Analogfotografie: Interview mit Alexander Gehring in Monopol

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AnjaC

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Über das folgende Interview bin ich eben gestolpert. Als jemand, der nie in der analogen Dunkelkammer gearbeitet hat, lässt es mich eher verwirrt denn schlauer zurück. Ich glaube, ich weiß, was Gehring sagen will. Aber es gibt x Stellen, an denen ich einhaken würde, um nachzufragen oder dagegen zu argumentieren.

Also helft mir mal weiter: Will mir der Künstler was sagen, das ich nicht verstehe oder ist er einfach nur ein bisschen verpeilt?

Zwei Zitate als Beispiel:

Die analoge Fotografie lässt Unvorhersehbares passieren und hat etwas Unschuldiges zurückbekommen, ein bisschen vielleicht wie eine Großmutter, die einen gern in den Arm nimmt
und

Nicht zufällig wird die Dunkelkammer in meinen Arbeiten auch zum Ort der Séance, in dem Geister die Möglichkeit bekommen, zurückzukehren, um mit den Lebenden in Kontakt zu treten.

Zum Artikel:
 
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Dunkelkammer hat was.

Zirkus kann man im Fernsehen anschauen. Man sieht gut, weil niemand der Kamera die Sicht verdeckt. Man wird nicht abgelenkt, weil die Nachbarin die Tüte mit Naschkram öffnet, um die Kinder zu beruhigen. Der Mann mit Hut ... - TV ist besser !!!

Aber warste mal im Zirkus - das riecht, das knistert, die Manege - das ist Zirkus!

So ähnlich ist Dunkelkammer!
 
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Kay
Kay kommentierte
P.S.:
Schau das Bild von @Rod an "kontemplativ" - und das in der Dunkelkammer - so ein Erlebnis bleibt.
Digital ist das morgen von gestern.
(P.S.2 - an Rod: Hoffentlich nicht!)
 
Künstler sind glaube ich alle auf die eine oder andere Art verpeilt, ich würde auch den Großteil der ernsthaften Amateurfotografen, Modellbauer oder Leute die ein anderes Hobby intensiv betreiben dazu zählen.
Was die analoge Fotografie mit der Ausarbeitung in der Dunkelkammer so besonders macht ist der Prozess von der Idee zum Bild bis zum fertigen Abzug.
Die Arbeit in der Dunkelkammer kann sicher eine meditative und stark gefühlsabhängige Komponente haben, aber da wird jeder eine andere Erfahrung haben.
Man muss es mal gemacht haben, zumindest habe ich seit der ersten Foto AG in der Schule nie die Beziehung zur analogen Fotografie und der Arbeit in der Dunkelkammer verloren. Es aber im Prinzip auch eine Fleißarbeit, Filme, Papiere, Technik, die Chemikalien und ihre Entsorgung und der Zeitaufwand, ein halber Tag ist da nix.
Der Berührungspunkt zur digitalen Fotografie besteht meines Erachtens in der Entstehung des Bildes, der digitalen Aufarbeitung und in dem Ergebnis nach Belichtung auf Papier.
Der Weg dahin ist unterschiedlich und den geht der eine weniger künstlerisch als halt ein anderer.
 
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Nun ja, liebe Anja, Kunst kann ja auch sein, etwas zu sagen, ohne dass es das Gegenüber versteht .... :)

Ich habe nur sehr wenige Erfahrung aus der Dunkelkammerzeit und diese ist schon ewig her. Ich habe nur kurz in das Video geschaut. Das man sich bei der Entwicklung der belichteten Streifen noch einmal mit dem Motiv auseinander setzt, das kann ich nachvollziehen. Das aber tut man heute mit der Software auch, wenn auch anders.

Was sicher anders ist, ist der Zeitaufwand einerseits sowie die "handwerklichen" Tätigkeiten. Statt nur Klicks sind einige Schritte mehr notwendig bei der analogen Entwicklung.

So oder so meine ich gibt es verschiedene Zugänge zur Fotografie. Und analoge Fotografie kommt natürlich - inkl. selbst entwickeln - näher an ein Handwerk ran, als die digitale Fotografie.

Bei der Musik ist es ja nicht anders. Vor nicht allzu langer Zeit hiessen die Komponisten "Tonsetzer" und es wurde von der Haltung als ein "Handwerk" angesehen, wie auch Musiker. Heute pflegt man diese Haltung kaum mehr, weil im Grunde genommen heute jeder komponieren kann und ein youtube Video produzieren kann.
 
