Moin!
Dieser Beitrag ist im wesentlichen eine Kopie eines Beitrages an anderer Stelle in diesem Forum. Auf bitten einiger User nehme ich den Beitrag und mache damit einen eigenen Thread auf. Ich sehe diesen Beitrag als Positionsbeschreibung, warum ich ein analoges Speichermedium für Fotos - Film - dem digitalen Speicher vorziehe. Noch eine Vorbemerkung: ich sage eindeutig nicht, dass die chipbasierte Fotografie zu schlechten Bildergebnissen führt und ich sage ebenso eindeutig nicht, dass die chipbasierte Fotografie keine Daseinsberechtigung hat - ich fotografiere mit Digitalkameras und schätze sie.
In diesem Thread sage ich vielmehr, dass ich die Digitafotografie als Teil des einer zunehmenden zivilisatorischen Digitalisierung sehr skeptisch betrachte. Der Gebrauch digitaler Medien hat erhebliche Konsequenzen für den generationenübergreifenden Wissensfluss. Dass ich überweigend Film belichte hat etwas damit zu tun. Ich möchte das begründen und dazu würde ich gerne etwas weiter ausholen.
In der Mitte des 15. Jahrhundert entwickelte Johannes Gutenberg den Buchdruck mit beweglichen metallischen Lettern. Eine grandiose Erfindung, denn damit war es fortan sehr viel einfacher möglich Wissen generationenübergreifend aufzubewaren, weiterzugeben und zu vervielfältigen. Das amerikanische Time-Life-Magazin wählte 1997 Gutenbergs Buchdruck zur bedeutendsten Erfindung des zweiten Jahrtausends.
Die Aufbewahrung des Wissens funktionierte mit der Verbreitung des Buchdrucks wie bei den meisten analogen Daten nicht nur in eine Richtung auf der Zeitachse, sondern in beide, nur sehr viel schneller. Jahrhunderte nach der Entstehung eines Textdokumentes kann ein Historkiker es als Quelle benutzen, um Geschichte zu verstehen. In der Gegenwart unbedeutende Randnotizen der Geschichte wurden nicht selten zu Schlüsseldokumenten der Geschichtswissenschaft.
Es ist deshalb so leicht, die Quellen der Vergangenheit zu lesen, weil sie in einer dinglichen Welt erschaffen sind. Bücher werden zwar vom Wind der Geschichte geschliffen, aber sie bleiben lesbar! Die Lesbarkeit eines Dokumentes, generationenübergreifend und auf der Zeitachse in beide Richtungen ist eine zivilisatorische Errungenschaft ersten Ranges.
Das anloge Bild, das filmbasierte Foto erfüllt diese Bedingungen - das digitale Bild tut das nur sehr unzulänglich. Der Blick in die Vergangenheit ist auf Datenträgern, die nicht umkopiert wurden und deren Lesehardware nicht mehr vorhanden ist, unmöglich. Die Aufbewahrung für die Zukunft funktioniert nur durch aktives und permanentes Zutun. So ist es völlig sinnlos bei der Grundsteinlegung eines bedeutenden Gebäudes eine CD-Rom, statt einer Tageszeitung in einer Kassette unter den Grundstein zu legen. Damit kann später niemand etwas anfangen. Kein Historiker würde in zweihundert Jahren auf dieser CD-Rom einen Artikel lesen können, der ihm vielleicht Aufschluss geben könnte, warum zur Zeit der Grundsteinlegung des Gebäudes dieses oder jenes von Bedeutung war. Digitale Daten lassen die Geschichte verblassen und zerstören die Informationsbrücke in die Zukunft.
Auf vielen Dachböden, in Schuhkartons und wer weiss wo sonst noch sind viele Fotos vorhanden, die zum Zeitpunkt ihres Entstehens Knipsereien waren. Belanglos in der Bildaussage, künstlerisch ohne Anspruch und für die Allgemeinheit wertlos. Doch mit der Zeit kann sich der Wert eines Bildes wandeln. So hat man vor wenigen Wochen Bilder von Sonntagsausflügen der im Krieg in Lagern dienenden Soldaten gefunden. Der Umstand, dass wir heute sehr viel über die Vorgänge aus dieser Zeit wissen, gibt dem ansich belanglosen Foto von der Sommerfrische des Soldaten auf der Gartenbank in Schlesien eine völlig neue Bedeutung und hilft dem Historiker, die Vergangenheit zu verstehen. Angenommen diese Sommerfrische-Fotos wären digital entstanden, dann wäre auf dem Dachboden sicherlich nur ein äusserlich intakter Datenträger gefunden worden, dessen Inhalt aber nach sechzig Jahren unlesbar wäre. Wissen wäre für immer verloren.
