Der Fluch der Schärfe?

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Werner Gilliam

Guest
In den zig Jahren, in denen ich als Portätzeichner gearbeitet habe, bin ich oft gefragt worden, warum ich denn beim Zeichnen so oft mit den Augen Kniepe! Vermutet wurde meist, dass ich nicht so scharf sehe, und durch das „Kniepen“ für einen Moment meine visuelle Wahrnehmung erhöhe. Wahrheitsgemäß habe ich dann immer geantwortet: „Damit ich unscharf sehe“!
Nun mag das auf den ersten Blick ein Widerspruch sein, aber bei genauerer Betrachtung ist es das nicht. Natürlich war ich bei dieser Arbeit auf gutes Augenlicht angewiesen, wenn es darum ging, Details exakt wiedergeben zu können, aber da war noch etwas anderes. Wenn es darum ging, das Wesen einer Person zu erfassen, musste der Blick weiter in die Tiefe gehen, woran er durch das präzise Schauen gehindert wurde. Man stelle sich das so vor, dass der „scharfe“ Blick die korrekten Details erkennt, während der „unscharfe“ eher den gesamten Menschen auf einer tieferen Ebene wahrnimmt, und somit jene Informationen liefert, die für das Erfassen der Persönlichkeit des zu zeichnenden notwendig sind.
Was hat dies nun mit der Fotografie zu tun? In den letzten Jahren beobachte ich bei den Herstellern von Kameras und Optiken einen immensen Wettbewerb, dessen entscheidendes Kriterium die zu erzielende Schärfe bei der Abbildung zu sein scheint. Sehe ich die, zum Teil durchaus beeindruckenden, Ergebnisse dieser Bemühungen, so fehlt mir bei den dargestellten Motiven sehr oft jene „Ebene“ die, man möge mir diese Formulierung verzeihen, „Geheimnisse“ birgt.
Was mich interessiert ist, ob ich mit solchen Gedanken alleine bin, oder ob noch andere das Empfinden haben, dass diese Welt der Schärfe auch auf Kosten jener Tiefe gehen kann, die bei vielen Fotos erst das Flair erzeugen, das unseren Blick bewegt, länger zu verweilen, und unser Innerstes mehr berührt, als das sonst beim Betrachten der Fall ist.
 
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Ich bin dankbar für deine Worte, Werner und ich unterschreibe deine Feststellung voll und ganz ....:up:

Aber es ist ein Trend und wird es bleiben. Die Tatsache, dass Schärfe nur einTeil der Bildgestaltung und "sehen" nur ein Teil der Wahrnehmung- auch in der Fotografie - ist, kann dem nur marginal entgegenhalten ...;)
 
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es ist nicht nur die schärfe, die anonymisierend wirkt, es sind auch die glatten, strukturen verschlingenden elemente. obs nun die isolessfähigkeiten oder klarheitsregler bewiken, keine ahnung. ein weitwinkelbild im bebauten raum wirkt aber manchmal dadurch wie die abbildung einer spielzeugstadt. für mich hat das mit der D7100 bei Nikon begonnen.
 
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wie man Fotografie an der Schärfe beurteilen kann, wird mir immer ein Rätsel bleiben
Ebenso dieses Gebetsmühlenhafte verteufeln der modernen Kameratechnik
Ich muss mich nicht mehr mit Krücken rumschlagen sondern habe genau die Möglichkeiten die ich einsetzen möchte
Wenn ich einen Menschen näher kennenlernen möchte, rede ich mit ihm eine Weile
da muss ich nicht blinzeln ;-)
 
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Menschen sehen unterschiedlich scharf, beurteilen unterschiedlich und halten unterschiedliche Dinge für wichtig.

Ich bin kurzsichtig (-2.25dpt.) und trage dennoch keine Brille. Ich kniepe, um in Entfernung überhaupt etwas lesen zu können. Setze ich meine Brille auf, kommt mir die Welt irreal vor.

Scharfe Objektive sind mir entsprechend unwichtiger, Randunschärfe und Vignettierung wirken auf mich faszinierender.

Ich habe beim Malen einst auch auf unscharf gestellt, jedoch nicht beim Blick aufs Motiv, sondern beim Blick auf mein Bild. Mach ich was falsch?
 
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Na ja Michael, wenn Hinterfragungen, die jemandem legitim erscheinen, gleich mit der Keule in die Ecke "Gebetsmühlenartige Verteufelung moderner Kameratechnik" gedroschen werden, ist das wenig Hilfreich bei der Betrachtung eines Themas.
Übrigens rede ich auch (ohne zu Kniepen) ;) mit Leuten, die ich kennenlernen möchte. Vielleicht versuchst Du mal, meine Aussage in dem Kontext zu sehen, in dem sie dargestellt wurde? :)
 
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Na ja Michael, wenn Hinterfragungen, die jemandem legitim erscheinen, gleich mit der Keule in die Ecke "Gebetsmühlenartige Verteufelung moderner Kameratechnik" gedroschen werden, ist das wenig Hilfreich bei der Betrachtung eines Themas.
Übrigens rede ich auch (ohne zu Kniepen) ;) mit Leuten, die ich kennenlernen möchte. Vielleicht versuchst Du mal, meine Aussage in dem Kontext zu sehen, in dem sie dargestellt wurde? :)

das habe ich!

