt würde ich mit Sicherheit die ersten Tage in einem Studio versagen, weil ich Licht anders sehe als ein erfahrener Studiofotograf und mir die Erfahrung und Routine fehlt (das wäre der von Dir erwähnte Lernprozess für mich). Aber ausprobiert habe ich es noch nicht, was ich manchmal bedaure
Wie heisst es so schön:
Wissen ist Macht, nichts wissen macht heutzutage auch nichts mehr aus.
Oder:
Kunst kommt von Können und nicht von Wollen, sonst hiesse es Wunst.