Ehrlich gesagt passen die beiden Aussagen AF-D 2/35 & Otus nicht so ganz zusammen.
Sie widerlegen jedoch beide die Aussage, dass höhere Sensorauflösungen bei den derzeit zur Verfügung stehenden Objektiven nicht sinnvoll seien: Der Test des AF-D 2/35 zeigt, dass die effektive Auflösung des Bildes selbst bei der Verwendung eines älteren Objektivs immer noch steigt, wenn ein höher aufgelöster Sensor verwendet wird. Zwar setzt das Objektiv der Steigerung Grenzen, da seine eigene Unschärfe zunehmend ins Gewicht fällt, aber eine Verbesserung zeigt sich dennoch.
Der Test des Otus zeigt hingegen, dass es Objektive gibt, bei denen vor allem der Sensor der limitierende Faktor ist, was daran zu erkennen ist, dass die effektive Auflösung des Bildes sehr nah an die Auflösung des Sensors herankommt. Wir können also davon ausgehen, dass ein Objektiv wie das Otus noch genug Reserven für höher auflösende Sensoren hat.
Die Abneigung gegen immer höhere Auflösungen beruht meiner Meinung nach im Wesentlichen auf zwei Gründen. Erstens ist da der vor einigen Jahren durchlebte Megapixel-Wahn bei den Kompaktkameras: Um mit immer höheren Megapixel-Werten werben zu können, war die Sensorauflösung sogar auf Kosten anderer wünschenswerter Eigenschaften (Empfindlichkeit, Rauschverhalten, etc.) erhöht worden.
Zweitens bedeuten höhere Sensorauflösungen auch einen größeren Speicherbedarf der Bilder, was nicht folgenlos bleibt, denn die technischen Anforderungen steigen in allen Bereichen: Man benötigt z.B. schnellere Speicherkarten. Wären die Karten (und die Kartenleser in den Kameras) nicht schneller, dann sänke unweigerlich die Serienbildrate bzw. es dauerte länger, bis der Pufferspeicher der Kamera geleert und die Kamera bereit für eine neue Serie ist. Der größere Speicherbedarf erfordert auch generell größere Speicherkarten und möglicherweise auch neue und leistungsstärkere Computer-Hardware zur weiteren Bearbeitung.
Damit eine höhere Sensorauflösung attraktiv ist, müssen also die Vorteile die Nachteile überwiegen; einige mögliche Nachteile wären vermutlich auch inakzeptabel. So sollte es z.B. keinen Rückschritt bei der Sensordynamik bei nomineller ISO-Zahl geben. Fotografen haben 12, 14 und mehr Bit als Reserve für die Nachbearbeitung schätzen gelernt, die wohl kaum jemand wieder hergeben möchte. Auch das Rauschverhalten bei höheren ISOs sollte sich nicht unbedingt verschlechtern; das Rauschen sollte sich mindestens nach Herunterskalieren des Bildes auf die Auflösung des Sensorvorgängers im gleichen Bereich befinden.
Wer häufig mit hohen ISOs fotografiert, der muss hier schon abwägen: Warum sollte man die höheren technischen Anforderungen an die eigene Hardware in Kauf nehmen (und Geld für eine neue Kamera ausgeben), wenn man am Ende beim gleichen Ergebnis landet? Zumindest wäre das neue Kameramodell für weniger Käufer attraktiv.
Ich denke jedoch, dass all dies auch die Entwickler bei Nikon wissen und möchte in dem Zusammenhang an die Skepsis erinnern, die bei der Vorstellung der D800 aufkam. Das Ergebnis hat jedoch alle überrascht.
Ich selbst bin der Ansicht, dass die Megapixel eine immer kleinere Rolle bei der Kaufentscheidung spielen, und andere Merkmale, wie z.B. das Autofokussystem eine wichtige Rolle dabei spielen werden. Was jedoch nicht kommen wird, das ist die eierlegende Wollmilchsau, also eine Kamera die höchste Auflösung, hohe nutzbare ISOs und hohe Serienbildrate bietet. Wer das erwartet, der wird zwangsläufig enttäuscht. Man muss jeodch kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass sich bei Erscheinen der D850 (oder wie auch immer sie heißen wird) genau dieser Personenkreis lautstark zur Wort melden wird, weil sie in mindestens einem dieser drei Bereiche nicht in allerhöchste Sphären vorstoßen wird.
Zum Ende noch ein kleines technisches Detail zu den Sensoren: Der angesprochene MP-Wahn bei den Kompaktkameras war auch deswegen absurd, weil die Leiterbahnen (die man nicht beliebig dünn fertigen kann) mit steigender Pixelzahl einen immer größeren Anteil der Chipfläche beanspruchten und so die fotografisch wirksame Fläche der Sensoren einschränkten. Seitdem gab es jedoch entscheidende Fortschritte; einer der wichtigsten dürfte der Schritt zu den "Backlit"-Sensoren gewesen sein, bei denen sich die Leiterbahnen auf der Rückseite des Sensors befinden und die Pixel somit nicht mehr verdecken. (Wenn man es von der Optikseite her betrachtet; fertigungstechnisch ist die Seite mit den Leiterbahnen die Vorderseite und das Licht fällt auf die Rückseite - deswegen "Backlit").