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Frank2111
Frank2111 kommentierte
Hier würde ich differenzieren wollen. Derjenige, der seine Arbeit als Kunst verstanden wissen will, für den ist die Arbeit in der Dunkelkammer ein ganzheitliches Agieren in seinem künstlerischen Prozess.

Für denjenigen, der seine Fotografie nicht als Kunst, sondern als eine sehr persönlich gestaltete Wiedergabe der Realität betrachtet - so wie ich - für den ist das ein isolierter technischer Prozess im Anschluss an die Gestaltung. Deswegen hat mich das nie wirklich gereizt. Einige Male über Dunkelkammer nachgedacht, weil ich irgendwann eine Isohelie faszinierend fand, aber den Gedanken dann doch verworfen.

Isohelie ist im übrigen bis heute nichts geworden, obwohl es doch heute so einfach geworden ist........ ;)
 
Aber es gibt x Stellen, an denen ich einhaken würde, um nachzufragen oder dagegen zu argumentieren.

Also helft mir mal weiter: Will mir der Künstler was sagen, das ich nicht verstehe oder ist er einfach nur ein bisschen verpeilt?
Argumente helfen vermutlich nicht so sehr, wenn man verstehen will, was den Kerl begeistert.

Er sagt "Ich bin bei der analogen Fotografie "hängengeblieben", weil ich den Prozess sehr schätze - besonders das Arbeiten in der Dunkelkammer." Dieser Prozess in der Kammer ist fühlbar, mit den Händen, Augen und mit der Nase.

Die tiefrote Dunkelheit, die Hitze des Vergrößerers, das invertierte Bild der abfotografierten Wirklichkeit in der Projektion (Weiß wird zu Schwarz und umgekehrt). Magisch entwickelt sich das Bild auf dem Papier, ein fast mystisches Auftauchen einer neuen Wirklichkeit und das alles in einer von der Außenwelt abgeschiedenen Kammer.

Für Künstler sind dies unendlich viele Impulse und Anregungen, die zu weiteren Assoziationen führen. Das ist genau der "Prozess", den sie suchen!

Das ist eine Erfahrungswelt, die absolut nichts mit dem Arbeiten vor dem Computerbildschirm gemein hat. Aber, das heißt nicht, dass das eine besser als das anderen ist. Der analoge Prozess hat seine eigene, tja, Magie, die langsam verloren geht.

Beste Grüße, Uli

PS: Mit der Digitalisierung hat sich auf breiter Eben eine technisch Betrachtung und vor allem Bewertung von Bildern durchgesetzt. "Schöne Schärfentiefe", "Auge scharf, Wimpern in der Unschärfe", usw...

PPS: Und die tollen Automatiken der Kameras normieren alles auf Normlicht...
 
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Für mich der Unterschied: man kann nicht am Regler drehen und zeitlgeich das Ergebnis sehen. Das ist der quasi 'magische' Moment. Beim Desktop Publishing sprach man von WYSIWYG, what you see is what you get.

In der Duka dreht man am Regler, der Blende oder der Zeitschaltuhr und ist dann erstmal gespannt, was dann ca. fünf bis zehn Minuten später als Abzug vor einem liegt. Diese Zeit der Ungewissheit, zudem noch in einem dunklen Raum, und die niemals vollständig vorhersehbaren Ergebnisse, sind eben emotional was anderes, als mit der Kaffetasse vor dem Bildschirm zu sitzen. Man nähert sich iterativ einem Bild, das es nur in der eigenen Vorstellung gibt, und erkennt manchmal in einer Fehlbelichtung eine neue Bildinterpretation, die man sich so im Voraus gar nicht vorstellen konnte.

Der Großmuttervergleich bezieht sich IMHO auf die romantische Vorstellung einer 'authentischen Analogfotografie', die eben weniger Manipulationsmöglichkeiten bot, und daher noch 'unschuldiger' war, als heutige PS-Kreationen und dennoch als die 'Großmutter' von PS berachtet werden kann.

'Rückckehr der Geister' interpretiere ich, als die Renaissance der alchemistischen, analogen Fotografie.
 
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In der Dunkelkammer gibt es keinen 'UNDO'-Button, belichtet ist belichtet Du musst von vorne anfangen, gehst in deiner Tätigkeit auf und fragst dich nach Stunden (oder wenn jemand an der Tür der provisorischen Dunkelkammer hämmert, weil das Klo besetzt ist), wo die Zeit geblieben ist...
 