Dieser Wissensverlust, der uns durch die Verwendung digitaler Datenträger droht, ist immens. So werden die schönen Bilder vom Lummenfelsen, das Leben ihrer Erschaffer nicht überdauern, weil kaum jemand Interesse an der digitalen Fortschreibung dieser speziellen persönlichen Daten haben dürfte. Das mag im Einzefall bedeutungslos und kein grosser Verlust für die Zivilisation sein, doch in Summe wirds ein zivilisatorischer Verlust, denn in zweihundert Jahren wird eben kein Historiker irgendwo ein privates Fote finden, dass ihm etwa sagen könnte, dass die Leute von heute grosse Mühe auf sich genommen haben, um ein Abbild der Natur zu machen. Eine Informaton, die Aufschluss über ihr Freizeitverhalten oder über das Verhältnis zur Natur geben könnte.
Das flächendeckende Verschwinden der Relikte, obs der über Jahrzehnte aufbewahrte Liebesbrief oder das Foto im Nachtschrank ist, ist eine Katastrophe, deren Ausmasse wegen ihrer fehlenden Auswirkungen in der Gegenwart nur noch nicht wahrgenommen werden. Zukünftige Generationen werden das spüren. Sie werden uns schlechter verstehen und sich selber schwieriger einordnen können.
Weil mir diese Dinge bekannt sind, entscheide ich mich gegen die ausschliessliche Verwendung digitaler Datenträger. Aber nicht nur dieser rationale Hintergrund bestärkt mich in meiner Entscheidung für die filmbasierte Fotografie. Es ist auch das gute Gefühl ein Negativ, ein Dia in der Hand zu haben. Es riecht, man kann es fühlen und wenn man es bewegt macht es Geräusche - Rollfilm, der am Ende zugeklebt wird, schmeckt übrigens oft nach Pfefferminz. Analoge Fotografie ist ein Erlebnis für alle Sinne.
Allen Fotofreuden wünsche ich gut Licht und ein schönes Wochenende!
Besten Gruss
Tim
Dieser Beitrag ist im wesentlichen eine Kopie eines Beitrages an anderer Stelle in diesem Forum. Auf bitten einiger User nehme ich den Beitrag und mache damit einen eigenen Thread auf. Ich sehe diesen Beitrag als Positionsbeschreibung, warum ich ein analoges Speichermedium für Fotos - Film - dem digitalen Speicher vorziehe. Noch eine Vorbemerkung: ich sage eindeutig nicht, dass die chipbasierte Fotografie zu schlechten Bildergebnissen führt und ich sage ebenso eindeutig nicht, dass die chipbasierte Fotografie keine Daseinsberechtigung hat - ich fotografiere mit Digitalkameras und schätze sie.
In diesem Thread sage ich vielmehr, dass ich die Digitafotografie als Teil des einer zunehmenden zivilisatorischen Digitalisierung sehr skeptisch betrachte. Der Gebrauch digitaler Medien hat erhebliche Konsequenzen für den generationenübergreifenden Wissensfluss. Dass ich überweigend Film belichte hat etwas damit zu tun. Ich möchte das begründen und dazu würde ich gerne etwas weiter ausholen.
In der Mitte des 15. Jahrhundert entwickelte Johannes Gutenberg den Buchdruck mit beweglichen metallischen Lettern. Eine grandiose Erfindung, denn damit war es fortan sehr viel einfacher möglich Wissen generationenübergreifend aufzubewaren, weiterzugeben und zu vervielfältigen. Das amerikanische Time-Life-Magazin wählte 1997 Gutenbergs Buchdruck zur bedeutendsten Erfindung des zweiten Jahrtausends.
Die Aufbewahrung des Wissens funktionierte mit der Verbreitung des Buchdrucks wie bei den meisten analogen Daten nicht nur in eine Richtung auf der Zeitachse, sondern in beide, nur sehr viel schneller. Jahrhunderte nach der Entstehung eines Textdokumentes kann ein Historkiker es als Quelle benutzen, um Geschichte zu verstehen. In der Gegenwart unbedeutende Randnotizen der Geschichte wurden nicht selten zu Schlüsseldokumenten der Geschichtswissenschaft.
