Information Der bunte Hund des Jazz ist tot

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Mit einiger Erschütterung muß ich verkünden, daß mein alter Kumpel
Michael Rieth, langjähriger Jazzkritiker der Frankfurter Rundschau, am
Freitag mit 70 Jahren gestorben ist. Friedlich eingeschlafen, was kein
echter Trost ist, berichtet Hans-Jürgen Linke in seinem kurzen Nachruf.


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Michael, dem sein Lehrer Adorno kurz vor der Promotion wegstarb, war
ein bunter Hund mit einem spannenden Leben, was Faust-Kultur trefflich
so zusammenfaßte:

"… studierte Philosophie, Kunstgeschichte, altchinesische Schriftsprache u.a.,
– lebte in Andalusien, Jamaica, Irland u.a., – arbeitete als Tutor, Dramaturg,
Schauspieler u.a., – verdiente Geld als Musiker, Fotograf, Joghurt-Chauffeur
u.a., – fuhr Sattelzüge, Schneepflüge, Motorradrallyes u.a., – wirkte als
Produktionsleiter, Hausmeister, Knastlehrer u.a., – veröffentlichte Feuilletons
und Kritiken, Prosa und Lyrik, Funk- und Fernsehfeatures, Theatertexte,
Essays, Fachbücher u.a., – entwickelte synästhetische Aktionen, Raumbe-
spielungen, Grillen u.a. …"


Umfassend gebildet und wirklich kultiviert, was man seiner Boheme-haften
Erscheinung nicht immer ansah, war er bei Jazzfestivals der Schrecken aller
Roth-Händle-Raucher, denen er zum Eigenkonsum die Automaten leerräumte.
Michael war auch ein Genußmensch, der sich durchaus mit einigem Furor
über die oft schlechte Verpflegung bei Konzertereignissen ereifern konnte.
So wurde sein "Warum gibt's hier nichts Vernünftiges zu essen?" im Laufe
der Jahre in Moers zum – später von Kollegen gern zitierten – running gag.


Nach dem Verfall der FR, die schon lange nicht mehr seine Zeitung war,
schrieb Michael Rieth vor allem für die Tageszeitung Junge Welt, die ihn
mit einem ausführlichen Nachruf würdigt.


Wie klug und elegant sich Michael über Musik auslassen konnte, zeigt sein
wohl letzter Text über das 34. Lahnsteiner Bluesfestival vom 1. Oktober.


R.I.P.


Danke, Michael, für viele gute und nachhaltige Begegnungen!



 
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