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@AnjaC

- nicht mit Technik überfrachtet (obwohl auch das möglich wäre, kommt insbesondere auf den Vergrößerer an)

- viel manuelle, handwerkliche Arbeit

- den beißenden Geruch der Entwicklerchemie in der Nase

- trotz Dunkelkammerleuchten ist es sehr finster in der Dunkelkammer, nach 1-2 Minuten öffnet sich aber die Irisblende des Auges und man kann arbeiten.

- das leuchtende Foto auf dem Papierhalter muß mit dem Objektiv des Vergrößerers scharfgestellt werden (da gibt's aber auch welche mit Autofokus, sh. 1. Punkt), der Ausschnitt festgelegt werden, so in die Halterung eingeklemmt werden, daß es sich nicht wölbt und vieles weitere. Und es fokussiert und konzentriert MICH nur auf das Foto, um das es in diesem Moment geht. Weniger Ablenkung ist nicht möglich.

- Probestreifen belichten (die man natürlich vorher - im Dunklen- mit Schere oder Glattschnittmaschine zurechtgeschnitten hat)

- ggfls. Belichtung anpassen

- Probestreifen entwickeln (Wässern, Stoppen oder Fixieren nicht nötig, man muß nur sehen, ob das Bild richtig belichtet ist bzw. wie gewollt erschiene)

- nach den Probestreifen ENDLICH das richtige Bild in der gewünschten Größe belichten und entwickeln (dieses mal mit anschl. Wässern-Stoppen-Fixieren-Wässern-Trocknen)


Ich könnte die Prozedur noch ausführlicher schildern, aber ich hoffe, es kommt dabei rüber, daß dies eine hochgradig kontemplative, fotokunsthandwerkliche Arbeit sein kann, die den Laboranten für ein paar Stunden der Welt entführt. Und dabei rede ich von Schwarz/Weiss, für einen 24er Film ging da bei mir immer ein langer Nachmittag drauf, bis alles so war, wie ich es wollte. Farbverarbeitung ist noch deutlich aufwendiger und zeitintensiver.

Ich denke, dies alles führt zu solchen Aussagen wie in Deinem Ausgangsposting. Und ich kann solche Eindrücke und Schilderungen sehr gut nachvollziehen.

Ich hab' meine Laborausrüstung vor 20 Jahren für viel zu wenig Geld verkauft, ich konnte sie aber in die nächste Mietwohnung nicht mehr mitnehmen, nicht genügend Platz.

Wenn ich heute Lust auf Analogfotografie habe, schieße ich zumindest noch einen Diafilm, den ich aber bei den üblichen Drogenmärkten entwickeln lasse. Dann sehe ich mir die Dias einmal auf Projekor und Leinwand an (ein ähnlich aufwendiges Erlebnis wie im Labor), danach wird aber noch gescannt (hybride Arbeitsweise).

Viele Grüße

von

Christoph
 
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Analoge Photographie hat ihren eigenen Reiz. Aber ich schau mir kein Bild an, nur weil es analog aufgenommen wurde.

Ich habe mir mit 25 Jahren eine Lithographe/Gravur eines berühmten, spanischen Surrealisten gekauft. 30*40 cm, handkoloriert und signiert. Weil mir das Bild gefällt (immer noch). Weder weiss ich, wie man eine Lithographie oder Gravur herstellt, noch welche Tinte oder Farben oder Tusche oder Federn, welche Papier oder Pergament oder Leinwand verwendet wurden. Ich habe auch niemals eine Sekunde daran verschwendet, mir das auf YouTube anzuschauen. Mir gefällt das Motiv (ein weiblicher Akt ;o).

Und egal wie lange mich Jemand mit seinen Methoden und Prozessen und Abläufen vollseiert: mich interessiert sein innerer Trip einen Scheissdreck. Entweder er liefert ein tolles Ergebnis oder er nimmt an meinem Leben nicht teil!
 
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Vielen Dank für eure Beiträge und den ganzen Strauß an Informationen. Ich kann mir die Arbeit in der Dunkelkammer nur theoretisch vorstellen, habe aber inzwischen ein besseres Verständnis dafür, was sie bedeuten kann oder welche Eindrücke damit einhergehen.