Du hast den Wettbewerb der Kamerahersteller angesprochen, darauf habe ich geantwortet.
Für mich zählt immer das fertige Bild und wie es einem Betrachter erscheint, ohne das er bei der Aufnahme dabei war.
Wir haben heute alle Möglichkeiten. Landschaftsfotogtafen möchten eher Schärfe, andere künstlicherische Unschärfe.
Alles mit der heutigen Kameratechnik möglich.
ich fotografiere seit 45 Jahren und freue mich über meine aktuelle Nikon
 
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Daher sagen ja viele die mit einer Großformat Kamera gearbeitet haben , dadurch das man das Motiv auf der Mattscheibe auf dem Kopfstehend sieht, konzentriert man sich mehr auf die Bildgestaltung
charly
 
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Hallo Werner,

ich bin ja noch relativ jung in der Fotografie.

Deine Gedanken machen mich nachdenklich.... , Danke! :)
 
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Daher sagen ja viele die mit einer Großformat Kamera gearbeitet haben , dadurch das man das Motiv auf der Mattscheibe auf dem Kopfstehend sieht, konzentriert man sich mehr auf die Bildgestaltung
charly

Witzig! Auf Teneriffa gab es einen Kollegen, der nach Foto (was ja eigentlich kein richtiges Porträt ist) auch "Kopfüber" gearbeitet hat, mit der gleichen Begründung. Allerdings ist ja bei solchen "Fotokopien" die Chance, das Wesen des Modells zu ergründen, sowieso nicht gegeben.
 
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... Blick weiter in die Tiefe gehen, woran er durch das präzise Schauen gehindert wurde. Man stelle sich das so vor, dass der „scharfe“ Blick die korrekten Details erkennt, während der „unscharfe“ eher den gesamten Menschen auf einer tieferen Ebene wahrnimmt, ... .

Irgendwo glaube ich, etwas davon zu verstehen : Es ist schwierig, einen Menschen abzubilden - ist er "scharf" und "korrekt" geht sein "selbst" ... - ich kann es nicht formulieren, aber die Schärfe bringt nicht den Charakter .. - oder so . denke weiter nach ...
 
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Irgendwo glaube ich, etwas davon zu verstehen : Es ist schwierig, einen Menschen abzubilden - ist er "scharf" und "korrekt" geht sein "selbst" ... - ich kann es nicht formulieren, aber die Schärfe bringt nicht den Charakter .. - oder so . denke weiter nach ...

Nach meiner Ansicht sehr gut formuliert, Kay. Vielleicht könnte man, auf die Fotografie bezogen sagen, dass ein gewisses Maß an Unschärfe dem Betrachter einen Interpretationsspielraum lässt, obwohl mir das Wort in diesem Zusammmenhang noch nichtso richtig gefällt.
 
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Nach meiner Ansicht sehr gut formuliert, Kay. Vielleicht könnte man, auf die Fotografie bezogen sagen, dass ein gewisses Maß an Unschärfe dem Betrachter einen Interpretationsspielraum lässt, obwohl mir das Wort in diesem Zusammmenhang noch nichtso richtig gefällt.

Werner, das ist schwierig:
Jetzt am Wochenende habe ich zwei Personen fotografiert.
Sie ist unscharf, aber "lebt", er ist scharf und sitzt dort ... - das meinst Du nicht, aber ich bekomme die "Seele" von den "Leuten" selten so, wie ich empfinde.
 
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Ich hatte mal einen Mentor, der sprach nie von Schärfe, sondern immer von Unschärfe. Moderne Objektive waren in seinem Jargon "weniger unscharf".
 
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Werner, das ist schwierig:
Jetzt am Wochenende habe ich zwei Personen fotografiert.
Sie ist unscharf, aber "lebt", er ist scharf und sitzt dort ... - das meinst Du nicht, aber ich bekomme die "Seele" von den "Leuten" selten so, wie ich empfinde.

Setz doch mal die Fotos rein, vielleicht hilft das.
 
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Ist dieses Bild scharf oder nicht …?


picture.php


Dorethy Donegan "Am I mammorable?" Den Haag 1985


Bei dem Herrn rechts handelt es sich übrigens um Paul Acket,
den Gründer des "North Sea Jazz Festival".





 
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Hab ich mich mißverständlich ausgedrückt, oder selbst falsch verstanden?

Du hast Dein Modell unscharf gestellt, ich mein Werk.

Ok, ich hab mein Modell unscharf gestellt, um "mehr" zu sehen. Sowas geschieht ja erst mal nicht aus Kaläkül, sondern reflexartig.
Warum hast Du dein Werk unscharf gestellt?
 
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Das ist ein Thema, zudem ich mir schon früher, zu fotografisch aktiveren Zeiten, Gedanken machte.

Mich lenken die bis ins letzte Eckchen extrem scharfen und klaren Fotos (im übrigen auch Fernseher) sehr oft ab und irritieren mich. Das kommt daher, dass das einfach nicht meinen Sehgewohnheiten entspricht, denke ich.

Der Einwurf von [MENTION=106]Michael K.[/MENTION] ist auch berechtigt, nur wird heute eben sehr wenig von den zur Verfügung stehenden Mitteln Gebrauch gemacht. Die Fotografie hat sich eben verändert, die Technik macht es möglich. Alles Knackscharf. Ich finde, leider hat die Kreativität drunter gelitten, das fotografische Handwerk steckt zu oft in der Kamera und nicht mehr dahinter.

Aber, es ist nur mein Empfinden, dass muß-zum Glück- nicht für jeden gelten.

Kurz zusammengefaßt, ich stehe also dem Empfinden und Argumenten für mehr Kraetivität und Gestaltungswillen näher, als denen derjenigen, die alles Knackscharf mögen, bin also eher bei @ Werner Gilliam und seinem Empfinden.

@ jazzmasterphoto

Ist dieses Bild scharf oder nicht …?

Wohl nicht, aber mir gefällt es. :)
 
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