Es ist deshalb so leicht, die Quellen der Vergangenheit zu lesen, weil sie in einer dinglichen Welt erschaffen sind. Bücher werden zwar vom Wind der Geschichte geschliffen, aber sie bleiben lesbar! Die Lesbarkeit eines Dokumentes, generationenübergreifend und auf der Zeitachse in beide Richtungen ist eine zivilisatorische Errungenschaft ersten Ranges.
Das anloge Bild, das filmbasierte Foto erfüllt diese Bedingungen - das digitale Bild tut das nur sehr unzulänglich. Der Blick in die Vergangenheit ist auf Datenträgern, die nicht umkopiert wurden und deren Lesehardware nicht mehr vorhanden ist, unmöglich. Die Aufbewahrung für die Zukunft funktioniert nur durch aktives und permanentes Zutun. So ist es völlig sinnlos bei der Grundsteinlegung eines bedeutenden Gebäudes eine CD-Rom, statt einer Tageszeitung in einer Kassette unter den Grundstein zu legen. Damit kann später niemand etwas anfangen. Kein Historiker würde in zweihundert Jahren auf dieser CD-Rom einen Artikel lesen können, der ihm vielleicht Aufschluss geben könnte, warum zur Zeit der Grundsteinlegung des Gebäudes dieses oder jenes von Bedeutung war. Digitale Daten lassen die Geschichte verblassen und zerstören die Informationsbrücke in die Zukunft.
Auf vielen Dachböden, in Schuhkartons und wer weiss wo sonst noch sind viele Fotos vorhanden, die zum Zeitpunkt ihres Entstehens Knipsereien waren. Belanglos in der Bildaussage, künstlerisch ohne Anspruch und für die Allgemeinheit wertlos. Doch mit der Zeit kann sich der Wert eines Bildes wandeln. So hat man vor wenigen Wochen Bilder von Sonntagsausflügen der im Krieg in Lagern dienenden Soldaten gefunden. Der Umstand, dass wir heute sehr viel über die Vorgänge aus dieser Zeit wissen, gibt dem ansich belanglosen Foto von der Sommerfrische des Soldaten auf der Gartenbank in Schlesien eine völlig neue Bedeutung und hilft dem Historiker, die Vergangenheit zu verstehen. Angenommen diese Sommerfrische-Fotos wären digital entstanden, dann wäre auf dem Dachboden sicherlich nur ein äusserlich intakter Datenträger gefunden worden, dessen Inhalt aber nach sechzig Jahren unlesbar wäre. Wissen wäre für immer verloren.
Dieser Wissensverlust, der uns durch die Verwendung digitaler Datenträger droht, ist immens. So werden die schönen Bilder vom Lummenfelsen, das Leben ihrer Erschaffer nicht überdauern, weil kaum jemand Interesse an der digitalen Fortschreibung dieser speziellen persönlichen Daten haben dürfte. Das mag im Einzefall bedeutungslos und kein grosser Verlust für die Zivilisation sein, doch in Summe wirds ein zivilisatorischer Verlust, denn in zweihundert Jahren wird eben kein Historiker irgendwo ein privates Fote finden, dass ihm etwa sagen könnte, dass die Leute von heute grosse Mühe auf sich genommen haben, um ein Abbild der Natur zu machen. Eine Informaton, die Aufschluss über ihr Freizeitverhalten oder über das Verhältnis zur Natur geben könnte.
Das flächendeckende Verschwinden der Relikte, obs der über Jahrzehnte aufbewahrte Liebesbrief oder das Foto im Nachtschrank ist, ist eine Katastrophe, deren Ausmasse wegen ihrer fehlenden Auswirkungen in der Gegenwart nur noch nicht wahrgenommen werden. Zukünftige Generationen werden das spüren. Sie werden uns schlechter verstehen und sich selber schwieriger einordnen können.
Weil mir diese Dinge bekannt sind, entscheide ich mich gegen die ausschliessliche Verwendung digitaler Datenträger. Aber nicht nur dieser rationale Hintergrund bestärkt mich in meiner Entscheidung für die filmbasierte Fotografie. Es ist auch das gute Gefühl ein Negativ, ein Dia in der Hand zu haben. Es riecht, man kann es fühlen und wenn man es bewegt macht es Geräusche - Rollfilm, der am Ende zugeklebt wird, schmeckt übrigens oft nach Pfefferminz. Analoge Fotografie ist ein Erlebnis für alle Sinne.
Allen Fotofreuden wünsche ich gut Licht und ein schönes Wochenende!
Besten Gruss
Tim