Ich habe Bildbearbeitung immer nur am PC gemacht, also digital. Auch da kann ich - denke ich - ähnliches erleben, denn wie mein Bild am Ende aussehen wird, das weiß ich auch nicht immer - und auch da kann man ja die verrücktesten Dinge ausprobieren. Klar ist aber: das kann ich, jedenfalls in meinem Workflow, immer rückgängig machen, wenn es nicht gefällt oder die Bearbeitung von vorne beginnen. Das geht natürlich in der Dunkelkammer nicht. Enttäuscht das Ergebnis oder misslingt der Prozess, ist Ausgangsmaterial, Fotopapier etc. weg. Mich ärgert dann höchstens der Zeitverlust.

Und ja, auch das Argument der Handwerkskunst im unmittelbareren, haptischen Sinn will mir eingehen. Etwas mit den eigenen Händen zu machen, ist ein besonderes Gefühl und ganz anders als die Tastatur zu bedienen oder die Maus zu schubsen. Ich kenne das von meinen Handarbeiten oder der Gartenarbeit.

Das Gefühl allerdings "da ist mir was Schönes gelungen" und "guck mal, das habe ich gemacht - gesehen, fotografiert und bearbeitet", das habe ich auch, wenn ich ein Bild am PC bearbeite.

Vermutlich ist mir vor allem die etwas spinnert-künstlerische Wortwahl im Interview beim Verständnis in die Quere gekommen ;) Aber die Community hats mal wieder gerichtet :6874:
 
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shovelhead
shovelhead kommentierte
Dunkelkammer ist einfach zu beschreiben: schliesse die Augen und stelle Dir vor:

Du stehst in einem dunklen Raum, es riecht nach einer Mischung aus Essig und Darmwinden und Du zerreist Hundert-Euro Scheine

Kannst Die Augen wieder auf machen
 
Kay
Kay kommentierte

Mein lieber Aktfotograf:
Stell Dir vor,
es ist fast dunkel, das restliche Licht rot, neben Dir steht eine Kollegin, die auch einen Kurs bei der VHS gebucht hat.
Sie sieht verdammt gut aus, ihr entströmt ein Duft. Sie hantiert wie Du mit den Schalen, sieht nur kurz auf - Ihr berührt Euch,
zu hören ist nur das rühren in der Schüssel - und der Atem der Nachbarin ...
und dann kommt so ein Stiesel, der auch den Kurs gebucht hat und fragt, wo die Klammern zum aufhängen sind ...

Für das Bild ist es fast egal, wo es herkommt - für den Betrachter, nicht für den Ersteller.
Die digitalen Knipser saufen auch Bacardi & Cola aus der Dose - schmeckt genauso wie von José in Trinidad gemixt ... -- neh, bah ...

Und nur nebenbei: Zu "analogen Zeiten" haben ich Zehner zerrissen (D-Mark). Die hundert (und mehr) Euro kamen erst mit D.
 
…enorm viel nostalgische Dichtkunst hier.

Auch ich habe in der Dunkelkammer gesessen und die Bilder entwickelt, auch ich kenne die Prozesse, Geruch und die Schwierigkeiten bei der Entsorgung der Chemikalien (wenn man die Entsorgung „korrekt“ machen wollte)

Nach dem Einstieg in die Digitale Welt habe ich mein Labor verkauft und sogar zum Teil verschenkt. (kein Amateurequipment, da auch 4x5“ – da aber nur als Dia- oder Negativentwicklung - möglich war)

Ich sehe aus eigenen Erfahrungen in der digitalen Verarbeitung Parallelen zu der analogen Entwicklung.

Um das auch zu erkennen, muss man schon den Weg von der Belichtung des Bildes bis zu dem Fine Art Print selbst gehen. Das Gedöns um die (Monitor)Schärfe ist nicht das Ende der digitalen Prozesse.

Der Fine Art Print ist Dunkelkammerarbeit, nur mit anderen Mitteln. Es beinhaltet die gleiche Kreativität, genauso viel Wissen und handwerkliches Können wie bei den analogen Prozessen.

Hier im Forum gibt es, so ist zumindest mein Eindruck, ganz Wenige die diesen Weg gehen.

Nur am Rande: Die Möglichkeit der analogen Ausbelichtung ist auch möglich.

Auch zu bedenken: Ich habe noch nie eine analoge Kamera mit einem elektronischen Sucher gesehen, die muss man aber nach der letzten Forumsmeinungen haben, oder?



Gruß

Peter
 
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