Wo soll ich beginnen? Und mit welchem Bild. Es wird ein langer Thread. Und vorab die Orte, welche ich Euch zeige und die Kameras und Objektive, welche ich nutzte. Und dann folgt der Text, welche ich im Tessin begann zu schreiben. Ein Dankeschön, ein grosses Dankeschön an eine unvergessene, intensive Zeit des Dialoges mit diesen Orten.
Ich führe Euch mit der Nikon D4 und der Z50, mit unterschiedlichen Festbrennweiten und Zooms (Z50) durch folgende Täler:
- Val Redorta
- Val Ossola
- Val Vergoness
- Val Bavona
- Valle di Prato
Und, nicht zu übersehen, habe ich sehr oft mit dem 16mm Nikkor, MF, F 3.5 gespielt ... sowohl an der Z50 wie auch an der D4 macht das Teil einfach riesig Spass. Und vielleicht habe ich das 16mm auch so oft gebaucht, weil ich möglichst viel von dieser Inspiration einfangen möchte, welche mich über all die Jahre zuteil wurde ....
Am 7. August 2020 ist Schluss. Schluss mit dem Haus zur Buche, Schluss mit dem Philosophenweg, den Verzascatal und seinen wenigen aber unglaublich schönen Seitentälern. Zwei Jahre, knapp zwei Jahre intensiver Begegnungen, fotografisch, literarisch, emotional. Das Haus ist verkauft und der neue Besitzer benutzt es für den Eigenbedarf. Aber was sage ich da. Die Nordtäler des Tessins bereise ich seit über 20 Jahren. Immer wieder. Die letzten Jahre intensiv und ausgiebig.
Hier nahm ich Abschied von Joyce, der Schwester von Ena. Hier erholte ich mich, starrte an die Felsen und Bäume, als ob ich sie das erste Mal gesehen hätte. Stundenlang und immer wieder von Neuem. Es war, als ob ich immer das erste Mal hier wäre.
Bevor wir das Haus zur Buche mieteten, kannten wir es schon. Vor Jahren haben hier eine Woche Ferien verbracht. Und wir kriegten dieses Tal nicht los. Claudia und ich sprachen immer wieder von diesem Ort. Wir gingen hie und da hier zurück zum Wandern, bevor wir dann in den Jahresvertrag des Hauses zur Buche eingestiegen sind.
Mit der besten Frau der Welt unterwegs sein, ist schon ein Geschenk ....
Ich habe mich in all den Jahren intensiv mit dem Tessin befasst. Es begann schon sehr früh. Als Claudia und ich uns kennen lernten, stellte sich mich ihren Freunden im Tessin vor. Seit dann ist es um mich geschehen. Die Nordtäler, ja die Nordtäler. Jene Gegenden, die letztlich den Tessin mit dem Rest der nördlichen Halbkugel verbindet.
Und irgendwie bin ich immer ein bisschen gepilgert. Irgendwie. Wenn ich die aberhundert Bilder betrachte, dann ist es fast wie eine endlose Pilgerreise ....
Hier, in diesen Tälern, fand ich Zugang und zu Eigenschaften von mir, lernte zu manchen meiner Eigenschaften stehen. Hier stand ich wahrlich vor Bescheidenheit, Demut und Respekt. Ich hatte sie schon immer, diese Eigenschaften, sie haben sich hier einfach stark offenbart und greifbarer gemacht.
Ich habe mich der Geschichte und der Kultur gewidmet. Ich habe mich in die über hundert Sorten von Kastanienbäume eingelesen. Ich habe die wenigen Schriftsteller kennengelernt, die sich der Geschichte des Tessins und insbesondere der Nordtäler angenommen haben. Ich habe mich intensiv mit dem den Kaminfegerjungen beschäftigt: die Spazzocamini. Ich habe unzählige Fotos geschossen. Und jedes Mal dachte ich, dass ich hier schon fotografiert habe. Aber es war immer anders. Vielleicht war es immer gleich, aber ich war anders.
Manchmal sind Farben nicht wichtig. Die Kontraste und die Gegensätze springen ins Auge. Manchmal hörte ich das Klagen der Menschen, manchmal das Lachen. Manchmal war es laut, manchmal totenstill.
Hingebungsvoll habe ich solche Momente genossen. Dann kamen die Nächte. Stockfinster, je nach dem. Das Rauschen des Baches. Und hie und da die flinken Füsse der Marder auf dem Dachboden. Oft bin ich erwacht und musste schmunzeln ....
Ich kann keine Kunst. Hier zu fotografieren ist ein Prozess, ein Dialog. Hier gilt es nicht die Schönheit festzuhalten. Hier gilt zu erkennen, wie sich das Aussen und das Innen zueinander verhalten. Manchmal ist dies schmerzhaft, manchmal mit unglaublicher Glückseligkeit verbunden.
Wir, Claudia und ich, haben uns angewöhnt, kurz vor solchen Mahnmalen stehen zu bleiben. Nicht aus religiösen Gründen. Vielmehr war ein Akt von Respekt und Demut dem gegenüber, was wir hier wahrnahmen ....
Die Fotografie als Prozess von Dialog vom Innen und Aussen habe ich hier sehr genossen. Und gerade darum, weil sich die sichtbaren Veränderungen über all die Jahre in Grenzen hielten. Die Bäckerei im Dorf sieht fast noch gleich aus, wie vor Jahren. Und hinzugekommen ist nichts, ausser einem neuem Anbau des Museums. Hinzugekommen sind meine Jahre. Jahre zuhause, oft an Intensität nicht zu überbieten. Verändert habe ich mich, wohl kaum die Nordtäler.
Fast immer war ich alleine in den Kirchen und Kapellen. Ich mag mich erinnern, als ich vor Jahren in einer Kirche war und eine alte Frau sich aufmachte, die Kirche zu verlassen. Kurz vor dem Ausgang musste sie laut furzen. Und es passte.
Und dann gingen wir Wege, oft die gleichen. Aber eben, sie waren nie dieselben, wie das letzte Mal ....
Es ist nicht eine Frage, ob man Berge sieht. Es ist nicht eine Frage, ob man die Weite sieht. Wären die Berge nicht, dann sähe man das Mittelmeer. Aber das ist nicht entscheidend. Entscheidend ist das was in einem selbst passiert.
Ich habe mich oft erwischt, wie ich über mich selbst schmunzeln musste ....
Und so machen wir. ein Stück weiter ....
Kastanienbäume überlebe selbst Feuer. Und irgendwie treiben sie wieder aus ... Ein Baum, welches nicht nur über Jahrhunderte die Grundnahrung der Tessiner war, sondern auch Zeichen von Kraft und Durchhaltewllle ....