NF-Rezension Christian Vogt. The Longer I Look

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AnjaC

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Eine Rezension unseres Community-Mitglieds Jörg Awiszio

Ein Querschnitt aus fünf Dekaden Bildkunst

Vorneweg gesagt, fasziniert mich dieses Buch. Es macht dem Titel alle Ehre. Denn je länger ich schaue, desto mehr entdecke ich darin. „The longer I look“ ist eine Präsentation, ein Querschnitt durch das fast fünfzigjährige fotografische Schaffen von Christian Vogt, einem Schweizer Fotografen.

Mir sagte sein Name bisher nichts. Doch als ich in dem Buch blätterte, entdeckte ich ein paar Fotos, die ich in früheren Fotozeitschriften schon einmal gesehen habe. Nur habe ich mir damals seinen Namen nicht gemerkt.

Das Buch ist hauptsächlich ein Bildband. Es ist nicht chronologisch geordnet. Aber es wirkt auch nicht durcheinander. Die Ordnung entspricht eher den Bildkompositionen des Autors, denen oft etwas nicht Sichtbares anhaftet. Ein Geschehen hinter dem Bild sozusagen. Wie eine Mystik, die sich nicht formal erfassen lässt, die stattdessen hinter dem Gezeigten gefühlt werden will.

Der Inhalt

Manche Bilder sind mit kleinen Anmerkungen versehen. Und es ist interessant darauf zu achten, was diese Anmerkungen mit dem Betrachter machen. Sie treten sozusagen in Kommunikation mit dem Bild, dem Betrachter und den Gedanken des Fotografen. In dem kurzen Gespräch oder Interview am Ende des Buches verweist Christian Vogt darauf, dass sich seine Bilder mit den Texten oder auch mit einer Information zum Bild verändern. So schreibt er z.B., dass eine fotografierte Mauer nicht mehr dieselbe bleibt, wenn der Betrachter weiß, dass dort Menschen erschossen wurden.

Wie gesagt handelt es sich aber um einen Bildband und das Buch enthält nur am Ende ein kleines Gespräch/Interview sowie zwischendrin mal ein paar kleine Anmerkungen. Was ich dabei schade finde ist, dass die Texte in Englisch verfasst sind. Das ist einerseits nicht weiter tragisch, da ich in der Lage bin, die Texte zu verstehen. Da es sich aber um einen deutschsprachigen Fotografen handelt, stände dem Werk eine deutsche Übersetzung gut zu Gesicht. Zwischendrin sind einige sehr kurze Texte auch in Deutsch zu lesen. Da aber die Texte nicht sehr lang sind, könnte ich mir auch eine zweisprachige Version gut vorstellen. Nun soll diese Anmerkung die Wirkung des Buches aber in keiner Weise schmälern.

Am Ende des Buches findet sich dann zusätzlich noch ein Anhang mit Informationen zu Bildern und Serien. Das rundet das Buch noch mal ab und macht das Schaffen Christian Vogts noch transparenter.

Die Bilder

392 Abbildungen wollen betrachtet werden. Schon die Anzahl der Bilder fordert mich auf, länger zu schauen, mir Zeit zu nehmen. Viele Bilder sind Ausschnitte aus Serien. Allen Bildern haftet dieses schon beschriebene Mystische an, sich darauf einzulassen und hinter das Gesehene zu spüren. Das ist ganz großes Kino! Christian Vogt ist ein Meister der Formensprache, der Komposition von Licht und Farbe.

Manche Bilder sind absolut ästhetische museumsreife Präsentationen und andere Bilder machen den Eindruck des alltäglichen Ritsch-Ratsch-Klick-Bildes. Auf den ersten Blick denke ich: „So was würde ich bei meinen gemachten Bildern aussortieren.“ Aber der Blick bleibt doch auf diesen Bildern haften und ich suche nach dem Zauber, der sich in dem abgebildeten Alltäglichem befindet.

„The longer I look“; das ist ein passender Titel. Diese Bilder verleiten mich dazu, länger zu schauen. Rein subjektiv glaube ich auch manche Bilder aufgrund der Art und Weise wie sie gemacht wurden bestimmten Zeiträumen zuordnen zu können. Einige Blitzbilder z.B. passen nicht in die Zeit der computergesteuerten Multiblitzerei. Aber sie sind auch schon damals künstlerisch gewollt gemacht. Insofern ist eine solche Bemerkung überflüssig. Aber sie zeigt auch, wie viele verschiedene Dinge in diesem Bildband zu entdecken sind. Das macht schon Spaß darin zu blättern und zu verweilen. Und jeder Betrachter wird so seine eigenen Assoziationen entwickeln.

Die gezeigten Bilder sind sehr vielfältig, unterschiedlich. Halt ein Querschnitt aus fünf Dekaden Bildkunst. Es beginnt mit der Lyrik: „The longer I look / the less foreign it seems / even familiar / even a part of me“. Und es endet mit einem Laotse Zitat: „The visible gives the form to a work, the non-visible its value“.

Damit ist dieser Bildband aus meiner Sicht gut beschrieben. Das Gespräch zwischen Martin Gasser und Christian Vogt am Ende des Buches rundet die Auseinandersetzung mit den gezeigten Bildern noch einmal ab und zeigt etwas von der Sichtweise und der Denkart des Fotografen Christian Vogt.

Fazit

Ich kann dieses Buch, diesen Bildband empfehlen. Wer sich mit dem Werk Christian Vogts auseinandersetzen will oder wer gerne Fotografien betrachtet, sich mit ihnen auseinandersetzt wird von diesem Bildband nicht enttäuscht werden.

Inhalt 5 Sterne
Lesbarkeit 5 Sterne
Grafiken 5 Sterne
Kaufempfehlung 5 Sterne
Allgemeiner Eindruck 5 Sterne

Die Daten
Christian Vogt. The Longer I Look erschien am 6. April 2017 im Verlag Scheidegger & Spiess. Fotografien von Christian Vogt. Mit einem Gespräch zwischen Martin Gasser und Christian Vogt. 1. Auflage, 2017. Text Englisch. Gebunden, 264 Seiten, 210 farbige, 179 duplex- und 3 sw Abbildungen, 20 x 27.5 cm
ISBN 978-3-85881-791-4
Preis CHF 69,00 | EUR 68, 00

Rezension: Jörg Awiszio

Bewertung:
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ISBN: 3858817910

 
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